Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der in § 49 HBauO (Hamburgische Bauordnung i.d.F. vom 27. September 1995, HmbGVBl S. 221) geregelten Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsbeträgen, wenn nach § 48 Abs. 3 HBauO notwendige Stellplätze oder notwendige Fahrradplätze nicht oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten hergestellt oder nachgewiesen werden können.
1. Die Beschwerdeführer errichteten in Hamburg-Eimsbüttel als Eigentümer und Bauherren die so genannten Karl-Schneider Passagen, bestehend aus Wohneinheiten, Büro- und Geschäftsräumen sowie einer Tiefgarage. Der zunächst Mitte der 90er Jahre erteilte Baugenehmigungsbescheid wurde sowohl auf Grund von Änderungen des konkreten Bauvorhabens als auch in Bezug auf die Pflicht zur Schaffung einer bestimmten Anzahl von Kraftfahrzeugstellplätzen sowie in Bezug auf die Höhe des Ausgleichsbetrages für nicht herzustellende Parkplätze mehrfach geändert. Im sich daran anschließenden Widerspruchsverfahren machten die Beschwerdeführer ihre verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Zahlung überhaupt eines Ausgleichsbetrages und gegen die Ausgleichsbetragsregelung in § 49 Abs. 2 HBauO geltend, ohne in der Sache Erfolg gehabt zu haben.
2. Die vor dem Verwaltungsgericht Hamburg erhobene Klage wurde abgewiesen. Es sah in dem hier interessierenden Zusammenhang in der “Stellplatzablöse” eine zulässige Sonderabgabe, die die in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfülle. Die Bauherren seien eine homogene gesellschaftliche Gruppe, da sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung und zugleich in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage von der Allgemeinheit und von anderen Gruppen abgrenzbar sei. Das Abgabeaufkommen werde auch gruppennützig verwendet. Sämtliche in § 49 Abs. 2 HBauO genannten Maßnahmen dienten der Entlastung des ruhenden Verkehrs, für die die Gruppe der Bauherren eine besondere Finanzierungsverantwortung treffe. Auch attraktiv ausgebaute ÖPNV-Systeme und Radverkehrsanlagen seien geeignet, Fahrzeugbenutzer zu veranlassen, anstelle ihres Fahrzeugs ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, wodurch Park- und Abstellvorgänge reduziert und störungsfreiere Verkehrsabläufe auf den öffentlichen Wegen gefördert würden.
3. Die daraufhin von den Beschwerdeführern beantragte Zulassung der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Hamburg wurde abgelehnt. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertige die Zulassung der Berufung nicht. Unter Berufung auf Entscheidungen des beschließenden Senats des Oberverwaltungsgerichts Hamburg und des Bundesverwaltungsgerichts stellt es fest, es handele sich bei den Ausgleichsbeträgen für Stellplätze nicht um eine Sonderabgabe mit Finanzierungszweck, so dass es auf die vom Bundesverfassungsgericht an die Zulässigkeit einer solchen Sonderabgabe gestellten Anforderungen nicht ankomme.
4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung des in Art. 2 Abs. 1 GG geregelten Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Abgabe sei einer Steuer gleichzusetzen, für die der Bund auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts gemäß Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und Art. 104a bis Art. 108 GG zuständig sei. Der Ausbau des Personennah- und des Fahrradverkehrs sei eine allgemeine Staatsaufgabe. Weder sei es möglich, die Gruppe der mittelbaren Verursacher für Verkehrsbeeinträchtigungen als homogen und abgrenzbar zu definieren, noch werde – wie insbesondere die Gesetzesbegründung zeige – mit dem Verwendungskatalog in § 49 Abs. 2 HBauO das Aufkommen aus dem Ausgleichsbetrag gruppennützig verwendet. Außerdem sei bis 1999 ein Teil des Aufkommens der Stellplatzablöse nicht zweckentsprechend, sondern als Darlehen für andere Aufgaben verausgabt worden. Das Aufkommen aus der Stellplatzablöse habe von 1995 an bis 1997 jährlich zwischen 8 Mio. und 12 Mio. € betragen.
5. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründen die Beschwerdeführer damit, die auferlegte Geldleistungspflicht bedeute eine wirtschaftlich erhebliche Belastung, und sie, die Beschwerdeführer, würden in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfähigkeit stark beschränkt. Im Hinblick auf die Gesamtaufwendungen für die Ziele des § 49 Abs. 2 HBauO entginge aber der Freien und Hansestadt Hamburg kein nennenswerter Betrag. Sei die Verfassungsbeschwerde nicht begründet, erfolge lediglich eine verzögerte Zahlung an den Staatshaushalt. Die Verwirklichung der Ziele des § 49 Abs. 2 HBauO sei nicht gefährdet, wenn der Freien und Hansestadt Hamburg der im verwaltungsgerichtlichen Urteil bestimmte Betrag vorübergehend nicht zur Verfügung stehe.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) hat keinen Erfolg.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfGE 96, 120 ≪128 f.≫; stRspr).
Nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage kann nicht festgestellt werden, dass die von den Beschwerdeführern erhobene Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Insbesondere ist der Rechtsweg erschöpft, da nach Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg rechtskräftig geworden ist, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Die im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu treffende Abwägung ergibt, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Anordnung nicht vorliegen. Erginge die einstweilige Anordnung, dann wären die Beschwerdeführer vorläufig von der Pflicht zur Leistung des Ausgleichsbetrages befreit. Indes wäre der Vollzug der in § 49 Abs. 2 HBauO geregelten Pflicht zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages nicht nur für diesen Einzelfall, sondern generell auszusetzen (vgl. BVerfGE 91, 320 ≪326 f.≫). Eine auf die Beschwerdeführer beschränkte Aussetzung des Gesetzesvollzugs kommt hier nicht in Betracht, da andernfalls gleiche Fälle ungleich behandelt werden müssten. Denn die Beschwerdeführer greifen die Ausgleichsbetragsregelung mit Erwägungen an, die nicht nur auf sie persönlich zutreffen, sondern (zumindest) auf alle, die derzeit Bauvorhaben verwirklichen wollen und vom Anwendungsbereich des § 49 Abs. 2 HBauO erfasst sind. Insoweit würde in die bestehende (parlamentarische) Normlage eingegriffen. Erginge hingegen die einstweilige Anordnung nicht, müssten die Beschwerdeführer den Ausgleichsbetrag von rd. 180.000 € zahlen. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Leistung dieses Betrages die Beschwerdeführer in die Gefahr finanzieller Not brächte. Die Folgen einer zwischenzeitlichen Vollstreckung sind für die Beschwerdeführer unter keinem anerkennenswerten Gesichtspunkt irreparabel. Die Beschwerdeführer mussten von vornherein in der Kalkulation der Baukosten einen Ausgleichsbetrag berücksichtigen, da nicht alle gesetzlich geforderten Kraftfahrzeugstellplätze hergestellt werden konnten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen