Verfahrensgang
OLG Bamberg (Beschluss vom 10.03.2006; Aktenzeichen 1 Ws 94/06) |
LG Bayreuth (Beschluss vom 03.01.2006; Aktenzeichen StVK 1206/05 (1.UH)) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Kürzung des Taschengeldes für Maßregelvollzugspatienten in Bayern.
I.
1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 1999 gemäß § 63 StGB im Maßregelvollzug des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Bis zum 31. Dezember 2004 erhielt er in Anlehnung an § 21 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) monatlich 86,19 € als Taschengeld. Eine spezielle gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Taschengeld (Barbetrag) an Untergebrachte im Maßregelvollzug besteht in Bayern nicht. Der Taschengeldgewährung lagen ein Beschluss des Bayerischen Landtages mit folgendem Wortlaut
“Mittellosen Patienten, die im sogenannten Maßregelvollzug in den forensischen Abteilungen der psychiatrischen Bezirkskrankenhäuser untergebracht sind, sollen in Angleichung an eine bundesweite Praxis einen Taschengeldsatz gemäß § 21 Abs. 3 BSHG erhalten.” (Beschluss des Bayerischen Landtages vom 20. Juli 1994, Drucks 12/16924).
sowie ein dazu ergangenes Schreiben des zuständigen Ministeriums vom 11. April 1995 zugrunde.
Mit dem Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022) wurde § 21 Abs. 3 BSHG zum 1. Januar 2005 durch § 35 SGB XII abgelöst. In den Einrichtungen, auf die § 35 SGB XII unmittelbar Anwendung findet, wird in Bayern seitdem auf der Grundlage dieser Bestimmung ein monatliches Taschengeld in Höhe von 88,66 € ausgezahlt. Mit Rundschreiben vom 15. November 2004 – IV5/8091-1/50/04 – teilte das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen mit, die Ungleichbehandlung, die mit der bisherigen, auf den Landtagsbeschluss zurückgehenden Praxis der Taschengeldzahlung im Maßregelvollzug im Verhältnis zu mittellosen Strafgefangenen verbunden sei, welche gemäß § 46 StVollzG ein monatliches Taschengeld von 28,68 € erhielten, sei aufgrund der aktuellen Haushaltssituation nicht mehr zu rechtfertigen. Personen, die keine Lockerungen beziehungsweise nur Lockerungen in Form von Ausgängen auf dem Klinikgelände erhielten, sei vom nächsten Zahlungszeitpunkt an ein Taschengeld in Höhe von 50 % des bisherigen Betrages, höchstens also 44,33 €, zu zahlen. Auf diese Weise werde eine Angleichung an den Taschengeldbezug bei Strafgefangenen erreicht. Der Mehrbetrag von etwa 15 € monatlich solle den mittellosen Untergebrachten weiterhin ermöglichen, ihren persönlichen Bedarf, wie beispielsweise Körperpflegemittel oder einen Friseurbesuch, sicherzustellen. Für die Personengruppe ab der Lockerungsstufe “stundenweise Beurlaubung” sei demgegenüber eine Absenkung der monatlichen Taschengeldzahlung nicht angebracht.
In einem weiteren Schreiben des Staatsministeriums an die Bezirkskrankenhäuser vom 18. Januar 2005 – IV5/8091-1/50/04 – wurden Einwände einiger Maßregelvollzugseinrichtungen gegen die Kürzung des Taschengeldes dahin beantwortet, dass vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage eine teilweise Reduzierung der monatlichen Taschengeldzahlungen unumgänglich sei. Die vorgenommene Differenzierung sei gerechtfertigt, weil bei der Patientengruppe ab Lockerungsstufe “stundenweise Beurlaubungen” den erhöhten Bedürfnissen und therapeutischen Notwendigkeiten habe Rechnung getragen werden müssen. Unbedingt notwendige Anschaffungen könnten auch von dem reduzierten Taschengeldbetrag getätigt werden. Soweit Patienten ein Arbeitstherapieentgelt erhielten, verblieben ihnen davon zusätzlich zu dem reduzierten Taschengeld 25,56 € anrechnungsfrei.
2. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2005 beantragte der Betreuer des Beschwerdeführers beim Bezirkskrankenhaus Bayreuth, das Taschengeld für diesen rückwirkend zum 1. Januar 2005 wieder auf den vormaligen Betrag von 88,66 € anzuheben. Die Kürzung verletze dessen Menschenwürde. Der Beschwerdeführer nutze das Taschengeld vor allem für den Erwerb von Kreativmaterial zur sinnvollen Alltagsgestaltung. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2005 lehnte das Bezirkskrankenhaus den Antrag unter Verweis auf die Vorgaben des Sozialministeriums, die der Einrichtung keine Ermessensspielräume beließen, ab.
3. Der Beschwerdeführer – hier wie im weiteren Verfahren vertreten durch seinen Betreuer – beantragte am 27. Oktober 2005 gemäß § 138 Abs. 3 in Verbindung mit §§ 109 ff. StVollzG beim Landgericht Bayreuth, das Bezirkskrankenhaus Bayreuth zu verpflichten, ihm rückwirkend zum 1. Januar 2005 ein Taschengeld in Höhe von 88,66 € im Monat zu zahlen. Das Landgericht wies mit dem angegriffenen Beschluss den Antrag zurück. Die Gewährung und die Festsetzung der Höhe des Taschengeldes im Maßregelvollzug seien gesetzlich nicht gesondert geregelt. Ein Anspruch auf Auszahlung eines angemessenen Taschengeldes ergebe sich aus der Fürsorgepflicht des Staates und dem Anspruch der Maßregelvollzugspatienten auf menschenwürdige Unterbringung. Da jedoch § 35 Abs. 2 SGB XII für Maßregelvollzugspatienten nur entsprechend anzuwenden sei, habe das Bayerische Sozialministerium die Höhe des Taschengeldes für eine bestimmte Patientengruppe reduzieren können. Auch von einem Betrag von 44,33 € könne ein Patient kleinere persönliche Anschaffungen tätigen. Den erhöhten Bedürfnissen von Patienten mit weitergehenden Lockerungen werde dadurch Rechnung getragen, dass diese von der Taschengeldkürzung nicht betroffen seien. Aufgrund dieser Differenzierung könne die Entscheidung des Staatsministeriums nicht als willkürlich angesehen werden. Es liege auch kein Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz vor. In Zeiten allgemein angespannter Haushaltslage müssten sämtliche Empfänger staatlicher Leistungen in den verschiedensten Bereichen mit der Kürzung staatlicher Zuwendungen rechnen.
4. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde wies das Oberlandesgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss als unbegründet zurück. Der Landesgesetzgeber habe die Frage der Gewährung und Festsetzung der Höhe des Taschengeldes im stationären Maßregelvollzug gesetzlich nicht gesondert geregelt. Zu den zwingend Anspruchsberechtigten nach § 35 SGB XII zählten die mittellosen Forensikpatienten nicht, da im SGB XII nur Ansprüche der Bürger gegen die örtlichen beziehungsweise überörtlichen Träger der Sozialhilfe geregelt seien. Dazu zählten die Vollzugseinrichtungen nicht. Aus der Zuständigkeits- und Kostenerstattungsregelung des § 98 Abs. 4 SGB XII folge nichts anderes. In Bayern bestehe mangels entsprechender landesrechtlicher Regelung auch keine zwingende Verpflichtung zu einer entsprechenden Anwendung von § 35 SGB XII. Die Tatsache, dass das zuständige Staatsministerium sich im Rahmen seiner pflichtgemäßen Ermessensausübung bei der Gewährung und Festsetzung der Höhe des Taschengeldes im Maßregelvollzug prinzipiell an der Regelung des § 35 SGB XII orientiere, schließe es nicht aus, für eine bestimmte Patientengruppe die Höhe des Barbetrages zur persönlichen Verfügung zu reduzieren. Sachliche Gründe für die vorgenommene Differenzierung ergäben sich bei Betrachtung der zu berücksichtigenden Aufwendungen. So habe der Maßregelpatient, dem noch keine Lockerungen mit der Möglichkeit des Verlassens des Klinikgeländes gewährt worden seien, beispielsweise keine Kosten für Nahverkehrsmittel und Kino- oder Theaterbesuche. In der Reduzierung des Taschengeldsatzes für bestimmte Maßregelvollzugspatienten liege kein Verstoß gegen die Menschenwürde oder gegen die staatliche Fürsorgepflicht. Dies folge bereits aus einem Vergleich mit der Taschengeldgewährung nach § 46 StVollzG an Strafgefangene, die in Bayern im Jahr 2005 monatlich 28,68 € erhalten hätten.
II.
1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Seine Unterbringung sei aufgrund einer Erkrankung erfolgt, die fehlende Schuldfähigkeit begründe. Aufgrund dieser Erkrankung sei er nicht mit Strafgefangenen, sondern mit Personen, die in einer Einrichtung für behinderte und pflegebedürftige Menschen leben, zu vergleichen. Ihm stehe daher, wie diesem Personenkreis, ein Barbetrag entsprechend § 35 Abs. 2 SGB XII zu. Der volle Barbetrag sei zur Gestaltung eines menschenwürdigen Daseins nötig. Der entsprechende Bedarf falle auch bei niedrigerer Lockerungsstufe an. So werde beispielsweise auch während des begleiteten Ausgangs im Gelände die Cafeteria besucht.
2. Für die Bayerische Staatsregierung hat der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei wie folgt Stellung genommen: Hinsichtlich der Gewährung von Taschengeld an die Patienten des Maßregelvollzugs existiere im Freistaat Bayern keine gesetzliche Grundlage. Einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Gewährung von Taschengeld in einer bestimmten Höhe gebe es demnach nicht. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, inwieweit die teilweise Reduzierung des Taschengeldes im Maßregelvollzug einen Menschenwürdeverstoß begründe und wofür er das Taschengeld im Einzelnen verwende. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei nicht ersichtlich, da eine Vergleichbarkeit der im Maßregelvollzug untergebrachten, straffällig gewordenen Personen mit Menschen mit Behinderungen nicht gegeben sei. Strafgefangene im Justizvollzug bezögen ein Taschengeld von unter 30 € und damit deutlich weniger als Patienten des Maßregelvollzugs. Das notwendige Existenzminimum sei auch für diese gewahrt. Seitens der Einrichtungen des Maßregelvollzugs werde der notwendige persönliche Bedarf für jeden Patienten – wie unter anderem Unterkunft, Verpflegung und Heilfürsorge – unentgeltlich zur Verfügung gestellt; der durchschnittliche rechnerische Tagessatz eines Patienten in einer bayerischen Maßregelvollzugseinrichtung liege gegenwärtig bei mehr als 200 €. Etwaige – der Unterbringungssituation angemessene – über die bereitgestellten Leistungen hinausgehende Bedürfnisse könnten ohne weiteres durch die gewährten monatlichen Taschengeldzahlungen abgedeckt werden.
Der Landtag Rheinland-Pfalz verweist in seiner Stellungnahme auf die Regelung des Taschengeldes – dem Grunde nach – in § 12 des rheinland-pfälzischen Maßregelvollzugsgesetzes (MVollzG). Auch die Absenkung des früher entsprechend § 21 Abs. 3 BSHG an Maßregelvollzugspatienten gezahlten Taschengeldes auf 35 € monatlich sei im Jahr 2003 zunächst durch Landesgesetz erfolgt. Eine weitgehend entsprechende Regelung der Taschengeldhöhe treffe nunmehr, auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 1 MVollzG, § 4a Abs. 1 der Landesverordnung zur Durchführung des Maßregelvollzugsgesetzes. Es begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Höhe des in Bayern für den Beschwerdeführer vorgesehenen Taschengeldbetrages hinter dem Barbetrag nach § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII zurückbleibe. Dieser Barbetrag liege über dem nach Art. 1 Abs. 1 GG Notwendigen. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG liege nicht vor.
Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg hat auf einen zum Zeitpunkt ihrer Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurf zur Novellierung des Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetzes (HmbMVollzG) verwiesen (bürgerschaftliche Drucksache 18/5955 vom 13. März 2007), dessen mittlerweile in Kraft getretene Taschengeldregelung (§ 35 Abs. 1 HmbMVollzG) vorsieht, untergebrachten Personen einen angemessenen Barbetrag nach den Grundsätzen und Maßstäben des SGB XII zu gewähren.
3. Der Beschwerdeführer hat hierauf erwidert, dass es sich bei Maßregelvollzugspatienten in aller Regel – wie auch in seinem konkreten Fall – um behinderte Menschen handele. Bei straffällig gewordenen behinderten Menschen bestehe ein besonders hoher Wiedereingliederungsbedarf, der unter anderem eine angemessene finanzielle Ausstattung zur eigenen Verfügung erfordere.
III.
Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor; denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Sie ist teilweise unzulässig und, soweit zulässig, unbegründet.
1. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der ihm gewährte Betrag reiche der Höhe nach zur Deckung seines Existenzminimums nicht aus, ist bereits zweifelhaft, ob die Verfassungsbeschwerde ausreichend begründet ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2007 – 1 BvR 1840/07 –, juris).
Unabhängig davon ist die Verfassungsbeschwerde insoweit jedenfalls deshalb unzulässig, weil der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt ist. Nach diesem Grundsatz muss jeder Beschwerdeführer, bevor er Verfassungsbeschwerde einlegt, die behauptete Grundrechtsverletzung zunächst mit den verfügbaren anderen Rechtsbehelfen zu beseitigen suchen (vgl. BVerfGE 51, 386 ≪395≫; stRspr). Es kann offen bleiben, inwieweit dieser Grundsatz generell verlangt, dass ein Beschwerdeführer der geltend gemachten Grundrechtsverletzung auch in einem anderen als demjenigen Rechtsweg entgegentritt, in dem er sie allererst erlitten zu haben behauptet (vgl. BVerfGE 22, 287 ≪290 ff.≫; 24, 362 ≪365 f.≫). Dies ist jedenfalls dann erforderlich, wenn erst nach Ausschöpfung eines weiteren Rechtsweges feststeht, ob die geltend gemachte Grundrechtsverletzung überhaupt vorliegt. Das ist hier der Fall.
Der Beschwerdeführer hat zur Durchsetzung des von ihm behaupteten grundrechtlichen Anspruchs darauf, dass ihm ein höherer als der tatsächlich gewährte Geldbetrag zur freien Verfügung gestellt wird, zwar den gegen das Bezirkskrankenhaus als Antragsgegner (§ 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG) eröffneten Rechtsweg nach § 138 Abs. 3 in Verbindung mit §§ 109 ff. StVollzG erschöpft. Dagegen hat er den geltend gemachten Anspruch nicht mit einem Antrag auf Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bei der zuständigen Sozialbehörde und auf dem im Falle der Ablehnung eines solchen Antrages offenstehenden Weg der Klage vor den Sozialgerichten verfolgt. Solange der Beschwerdeführer keinen Versuch gemacht hat, auf diesem Weg den behaupteten grundrechtlichen Anspruch auf höhere Leistungen zu realisieren, kann eine diesbezügliche Verletzung seiner Grundrechte durch die angegriffenen Entscheidungen nicht festgestellt werden.
Sofern sich unmittelbar aus den Grundrechten des Beschwerdeführers Ansprüche ergeben sollten, die über das von den angegriffenen Entscheidungen für ausreichend Gehaltene hinausgehen, wären diese Ansprüche jedenfalls nicht bereits dadurch verletzt, dass sie nicht seitens der Maßregelvollzugsklinik, sondern anderweitig – nach Maßgabe des Sozialrechts – befriedigt werden. Solange nicht im hierfür vorgesehenen Verfahren geklärt ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beschwerdeführer für seinen behaupteten und anderweitig nicht gedeckten Bedarf Leistungen der Sozialhilfe beanspruchen kann, steht daher nicht fest, dass etwaige grundrechtliche Ansprüche des Beschwerdeführers durch unzureichende Ausstattung mit Geldmitteln verletzt sind, und fehlt deshalb für eine diesbezügliche verfassungsgerichtliche Prüfung die Grundlage.
a) Grundrechte des Beschwerdeführers können nicht dadurch verletzt sein, dass die angegriffenen Entscheidungen eine im Verfahren nach § 109 ff. StVollzG anwendbare Gesetzesbestimmung, die als Grundlage für die vom Beschwerdeführer begehrte Taschengeldzahlung in Betracht käme, nicht angewendet oder zu seinen Lasten in willkürlicher oder sonst grundrechtswidriger Weise fehlerhaft angewendet hätten. Denn eine gesetzliche Regelung, aufgrund derer ein im bayerischen Maßregelvollzug Untergebrachter gegen die Einrichtung, in der er untergebracht ist, oder deren Träger Anspruch auf den Bezug von Taschengeld hätte, besteht nicht.
Die für Strafgefangene geltende Regelung des § 46 StVollzG, die unter näher bestimmten Voraussetzungen die Gewährung eines angemessenen Taschengeldes vorsieht, gehört nicht zu den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, die nach § 138 StVollzG auch im Maßregelvollzug anwendbar sind. Eine spezielle Regelung wie für die in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten (§ 133 Abs. 2 StVollzG) hat der Bundesgesetzgeber für die im Maßregelvollzug Untergebrachten nicht geschaffen. In einem großen Teil der Länder besteht für die Gewährung eines Taschengeldes (Barbetrages) an Maßregelvollzugspatienten eine landesgesetzliche Grundlage. Die Regelungen verweisen hinsichtlich der Höhe und Bemessung meist entweder auf das frühere Bundessozialhilfegesetz (vgl. § 46 i.V.m. § 28 Abs. 3 BerlPsychKG; § 40 i.V.m. § 30 Abs. 3 BbgPsychKG; § 12 Abs. 4 MVollzG LSA) oder auf das an dessen Stelle getretene Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (§ 11 HessMVollzG; § 35 Abs. 1 HmbMVollzG; § 37 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 PsychKG M-V; § 11 NdsMVollzG). Rheinland-Pfalz hat einen Taschengeldanspruch nur dem Grunde nach gesetzlich festgeschrieben, während die Festsetzung der Höhe dem Verordnungsgeber überlassen ist (§ 12 Abs. 1 Satz 1 RhPfMVollzG; siehe bereits unter II.2.). In Bayern besteht dagegen, wie auch in einigen anderen Bundesländern, keinerlei spezialgesetzliche Grundlage für die Gewährung eines Barbetrages im Maßregelvollzug.
b) Ein Verstoß gegen Grundrechte des Beschwerdeführers liegt auch nicht schon darin, dass für die bisherige Gewährung eines Taschengeldes an ihn oder für die Verringerung des monatlich gewährten Betrages nach Maßgabe des Rundschreibens des Bayerischen Sozialministeriums vom 15. November 2004 eine gesetzliche Grundlage, die speziell Voraussetzungen und Grenzen eines Taschengeldanspruchs für im Maßregelvollzug Untergebrachte regelt, nicht besteht.
Der Staat genügt allerdings seiner Pflicht, dem Mittellosen die Mindestvoraussetzungen menschenwürdiger Existenz erforderlichenfalls durch staatliche Leistungen zu sichern (vgl. BVerfGE 40, 121 ≪133≫; 82, 60 ≪80, 85≫; 110, 412 ≪445 f.≫; 113, 88 ≪108 f.≫), nicht schon dadurch, dass er entsprechende Leistungen faktisch bereitstellt. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG fordert vielmehr, dass insoweit auch ein Rechtsanspruch eingeräumt wird (vgl. BVerfGE 113, 88 ≪108 f.≫). Landgericht und Oberlandesgericht haben angenommen, dass dem Beschwerdeführer gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein verfassungsrechtlich fundierter Anspruch auf Gewährung eines angemessenen Barbetrags zusteht. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob damit dem Verfassungsgebot, Menschen einen Anspruch auf staatliche Hilfe zur Sicherung ihres Existenzminimums einzuräumen, im Grundsatz Genüge getan ist oder ob aus den genannten Verfassungsbestimmungen und dem Verfassungsgebot, wonach die wesentlichen Entscheidungen im Bereich der Grundrechte durch parlamentarisches Gesetz zu treffen sind (vgl. BVerfGE 34, 165 ≪192≫; 47, 46 ≪79≫; 95, 267 ≪307 f.≫; stRspr; für den Anwendungsbereich des Resozialisierungsgrundsatzes BVerfGE 116, 69 ≪89≫), ein grundrechtlicher Anspruch des Bedürftigen darauf folgt, dass über die ihm zur Sicherung seines Existenzminimums zustehenden Leistungen durch – womöglich die verfassungsrechtlichen Anforderungen konkretisierende – einfachgesetzliche Regelung entschieden wird. Denn der Beschwerdeführer hat jedenfalls keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass Leistungen zur Deckung seines Existenzminimums gerade von der Einrichtung oder von dem Träger der Einrichtung des Maßregelvollzuges, in der er sich befindet, auf einer insoweit speziellen gesetzlichen Grundlage erbracht werden. Vielmehr wäre einem grundrechtlichen Anspruch des Beschwerdeführers darauf, dass Leistungen zur Sicherung seines Existenzminimums ihm durch gesetzgeberische Entscheidung gesichert werden, auch dann ausreichend Rechnung getragen, wenn er für etwaigen anderweitig nicht gedeckten Bedarf einfachgesetzlich vorgesehene Leistungen eines anderen Trägers beanspruchen könnte. Grundrechte des Beschwerdeführers sind daher, soweit es um den Vorbehalt gesetzlicher Regelung der Leistungen zur Sicherung seines Existenzminimums geht, jedenfalls insoweit nicht verletzt, als ihm solche Leistungen auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches zustehen.
Die maßgeblichen einfachgesetzlichen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches sind vorrangig von den zuständigen Behörden und Fachgerichten auszulegen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫; 97, 12 ≪27≫; 106, 28 ≪45≫). Es ist zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dem Beschwerdeführer insoweit ergänzende Ansprüche zustehen. Ihm ist es daher zumutbar, zunächst einen Antrag bei der zuständigen Sozialbehörde zu stellen und, soweit er sich durch die Behandlung eines solchen Antrags in seinen Rechten verletzt sieht, den Rechtsweg vor den Sozialgerichten auszuschöpfen.
aa) Dass grundsätzlich für Personen, die sich im Vollzug einer strafgerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung befinden, neben der Versorgung durch die jeweilige Einrichtung noch sozialhilferechtliche Leistungsansprüche in Betracht kommen können, entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 37, 87 ff.; 51, 281 ≪282≫; BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1993 – 5 C 38/92 –, juris; OLG Celle, Beschluss vom 2. Februar 2006 – 1 Ws 440/05, 441/05 –, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13. März 2006 – L 13 AS 4377/05 –, juris, sowie vom 21. März 2006 – L 7 AS 1128/06 –, juris; für das Taschengeld bei Untersuchungsgefangenen: OVG Lüneburg, Urteil vom 13. Mai 1992 – 4 L 149/90 – FEVS 43, 241 ≪242 ff.≫; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2006 – L 7 AS 423/05 ER –, juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14. November 2005 – L 9 B 260/05 SO ER –, juris; aus der Literatur allgemein Luthe, in : Hauck/Noftz, SGB XII, § 2 Rn. 56; speziell für ein nach dem SGB XII zu gewährendes Taschengeld Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: August 2007, § 98 Rn. 91).
bb) Seit dem 1. August 2006 ist durch die Einfügung der sogenannten “Nichterwerbsfiktion” für Inhaftierte in § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II klargestellt, dass keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhält, wer sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhält, sofern nicht die – im Falle des Beschwerdeführers nicht einschlägigen – Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II vorliegen. Soweit für den Zeitraum vor dieser Gesetzesänderung nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung für inhaftierte und gemäß den Kriterien des § 8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähige Personen Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den §§ 19 ff. SGB II in Betracht kamen (vgl. mit unterschiedlichen Auffassungen zur Anwendbarkeit des Einrichtungsbegriffs des § 7 Abs. 4 a.F. SGB II, Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14. November 2005 – L 9 B 260/05 SO ER –, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2006 – L 7 AS 423/05 ER –, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. März 2006 – L 13 AS 4377/05 –, juris; BayLSG, Beschluss vom 27. Oktober 2005 – L 11 B 596/05 AS ER –, juris; Groth, info also 2006, S. 243 ff.), dürften, soweit nach dem vorgetragenen Sachverhalt erkennbar, die Voraussetzungen hierfür in der Person des Beschwerdeführers nicht erfüllt gewesen sein.
cc) Als Rechtsgrundlage für die Gewährung eines – gegebenenfalls zusätzlichen – Barbetrages zur persönlichen Verfügung an den Beschwerdeführer kamen und kommen jedoch Regelungen des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch in Betracht.
Nach § 35 Abs. 2 SGB XII haben die in stationären Einrichtungen Untergebrachten Anspruch auf einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Ob Einrichtungen des Maßregelvollzuges zu den Einrichtungen im hier maßgeblichen Sinne (§ 13 Abs. 2 SGB XII) gehören, ist allerdings zweifelhaft. Die in Rechtsprechung und Literatur herrschende Auffassung bezieht – teilweise mit Argumenten, die auf Maßregelvollzugskliniken übertragbar sind – den Begriff der Einrichtung im Sinne des § 13 SGB XII nicht auf Justizvollzugsanstalten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. März 2006 – L 7 AS 1128/06 –, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2006 – L 7 AS 423/05 ER –, juris; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 13 Rn. 7; Krahmer, in: LPK SGB XII, § 13 Rn. 3 f.; Fichtner, in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl. 2005, § 13 SGB XII, Rn. 29) oder sieht ganz allgemein Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen als von diesem Begriff nicht erfasst an (vgl. Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 13 Rn. 30; a.A. – noch zum alten Recht – Schoch, Handbuch Barbetrag im Sozialhilferecht, 2. Aufl. 1999, Rn. 27).
Sollten Maßregelvollzugseinrichtungen nicht unter den Einrichtungsbegriff des § 35 SGB XII fallen, könnte jedoch ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Betracht kommen (vgl. zum Anspruch eines Untersuchungsgefangenen auf einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2006 – L 19 B 54/06 AS –, juris, sowie auf der Grundlage der Vorläuferbestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes Niedersächsisches OVG, Urteil vom 13. Mai 1992 – 4 L 149/90 –, FEVS 43, 241 ≪242 f.≫).
Schließlich steht auch nicht fest, dass der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII; vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 1988 – 8 B 742/88 –, NStZ 1988, 384 f.; VG Augsburg, Beschluss vom 25. Juli 2002 – Au 9 E 02.754 –, juris; VG Lüneburg, Urteil vom 13. Dezember 2001 – 6 A 14/01 –, juris; ebenso bereits, FEVS 38, 473 ff.) ergänzende sozialhilferechtliche Ansprüche des Beschwerdeführers ausschließt, nachdem der Beschwerdeführer vergeblich versucht hat, den geltend gemachten Anspruch gegenüber der Maßregelvollzugseinrichtung durchzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1993 – 5 C 38/92 –, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2006 – L 19 B 54/06 AS –, juris; SG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juni 2006 – S 55 SO 173/06 ER –, juris).
2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die angegriffenen Entscheidungen verletzten ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, ist sie unbegründet. Dass bei ihm eine Behinderung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG vorliegt, war bereits im fachgerichtlichen Verfahren nicht dargetan.
Auch wenn es sich bei der nicht näher spezifizierten Erkrankung, die nach seinem Verfassungsbeschwerdevorbringen dazu geführt hat, dass er in dem seiner Unterbringung zugrundeliegenden Urteil als nicht schuldfähig behandelt wurde, um eine Behinderung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 96, 288 ≪301≫) handeln sollte, würde hieraus im Übrigen nicht ohne weiteres folgen, dass er hinsichtlich des Anspruchs auf einen für persönliche Bedürfnisse verfügbaren Geldbetrag genauso zu behandeln ist wie Menschen, die in Behinderten- und Pflegeeinrichtungen leben. Derartige Einrichtungen unterscheiden sich vom Maßregelvollzug bereits in Hinsichten, die für die Bedarfsbemessung von Belang sein können; denn die Rechte der Bewohner sind nicht wie im Maßregelvollzug beschränkt. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass er – wegen der Behinderung, auf die seine Unterbringung im Maßregelvollzug letztlich zurückgehe – auch hinsichtlich des Taschengeldes jedenfalls nicht wie ein Strafgefangener behandelt werden dürfe, geht seine Rüge schon am Sachverhalt vorbei. Der ihm gewährte Taschengeldbetrag liegt erheblich über dem, der Strafgefangenen im bayerischen Justizvollzug gewährt wird.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 2025525 |
NStZ-RR 2008, 389 |
R&P 2009, 114 |