Verfahrensgang
BVerwG (Urteil vom 04.04.2012; Aktenzeichen 4 C 2.10) |
Hessischer VGH (Urteil vom 21.08.2009; Aktenzeichen 11 C 359/08 T) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
1. Die Beschwerdeführer bewohnen die Erdgeschosswohnung eines Zweifamilienhauses in Frankfurt am Main. Das Haus wurde im Jahr 2003 in eine Grundstücks-GbR eingebracht, deren Gesellschafter die Beschwerdeführer sowie deren beide Kinder sind. Das Haus befindet sich nach Vortrag der Beschwerdeführer in der Tag- und Nacht-Schutzzone des Flughafens Frankfurt Main.
Die Beschwerdeführer sind des weiteren Miteigentümer einer Wohnung in Frankfurt-Sachsenhausen, die in der Tag-Schutzzone 2 des Flughafens Frankfurt Main liegt; die Beschwerdeführerin zu 2) ist außerdem Alleineigentümerin eines weiteren Hauses in Frankfurt-Sachsenhausen. Ob dieses Haus in einer der Lärmschutzzonen des Flughafens Frankfurt Main liegt, tragen die Beschwerdeführer nicht vor. Beide Objekte sind vermietet.
2. Mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss vom 18. Dezember 2007 stellte das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung auf Antrag der Fraport AG Frankfurt Airport Services Worldwide (Fraport AG) den Plan für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main einschließlich damit verbundener Folgemaßnahmen fest.
Das Konzept des Planfeststellungsbeschlusses zum Schutz vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen durch den Flugbetrieb besteht aus einer Kombination von Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes. Die im Planfeststellungsbeschluss geregelten aktiven Schutzmaßnahmen führen im Ergebnis zu diversen Flugbetriebseinschränkungen. Hinsichtlich der passiven Schutzmaßnahmen verweist der Planfeststellungsbeschluss auf das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz – FluglärmG). Darüber hinaus legt er den Kreis derer fest, die wegen der Belastung durch flugbetriebsbedingten Lärm Entschädigungs- oder Übernahmeansprüche geltend machen können.
3. Auf Klage unter anderem der Beschwerdeführer verpflichtete der Verwaltungsgerichtshof das beklagte Land durch das angegriffene Urteil vom 21. August 2009 – 11 C 509/08.T –, über die Zulassung von 17 planmäßigen Flügen in der Zeit von 23:00 bis 5:00 Uhr und über die Festlegung des Kalenderjahrs als Bezugszeitraum für die Zulassung von durchschnittlich 150 planmäßigen Flügen je Nacht im Planfeststellungsbeschluss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegenstand, hob das Gericht ihn auf, im Übrigen wies es die Klagen ab.
4. Das Bundesverwaltungsgericht änderte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs durch das ebenfalls angegriffene Urteil vom 4. April 2012 – BVerwG 4 C 6.10 – und verpflichtete das beklagte Land, über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 23:00 und 5:00 Uhr sowie über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 22:00 und 6:00 Uhr im Planfeststellungsbeschluss, soweit diese durchschnittlich 133 je Nacht, bezogen auf das Kalenderjahr, übersteigen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Es verpflichtete das beklagte Land zudem zur Neuentscheidung über die Regelung des Schallschutzes für einzelne gewerblich genutzte Grundstücke. Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegenstand, hob das Bundesverwaltungsgericht ihn auf und wies die Klagen im Übrigen ab.
5. Als Folge der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erließ das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung die Planergänzungsbeschlüsse vom 29. Mai 2012 und vom 30. April 2013.
Mit dem Planergänzungsbeschluss vom 29. Mai 2012 trug das beklagte Land dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts insoweit Rechnung, als es für die beiden Nachtrandstunden von 22:00 bis 23:00 Uhr und von 05:00 bis 06:00 Uhr insgesamt nur noch 133 (statt ursprünglich 150) planmäßige Flugbewegungen pro Nacht zuließ.
Mit dem Planergänzungsbeschluss vom 30. April 2013 änderte das beklagte Land Entscheidungen zur gewerblichen Nutzung im Planfeststellungsbeschluss und setzte damit auch den hierauf bezogenen Teil des Bundesverwaltungsgerichtsurteils um.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.
Sie begründen ihre Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen damit, dass das vom Planfeststellungsbeschluss und den ihn weitgehend bestätigenden Gerichtsentscheidungen festgelegte Schutzniveau hinsichtlich des flugbetriebsbedingten Lärms verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht werde.
Das Fluglärmschutzgesetz selbst sei verfassungswidrig, weil es den Ergebnissen der Fluglärmforschung nicht ausreichend Rechnung trage und deshalb die Beschwerdeführer unzumutbaren Lärmbelastungen aussetze. Im fachgerichtlichen Verfahren gestellte Beweisanträge der Beschwerdeführer unter anderem zur Verfassungswidrigkeit des Fluglärmschutzgesetzes seien unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG abgelehnt worden.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Mit der Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.
Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG rügen, weil das Verfahren über etwaige Entschädigungsansprüche aus dem Planfeststellungsverfahren ausgelagert worden sei, steht dieser Rüge der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen (vgl. dazu BVerfGE 112, 50 ≪60 ff.≫). Die Beschwerdeführer haben die Frage im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren nicht angesprochen, obgleich es angezeigt gewesen wäre, auf eine weitergehende fachgerichtliche Aufarbeitung des Zusammenspiels zwischen Planfeststellungsbeschluss und sekundärem Rechtsschutz gegen Fluglärmbelastungen zu dringen. Darauf, dass eine andere Klagepartei im fachgerichtlichen Verfahren gegen den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss diesen Einwand erhoben hat, können sich die Beschwerdeführer nicht berufen. Sie haben hierzu auch nichts Näheres vorgetragen.
2. Auch im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, sie genügt insbesondere nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.
Die Begründung von Verfassungsbeschwerden erfordert nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht und mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts; die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ist hinreichend deutlich darzulegen (vgl. BVerfGE 89, 155 ≪171≫). Soweit das Bundesverfassungsgericht bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, ist anhand dieser Maßstäbe aufzuzeigen, inwieweit Grundrechte verletzt sein können (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫; 101, 331 ≪345 f.≫; 102, 147 ≪164≫; 108, 370 ≪386≫). Urteilsverfassungsbeschwerden müssen sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidungen auseinandersetzen. Zudem müssen wesentliche Angaben und Argumente in die Beschwerdeschrift aufgenommen werden; es genügt nicht, pauschal auf Anlagen zu verweisen (vgl. BVerfGE 80, 257 ≪263≫; 83, 216 ≪228≫; 131, 66 ≪82≫).
Trotz ihres Umfangs wird die Verfassungsbeschwerde diesen Anforderungen nicht gerecht.
a) Die Rüge einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht hinreichend substantiiert begründet. Dies gilt – hinsichtlich zweier Immobilien der Beschwerdeführer – schon für die Frage, ob Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aus Sicht der Beschwerdeführer hier überhaupt als Prüfmaßstab heranzuziehen ist (aa). Im Übrigen ist der Vortrag im Tatsächlichen unzureichend (bb) und setzen sich die Beschwerdeführer nicht hinreichend mit den angegriffenen Hoheitsakten auseinander (cc).
aa) Soweit es die vermietete Wohnung und das vermietete Haus in Frankfurt-Sachsenhausen betrifft, legen die Beschwerdeführer schon nicht dar, warum Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlicher Prüfmaßstab sein soll. Die Beschwerdeführer leben nicht in diesen Immobilien und tragen auch nichts dazu vor, dass sie beabsichtigen, demnächst oder überhaupt jemals dort wohnen zu wollen. Eine Verletzung von Art. 14 GG machen die Beschwerdeführer insoweit nicht geltend. Die von den Beschwerdeführern konkret benannten, ihrer Ansicht nach gerade noch zulässigen Grenzwerte für Lärmbelastung werden im Übrigen bei diesen Anwesen schon nach dem Vortrag der Beschwerdeführer nicht überschritten.
bb) Der Vortrag ist zudem insgesamt in tatsächlicher Hinsicht unzureichend. Die Verfassungsbeschwerde enthält eine Vielzahl von Angaben zur Lärmbetroffenheit. Die Beschwerdeführer verweisen sowohl auf selbst veranlasste Berechnungen, als auch auf Berechnungen des Landes Hessen sowie der Betreiberin des Flughafens.
Die von den Beschwerdeführern selbst veranlasste Berechnung ist der Verfassungsbeschwerde jedoch nicht beigefügt und daher nicht nachvollziehbar. Sie geht zudem mit einem Tag-Nacht-Pegel von einer anderen Messgröße aus als sie dem Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses und dem Fluglärmschutzgesetz zugrunde liegen. Dort wird stets mit äquivalenten Dauerschallpegeln separat für Tag und Nacht gearbeitet. Insofern sind die Lärmberechnungen nicht vergleichbar.
Soweit sich die Beschwerdeführer auf die Berechnungen des Landes Hessen und der Betreiberin des Flughafens beziehen, handelt es sich um Berechnungen zu dem außen an den Gebäuden ankommenden Lärm. Für den von den Beschwerdeführern ins Zentrum ihres Vorbringens gerückten Schutz zur Nachtzeit muss aber – unter Berücksichtigung etwaiger Ansprüche auf passiven Schallschutz – auf den im Inneren ankommenden Lärm abgestellt werden.
Im Übrigen spiegeln die von den Beschwerdeführern genannten Lärmwerte die Situation zu Beginn der fachgerichtlichen Überprüfung wieder. Als Ergebnis des Ausgangsverfahrens wurde aber insbesondere der Schutz der Lärmbetroffenen zur Nachtzeit gestärkt. Dies hat zwangsläufig Folgen für die Berechnung der Lärmpegel, worauf die Beschwerdeführer jedoch nicht eingehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie diese Änderungen in ihren Berechnungen nachvollzogen hätten.
Auch mit den von ihnen durchgeführten Messungen legen die Beschwerdeführer die tatsächliche Belastung nicht hinreichend dar. Mit der Messung von einigen Einzelereignissen in einem Zeitraum von drei Tagen lässt sich das auf äquivalenten Dauerschallpegeln beruhende Lärmschutzkonzept nicht in Frage stellen.
Die auf die Beschwerdeführer tatsächlich einwirkende Lärmsituation nach dem in Folge der fachgerichtlichen Entscheidungen ergangenen Planergänzungsbeschluss vom 29. Mai 2012 ist daher unklar, sie ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vortrag der Beschwerdeführer. Auf dieser in tatsächlicher Hinsicht unklaren Grundlage kann eine verfassungsrechtliche Prüfung nicht erfolgen.
cc) Die Beschwerdeführer setzen sich auch nicht hinreichend mit den angegriffenen Entscheidungen auseinander.
Sie stellen über weite Strecken den angegriffenen Entscheidungen lediglich ihren früheren fachgerichtlichen Vortrag gegenüber. Sie setzen sich insbesondere nicht hinreichend mit den Ausführungen der Fachgerichte zum Lärmschutzkonzept des planfestgestellten Vorhabens auseinander.
Dem Flughafenausbau liegt ein kombiniertes Konzept aktiver und passiver Maßnahmen zum Schutz vor fluglärmbedingten Beeinträchtigungen zugrunde. Für eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem Lärmschutzkonzept hätten sich die Beschwerdeführer daher – insbesondere soweit es das von ihnen selbst bewohnte Anwesen betrifft – mit den ihnen zustehenden Schutzmöglichkeiten näher befassen müssen. Die Beschwerdeführer haben nach dem Planfeststellungsbeschluss für das von ihnen bewohnte Anwesen Anspruch auf umfangreiche Maßnahmen des passiven Schallschutzes einschließlich Entschädigungszahlungen für nicht nutzbare Außenbereiche.
Raum für einen etwaigen Verstoß des Lärmschutzkonzeptes gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bleibt daher nur, wenn trotz der festgelegten Betriebsbeschränkungen einerseits und der gewährten passiven Schallschutzmaßnahmen andererseits eine Lärmbelastung verbliebe, die das verfassungsrechtlich Zumutbare überschreitet. Die Beschwerdeführer legen dies jedoch gerade nicht dar. Insbesondere tragen sie – wie schon erwähnt – nichts zu den Lärmbelastungen nach Vornahme der im Planfeststellungsbeschluss beziehungsweise im Fluglärmschutzgesetz angelegten Schallschutzmaßnahmen vor.
b) Soweit die Beschwerdeführer unter mehreren Gesichtspunkten eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG rügen, erfolgt dies nicht hinreichend substantiiert und zudem oft nur unter Anführung ihrer abweichenden einfachrechtlichen Würdigung.
Insbesondere ist der Vorwurf unsubstantiiert, der Verwaltungsgerichtshof habe Beweisanträge im Zusammenhang mit der von den Beschwerdeführern behaupteten Verfassungswidrigkeit des Fluglärmschutzgesetzes willkürlich abgelehnt und das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit den hierauf bezogenen Revisionsrügen der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinandergesetzt. Die Gerichte haben sich ausführlich mit der Verfassungsmäßigkeit des Fluglärmschutzgesetzes befasst, sind dabei auf alle wesentlichen Argumente eingegangen, jedoch gerade auch mit Blick auf die im Fluglärmschutzgesetz spätestens für das Jahr 2017 vorgeschriebene Evaluierungspflicht für die Lärmwerte nach § 2 Abs. 2 FluglärmG zu einem anderen Ergebnis als die Beschwerdeführer gekommen. Wenn der Verwaltungsgerichtshof daher die in diesem Zusammenhang von den Beschwerdeführern gestellten Beweisanträge abgelehnt und das Bundesverwaltungsgericht dies revisionsrechtlich nicht beanstandet hat, geschah dies im Hinblick auf deren andere Rechtsansicht und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch im Übrigen ist ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu erkennen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Britz
Fundstellen