Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Arbeitsförderungsrecht. Speziell geht es um die Berücksichtigung von Kinderbetreuungs- und -erziehungszeiten im Rahmen der Gewährung von Arbeitslosengeld.
I.
1. a) Anspruch auf Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (jetzt: Elternzeit) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz 1986 bestand seit jeher von der Geburt an bis zu einer bestimmten Lebensaltersgrenze des zu betreuenden Kindes. Seit Juli 1989 wurde von diesem Grundsatz insoweit abgewichen, als Adoptiveltern für einen bestimmten Zeitraum, dessen Beginn mit der Inobhutnahme des oder der Adoptivkinder einsetzte, Erziehungsgeld und zum Zweck der Betreuung und Erziehung eines Adoptivkindes Erziehungsurlaub beanspruchen konnten. Zwar wurden auch diese Leistungen nur bis zu einer festen Lebensaltersgrenze des Adoptivkindes gewährt; die Grenze lag jedoch wesentlich höher als die allgemeine Lebensaltersgrenze für Kinder. Damit konnte auch bei älteren Adoptivkindern jedenfalls über die allgemeine Altersgrenze hinaus Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub in Anspruch genommen werden.
b) Voraussetzung für die Bewilligung von Arbeitslosengeld war und ist unter anderem, dass die arbeitslose Person innerhalb einer gesetzlich festgelegten Rahmenfrist bestimmte anwartschaftsbegründende Zeiten zurückgelegt hat. Diese Rahmenfrist liegt stets unmittelbar vor dem Zeitpunkt, in dem es wegen Arbeitslosigkeit zu einer Arbeitslosmeldung kommt. Nach der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage wurden bei der Gewährung von Arbeitslosengeld Erziehungszeiten der arbeitslosen Person durch eine Verlängerung der Rahmenfrist berücksichtigt. Die am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Vorschrift des § 124 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der hier einschlägigen Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetzes – AFRG) vom 27. März 1997 (BGBl I S. 594) lautete:
Rahmenfrist
(1) Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
(2)…
(3) In die Rahmenfrist werden nicht eingerechnet
1…
2. Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
3. bis 5…
Die Rahmenfrist endet …
Die Regelung über die Berücksichtigung von Erziehungszeiten im Arbeitsförderungsrecht hatte dagegen vor dem 1. Januar 1998 für den Anspruch auf Arbeitslosengeld tatbestandlich unmittelbar an die Voraussetzungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes angeknüpft. Das hatte zur Folge, dass sich – anders als nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage – auch die Betreuung und Erziehung älterer Adoptivkinder anwartschaftsfördernd ausgewirkt hatte.
2. Die Beschwerdeführerin, die als Bankangestellte gearbeitet hatte, befand sich vom 14. Oktober 1997 bis zum 6. Juni 2000 zur Betreuung und Erziehung ihrer am 7. Juni 1993 geborenen Adoptivtochter in Erziehungsurlaub. Dabei erhielt sie von Beginn des Erziehungsurlaubs bis zum 14. Oktober 1999 Erziehungsgeld. Zum 6. Juni 2000 hat die Beschwerdeführerin ihr Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber aufgelöst. Einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld lehnte die Bundesanstalt für Arbeit mit der Begründung ab, sie habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt; eine Verlängerung der Rahmenfrist scheide aus, weil das zu betreuende Kind das dritte Lebensjahr bereits im Jahr 1996 vollendet habe. Die dagegen gerichtete Klage ist ohne Erfolg geblieben.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG. Sie wendet sich dagegen, dass Erziehungszeiten seit 1. Januar 1998 ausnahmslos nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes anwartschaftsfördernd wirken. Der Gesetzgeber müsse von Verfassungs wegen die im Recht des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs enthaltene Gleichstellung von Adoptiveltern älterer Kinder auch beim Arbeitslosengeld vornehmen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen von § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 14 GG rügt. Insoweit genügt die Begründung nicht den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Eigentumsgrundrecht erschöpfen sich im Wesentlichen in der Behauptung, sie habe durch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung „ein gewisses Vermögen” geschaffen; die ersatzlose Streichung von Anwartschaften stelle eine Enteignung dar. Näheres trägt sie dazu nicht vor. Dies genügt dem verfassungsprozessualen Substantiierungsgebot nicht.
2. Im Übrigen ist eine Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist aber dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 107, 205 ≪213 f.≫; stRspr).
b) Die von der Beschwerdeführerin gerügte Ungleichbehandlung ergibt sich daraus, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage Erziehungszeiten ausschließlich für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes anwartschaftsfördernd berücksichtigt wurden, während dies bei Erziehungszeiten, die nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes lagen, nicht der Fall war. Die Beschwerdeführerin sieht sich dadurch gegenüber Eltern leiblicher Kinder benachteiligt. Sie komme, obgleich ein entsprechender Erziehungsbedarf für ihr Adoptivkind bestanden habe, nicht in den Genuss der arbeitsförderungsrechtlichen Begünstigung, nur weil ihr Kind das dritte Lebensjahr schon überschritten habe.
c) Diese unterschiedliche Behandlung ist sachlich hinreichend gerechtfertigt.
aa) Die Begrenzung des an die Erziehung und Betreuung von Kindern anknüpfenden Vorteils im Recht der Arbeitslosenversicherung auf die ersten drei Lebensjahre ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass in diesem Zeitraum regelmäßig ein besonderes Betreuungs- und Erziehungsbedürfnis besteht. Die Berücksichtigung von Zeiten der Kinderbetreuung und Kindererziehung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes im Rahmen von § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung trägt den besonderen Lebensumständen Rechnung, in denen sich betreuende und erziehende Mütter und Väter während dieser Zeit befinden. Zu Recht weist auch das Bundessozialgericht in der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung darauf hin, dass eine Vielzahl von Situationen denkbar sei, die gleichermaßen einen erhöhten Betreuungsbedarf bei leiblichen Kindern erfordern. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gehalten, allgemein an einen solchen Betreuungsbedarf anzuknüpfen und damit auch der Situation von Eltern und Kind unmittelbar nach einer Adoption gerecht zu werden.
Dabei konnte der Gesetzgeber auch berücksichtigen, dass sich nach Vollendung des dritten Lebensjahres die Möglichkeiten verbessern, Kinder Betreuungseinrichtungen anzuvertrauen und so wenigstens in Teilzeit wieder einem Beruf nachzugehen. Inwieweit diese Möglichkeit durch einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahres abgesichert ist (vgl. §§ 24 Satz 1, 24 a und § 26 SGB VIII), kann dabei dahingestellt bleiben. Jedenfalls lassen die vorliegenden Informationen den Schluss zu, dass diese Möglichkeit gegeben ist und auch wahrgenommen wird. Nach den Ergebnissen einer Erhebung besuchten im Jahr 2002 lediglich 10,2 % der Kinder unter drei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland eine Tageseinrichtung, dagegen aber 58,6 % der Dreijährigen, 85,8 % der Vierjährigen und 92,5 % der Fünfjährigen, die noch nicht zur Schule gingen (Statistisches Bundesamt ≪Hrsg.≫, Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2003, S. 497).
bb) Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehalten, für Adoptiveltern älterer Kinder eine Sonderregelung im Recht der Arbeitsförderung vorzusehen. Es liegt innerhalb seines familien- und sozialpolitischen Einschätzungsermessens, ob und wie er die Betreuung und Erziehung von Kindern nach Ablauf der ersten Lebensjahre fördert. Damit wird nicht in Frage gestellt, dass es für die persönliche Entwicklung eines Adoptivkindes förderlich ist, wenn sich ein Adoptivelternteil zumindest in der ersten Phase nach der Aufnahme in die neue Familie durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder jedenfalls auf eine volle Erwerbsfähigkeit seiner Betreuung und Erziehung widmen kann. Der Gesetzgeber durfte jedoch davon ausgehen, dass sich bei Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, das Bedürfnis nach einer solchen Betreuungsperson stärker stellt als bei schon älteren Adoptivkindern in den ersten Jahren nach der Inobhutnahme.
cc) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz wird auch nicht dadurch begründet, dass der Gesetzgeber die im Recht des Erziehungsurlaubs vorgenommene Gleichstellung von Adoptiveltern älterer Kinder (§ 4 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 2 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung vom 6. Dezember 1991, BGBl I S. 2142) mit Eltern von Kindern unter drei Jahren nicht in den hier anwendbaren § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III übernommen hat. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, der sich im Rahmen seines Ermessens bei der Ausgestaltung von staatlichen Leistungen für eine familienpolitische Förderung durch Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub entschieden hat, nicht, diese Förderung auch im Zusammenhang mit anderen sozialrechtlichen Regelungen zur Geltung zu bringen. Seit 1. Januar 1998 knüpft er ohnehin die Berücksichtigung von Erziehungszeiten beim Arbeitslosengeld nicht mehr tatbestandlich an das Bundeserziehungsgeldgesetz (vgl. jetzt § 26 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 SGB III).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1272809 |
NZA-RR 2005, 154 |