Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen mit dem Grundgesetz vereinbar
Leitsatz (amtlich)
1. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Grundlage in GG Art 9 Abs 3 findet (Anschluß BVerfG, 1973-02-27, 2 BvL 27/69, BVerfGE 34, 307). Er kann nicht an GG Art 80 gemessen werden.
2. Das Grundgesetz erkennt in dem von GG Art 9 Abs 3 maßgeblich gestalteten Bereich der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen, in dem der Staat seine Regelungszuständigkeit zugunsten der eigenverantwortlichen Schaffung von Rechtsregeln durch die Koalitionen weit zurückgenommen hat, besondere Formen von Normsetzung an.
3. Die allgemeinverbindlichen Tarifnormen sind gegenüber den Außenseitern durch die staatliche Mitwirkung noch ausreichend demokratisch legitimiert.
Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.
Normenkette
AOG § 32; ArbGG § 60 Abs. 4 S. 1; BUrlG §§ 1, 11 Abs. 1, § 13 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 4; GG Art. 20 Abs. 2, Art. 80 Abs. 1, Art. 80, 82 Abs. 1 S. 2, Art. 9 Abs. 3; HAG § 19; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 1; TarifV § 2; RVVerkG § 1; TVG § 5 Abs. 2-7; TVG 1949; TVGDV § 11
Verfahrensgang
Gründe
A.
Gegenstand des konkreten Normenkontrollverfahrens ist die Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
1. Nach § 1 Abs 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) in der Fassung vom 25. August 1969 (BGBl I S 1323), zuletzt geändert durch Art II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes vom 29. Oktober 1974 (BGBl I S 2879), enthält der Tarifvertrag neben der Regelung von Rechten und Pflichten der Tarifvertragsparteien Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. Diese Rechtsnormen gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, soweit sie unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen (§ 4 Abs 1 TVG). Tarifgebunden sind gemäß § 3 Abs 1 TVG grundsätzlich (vgl § 3 Abs 2 TVG) nur die Mitglieder der Tarifvertragsparteien (§ 2 TVG) sowie einzelne Arbeitgeber, die selbst Partei eines Tarifvertrags sind.
Die fehlende Tarifbindung eines Partners oder beider Partner von Arbeitsverhältnissen, die in den räumlichen, persönlichen, fachlichen und betrieblichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags fallen, kann insbesondere in Zeiten nachlassender Konjunktur und gefährdeter Vollbeschäftigung schwerwiegende Nachteile für die Tarifgebundenen und Gefahren für die Verwirklichung des Tarifvertrags zur Folge haben: Nichtorganisierte Arbeitnehmer können Gewerkschaftsmitglieder beim Wettbewerb um knapp gewordene Arbeitsplätze dadurch verdrängen, daß sie auf untertarifliche Arbeitsbedingungen eingehen; Arbeitgeber können sich durch bevorzugte Einstellung von Außenseitern zu untertariflichen Löhnen Konkurrenzvorteile verschaffen. Diesen als „Lohndrückerei” und „Schmutzkonkurrenz” bezeichneten Mißständen wirkt die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags entgegen. Mit ihr erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs 4 TVG).
2. In der Erwägung, daß die wirksame Verbreitung kollektiv ausgehandelter Arbeitsbedingungen das beste und schmiegsamste Mittel zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen aller am Arbeitsleben Beteiligten sei, hatte schon § 2 der Verordnung des Rates der Volksbeauftragten über Tarifverträge, Arbeiterausschüsse und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23. Dezember 1918 (RGBl S 1456), durch die erstmals die unmittelbare und zugunsten der Arbeitnehmer zwingende Wirkung von tariflichen Regelungen angeordnet wurde, das Reichsarbeitsamt (später: den Reichsarbeitsminister) ermächtigt, solche Tarifverträge, die für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen des Berufskreises in dem Tarifgebiet überwiegende Bedeutung erlangt hatten, auf Antrag für allgemeinverbindlich zu erklären. Während der Herrschaft des Nationalsozialismus traten aufgrund des § 32 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 (RGBl I S 45) an die Stelle der Tarifverträge die vom Treuhänder der Arbeit festzusetzenden und bekanntzumachenden Tarifordnungen, deren Bestimmungen in ihrem Geltungsbereich von vornherein für alle Arbeitsverhältnisse rechtsverbindlich waren. Nach Kriegsende wurde das Tarifvertragswesen zuerst im Gebiet der ehemaligen amerikanischen und britischen Besatzungszone durch das vom Wirtschaftsrat beschlossene Tarifvertragsgesetz vom 9. April 1949 (WiGBl S 55) neu geregelt. Das Rechtsinstitut der Allgemeinverbindlicherklärung war zuvor in den Verfassungen von Bayern (Art 169 Abs 2) und Baden (Art 38 Abs 3) verankert worden. Die im Bereich der ehemaligen französischen Zone zunächst noch fortgeltenden Bestimmungen der Länder über Tarifverträge wurden durch das Gesetz über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes vom 23. April 1953 (BGBl I S 156) aufgehoben. Nach Ausdehnung auf das Saarland durch Gesetz vom 30. Juni 1959 (BGBl I S 361) sowie Einfügung einer Berlin-Klausel (vgl § 12b TVG) durch das Heimarbeitsänderungsgesetz und Übernahme des Tarifvertragsgesetzes durch Berliner Gesetz vom 16. Januar 1975 (GVBl S 193) ist das Tarifvertragsrecht einschließlich der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen im gesamten Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) einheitlich geregelt.
3. Auch nach geltendem Recht ist Voraussetzung für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags, daß er in seinem Geltungsbereich bereits eine gewisse Bedeutung erlangt hat. § 5 Abs 1 Nr 1 TVG regelt dieses Erfordernis formal in der Weise, daß nicht weniger als die Hälfte der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sein muß. Nicht erforderlich und für sich allein auch nicht ausreichend ist, daß die Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse tatsächlich tarifgemäß gestaltet ist.
Ferner muß die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheinen (§ 5 Abs 1 Nr 2 TVG). Ein solches öffentliches Interesse kann aus einer möglichen Gefährdung des Arbeitsfriedens durch Aushöhlung des Tarifvertrags erwachsen, ferner aber auch aus dem Bestreben, den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern.
Erscheint die generelle Tarifgebundenheit in einem bestimmten Wirtschaftszweig zur Behebung eines sozialen Notstandes erforderlich, so kann die Allgemeinverbindlicherklärung unabhängig von Mindestbeschäftigtenzahl und öffentlichem Interesse ausgesprochen werden (§ 5 Abs 1 Satz 2 TVG). Mit diesem durch Gesetz vom 11. Januar 1952 (BGBl I S 19) eingefügten Tatbestand hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, daß gerade in Wirtschaftszweigen und Wirtschaftsgebieten mit schwach ausgeprägter Organisierung der Arbeitgeber – wie etwa im Bereich der Landwirtschaft – unangemessene Arbeitsbedingungen besonders häufig vorkommen können.
Das Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung ist im Tarifvertragsgesetz und in der aufgrund des § 11 TVG erlassenen Verordnung zur Durchführung des Tarifgesetzes vom 20. Februar 1970 (BGBl I S 193) – DVO-TVG – im einzelnen geregelt. Hiernach erfolgt die Allgemeinverbindlicherklärung nicht von Amts wegen, sondern bedarf des Antrags einer Tarifvertragspartei. Zuständig für die Durchführung des Verfahrens ist, vorbehaltlich des § 5 Abs 6 TVG, der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (im folgenden: Bundesminister). Dieser kann einen Antrag abweisen, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 TVG offensichtlich nicht erfüllt sind (§ 4 Abs 2 DVO-TVG). Andernfalls macht er den Antrag im Bundesanzeiger bekannt und gibt gleichzeitig den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit, binnen einer bestimmten Frist zum Antrag schriftlich Stellung zu nehmen (§ 5 Abs 2 TVG, § 4 Abs 1 DVO-TVG). Nach Ablauf dieser Frist beruft er den Tarifausschuß zu einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung über den Antrag ein. In dieser Verhandlung, deren Zeitpunkt ebenfalls im Bundesanzeiger bekanntzumachen ist, haben die in § 5 Abs 2 TVG Genannten Gelegenheit zur Äußerung.
Der beim Bundesminister errichtete Tarifausschuß besteht aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen (§ 12 TVG) der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die der Bundesminister aufgrund von Vorschlägen dieser Organisationen bestellt (§ 5 Abs 1 TVG, § 1 DVO-TVG). Die Verhandlungen und Beratungen des Ausschusses leitet ein beauftragter des Bundesministers ohne Stimmrecht (§§ 2 Abs 1, 3 Abs 1 Satz 2 DVO-TVG). Der Ausschuß ist beschlußfähig bei Anwesenheit aller Mitglieder und faßt seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit (§§ 2 Abs 2, 3 Abs 1 Satz 1 DVO-TVG).
Der Bundesminister kann die Allgemeinverbindlicherklärung ungeachtet eines zustimmenden Beschlusses des Tarifausschusses ablehnen. Will er dem Antrag stattgeben, so ist ihm dies nur im Einvernehmen mit dem Tarifausschuß möglich (§ 5 Abs 1 TVG, § 7 DVO-TRVG). Die Allgemeinverbindlicherklärung bedarf der Bekanntmachung im Bundesanzeiger (§ 5 Abs 7 TVG, § 11 DVO-TVG) und muß außerdem in das beim Bundesminister geführte, für jedermanns Einsicht offene Tarifregister eingetragen werden (§ 6 TVG, §§ 14ff DVO-TVG). Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für die ein Tarifvertrag infolge der Allgemeinverbindlicherklärung verbindlich geworden ist, können von einer der Tarifvertragsparteien eine Abschrift des Vertrags gegen Erstattung der Selbstkosten verlangen (§ 9 DVO-TVG). Die Arbeitgeber müssen die für ihren Betrieb maßgebenden Tarifverträge an geeigneter Stelle im Betrieb auslegen (§ 8 TVG).
Die Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung ist die Erstreckung der Tarifgebundenheit auf die Außenseiter. Über die sich aus §§ 3 Abs 1, 4 Abs 1 TVG ergebende Rechtslage hinaus gelten die Normen des Tarifvertrags nunmehr für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter seinen Geltungsbereich fallen (§ 5 Abs 4 TVG). Am Inhalt des Tarifvertrags und an seinem Geltungsbereich ändert die Allgemeinverbindlicherklärung nichts.
Der Bundesminister kann die Allgemeinverbindlicherklärung ohne Bindung an einen Antrag einer Tarifvertragspartei, aber ebenfalls nur im Einvernehmen mit dem Tarifausschuß und nach Durchführung eines schriftlichen und mündlichen Anhörungsverfahrens, aufheben, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint (§ 5 Abs 5 Satz 1 und 2 TVG, § 10 DVO-TVG). Auch die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit bedarf der Bekanntmachung im Bundesanzeiger (§ 5 Abs 7 TVG, § 11 DVO-TVG) und ist außerdem im Tarifregister zu vermerken (§ 6 TVG, § 15 DVO-TVG).
Außer durch Aufhebung der Allgemeinverbindlicherklärung endet die Allgemeinverbindlichkeit mit dem Ablauf oder der Aufhebung des zugrundeliegenden Tarifvertrags (§ 5 Abs 5 TVG). Die Tarifvertragsparteien haben dem Bundesminister das Außerkrafttreten und etwaige Änderungen von Tarifverträgen innerhalb eines Monats mitzuteilen (§ 7 TVG). Diese Mitteilungen werden ebenfalls im Bundesanzeiger bekanntgemacht (§ 11 DVO-TVG), die Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit wird ins Tarifregister eingetragen (§ 6 TVG, § 15 DVO-TVG); beide Akte haben indes nur deklaratorische Bedeutung.
Sollen die geänderten Bestimmungen eines Tarifvertrags auch für die Außenseiter gelten, so müssen sie gesondert für allgemeinverbindlich erklärt werden.
4. Die praktische Bedeutung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist – vor allem im Baugewerbe – erheblich.
In den letzten Jahren hat die Zahl der allgemeinverbindlichen Tarifverträge von 158 am 31. Dezember 1968 auf 479 (nunmehr einschließlich Berlin) am 1. Januar 1976 zugenommen. Das Arbeitsverhältnis jedes fünften Arbeitnehmers in der Bundesrepublik ist jedenfalls teilweise durch einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag bestimmt (vgl die Informationen in Recht der Arbeit 1976, 189 und 1977, 39).
II.
1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens macht gegen seine Arbeitgeberin einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt in Höhe von 1.824,- DM brutto geltend. Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist er seit dem 11. Oktober 1973 bei der Beklagten beschäftigt. Vom 28. Oktober 1973 bis zum 3. Juli 1974 war er arbeitsunfähig erkrankt. Anschließend hat er mit Einverständnis der Beklagten, die ihn weiter beschäftigen wollte, seinen Urlaub für 1974 genommen. Die Beklagte lehnt die Zahlung des Urlaubsentgelts ab, weil der Kläger im Jahre 1974 noch nichts verdient habe.
Der Kläger ist nach seinen Angaben nicht Mitglied der IG Bau-Steine-Erden; die Beklagte hat erklärt, sie sei nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes.
2. Durch Beschluß vom 26. Juli 1974 hat das Arbeitsgericht Solingen das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob § 5 TVG verfassungswidrig sei. Das vorlegende Gericht führt aus:
Die Entscheidung hänge von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift ab. Sei sie gültig, so richte sich der Anspruch des Klägers nicht nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vom 8. Januar 1963 (BGBl I S 2), zuletzt geändert durch Art II § 2 des Heimarbeitsänderungsgesetzes, sondern nach dem vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 1. April 1971 (vgl Bekanntmachung vom 5. Juli 1971, BAnz Nr 128, S 1). Hiernach stehe dem Kläger kein Urlaubsentgelt zu, weil dieses sich nach dem Urlaub erzielten Arbeitsverdienst richte, der Kläger aber infolge seiner Erkrankung im Jahre 1974 noch nichts verdient habe. Auch ein Ausgleichsanspruch, der im übrigen für den gesamten Urlaub höchstens 90,- DM brutto betragen würde, sei nicht gegeben. Sei § 5 TVG und die auf diese Norm gestützte Allgemeinverbindlicherklärung hingegen ungültig, so könne der Kläger nach § 11 in Verbindung mit §§ 1, 3, 4 BUrlG Urlaubsentgelt für das Urlaubsjahr 1974 in Höhe von mindestens 820,- DM brutto verlangen.
§ 5 TVG sei nachkonstitutionelles Recht. Der Bundesgesetzgeber habe die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes beschlossene Norm durch die Änderungsgesetze vom 11. Januar 1952 und vom 14. August 1969 (vgl Art 4 des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes, BGBl I S 1106) sowie durch die Erstreckungsgesetze vom 23. April 1953 und vom 30. Juni 1959 nachträglich in seinen Willen aufgenommen.
§ 5 TVG sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Nach Art 20 Abs 2 Satz 2 und Art 80 Abs 1 Satz 1 GG dürften die Gesetzgebungsorgane ihre Rechtsetzungsbefugnis auf Organe der vollziehenden Gewalt nur in der Form der Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen übertragen. Die Allgemeinverbindlicherklärung sei zwar Rechtsetzung, jedoch keine Rechtsverordnung, sondern eine weitere, dritte Art staatlicher Normsetzung. Mit dem überkommenen Begriff der Rechtsverordnung stehe in Widerspruch, daß die Allgemeinverbindlicherklärung nach Entstehung, Inhalt und Fortbestand vom Willen nichtstaatlicher Institutionen abhängig sei; zudem werde der Tarifvertrag als eigentlicher Inhalt der gesetzten Rechtsordnung nicht veröffentlicht.
Das Grundgesetz enthalte keine Befugnis des Gesetzgebers, Organe der vollziehenden Gewalt zu anderen Arten von Rechtsetzung zu ermächtigen. Selbst wenn man aber die Allgemeinverbindlicherklärung als Rechtsverordnung ansehe, sei § 5 TVG deshalb verfassungswidrig, weil für Allgemeinverbindlicherklärungen in Widerspruch zu Art 80 Abs 2 GG nicht die Zustimmung des Bundesrats vorgeschrieben sei.
§ 5 TVG verstoße ferner gegen das in Art 80 Abs 1 Satz 2 und 129 Abs 3 GG zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip der hinreichenden Bestimmtheit des Ausmaßes, in dem der Gesetzgeber Organe der vollziehenden Gewalt zur Rechtsetzung ermächtigen dürfe. Die Vorschrift des § 5 Abs 1 Nr 2 TVG, wonach die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheinen müsse, genüge diesem Erfordernis nicht.
Der bestimmende Einfluß nichtstaatlicher Institutionen auf Ausspruch, Inhalt und Bestand der Allgemeinverbindlicherklärung sowie die fehlende Veröffentlichung des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags seien ferner mit den Grundsätzen der rechtsstaatlichen Ordnung nicht zu vereinbaren. Die Verpflichtung der Arbeitgeber, die für ihren Betrieb maßgebenden Tarifverträge an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen, könne eine dem Rechtsstaatsprinzip genügende Veröffentlichung nicht ersetzen. Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, Rechtsanwälte und Tarifaußenseiter könnten das im Einzelfall maßgebliche Recht nur schwer ermitteln. Vergleiche man die geltenden Bestimmungen über die Publizität von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen und über das Tarifregister etwa mit der für Kartellverträge vorgeschriebenen Bekanntmachung ihres wesentlichen Inhalts (§§ 10, 9 Abs 4 Nr 5 GWB), so komme auch eine Verletzung des Art 3 GG in Frage. Da die aus der Unkenntnis des geltenden Tarifrechts folgenden Schwierigkeiten viele Außenseiter veranlaßt hätten, einer Tarifvertragspartei beizutreten, sei auch eine Verletzung des Grundrechts der negativen Koalitionsfreiheit in Betracht zu ziehen.
III.
1. Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu der Vorlage geäußert. Er hält § 5 TVG für formell und materiell verfassungsmäßig.
Die gesetzliche Ermächtigung zum Ausspruch der Allgemeinverbindlicherklärung sei mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Gewaltenteilung vereinbar. Die Allgemeinverbindlicherklärung sei weder ein Verwaltungsakt noch eine Rechtsverordnung. Die ihr zugrundeliegende sozialpolitische Zielsetzung sowie ihr enger Zusammenhang mit der durch Art 9 Abs 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie ließen sie vielmehr als akzessorischen Mitwirkungsakt in einem gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren der Tarifparteien und des Staates erscheinen, in dem kraft der Grundentscheidung des Art 9 Abs 3 GG zugunsten staatlicher Zurückhaltung bei der Regelung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen den Tarifparteien der Vorrang eingeräumt sei. Das von Verfassungs wegen garantierte Ziel des Tarifvertragsrechts, eine einheitliche Regelung der Arbeitsbedingungen durch autonome Normsetzung der Tarifparteien zu erreichen, sei insbesondere in Zeiten nachlassender Konjunktur durch Außenseiterkonkurrenz gefährdet. Ohne selbst materielle Rechtssätze zu schaffen oder die tariflichen Normen in die staatliche Rechtsordnung zu übernehmen und ohne die Herrschaft der Tarifparteien über den Tarifvertrag anzutasten, trage sie durch wirksame Verbreitung frei ausgehandelter kollektiver Arbeitsbedingungen in der Form eines unselbständigen, vom Willen der Tarifparteien abhängigen Rechtsetzungsakts den verfassungsrechtlichen Grundlagen des kollektiven Arbeitsrechts Rechnung. Die Allgemeinverbindlicherklärung erweise sich als geeignete staatliche Maßnahme zur Wahrung des Kernbereichs des Tarifvertragssystems und finde als Rechtsetzungsakt besonderer Art in Art 9 Abs 3 GG auch ihre verfassungsrechtliche Legitimation.
Inhalt, Zweck und Ausmaß der in § 5 TVG enthaltenen Ermächtigung seien hinreichend bestimmt. Gesetzliche Festlegungen hinsichtlich des Inhalts der für allgemeinverbindlich zu erklärenden Tarifverträge seien durch Art 9 Abs 3 GG ausgeschlossen. Die Allgemeinverbindlicherklärung stelle kein Gesetzessurrogat in einem an sich dem Gesetzgeber vorbehaltenen Bereich dar, das an Art 80 GG gemessen werden könne. Vielmehr bleibe die Regelung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen gemäß Art 9 Abs 3 GG in erster Linie der eigenverantwortlichen Rechtsetzungsbefugnis der Tarifparteien überlassen.
Da der Verfassungsgeber der Tarifautonomie bewußt den Vorrang vor staatlichen Regelungen eingeräumt habe, stehe die Abhängigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung vom Willen der Tarifparteien auch mit Art 20 Abs 3 GG in Einklang. Zur Wahrung der Betätigungsfreiheit der Koalitionen sei eine nur begrenzte, unselbständige Mitwirkung des Staates an dem gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren geboten.
Verfassungsrechtliche Bestimmungen über die Verkündigung von Rechtsnormen seien nicht verletzt. Die Regelungen des Tarifvertragsgesetzes und der Durchführungsverordnung gewährleisteten eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Publizität der allgemeinverbindlichen Tarifverträge.
Für die Annahme, Außenseiter könnten sich wegen Unkenntnis des für sie geltenden Tarifrechts zum Beitritt zu einer Tarifpartei veranlaßt sehen, gäbe es keine Anhaltspunkte. Auch im übrigen sei eine Verletzung individueller Grundrechte der Außenseiter durch die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen nicht ersichtlich.
2. Der Präsident des Bundesarbeitsgerichts hat mitgeteilt:
Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts habe für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge bisher als gültig behandelt und angewendet. Nach Auffassung des Vierten Senats (vgl BAG AP Nr 12 zu § 5 TVG) verstoße die Allgemeinverbindlicherklärung der Sozialtarife für das Baugewerbe weder gegen Art 3 Abs 1 noch gegen Art 9 Abs 3 GG. Die Vereinbarkeit der Allgemeinverbindlicherklärung mit Art 20 Abs 2 und 80 Abs 1 GG sei vom Senat bisher noch nicht behandelt worden, indessen gehe der Senat seit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 1973 zur Verfassungsmäßigkeit der bindenden Festsetzungen im Heimarbeitsrecht (BVerfGE 34, 307) davon aus, daß auch § 5 TVG nicht in Widerspruch zu Art 80 GG stehe.
3. Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat sich zu der Vorlagefrage geäußert. Er ist der Auffassung, daß die Allgemeinverbindlicherklärung als Beteiligung des Staates an einem auf originärer Normsetzungsbefugnis der Verbände beruhenden autonomen Rechtsetzungsverfahren zu werten sei. Für den Außenseiter entstehe durch das Zusammenwirken der Tarifparteien mit der Staatsgewalt eine selbständige in Art 9 Abs 3 GG wurzelnde „Rechtsregel”. Gehe man davon aus, daß die Tarifpartner im Rahmen der Garantie des Art 9 Abs 3 GG eigenständig und in eigener Verantwortung die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe erfüllten, das Arbeitsleben und Wirtschaftsleben zu ordnen und zu befrieden, so enthalte das Rechtsinstitut der Allgemeinverbindlicherklärung eine Weiterentwicklung dieses umfassenden Auftrages: Mit ihr gebe der Staat seine von bestimmten Voraussetzungen abhängige Zustimmung zur Ausdehnung der Tarifgebundenheit auf die Außenseiter. Dieser Vorgang könne nicht wie eine Rechtsverordnung an Art 80 GG gemessen werden, sondern sei eher mit der Genehmigung einer autonomen Satzung zu vergleichen.
Eine dem Grundgesetz widersprechende Abhängigkeit staatlicher Rechtsetzung von Entscheidungen nichtstaatlicher Stellen bestehe nicht. Vor dem Ausspruch der Allgemeinverbindlicherklärung müsse die zuständige staatliche Behörde den Tarifvertrag genau prüfen und seinen Inhalt in ihren Willen aufnehmen. Hieraus folge, daß der Inhalt des staatlichen Rechtsetzungsakts auch eigenverantwortlich festgestellt werde. Die zuständige Behörde könne die Allgemeinverbindlicherklärung auch von sich aus aufheben.
Der Rechtsetzungsakt der Allgemeinverbindlicherklärung sei für die Betroffenen infolge seiner Veröffentlichung erkennbar; der Inhalt des Tarifvertrags sei ihnen zugänglich. Damit werde den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Publizität von Normsetzungsakten genügt.
Sehe man die Allgemeinverbindlicherklärung dennoch als Rechtsverordnung an, so gelte folgendes: Inhalt, Zweck und Ausmaß der in § 5 TVG erteilten Ermächtigung ließen sich an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlicherklärung hinreichend klar ablesen; der Verordnungsgeber dürfe auch inhaltlich nicht von ihm selbst bestimmte Regelungen zum Gegenstand seiner Verordnung machen; die Zustimmung des Bundesrats sei nicht bei jeder Rechtsverordnung erforderlich; Art 82 Abs 1 Satz 2 GG lasse abweichende Regelungen über die Veröffentlichung zu.
Die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter werde nicht beeinträchtigt. Die Möglichkeit, sich durch Mitgliedschaft in einer Tarifpartei bessere Informationen über das geltende Tarifrecht zu verschaffen, bedeute keinen rechtlichen Zwang zum Beitritt und mindere auch nicht in gleichheitswidriger Weise die Chancen, Kenntnis vom Tarifrecht zu erlangen. Die Allgemeinverbindlicherklärung unterwerfe den Außenseiter lediglich der Tarifbindung, ohne ihn zum Zwangsmitglied der Tarifpartner zu machen.
B.
I.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Der Vorlagebeschluß entspricht den Anforderungen nach § 80 BVerGG. Er ist von der Kammer des Arbeitsgerichts unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter beschlossen (vgl BVerfGE 16, 305 (306)), aber zu Recht nur vom Vorsitzenden unterzeichnet worden (§ 60 Abs 4 Satz 1 ArbGG; vgl BVerfGE 2, 266 (270); 9, 20 (27)).
2. Nach der jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbaren Auffassung des vorlegenden Gerichts kommt es für die von ihm zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit des § 5 TVG an (vgl BVerfGE 7, 171 (175), ständige Rechtsprechung).
Ist § 5 TVG mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig, so ist auch die auf der Grundlage dieser Norm ausgesprochene Allgemeinverbindlicherklärung des Bundesrahmentarifvertrags ungültig. Die nichtorganisierten Parteien des Ausgangsverfahrens sind sodann an die Bestimmungen dieses Vertrags nicht gebunden. Der Urlaubsentgeltanspruch des Klägers für 1974 richtet sich in diesem Falle nach den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Nach § 11 Abs 1 BUrlG in der hier maßgeblichen Fassung bemißt sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor Beginn des Urlaubs. Verdienstkürzungen infolge unverschuldeter Arbeitsversäumnis bleiben für die Berechnung außer Betracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer seinen Urlaub unmittelbar im Anschluß an eine längere Krankheit nimmt, der in den letzten dreizehn Wochen vor der Krankheit tatsächlich erzielte oder ein zu schätzender fiktiver Arbeitsverdienst als Bezugsgröße für die Berechnung des Urlaubsentgelts einzusetzen ist. In keinem Fall hängt der Urlaubsentgeltanspruch dem Grunde nach davon ab, daß der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr bereits tatsächlich Arbeitsverdienst erzielt hat. Nachdem sein Arbeitsverhältnis seit sechs Monaten rechtlich bestanden hat, könnte der Kläger nach dem Bundesurlaubsgesetz für 1974 15 Werktage bezahlten Erholungsurlaub beanspruchen (§§ 1, 3 Abs 1, § 4 BUrlG).
Ist § 5 TVG gültig, so sind die Parteien des Ausgangsverfahrens an die Rechtsnormen des für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe vom 1. April 1971 (BRTV-Bau) gebunden. Der Betrieb der Beklagten gehört zum fachlichen, die Tätigkeit des Klägers zum persönlichen Geltungsbereich dieses Vertrags (vgl § 1 Nr 2 und Nr 3.2.4 BRTV-Bau). Nach § 8 Nr 1.2 BRTV-Bau beträgt der Jahresurlaub 1974 für den Kläger 18 Arbeitstage. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Urlaub kann verlangt werden, wenn der Anspruch auf Urlaubsentgelt mindestens den Lohn für die Hälfte des Jahresurlaubs deckt (§ 8 Nr 2.1 BRTV-Bau). Das vom Arbeitgeber in die Lohnnachweiskarte einzutragende und mit Urlaubsantritt fällige Urlaubsentgelt beträgt für Arbeitnehmer, die – wie seinerzeit der Kläger – das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 6 vH des lohnsteuerpflichtigen Bruttolohnes laut Lohnsteuerkarte (§ 8 Nr 3.1-3.3 und Nr 4.1 BRTV-Bau). Hat sich der der Urlaubsentgeltberechnung zugrundeliegende Bruttolohn infolge Krankheit vermindert und ist der Lohnausfall nicht vergütet worden, so ist bei Urlaubsantritt zwar gemäß § 8 Nr 3.4 BRTV-Bau ein Ausgleich von 15,- DM für jede volle Woche der Krankheit zu gewähren, jedoch nur für sechs Wochen, also höchstens im Betrag von 90,- DM. Urlaubsentgelt kann der Kläger für 1974 hiernach nicht beanspruchen, weil er in diesem Kalenderjahr bis zum Urlaubsantritt keinen steuerpflichtigen Lohn erzielt hatte.
Diese Regelung ist auf die besonderen Verhältnisse im Baugewerbe zugeschnitten, in dem Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfang üblich sind. Sie ist, obwohl sie in Einzelfällen den Arbeitnehmer ungünstiger stellen kann als die Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes, gültig, weil sie im Regelfall dazu führt, auch einem Arbeitnehmer mit mehreren kurzen Beschäftigungszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern einen zusammenhängenden Jahreserholungsurlaub zu sichern (vgl § 13 Abs 2 BUrlG und hierzu Dersch-Neumann, Bundesurlaubsgesetz, 4. Aufl, § 13 Randnrn 28, 81ff (83)).
3. § 5 TVG ist nachkonstitutionelles Recht.
Das Tarifvertragsgesetz ist in seiner ursprünglichen Fassung zwar noch vor Inkrafttreten des Grundgesetzes vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes beschlossen und verkündet worden. Der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat § 5 TVG aber sowohl durch inhaltliche Änderung als auch durch Erstreckungen seines Geltungsbereichs erkennbar bestätigend in seinen Willen aufgenommen (vgl BVerfGE 11, 126 (129, 131f); 32, 346 (357), ständige Rechtsprechung).
4. Das Arbeitsgericht stellt § 5 TVG insgesamt zur verfassungsrechtlichen Prüfung. Unmittelbar erheblich für die von ihm zu treffende Entscheidung ist zunächst nur der die Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung regelnde § 5 Abs 4 TVG. Hiermit untrennbar verknüpft ist § 5 Abs 1 TVG, der die formellen und materiellen Voraussetzungen für den Ausspruch der Allgemeinverbindlichkeit regelt, sowie § 5 Abs 7 TVG, der die öffentliche Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung vorschreibt. Aus beiden Bestimmungen leitet das vorlegende Gericht im wesentlichen seine Auffassung von der Verfassungswidrigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung her (Vgl BVerfGE 8, 332 (338f); 11, 64 (68)).
§ 5 Abs 2 und 3 TVG regelt das Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung. Die Verfassungsmäßigkeit der Tarifbindung der Außenseiter läßt sich ohne Prüfung der Modalitäten ihres Zustandekommens nicht beurteilen. Ist § 5 Abs 4 TVG mit dem Grundgesetz unvereinbar, so verlieren auch die genannten Verfahrensvorschriften ihren Sinn und können nicht mehr angewendet werden. Dies gilt entsprechend für die in § 5 TVG getroffenen Regelungen über die Aufhebung der Allgemeinverbindlicherklärung und das aus anderen Gründen eintretende Ende der Allgemeinverbindlichkeit. Eine Begrenzung der Vorlagefrage auf die unmittelbar entscheidungserhebliche Vorschrift des § 5 Abs 4 TVG würde den zwischen den genannten Regelungen bestehenden engen Sachzusammenhang außer acht lassen und die „Befriedungsfunktion” der Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts teilweise verfehlen; sie ist deshalb nicht angebracht (vgl BVerfGE 4, 387 (397f); 12, 151 (163); 27, 195 (200)).
§ 5 Abs 6 TVG ermächtigt den Bundesminister, das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit für einzelne Fälle auf die oberste Arbeitsbehörde eines Landes zu übertragen. Auf die Gültigkeit dieser Vorschrift kommt es im Ausgangsverfahren nicht an; sie ist abtrennbar und einer gesonderten Beurteilung zugänglich.
§ 5 TVG bezieht sich auf alle Rechtsnormen, die in Tarifverträgen enthalten sein können. Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist eine Inhaltsnorm über den Urlaub. Nicht entscheidungserheblich ist demnach die Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung auch insoweit verfassungsmäßig ist, als sie sich auf Rechtsnormen über den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen und über andere nach einfachem Recht in Tarifverträgen regelbare Fragen bezieht.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist demnach die Frage, ob § 5 Absätze 1-5 und 7 TVG, soweit er sich auf Rechtsnormen bezieht, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
II.
§ 5 Abs 1-5 und 7 TVG ist, soweit er sich auf Rechtsnormen bezieht, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen, mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. a) Die Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung ist seit jeher und bis heute lebhaft umstritten. Ursprünglich wurde sie überwiegend als Verwaltungsakt angesehen, und zwar entweder als an die Außenseiter gerichtete Allgemeinverfügung, welche diese an einen konkreten Tarifvertrag binde (vgl Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl, 2. Band (1957), § 34 II), oder als Verfügung an die Parteien des Tarifvertrags, die ihnen zusätzliche Tarifmacht auch gegenüber den Außenseitern verleihe (vgl Bogs, Festschrift für J.v Gierke, S 39 (62); Herschel, Festschrift für Bogs, S 125 (135, 137); Nikisch, Arbeitsrecht, Zweiter Band, 2. Aufl, § 87 II 3). Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht, unterstützt von einem Teil der Rechtslehre, die Allgemeinverbindlicherklärung als Rechtsverordnung qualifiziert (vgl BVerwGE 7, 82, 188; Bettermann, RdA 1959, 245 (253ff)). Weiterhin ist der Allgemeinverbindlicherklärung eine Doppelnatur zuerkannt worden: Im Verhältnis zu den betroffenen Außenseitern handele es sich um einen unselbständigen Mitwirkungsakt an einem autonomen Rechtsetzungsverfahren, mit dem der Staat lediglich der Ausübung einer vorgegebenen autonomen Rechtsetzungsbefugnis der Tarifparteien auch gegenüber den Außenseitern zustimme; im Verhältnis zu den Tarifparteien sei die Allgemeinverbindlicherklärung hingegen Verwaltungsakt (so vor allem Nipperdey-Heussner, Staatsbürger und Staatsgewalt, Band I, S 211ff). Gegen die dieser Auffassung zugrundeliegende These von der den ganzen Berufskreis einschließlich der Außenseiter umfassenden, originären Rechtsetzungsmacht der Tarifparteien ist eingewandt worden, die Tarifmacht der Koalitionen dürfe die Außenseiter nicht erfassen; ihnen gegenüber begründe allein die vom Staat ausgesprochene Allgemeinverbindlicherklärung die Bindung an die Tarifnormen R (vgl Bettermann, Festschrift für H.C.Nipperdey (1965), Band II, S 723 (734ff); Zöllner, Der Betrieb 1967, 334ff; OVG Münster DVBl 1974, 813). Das Bundesarbeitsgericht sieht in seiner neueren Rechtsprechung die Allgemeinverbindlicherklärung im Verhältnis zu den Außenseitern als Normsetzungsakt eigener Art an, der in Art 9 Abs 3 GG wurzele und nicht an Art 80 GG gemessen werden könne (BAG AP Nr 12, 13 und 14 zu § 5 TVG).
Dieser grundsätzliche Meinungsstreit macht es erforderlich, vor einer verfassungsrechtlichen Prüfung des § 5 Abs 1-5 und 7 TVG die Allgemeinverbindlicherklärung rechtlich zu qualifizieren, um sie in ihrer richtigen Bedeutung am Grundgesetz messen zu können (vgl BVerfGE 17, 155 (163f); 33, 90 (100)). Je nachdem, ob man sie als Verwaltungsakt, als Rechtsverordnung, als unselbständigen staatlichen Mitwirkungsakt in einem autonomen Normsetzungsverfahren oder als Rechtsetzungsakt eigener Art auf der Grundlage des Art 9 Abs 3 GG ansieht, sind verschiedene Folgerungen für die Vereinbarkeit der zu prüfenden Normen mit dem Grundgesetz möglich. Dabei kommt es für die Beantwortung der Vorlagefrage nur auf die zutreffende rechtliche Einordnung der Allgemeinverbindlicherklärung in ihrem Verhältnis zu den – ohne sie nicht tarifgebundenen – Außenseitern an.
b) Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Grundlage in Art 9 Abs 3 GG findet. Sie beruht auf vielfältig verschränktem Zusammenwirken von Tarifparteien und im Tarifausschuß repräsentierten Sozialpartnern einerseits und Stellen der staatlichen Exekutive andererseits. Am Ende dieses Verfahrens steht weder der Erlaß eines Verwaltungsakts noch der einer Rechtsverordnung.
aa) Die richtige Antwort auf die Frage nach der Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung läßt sich nur gewinnen, wenn dieses Rechtsinstitut in den größeren Zusammenhang des durch Art 9 Abs 3 GG maßgeblich gestalteten Lebensbereichs der Regelung von Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen gestellt wird, in dem es bestimmte Aufgaben erfüllen soll.
Art 9 Abs 3 GG gewährleistet eine Ordnung des Arbeitslebens und Wirtschaftslebens, bei der der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung weit zurückgenommen und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrags grundsätzlich den Koalitionen überlassen hat (vgl BVerfGE 34, 307 (316f)). Den frei gebildeten Koalitionen ist durch Art 9 Abs 3 GG die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich garantiert, insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch unabdingbare Gesamtvereinbarungen sinnvoll zu ordnen (vgl BVerfGE 4, 96 (106f); 18, 18 (26, 28); 20, 312 (317); 28, 295 (304); 38, 281 (306)).
Der Gesetzgeber hat den Koalitionen auf der Grundlage dieser historisch gewachsenen Bedeutung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit im Tarifvertragsgesetz das Mittel des Tarifvertrags an die Hand gegeben, damit sie die von Art 9 Abs 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (vgl BVerfGE 4, 96 (106); 18, 18 (26); 28, 295 (305)). Der Tarifvertrag enthält in seinem normativen Teil Rechtsregeln, dh generell-abstrakte, nach Maßgabe des § 4 Abs 3 TVG zwingende Bestimmungen für den Inhalt der von ihm erfaßten Arbeitsverhältnisse (vgl BVerfGE 34, 307 (317)). Bei der Normsetzung durch die Tarifparteien handelt es sich um Gesetzgebung im materiellen Sinne, die Normen im rechtstechnischen Sinne erzeugt (vgl BVerfGE 4, 96 (106); 18, 18 (26); 28, 295 (304f)).
Die Allgemeinverbindlicherklärung dehnt die Verbindlichkeit dieser Rechtsregeln auf Personen aus, die bisher vom Tarifvertrag nicht erfaßt wurden. Der Kreis der infolge der Allgemeinverbindlicherklärung an die Normen des Tarifvertrags gebundenen Personen steht nicht von vornherein fest. Solange die Allgemeinverbindlicherklärung wirkt, können durch Beginn und Ende von Arbeitsverhältnissen im Geltungsbereich des Tarifvertrags Personen in die Tarifbindung hineinwachsen oder aus ihr herausfallen. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist deshalb – jedenfalls soweit das Verhältnis zu den Außenseitern in Rede steht – ebenfalls Normsetzung.
bb) Die „Normsetzungsprärogative” der Koalitionen gilt nicht schrankenlos. Es ist Sache des subsidiär für die Ordnung des Arbeitslebens weiterhin zuständigen staatlichen Gesetzgebers, die Betätigungsgarantie der Koalitionen in einer den besonderen Erfordernissen des jeweiligen Sachbereichs entsprechenden Weise – in den Grenzen des Kernbereichs der Koalitionsfreiheit – näher zu regeln (vgl BVerfGE 4, 96 (107); 20, 312 (317, 320); 28, 295 (306); 38, 386 (393)).
In diesem rechtlichen Zusammenhang steht die Allgemeinverbindlicherklärung. Soweit ein öffentliches Interesse daran besteht, daß im Geltungsbereich eines Tarifvertrags alle Arbeitsverhältnisse in ihren Mindestbedingungen inhaltlich gleich gestaltet sind, bewirkt sie, daß die von den Tarifparteien ausgehandelten Rechtsnormen auch für Nichtverbandsmitglieder verbindlich werden. Dadurch wird die Effektivität der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklungen gesichert. Die antragsabhängige Allgemeinverbindlicherklärung erweist sich in dieser Beziehung als ein Instrument, das die von Art 9 Abs 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen abstützen soll, indem sie den Normen der Tarifverträge zu größerer Durchsetzungskraft verhilft. Daneben dient sie dem Ziel, den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern. Insoweit beruht die Allgemeinverbindlicherklärung auf der subsidiären Regelungszuständigkeit des Staates, die immer dann eintritt, wenn die Koalitionen die ihnen übertragene Aufgabe, das Arbeitsleben durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, im Einzelfall nicht allein erfüllen können und die soziale Schutzbedürftigkeit einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen oder ein sonstiges öffentliches Interesse ein Eingreifen des Staates erforderlich macht.
cc) Um die genannten Ziele der Allgemeinverbindlicherklärung zu erreichen, hat der Gesetzgeber einen Weg gewählt, der sich weder mit dem Institut der Rechtsverordnung in seiner herkömmlichen, im Grundgesetz verankerten Gestalt noch mit der Rechtsfigur einer bloßen unselbständigen Zustimmungserklärung des Staates zu autonomer Normsetzung der Koalitionen auch gegenüber den Außenseitern in einer mit dem geltenden Tarifvertragsgesetz übereinstimmenden Weise rechtlich erfassen läßt.
(1) Die allgemeinverbindliche Tarifnorm ist – anders als die Rechtsverordnung – nicht Ergebnis einer zwar abgeleiteten, aber dennoch vom Staat selbst bestimmten Rechtsetzung der Exekutive innerhalb eines von der Legislative in einem Gesetz vorgezeichneten Rahmens. Vielmehr liegt hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Normen und der „Gesetzgebungsinitiative” das Schwergewicht eindeutig bei den Tarifparteien.
Nicht dem Staat, sondern ausschließlich einer Tarifpartei steht es zu, das Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung durch einen Antrag in Gang zu bringen. Der für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Bundesminister kann den Antrag zwar selbständig ablehnen; indessen ist ihm der positive Akt der Normenerstreckung stets nur im Einvernehmen mit dem Tarifausschuß möglich, in dem er kein Stimmrecht besitzt. Am normativen Inhalt des für allgemeinverbindlich zu erklärenden Tarifvertrags kann der Bundesminister nichts ändern, er ist ihm von den Tarifparteien vorgegeben. Auch das Ende der Allgemeinverbindlichkeit ist vom Willen der Tarifparteien abhängig.
Neben der weitgehenden Abhängigkeit der Rechtsetzung vom Willen außerstaatlicher, demokratisch nicht legitimierter und parlamentarisch nicht verantwortlicher „Gruppierungen” bestätigen weitere Einzelheiten der geltenden Regelung, daß der an das Grundgesetz gebundene Gesetzgeber, der das Tarifvertragsgesetz nachträglich in seinen Willen aufgenommen hat, die Allgemeinverbindlicherklärung offenbar nicht als Erlaß einer Rechtsverordnung gewertet wissen wollte; § 5 TVG wäre andernfalls mit Art 80 und 82 GG kaum zu vereinbaren. So ist etwa die dem Bundesminister erteilte Ermächtigung in § 5 Abs 1 TVG allenfalls hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Tarifbindung auf Außenseiter erstreckt werden kann, nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Hinsichtlich des Inhalts der zu streckenden Normen fehlt es an jeglicher Steuerung durch ein vom staatlichen Gesetzgeber herrührendes Gesetz, wie sie für die Rechtsverordnung kennzeichnend ist. Rechtsverordnungen müssen im Bundesgesetzblatt oder Bundesanzeiger verkündet werden (Art 82 Abs 1 Satz 2 GG, § 1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30. Januar 1950 (BGBl S 23)). § 5 Abs 7 TVG in Verbindung mit § 11 DVO-TVG schreibt zwar die Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung im Bundesanzeiger vor. Der Tarifvertrag selbst, der die nunmehr auch für die Außenseiter geltenden Normen enthält, wird nicht bekanntgemacht.
(2) Dem geltenden Recht liegt in § 5 TVG auch die rechtstheoretische Vorstellung einer „erweiterten Autonomie” der Koalitionen, die von vornherein alle Angehörigen des jeweiligen Berufskreises erfasse, nicht zugrunde. Es bedarf deshalb keiner Prüfung, ob sich eine hiervon ausgehende Regelung mit dem Grundgesetz vereinbaren ließe.
Art 9 Abs 3 GG gewährleistet den Koalitionen mit der Tarifautonomie die Erreichung ihres Zwecks, nämlich die Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern (vgl BVerfGE 18, 18 (26); 20, 312 (319f); 28, 295 (304f)). Für Nichtmitglieder macht § 5 TVG die Geltung tarifvertraglicher Normen von einem besonderen staatlichen Akt abhängig. Dieser staatliche Hoheitsakt hat nicht die Bedeutung einer bloßen unselbständigen Zustimmungserklärung zu autonomer Normsetzung der Koalitionen auch gegenüber den Außenseitern. Das Gewicht des Staates beim Zustandekommen der Allgemeinverbindlichkeit geht hierüber hinaus: Der Bundesminister kann den Antrag der Tarifpartei selbständig ablehnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 Abs 1 TVG nach seiner Überzeugung nicht erfüllt sind; die von ihm in eigener Verantwortung zu prüfenden Voraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung sind nicht auf die Interessen der Tarifparteien und ihrer Mitglieder beschränkt; der Bundesminister ist auch an das positive Votum des Tarifausschusses nicht gebunden, sondern entscheidet über die Allgemeinverbindlicherklärung nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen; die obersten Arbeitsbehörden der beteiligten Länder können ihre Vorstellungen durch schriftliche und mündliche Stellungnahmen geltend machen und durch ihren Einspruch eine Entscheidung der Bundesregierung herbeiführen.
dd) Bei einer an Art 9 Abs 3 GG orientierten Betrachtungsweise, wie sie hier allein sachgemäß ist, steht die Allgemeinverbindlicherklärung von tariflichen Inhaltsnormen in dem von weiter Zurücknahme der staatlichen Regelzuständigkeit gekennzeichneten Zusammenhang der Ordnung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen. Die vom Gesetzgeber gewählte Rechtsetzungsform soll die Garantie des Kernbereichs spezifisch koalitionsgemäßer Betätigung und dem hieraus fließenden Vorrecht der Verbände, die Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen durch eigene Normsetzung zu wahren und zu fördern, so weit wie möglich Rechnung tragen.
In seinem Beschluß vom 27. Februar 1973 (BVerfGE 34, 307ff) hat das Gericht die durch Vereinbarung der Tarifparteien begründeten und nach Maßgabe des Tarifvertragsgesetzes verbindlichen Regeln für den Inhalt der davon erfaßten Arbeitsverhältnisse als Rechtsregeln kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt bezeichnet (aaO S 317). Es hat weiterhin eine Parallele zwischen den bindenden Festsetzungen nach § 19 des Heimarbeitsgesetzes und dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag gezogen und die bindenden Festsetzungen als Rechtsregeln der gleichen Art wie die Normativbestimmungen eines Tarifvertrags angesehen, die ihre Qualität als Rechtsregel aus der staatlichen Anerkennung gewinnen, welche im Art 9 Abs 3 GG wurzelt (aaO S 319, 320).
Diese Darlegungen, an denen das Gericht im Grundsatz festhält, gelten erst recht für allgemeinverbindliche Tarifnormen, bei denen der systematische Zusammenhang mit dem Tarifrecht und dem tragenden Grundgedanken des Art 9 Abs 3 GG noch wesentlich enger ist. Allerdings hat die Allgemeinverbindlicherklärung nicht die Schaffung eines an den Tarifvertrag möglichst eng angelehnten Ersatzes zum Ziel. Der Gesetzgeber stand vielmehr vor der Frage, auf welche Weise er auf den Inhalt der keiner kollektiven Einwirkung unterliegenden Arbeitsverträge der Außenseiter Einfluß nehmen will, sofern sich staatliches Eingreifen hier als notwendig erweist. Er hat sich – ebenso wie bei der bindenden Festsetzung – für ein Verfahren entschieden, das der Intention des Art 9 Abs 3 GG möglichst nahekommt. Der Tarifvertrag schafft kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt, die ihre Legitimation aus Art 9 Abs 3 GG erhält und von diesem Grundrecht in einem Kernbereich geboten ist, Rechtsregeln für die Koalitionsmitglieder. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung wird die Verbindlichkeit dieser Regeln auf die Nichtmitglieder ausgedehnt. An diesem Vorgang sind nach § 5 TVG sowohl die Koalitionen und der Tarifausschuß als auch der Staat beteiligt. Den Koalitionen ist dabei der maßgebliche Einfluß eingeräumt. Der die Außenseiter an die Tarifnormen bindende Geltungsbefehl bleibt dem Staat vorbehalten. Sowohl die Mitwirkung der Koalitionen und des diese repräsentierenden Tarifausschusses als auch die Beteiligung des Staates sind notwendig, um die Außenseiter dem Tarifvertrag zu unterwerfen.
Es kann offenbleiben, ob gerade die heute geltende Regelung verfassungsrechtlich geboten ist oder ob auch andere Lösungen mit stärkerem staatlichen Einfluß vor Art 9 Abs 3 GG noch Bestand haben könnten. Entscheidungserheblich ist hier nur, ob das geltende Recht sich in jeder Beziehung in dem vom Grundgesetz gezogenen Rahmen hält.
2. a) Das Zusammentreffen von staatlich anerkannter Normsetzung durch die Koalitionen mit der vom Staat ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärung bringt für die Außenseiter Rechtsregeln hervor, die sich in das herkömmliche System der Rechtsquellen nicht einordnen lassen, weil sie weder dem Begriff des formellen Gesetzes noch dem der Rechtsverordnung noch dem der autonomen Satzung entsprechen. Diese „Systemwidrigkeit” der allgemeinverbindlichen Tarifnormen steht indes der Vereinbarkeit der hier zu prüfenden Bestimmungen des § 5 TVG mit dem Grundgesetz nicht entgegen. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob das Grundgesetz prinzipiell von einem „numerus clausus” der zulässigen Rechtsetzungsformen ausgeht (vgl BVerfGE 8, 274 (323); 24, 184 (199)). Ein solcher „Typenzwang” der Rechtsquellen gilt jedenfalls nicht in dem von Art 9 Abs 3 GG maßgeblich gestalteten Bereich der Regelung von Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen. Läßt es die Verfassung einerseits zu, daß der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung, soweit es sich um den Inhalt von Arbeitsverhältnissen handelt, weit zurücknimmt und den Koalitionen ein Vorrecht einräumt, so bindet sie ihn andererseits bei ergänzenden Normsetzungsakten in diesem Bereich nicht streng an die Formen von Gesetz und Rechtsverordnung. Soweit hier eine Beteiligung des Staates notwendig wird, haben sich in dem Bestreben, den maßgeblichen Einfluß der Koalitionen auch insoweit zu erhalten, besondere Normsetzungsformen herausgebildet. Der Senat hat bereits die bindenden Festsetzungen für Heimarbeiter als Rechtsregeln eigener Art verfassungsrechtlich anerkannt (BVerfGE 34, 307). Er geht davon aus, daß der Verfassungsgeber, der das bewährte Rechtsinstitut der Allgemeinverbindlicherklärung vorgefunden hat, an der Möglichkeit Tarifnormen durch besonderen Staatsakt in einem gesetzlich geregelten Verfahren auf Außenseiter auszudehnen, nichts ändern wollte.
b) Gegen den vom Gesetzgeber gefundenen Ausgleich zwischen den unverzichtbaren Geboten des Demokratieprinzips nach Art 20 Abs 2 GG und der Garantie des Betätigungsrechts der Koalitionen nach Art 9 Abs 3 GG sind durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben. Die allgemeinverbindlichen Tarifnormen sind gegenüber den Außenseitern durch die staatliche Mitwirkung noch ausreichend demokratisch legitimiert. Der Staat hat sich seines in den Grenzen des Kernbereichs der Koalitionsfreiheit fortbestehenden Normsetzungsrechts nicht völlig entäußert.
Die durch Art 9 Abs 3 GG gewährleistete Normsetzungsbefugnis der Koalitionen erstreckt sich grundsätzlich nur auf die Mitglieder der tarifvertragschließenden Parteien. Diese Begrenzung der Tarifmacht entspricht der historisch gewachsenen und im Grundgesetz niedergelegten Bedeutung der Koalitionsfreiheit; auch im Selbstverständnis der Koalitionen findet sich kein tragfähiger Anhaltspunkt für einen weitergehenden Rechtsetzungsauftrag, der alle am Arbeitsleben beteiligten Personen ohne weiteres umgreift. Indem es die Tarifgebundenheit grundsätzlich auf die Mitglieder der Tarifparteien beschränkt, trägt das Tarifvertragsgesetz in seinem § 3 Abs 1 dem Grundsatz Rechnung, daß der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern darf, die ihm gegenüber nicht demokratisch bzw mitgliedschaftlich legitimiert sind (vgl BVerfGE 33, 125 (158)).
Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit auf Außenseiter bedarf hiernach einer zusätzlichen Rechtfertigung. Sie findet sich in der Allgemeinverbindlicherklärung, die das Gesetz der zuständigen, parlamentarisch verantwortlichen Arbeitsbehörde, dem Bundesminister oder – im Falle des § 5 Abs 3 TVG – der Bundesregierung, anvertraut hat. Der Staat hat bei der Allgemeinverbindlicherklärung zwar kein eigenständiges Initiativrecht und Entscheidungsrecht und kann keinen Einfluß auf den Inhalt der Normen nehmen. Auch hinsichtlich der Geltungsdauer der allgemeinverbindlichen Normen unterwirft er sich in § 5 Abs 5 Satz 3 TVG dem Willen der Tarifparteien. Mit diesen Regelungen kommt er einem umfassend verstandenen Betätigungsrecht der Koalitionen so weit wie möglich entgegen. Unter dem Blickpunkt des Demokratieprinzips wird dieses Defizit staatliche Entscheidungsfreiheit durch die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung und in dem ihr vorausgehenden Verfahren hinreichend ausgeglichen. § 5 Abs 1 TVG macht die Ausdehnung der Tarifgebundenheit von strengen Bedingungen abhängig. Der Bundesminister hat eigenverantwortlich zu prüfen, ob sie erfüllt sind; er hat dabei insbesondere die Interessen der Außenseiter zu wahren. Entschließt er sich für die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so hat er die von den Koalitionen geschaffene Rechtsordnung in seinen Willen aufgenommen; der Geltungsbefehl der tariflichen Normen geht dann auch von ihm aus. Im übrigen haben die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffenen Außenseiter auch Gelegenheit, ihre Interessen im Verfahren schriftlich und mündlich zur Geltung zu bringen. Entsprechendes gilt, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs 5 Satz 1 TVG aufgehoben werden soll. Die Allgemeinverbindlicherklärung kann schließlich – das liegt in diesem System – nur solange wirken, wie der Tarifvertrag gilt; daher ist es folgerichtig, daß spätestens mit dem Ablauf des Tarifvertrags auch die Allgemeinverbindlicherklärung – und damit die Bindung der Außenseiter – endet.
c) Die für Rechtsverordnungen geltende Vorschrift des Art 80 GG ist auf das Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung schon deshalb nicht anwendbar, weil die allgemeinverbindlichen Tarifnormen keine Rechtsverordnungen darstellen. Im übrigen ließe sich die Aufstellung allgemeinverbindlicher Tarifnormen wie auch ihre Aufhebung nach dem geltenden Recht weder mit dem Maßstab des Gewaltenteilungsgrundsatzes im allgemeinen noch mit dem des Art 80 GG im besonderen zutreffend beurteilen.
Der Staat hat, soweit es um die Regelung des Inhalts von Arbeitsverträgen geht, gemäß Art 9 Abs 3 GG seine Zuständigkeit von vornherein weit zurückgenommen und die Befugnis der Koalitionen, selbst Rechtsregeln zu setzen und wieder aufzuheben, anerkannt. Ihre verfassungsrechtliche Grenze findet diese Befugnis darin, daß es sich um Rechtsregeln zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen handeln muß. Im einzelnen läßt sich die tarifvertragliche Normsetzung nicht im voraus gesetzlich bestimmen, ohne daß die Tarifautonomie in ihrem durch Art 9 Abs 3 GG garantierten Kernbereich getroffen würde. Hiervon ausgehend war der Staat verfassungsrechtlich jedenfalls nicht verpflichtet, die normative Bestimmung des Inhalts der Arbeitsverträge von Außenseitern in vollem Umfang als eigene Aufgabe an sich zu ziehen, sondern durfte den Koalitionen auch insoweit noch maßgebenden Einfluß einräumen. Mit der von ihm gefundenen Regelung entspricht er in besonderem Maße der in Art 9 Abs 3 GG enthaltenen verfassungsrechtlichen Grundentscheidung; ein Verstoß gegen andere Prinzipien des Grundgesetzes ist nicht ersichtlich.
d) Die geltenden Bestimmungen über die Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung und ihrer Aufhebung sowie das durch sie sichergestellte Maß an Publizität der allgemeinverbindlichen Tarifnormen nach Inhalt und Geltungsdauer vermögen zwar nicht zu befriedigen, halten indessen der verfassungsrechtlichen Nachprüfung unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips noch stand.
Da es sich bei den allgemeinverbindlichen Tarifnormen weder um ein förmliches Gesetz noch um eine Rechtsverordnung handelt, ist Art 82 GG nicht anzuwenden. Die hinlängliche Publizität von allgemeinverbindlichen, mit Außenwirkung ausgestatteten Rechtsregeln ist indessen ein für alle Normsetzungsakte geltendes rechtsstaatliches Erfordernis (vgl BVerfGE 40, 237 (255); BVerwG NJW 1962, 506; Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, S 151ff). Legt ein Normsetzungsakt die Tatbestände nicht selbst fest, sondern verweist er auf andere Normen, so muß der Rechtsunterworfene klar erkennen können, welche Vorschriften im einzelnen für ihn gelten sollen (vgl BVerfGE 5, 25 (31); 8, 274 (302); 22 230 (346f)).
Für die Allgemeinverbindlicherklärung ist die öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger zwingend vorgeschrieben. Dies entspricht bis auf den fehlenden nachrichtlichen Hinweis im Bundesgesetzblatt dem für Rechtsverordnungen in Art 82 Abs 1 Satz 2 GG und § 1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen vorgesehenen Publikationsverfahren. Der Rechtsetzungsakt der Allgemeinverbindlicherklärung wird den Betroffenen hierdurch hinlänglich bekanntgemacht. Der Tarifvertrag selbst, aus dem allein der Norminhalt zu entnehmen ist, wird hingegen nicht publiziert. Insoweit ist der normunterworfene Außenseiter darauf verwiesen, Auskünfte aus dem Tarifregister einzuholen, von einer der Tarifparteien eine Abschrift des Tarifvertrags gegen Erstattung der Selbstkosten zu verlangen und – sofern er Arbeitnehmer ist – Einsicht in den Tarifvertrag zu nehmen, wenn ihn sein Arbeitgeber an geeigneter Stelle im Betrieb auslegt. Auch hierdurch wird immerhin gewährleistet, daß den Betroffenen der Inhalt der getroffenen Regelung jedenfalls ohne erhebliche Schwierigkeiten zugänglich ist.
Die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit gemäß § 5 Abs 5 Satz 1 TVG wird erst mit öffentlicher Bekanntmachung wirksam (§ 5 Abs 7 TVG). Damit ist hinreichende Publizität sichergestellt. Für den Fall der Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit durch Ablauf oder Änderung des zugrundeliegenden Tarifvertrags (§ 5 Abs 5 Satz 3 TVG) ist hingegen lediglich vorgesehen, daß die entsprechenden Mitteilungen der Tarifvertragsparteien, die diese gemäß § 7 TVG innerhalb eines Monats abzugeben haben, im Bundesanzeiger mit deklaratorischer Wirkung bekanntgemacht werden (vgl § 11 DVO-TVG). In der dazwischen liegenden, häufig mehrere Monate umfassenden Zeitspanne kann der Außenseiter nur durch Anfrage bei den Tarifparteien oder beim Bundesminister erfahren, ob ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag weiterhin für ihn gilt. Auch diese vorübergehende Ungewißheit ist indessen rechtsstaatlich noch hinnehmbar, zumal Änderungen und Aufhebungen der gebietsmäßig und branchenmäßig begrenzten Tarifverträge im allgemeinen auch bei den nichtorganisierten Partnern von Arbeitsverhältnissen verhältnismäßig rasch anderweitig bekannt werden.
Der Gesetzgeber wird jedoch zu prüfen haben, welche Verbesserungen der Publizitätsvorschriften möglich und angezeigt sind, damit den berechtigten Bedürfnissen der Praxis mehr als bisher entsprochen werden kann.
e) Die Allgemeinverbindlicherklärung von tarifvertraglichen Inhaltsnormen ist mit dem Grundrecht aus Art 9 Abs 3 GG vereinbar.
Das individuelle Grundrecht des Einzelnen, zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden und an der verfassungsrechtlich geschützten Tätigkeit seiner Koalition teilzunehmen (vgl BVerfGE 19, 303 (312); 28, 295 (304)), wird nicht generell dadurch verletzt, daß für sein Arbeitsverhältnis solche Inhaltsregelungen gelten, die von ihm fremden Verbänden ausgehandelt worden sind. Sofern Bedürfnis und Anreiz, sich als bisher nicht organisierter Arbeitgeber oder Arbeitnehmer mit anderen zu einer Koalition zusammenzuschließen oder einer konkurrierenden Koalition beizutreten, infolge der Allgemeinverbindlicherklärung und ihrer Auswirkungen vermindert werden sollten, würde es sich um faktische Auswirkungen handeln, welche das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nicht unmittelbar rechtlich treffen (vgl BVerfGE 20, 312 (321f)).
Soweit anderweitig organisierte Arbeitnehmer oder Arbeitgeber einem Tarifvertrag unterworfen werden, der von ihnen fremden Koalitionen vereinbart worden ist, und die Allgemeinverbindlicherklärung hier auf bereits bestehende tarifvertragliche Regelungen trifft, besteht kein genereller Vorrang des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags. Vielmehr ist eine solche Tarifkonkurrenz im Einzelfall nach den hierfür in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen zu lösen (vgl Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II, 1, 7. Aufl, § 34 IV 4 und § 33).
Auch ein Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit, sofern es sich aus Art 9 Abs 3 GG ergeben sollte (vgl BVerfGE 31, 297 (302)), stünde der gesetzlichen Regelung über die Allgemeinverbindlicherklärung von tariflichen Inhaltsnormen nicht entgegen. Die Freiheit, sich einer anderen als der vertragschließenden oder keiner Koalition anzuschließen, wird durch sie nicht beeinträchtigt, Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft nicht ausgeübt.
Die hier zu prüfenden gesetzlichen Bestimmungen greifen schließlich auch nicht in das Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit der im Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags konkurrierenden Verbände ein. Das um der Wahrung und Förderung der Belange der Mitglieder willen garantierte Bestandsrecht und Betätigungsrecht einer Koalition hindert den Staat nicht, die von anderen konkurrierenden Koalitionen gesetzten Normen, die bereits ein gewisses Maß an Verbreitung erreicht haben, für allgemeinverbindlich zu erklären, weil ein öffentliches Interesse hieran besteht, auch Wenn dadurch das Betätigungsfeld der anderen Verbände eingegrenzt wird. Ein rechtliches Hindernis zum Abschluß eines Tarifvertrags im gleichen fachlichen Geltungsbereich errichtet die Allgemeinverbindlicherklärung nicht; er wird durch sie auch nicht faktisch unmöglich gemacht.
f) Die Allgemeinverbindlicherklärung von tariflichen Inhaltsnormen gemäß § 5 TVG ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung. Sie verletzt deshalb nicht generell das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit der Außenseiter. Ob allgemeinverbindliche Tarifnormen und ihre Anwendung durch die zuständigen Fachgerichte im Einzelfall dieses Grundrecht oder andere Grundrechte der durch die Allgemeinverbindlicherklärung tarifgebundenen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer verletzen, ist nicht Gegenstand der konkreten Normenkontrolle nach Art 100 Abs 1 GG.
Fundstellen
BVerfGE 44, 322-353 (LT1-3) |
BVerfGE, 322 |
BB 1977, 1249-1249 (LT) |
DB 1977, 1510-1514 (LT) |
NJW 1977, 2255 |
NJW 1977, 2255-2259 (LT) |
EuGRZ 1977, 386-395 (LT) |
DRsp, VI(638) 56 (ST) |
DOK 1977, 796 |
JR 1978, 323 |
WM IV 1977, 1014 |
AP TVG § 5, Nr. 15 |
AR-Blattei Tarifvertrag X, Entsch. 15 |
AR-Blattei, ES 1550.10 Nr. 15 |
ArbuR 1977, 380-383 (LT) |
BGBl 1977, 1547 |
BayVBl 1978, 16-16 (L) |
EzA TVG § 5, Nr. 5 |
JuS 1978, 342-343 (LT) |
VerfRspr GG Art. 9 Abs. 3, Nr. 70 (LT1-3) |
Belling / Luckey 2000, 336 |