1. Mit Datum vom 5. Juni 1996 verfaßte der Rechnungshof des Landes Bremen eine “Mitteilung über die Prüfung der Haushaltsüberschreitung im Rahmen des Modellversuchs “Schulbauinvestitionen”. Einleitend heißt es, daß die “ungewöhnlich hohen Überschreitungen 1995” des Modellversuchs “Schulbauinvestitionen” im Haushalt des Senators für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport zum Anlaß genommen worden seien, die Ursachen der Mittelüberschreitung und die Mittelbewirtschaftung im Rahmen des seit 1994 laufenden Modellversuchs zu prüfen. Der Bericht enthält im weiteren zahlreiche Beanstandungen. Die Mitteilung wurde mit der Bitte um Stellungnahme unter dem 7. Juni 1996 bzw. unter dem 11. Juni 1996 an die Senatsressorts für Finanzen sowie für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport übermittelt.
2. Die Beschwerdeführerin zu 3) ist ein Zeitungsverlag, der unter anderem die Tageszeitungen “Bremer Nachrichten” und “Weser Kurier” herausgibt. In beiden Zeitungen erschien am 8. Juni 1996 ein Artikel, der sich auf der Grundlage des Berichts des Landesrechnungshofs mit dem Chef der Senatskanzlei und ehemaligem Leiter des Bildungsressorts befaßte. Der Bericht des Landesrechnungshofs war der Beschwerdeführerin zu 3) nach ihrem Vortrag von dritter Seite zugegangen.
Der Beschwerdeführer zu 2) ist Journalist und Ressortleiter der Redaktion Lokales der Tageszeitung “Weser Kurier”. Er zeichnete sowohl für den Artikel im “Weser Kurier” als auch für einen gleichzeitig veröffentlichten Kommentar zu der Angelegenheit verantwortlich.
Die Beschwerdeführerin zu 1), eine Rundfunkanstalt, berichtete am 11. Juni 1996 über die Mitteilung des Rechnungshofs. In diesem Rahmen interviewte eine Journalistin den Präsidenten des Landesrechnungshofs und konfrontierte ihn dabei mit einer vollständigen Kopie des Berichts.
3. Auf eine Anzeige des Präsidenten des Landesrechnungshofs, der Mitarbeiter der mit dem Prüfbericht befaßten Behörden verdächtigte, den vertraulichen Bericht unbefugt an Medienvertreter weitergeleitet zu haben, leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts auf Verletzung eines Dienstgeheimnisses ein.
4. a) Mit dem im Verfahren 1 BvR 1935/96 angegriffenen Beschluß vom 7. August 1996 ordnete das Amtsgericht gemäß §§ 103, 105 StPO die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume der Beschwerdeführerin zu 1) an, da zu vermuten sei, daß die Durchsuchung zur Auffindung von zu beschlagnahmenden Beweismitteln führen werde. Eine bei der Beschwerdeführerin zu 1) arbeitende Journalistin habe eine Kopie des Berichts bei der Durchführung eines Fernsehinterviews mit dem Präsidenten des Rechnungshofes verwendet. Aus Kopien des Berichtes mit etwaigen hand- oder maschinenschriftlichen Begleitschreiben könnten sich Hinweise darauf ergeben, wer der Informant sei. Der Durchsuchung stehe das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO nicht entgegen.
Am 20. August 1996 fand in den Redaktionsräumen der Beschwerdeführerin zu 1) die Durchsuchung statt. Dabei wurde nach der Kopie des Berichts gesucht. Der Bericht wurde auf dem Schreibtisch der Journalistin, die das Interview geführt hatte, gefunden und beschlagnahmt.
Mit dem angegriffenen Beschluß vom 30. August 1996 bestätigte das Amtsgericht die Beschlagnahme der Kopie des Berichts, da dieser als Beweismittel benötigt werde und der Einziehung unterliege. Die Berichtskopie sei nach § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO von der Beschlagnahmefreiheit ausgenommen. Da sie aus einer strafbaren Handlung herrühre, habe der beteiligte Sender kein Recht, weiterhin in ihrem Besitz zu bleiben. Aus diesem Grunde verbiete es sich auch, als milderes Mittel etwa dem Sender oder der Redaktion eine weitere Kopie zu überlassen.
b) Im Verfahren 1 BvR 1945/96 ordnete das Amtsgericht mit einem inhaltlich dem Beschluß im Verfahren 1 BvR 1935/96 entsprechendem Beschluß die Durchsuchung der Redaktionsräume der Beschwerdeführerin zu 3) sowie der Wohn- und Nebenräume des Beschwerdeführers zu 2) an. In der Redaktion wurde am 20. August 1996 dessen Arbeitsplatz einschließlich der neben dem Schreibtisch stehenden Aktentasche durchsucht; sodann wurde auch die Privatwohnung des Beschwerdeführers zu 2) durchsucht. Beide Durchsuchungen verliefen negativ.
c) Das Verfahren 1 BvR 1946/96 betrifft die Durchsuchung der Redaktionsräume der Beschwerdeführerin zu 3), die auf den eben genannten Beschluß des Amtsgerichts hin am 20. August 1996 stattfand.
5. Die Beschwerden der Beschwerdeführer verwarf das Landgericht mit seinen jeweils angegriffenen – inhaltlich gleichlautenden – Beschlüssen als unzulässig. In Übereinstimmung mit der in der Rechtsprechung einhellig vorherrschenden Ansicht vertrete die Kammer die Auffassung, daß Beschwerden gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen grundsätzlich dann unzulässig seien, wenn sie im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits erledigt seien. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn festgestellt werden könne, daß der Richter bei Anordnung der Durchsuchung und der Beschlagnahme willkürlich ermessensfehlerhaft gehandelt habe, und ein nachwirkendes Rechtsschutzinteresse an der Feststellung dessen bestehe. Die Voraussetzung einer willkürlich ermessensfehlerhaften Entscheidung sei vorliegend nicht gegeben. Die mit wenigen Ausführungen begründete Auffassung des Ermittlungsrichters, daß eine Durchsuchung und später auch die Beschlagnahme des Prüfungsberichts den rechtlichen Anforderungen genüge, sei jedenfalls nicht in einem solchen Maße unvertretbar, daß sich mangels sachlich zureichender, plausibler Gründe der Schluß der Willkür aufdränge. Allerdings sei bei einer Durchsuchung ebenso wie bei ihrer Anordnung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Im vorliegenden Fall habe man zwischen dem staatlichen Interesse an der Aufklärung einer Straftat einerseits und der Pressefreiheit andererseits abwägen müssen. Es ergäben sich dabei erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. Trotzdem könne die Kammer die amtsgerichtlichen Entscheidungen nicht bereits als auf sachfremden Erwägungen beruhende, objektiv willkürliche Entscheidungen ansehen.
6. Die Beschwerdeführerin zu 1) rügt in ihrer Verfassungsbeschwerde, daß die Durchsuchung und die nachfolgende Beschlagnahmeanordnung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG darstellten.
Der Beschwerdeführer zu 2) rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Eine auf ihn individuell bezogene richterliche Tatsachenermittlung der relevanten Belange und eine verfassungsorientierte Abwägung der Interessen an der Aufklärung und dem Gewicht seiner Grundrechte habe nicht stattgefunden. Dabei sei er nicht als Verdächtiger oder gar Beschuldigter einer Straftat den Zwangsmaßnahmen ausgesetzt worden, sondern als unverdächtiger Dritter. Das Landgericht folge in der Sache im wesentlichen seinem Vorbringen. Die Auffassung zur Überprüfbarkeit “erledigter” Durchsuchungsmaßnahmen sei revidierungsbedürftig.
Im Verfahren 1 BvR 1946/96 trägt die Beschwerdeführerin zu 3) vor, die Anordnung der Durchsuchung und die Durchsuchung selbst verletzten sie in ihren Grundrechten aus Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 20 Abs. 2 und 3 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts sei willkürlich, weil ein Beschlagnahmeverbot bestanden habe. Sie verstoße auch gegen das Übermaßverbot.
7. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat von einer Stellungnahme abgesehen.
1. Soweit die Verfassungsbeschwerden sich gegen die Rechtsmittelentscheidungen des Landgerichts wenden, sind sie zulässig und begründet.
a) Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluß vom 30. April 1997 (2 BvR 817/90 u.a. – BVerfGE 96, 27) seine frühere Rechtsprechung, wonach Art. 19 Abs. 4 GG bei erledigten Grundrechtseingriffen in der Regel eine nachträgliche Prüfung durch die Fachgerichte nicht verlange (vgl. BVerfGE 49, 329 ff.), aufgegeben. Die von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Effektivität des Rechtsschutzes verbietet es den Rechtsmittelgerichten, ein von der jeweiligen Prozeßordnung eröffnetes Rechtsmittel ineffektiv zu machen. Davon muß sich das Rechtsmittelgericht bei der Antwort auf die Frage leiten lassen, ob im jeweiligen Einzelfall für ein nach der Prozeßordnung statthaftes Rechtsmittel ein Rechtsschutzinteresse besteht. Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es zwar grundsätzlich vereinbar, wenn die Gerichte ein Rechtsschutzinteresse nur so lange als gegeben ansehen, wie ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen. Darüber hinaus ist ein Rechtsschutzinteresse aber auch in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe gegeben, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, daß der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden – wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden – Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen.
Die Bejahung eines solchen tiefgreifenden Grundrechtseingriffs kommt vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz – wie im Falle des Art. 13 Abs. 2 GG – vorbeugend dem Richter vorbehalten hat. Zu der Fallgruppe tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, gehört die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen aufgrund richterlicher Durchsuchungsanordnung einschließlich der in diesem Rahmen erfolgenden Beschlagnahmeanordnungen. Bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Medienunternehmen fällt zusätzlich der Eingriff in die Presse- oder Rundfunkfreiheit ins Gewicht (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪187≫).
b) Gemäß §§ 304 ff. StPO ist gegen die richterliche Durchsuchungsanordnung ebenso wie gegen den Beschlagnahmebeschluß die Beschwerde statthaft. Die Zulässigkeit einer solchen Beschwerde ist vom angerufenen Fachgericht unter Beachtung der dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen zu beurteilen. Danach darf die Beschwerde nicht allein deswegen, weil die richterliche Anordnung vollzogen sei und die Maßnahme sich deshalb erledigt habe, unter dem Gesichtspunkt prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden. Bei Durchsuchungen von Wohn- oder Redaktionsräumen ist vielmehr schon wegen des Gewichts des Eingriffs in das Grundrecht des Art. 13 Abs. 1 sowie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen zu bejahen.
c) Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts werden diesem verfassungsrechtlichen Maßstab nicht gerecht. Indem sie die Beschwerden schon wegen prozessualer Überholung als unzulässig verworfen haben, verletzen sie Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. In der Sache hat das Landgericht bereits ausgeführt, daß erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Eingriffe bestünden.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerden sich gegen die amtsgerichtlichen Beschlüsse sowie gegen den Vollzug der Durchsuchung richten, sind sie nicht zur Entscheidung anzunehmen. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gebietet es, daß ein Beschwerdeführer den fachgerichtlichen Rechtsweg ausschöpft, damit seine verfassungsrechtliche Beschwer gegebenenfalls bereits dort ausgeräumt wird. Mit der Zurückverweisung der Sachen an das Landgericht steht den Beschwerdeführern nunmehr noch eine fachgerichtliche Instanz zur Entscheidung über ihre rechtlichen Einwände zur Verfügung.
3. Da die Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden im wesentlichen durchdringen, ist der Auspruch der vollen Auslagenerstattung angemessen (§ 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.