Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche Besteuerung von Versorgungsbezügen und Renten in den Jahren 1983 und 1984. Bindungswirkung einer Entscheidung des BVerfG
Leitsatz (amtlich)
Die dem Gesetzgeber für die Angleichung der Vorschriften über die steuerliche Behandlung von Renten und Ruhegehältern zur Verfugung stehende Zeit ist noch nicht abgelaufen (im Anschluß an BVerfGE 54, 11, BStBl II 1980, 545).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; BVerfGG § 31
Verfahrensgang
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die unterschiedliche Besteuerung von Versorgungsbezügen und Renten, insbesondere dagegen, daß der Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11 [36 ff.]) diese Frage bisher nicht neu geregelt hat.
I.
Die einkommensteuerliche Behandlung von Alterseinkünften hängt davon ab, welcher Einkunftsart diese zuzurechnen sind. Da nach § 24 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Einkünfte aus früheren Tätigkeiten und Rechtsverhältnissen jeweils der für diese vorgesehenen Einkunftsart zugerechnet werden, können Alterseinkünfte grundsätzlich unter jede Einkunftsart fallen.
Die Versorgungsbezüge der Beamten werden daher nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Bezüge aus früheren Dienstleistungen voll der Einkommensteuer unterworfen, allerdings nach Abzug eines Versorgungsfreibetrages, der seit 1975 höchstens 4.800 DM beträgt.
Demgegenüber bestimmt § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, daß Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Ertragsanteil, das heißt nur eingeschränkt, der Einkommensteuer unterliegen. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß beim Beginn der Rentenzahlung im Vermögen des Berechtigten ein Rentenstammrecht vorhanden ist, also ein vom Berechtigten selbst angespartes Kapital, welches sich mit der Auszahlung schrittweise mindert. Die Rentenzahlung zählt demgemäß insoweit nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften, als ihr eine Vermögensminderung durch Verbrauch des Rentenstammrechts (Kapitalanteil der laufenden Rentenzahlung) gegenübersteht. Dagegen bleibt der darüber hinausgehende Rentenanteil als Ertrag des Rentenstammrechts – gewissermaßen als Verzinsung des Kapitals – der Besteuerung unterworfen (Ertragsanteil der laufenden Rentenzahlung).
II.
Mit Beschluß vom 26. März 1980 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß die unterschiedliche Besteuerung von Renten und Pensionen dem Grunde nach verfassungsgemäß war (vgl. BVerfGE 54, 11 [26, 31]).
Die eingeschränkte Besteuerung der Renten sei gerechtfertigt, weil die Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung aus ihrem Arbeitsverdienst Beiträge für ihre Altersversorgung entrichtet hätten. Der mit diesen Beiträgen aufgebaute Anteil des Rentenstammrechts rühre aus dem Arbeitslohn des Versicherten her und habe somit grundsätzlich der Lohnsteuerpflicht unterlegen. Folglich enthalte jede Rentenzahlung einen Betrag, der wirtschaftlich gesehen lediglich den Gegenwert der früher eingezahlten Beiträge darstelle. Entscheidend sei nicht, in welchem Umfang die Versicherten zu ihrer eigenen Rente beitrügen, sondern vielmehr, daß sie mit ihren Beiträgen einen erheblichen Anteil an der Finanzierung der zur Zeit der Beitragsentrichtung zu zahlenden Renten getragen hätten („Generationenvertrag”). Diese Gründe, die die beschränkte Besteuerung der Renten sachlich rechtfertigten, träfen bei Ruhegehaltszahlungen nicht zu, weil die Beamten zu ihrer Altersversorgung allenfalls fiktive Beiträge leisteten, die der Dienstherr durch eine entsprechend geringere Bemessung der Bezüge von vornherein einbehalte. Diese „Beiträge” flössen den Beamten jedoch nicht zu und unterlägen deshalb auch keiner Besteuerung.
Gleichwohl kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, daß die steuerliche Begünstigung der Rentner im Verhältnis zu den Ruhestandsbeamten inzwischen durch veränderte Verhältnisse ein Ausmaß erreicht habe, welches eine Korrektur erforderlich mache. Während das Rentenniveau ursprünglich sehr niedrig gewesen sei, hätten die Renten infolge ihrer Dynamisierung sowohl nominell als auch real Größenordnungen erreicht, bei denen ohne die Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG in vermehrtem Umfang Steuern zu entrichten wären. Hinzu komme, daß sich diese steuerliche Begünstigung insbesondere beim Vorliegen von Zusatzversorgungen und weiteren Einkünften zunehmend fühlbar auswirke. Zwar habe die steuerliche Gesamtregelung in den Streitjahren 1969 und 1970 und in der Folgezeit noch den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügt. Der Gesetzgeber sei aber verpflichtet, eine Neuregelung in Angriff zu nehmen, wobei es ihm überlassen bleibe, in welcher Weise und mit welchen gesetzgeberischen Mitteln er die inzwischen eingetretenen Verzerrungen beseitige. Eine solche Neuregelung habe eine sachlich ungerechtfertigte steuerliche Benachteiligung sowohl der noch erwerbstätigen als auch der im Ruhestand lebenden Gewerbetreibenden und Freiberufler mit Einkünften aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung zu vermeiden. Zur Beseitigung von Ungleichheiten bei komplexen Sachverhalten könne der Gesetzgeber Fristen in Anspruch nehmen. Das gelte insbesondere, wenn sich – wie hier – die tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen einer langfristigen Entwicklung so verändert hätten, daß die Beseitigung der Unstimmigkeiten durch eine einfache und daher schnell zu verwirklichende Anpassung nicht möglich sei.
III.
1. Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 459/87 ist Ruhestandsbeamter. In den Streitjahren 1983 und 1984 zog das Finanzamt seine Pension gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG in voller Höhe zur Einkommensteuer heran. Der Beschwerdeführer hält diese Besteuerung für verfassungswidrig. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus, der Gesetzgeber habe nicht bis spätestens 1984 eine Neuregelung treffen müssen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11) sei vielmehr dahin zu verstehen, daß eine Frist für eine Neuregelung eingeräumt worden sei, die wegen der Komplexität der zu regelnden Materie jedenfalls 1984 noch nicht verstrichen gewesen sei. Eine bloße Gesetzesanpassung reiche nämlich nicht aus. Vielmehr müsse die Neuregelung erheblich in bisherige gesetzliche Regelungen eingreifen. Dabei erstrecke sich der zu regelnde Bereich auf ein umfassendes Rechtsgebiet, das sich vom Beamten- und Versorgungsrecht über das Steuerrecht bis zum zivilrechtlichen Scheidungs- und Unterhaltsrecht erstrecke. Ohnehin werde die Neuregelung nicht dahin gehen können, daß die Besteuerung der Pensionen der jetzigen Rentenbesteuerung gleichgestellt werde, weil eine solche Ausdehnung notwendigerweise eine Benachteiligung anderer Bezieher von Alterseinkünften bewirken würde. Der Bundesfinanzhof wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück.
2. Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 467/87 ist die Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes, der ebenfalls Ruhestandsbeamter war. Er bezog in den Streitjahren 1983 und 1984 Ruhegehaltsbezüge, die im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit voll versteuert wurden. Einspruch und Klage, mit denen ebenfalls die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung geltend gemacht wurde, blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte aus, zwar bezweckten Pensionen und Renten gleichermaßen die finanzielle Absicherung im Alter. Aus den Grundverhältnissen ergäben sich indessen Verschiedenheiten, die eine unterschiedliche Besteuerung sachlich rechtfertigten. Dies habe auch das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11) so entschieden. Die dort aufgezeigten Ungleichheiten hätten sich jedenfalls nicht so stark verändert, daß der in den Streitjahren bestehende Rechtszustand nunmehr als verfassungswidrig zu bezeichnen wäre. Unabhängig davon habe sich die Bundesregierung aufgrund der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts der überaus komplexen Materie „Neugestaltung der Alterssicherung und Reform der Besteuerung der Alterseinkommen” unverzüglich angenommen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wies der Bundesfinanzhof ebenfalls zurück.
3. Mit ihren Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführer geltend, die Besteuerung ihrer Versorgungsbezüge verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die gleichen Bezüge als Sozialversicherungsrente steuerfrei wären. Für eine so krasse Ungleichbehandlung habe es in den Streitjahren 1983 und 1984 keinen rechtfertigenden Grund gegeben.
Das Bundesverfassungsgericht habe 1980 zwar die Besteuerung der Beamtenpensionen im Vergleich zu den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung für die Jahre 1969 und 1970 nicht beanstandet. Es habe aber gleichzeitig festgestellt, daß aufgrund einer langjährigen Entwicklung ein verfassungswidriger Zustand erreicht sei, der nur zum „gegenwärtigen Zeitpunkt” (1980) noch als tragbar beurteilt werde; die aufgetretenen Ungleichheiten seien aber nunmehr zu beseitigen. Diese Aufforderung habe der Gesetzgeber ohne zureichenden Grund nicht befolgt. Vielmehr habe er in Kauf genommen, daß sich das Problem angesichts der Progressionswirkung des Einkommensteuertarifs stetig verschärfe.
Das Bundesverfassungsgericht habe die unterschiedliche Besteuerung von Pensionen und Renten in den Streitjahren noch für verfassungsgemäß gehalten, weil Rentenbezieher ihre Beiträge unter Umständen aus versteuertem Einkommen aufgebracht hätten. Dabei habe es einen Finanzierungsanteil von 30 bis 40 vom Hundert angenommen. Nach Erkenntnissen der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme treffe es zwar zu, daß die Beiträge der Arbeitnehmer zu den Renten eines bestimmten Zeitraumes in weitaus höherem Maße als 10 vom Hundert beigetragen hätten. Bei näherem Zusehen bleibe aber als einzig unterscheidendes Merkmal zwischen der Beamtenversorgung und der Rentenversicherung der Umstand, daß Rentner mit allenfalls 10 vom Hundert zu ihrer eigenen Altersversorgung beitrügen. Denn ebenso wie es sich bei Renten um gesetzlich zugesicherte Gegenleistungen der Versicherungsgemeinschaft handele, lägen bei Ruhegehaltsempfängem gesetzlich zugesicherte Gegenleistungen der staatlichen Gemeinschaft vor. Auf den Eigenanteil der Rentner stelle aber § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG nicht ab, sondern allein auf das sogenannte Eintrittsalter. Praktisch wirke sich das auch bei Alterseinkünften in Fällen der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente aus. Nach der Systematik des Gesetzes ergäben sich hier unabhängig von der Eigenfinanzierung sehr niedrige Ertragsanteile.
Im übrigen könne aus steuerlicher Sicht nicht maßgeblich sein, ob der Empfänger die Versorgungsleistungen durch eigene Beiträge finanziert habe. Entscheidend sei vielmehr die steuerliche Behandlung. Da die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entgegen der Annahme des Bundesverfassungsgerichts aus unversteuertem Einkommen gezahlt würden, sei es verfehlt, die Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung anzuwenden. Als Wirkung stelle sich die Bildung eines Steuerfreibetrages ein, der sich mit der Höhe der Rente vergrößere. Solche einkommensabhängige Freibeträge seien aber der Einkommensteuer wesensfremd, weil sie dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zuwiderliefen. Durch den progressiven Tarif verstärke sich die begünstigende Wirkung der Besteuerung der Renten gegenüber der Besteuerung der Versorgungsbezüge mit steigendem Einkommen sogar noch.
4. Nach Einlegung der Verfassungsbeschwerde hat das Finanzamt gegen die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 467/87 für die Streitjahre Einkommensteuerbescheide erlassen, die an die Stelle der angegriffenen Lohnsteuerbescheide getreten sind. Die Beschwerdeführerin beantragt, diese Bescheide zum. Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu machen.
IV.
In den Verfahren haben der Bundesminister der Finanzen namens der Bundesregierung und der Bundesfinanzhof Stellung genommen, im Verfahren 1 BvR 467/87 zusätzlich das im Ausgangsverfahren beteiligte Finanzamt.
1. Der Bundesminister hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Entsprechend dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts seien unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zur Vorbereitung einer Neuregelung des komplexen Sachverhalts in Angriff genommen worden. Durch Kabinettsbeschlüsse vom Oktober 1980 und Juni 1981 sei die unabhängige Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme berufen worden. Diese habe ihr Gutachten am 19. November 1983 übergeben. Daraufhin hätten weitere Gutachten eingeholt werden müssen, insbesondere zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des „Modells der belastungsäquivalenten Formel”. Das entsprechende Gutachten sei am 31. Oktober 1984 vorgelegt worden. Im übrigen habe sich der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen im Juni 1984 mit der Erstellung eines „Gutachtens zur einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinkünften” befaßt. Dieses Gutachten sei am 6. Juni 1986 erstattet worden. Das zeige, daß die den Verfassungsbeschwerden zugrunde liegende Vorstellung, der Gesetzgeber hätte die Neuordnung bereits mit Wirkung für die Streitjahre vornehmen können, dem Gewicht und der Komplexität der Problematik nicht gerecht werde.
Eine Vorabregelung von Einzelfragen sei verfassungsrechtlich nicht geboten gewesen. Die Besteuerungsunterschiede zwischen den Beziehern beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge und den Sozialversicherungsrentnern hätten sich seit 1980 nicht in einer Weise verändert, daß Sofortmaßnahmen des Gesetzgebers für die Streitjahre 1983 und 1984 angezeigt gewesen wären.
Im übrigen sei die Neuregelung der Besteuerung von Alterseinkünften im Zusammenhang mit der Rentenstrukturreform zu sehen. Wegen der bei der Regelung des Gesamtkomplexes auftretenden außergewöhnlich schwierigen und vielfältigen sozialpolitischen, steuerpolitischen und finanzpolitischen Probleme sei die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist für eine Neuregelung jedenfalls noch nicht überschritten.
2. Für den Bundesfinanzhof haben der VI. und der IX. Senat Stellungnahmen abgegeben.
Der VI. Senat hält, wie sich auch aus seinen die Beschwerdeführer betreffenden Beschlüssen ergibt, die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen im Verhältnis zur Besteuerung von Sozialversicherungsrenten für verfassungsgemäß. Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren umfangreiche und zeitraubende Vorarbeiten geleistet, um insbesondere den Aufforderungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen.
Auch der IX. Senat hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Die Phase der „Noch-Verfassungsmäßigkeit” sei jedenfalls in den Jahren 1983 und 1984 noch nicht abgelaufen gewesen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom Jahre 1980 dem Gesetzgeber keine Frist für eine Neuregelung der Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten gesetzt. Vielmehr sei es ausdrücklich davon ausgegangen, daß die bestehenden Verzerrungen und Ungleichheiten sich nicht durch eine rasche und einfache Anpassung beseitigen ließen. Es handele sich um eine schwierige und politisch brisante Materie, die insbesondere auch mit der Rentenreform eng zusammenhänge. Schließlich sei der Gesetzgeber in den Jahren 1980 bis 1984 nicht in einer Weise untätig geblieben, die den Schluß zulasse, daß die ungleiche Besteuerung zu einem Dauerzustand werden könne.
3. Das Finanzamt nimmt in seiner Stellungnahme zu dem Verfahren 1 BvR 467/87 auf die Entscheidungsgründe des Finanzgerichts Bezug.
Entscheidungsgründe
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
1. Prüfungsgegenstand sind unmittelbar die angegriffenen Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs sowie die ihnen zugrunde liegenden behördlichen Steuer- und Einspruchsbescheide, mittelbar § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, aus denen sich die Verschiedenbehandlung der Ruhegehälter von Beamten und der sozialversicherungsrechtlichen Renten ergibt. Die besonderen Fragen, die sich bei Verfassungsbeschwerden gegen gesetzgeberisches Unterlassen stellen, können daher im vorliegenden Falle außer Betracht bleiben.
2. Die Verfassungsbeschwerden sind nicht deshalb unzulässig, weil ihnen die Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen gemäß § 31 BVerfGG entgegenstünde. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11) die angegriffenen Vorschriften sowohl für die damals streitbefangenen Veranlagungszeiträume 1969 und 1970 als auch für den Zeitpunkt seiner Entscheidung für verfassungsmäßig erklärt. Doch hat das Gericht erkennbar schon damals den späteren Eintritt der Verfassungswidrigkeit für möglich gehalten. Außerdem haben die Beschwerdeführer in ausreichendem Maße neue tatsächliche Entwicklungen vorgetragen, die die wiederholte verfassungsrechtliche Prüfung der von ihnen aufgeworfenen Fragen als zulässig erscheinen lassen.
3. Die Verfassungsbeschwerden sind auch nicht deshalb unzulässig/weil die Beschwerdeführer durch sie nicht notwendig eine Verbesserung ihrer steuerlichen Behandlung erreichen können. Enthält eine angegriffene gesetzliche Regelung einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, so gibt es schon begrifflich mehrere verfassungsgemäße Lösungen, darunter auch solche, die sich nicht zugunsten des Beschwerdeführers, sondern zu Lasten der mit ihm zu vergleichenden Personen oder Personengruppen auswirken, im vorliegenden Falle etwa die volle Besteuerung der sozialversicherungsrechtlichen Renten oder eine Behandlung der Ruhegehälter nach den gegenwärtig geltenden Grundsätzen der Rentenbesteuerung bei gleichzeitiger Verringerung der Bruttoruhegehälter. Das ändert jedoch nichts daran, daß Verfassungsbeschwerden, die auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützt werden, bis zu einem entsprechenden Tätigwerden des Gesetzgebers zulässig sind.
4. Im Verfahren 1 BvR 467/87 scheitert die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde schließlich nicht daran, daß die vor den Finanzgerichten angefochtenen behördlichen Lohnsteuerausgleichsbescheide mittlerweile durch Einkommensteuerbescheide ersetzt worden sind. Die verfassungsrechtliche Frage ist in beiden Fällen die gleiche, und es ist nicht zu erwarten, daß die Fachgerichte sie bei erneuter Prüfung anders entscheiden würden. Unter diesen Umständen wäre es unzumutbar, von der Beschwerdeführerin die Durchführung eines weiteren finanzgerichtlichen Verfahrens zu fordern. Das gilt um so mehr, als nach § 68 FGO auch schon im finanzgerichtlichen Verfahren der ursprünglich angefochtene Hoheitsakt durch einen neuen, in der gleichen Sache ergangenen Hoheitsakt ersetzt werden kann (vgl. auch BFHE 103, 549, BStBl II 1972, 219).
II.
Die Verfasssungsbeschwerden sind nicht begründet.
1. Dem Gesetzgeber steht zur Bewältigung der Aufgabe, eine dem Gleichheitssatz entsprechende umfassende Regelung der Besteuerung aller Altersbezüge zu schaffen, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11) eine erhebliche Zeitspanne zur Verfügung.
Das folgt schon aus der Formulierung des verfassungsgerichtlichen Beschlusses. Dieser weicht deutlich von anderen Entscheidungen ab, in denen das Gericht den Gesetzgeber zur Beseitigung eines verfassungswidrigen Rechtszustandes verpflichtet hat. Die festgestellte Ungleichheit wird weder als verfassungswidrig noch als nur für eine bestimmte Zeit hinnehmbar bezeichnet. Ebensowenig bringt das Gericht zum Ausdruck, daß die zu beurteilende Lage gerade noch verfassungsgemäß sei, aber binnen kurzer Frist verfassungswidrig werde (vgl. BVerfGE 54, 11 [34 ff.]). Dementsprechend hat es auch keinen konkreten Zeitpunkt genannt, bis zu dem die von ihm aufgezeigten Ungleichheiten behoben werden müßten. Es hat lediglich davon gesprochen, daß der Gesetzgeber „nunmehr” die ihm aufgezeigten Probleme „in Angriff zu nehmen” habe (vgl. BVerfGE 54, 11 [39]). Der Auftrag an den Gesetzgeber ist also im Vergleich zu anderen „Appellentscheidungen” ungewöhnlich zurückhaltend formuliert. Zudem ist in Rechnung zu stellen, daß das Gericht selbst in solchen Fällen, in denen es sich zu einer konkreten Fristbestimmung veranlaßt sieht, diese zumindest bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode (vgl. etwa BVerfGE 15, 337 [352]; 36, 146 [172]) erstreckt und daß es bei einer schwierigen Reformfrage, nämlich dem Übergang von der Allphasen- zur Mehrwertsteuer bei der Umsatzbesteuerung, auch das Verstreichen von acht Jahren nicht für sich schon zum Anlaß für die Nichtigerklärung des fraglichen Gesetzes genommen hat (vgl. BVerfGE 21, 12 [42]). Bei einer Entscheidung wie der hier in Rede stehenden, in der nicht einmal von der Einhaltung einer angemessenen Frist gesprochen wird, ist der zeitliche Spielraum des Gesetzgebers noch deutlich größer.
Das ist angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, die der Gesetzgeber bei der Neuregelung der steuerlichen Behandlung sämtlicher in Deutschland bestehender Formen der Alterssicherung – einschließlich der der selbständigen Berufe – zu bewältigen hat, und angesichts der Probleme, die schon der Vergleich dieser Normensysteme nach Voraussetzungen, Finanzierungsformen und wirtschaftlichen Folgen aufwirft (vgl. dazu näher BVerfGE 54, 11 [37–39]), auch gerechtfertigt.
2. Unter den gegebenen Umständen hat der Gesetzgeber dadurch, daß er die ihm aufgegebene Neuregelung noch nicht getroffen hat, bisher das Grundgesetz nicht verletzt.
a) Die Bundesregierung hat die notwendige Neuregelung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 durch die Einsetzung der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme unverzüglich in Angriff genommen, und diese hat ihr Gutachten auch nach angemessener Zeit vorgelegt; die Beratungszeit von etwa zwei Jahren war angesichts der Schwierigkeit der Probleme keineswegs zu lang. Sachgerecht war aus den nämlichen Gründen auch die Einholung verfassungsrechtlicher Gutachten sowie die Einschaltung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, der seine Stellungnahme am 6. Juni 1986 überreicht hat. Schon deshalb sind die Verfassungsbeschwerden, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1983 und 1984 beziehen, unbegründet.
b) Im übrigen stellt auch das spätere Zögern des Gesetzgebers bislang noch keine Verletzung von Verfassungsrecht dar. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, daß das Jahr 1986 am Ende einer Legislaturperiode des Deutschen Bundestages lag, die Lösung so komplizierter Probleme wie der hier zur Diskussion stehenden im allgemeinen aber – auch nach ihrer Vorberatung innerhalb der Bundesregierung – eine mehrjährige parlamentarische Arbeit beansprucht. Andererseits ist in Rechnung zu stellen, daß noch während der folgenden Legislaturperiode auf Gesetzgeber und Regierung die mit der deutschen Wiedervereinigung zusammenhängenden Probleme zukamen. Diese nahmen – und nehmen – die gesetzgebenden Organe in einem außergewöhnlichen, nicht vorhersehbaren Maße in Anspruch, ganz abgesehen davon, daß die Staatsfinanzen durch die Folgen der deutschen Vereinigung aufs äußerste angespannt sind und daß eine Reform, die nicht kostenneutral wäre, daher auf größte Schwierigkeiten stoßen müßte. Vor allem kommt es nunmehr aber auch darauf an, das Sozialsystem der Deutschen Demokratischen Republik in das der Bundesrepublik zu integrieren. Die Fragen, die schon in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Jahre 1980 aufgezählt wurden, sind dadurch noch komplizierter geworden. Auch daraus folgt, daß verfassungsrechtliche Fristen im vorliegenden Falle nicht überschritten sind.
Fundstellen