Verfahrensgang
OLG Bremen (Beschluss vom 09.05.2006; Aktenzeichen 5 W 12/06) |
LG Bremen (Beschluss vom 03.02.2006; Aktenzeichen 5-T-748/05) |
AG Bremen (Beschluss vom 14.11.2005; Aktenzeichen 41 VII 38/05) |
AG Bremen (Beschluss vom 16.08.2005; Aktenzeichen 41 VII 38/05) |
Tenor
1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Bremen vom 16. August 2005 und vom 14. November 2005 – 41 VII 38/05 – sowie der Beschluss des Landgerichts Bremen vom 3. Februar 2006 – 5-T-748/05 – und der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. Mai 2006 – 5 W 12/06 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Bremen zurückverwiesen.
2. Die Freie Hansestadt Bremen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der togolesische Beschwerdeführer wendet sich gegen die Bestellung eines Vormunds für seinen Neffen J… – gleichfalls togolesischer Staatsangehörigkeit –, dessen Vaterschaft er – obwohl er nicht der biologische Vater ist – in Togo anerkannt hat.
1. Der Beschwerdeführer ist der Onkel – der Bruder der Mutter – des am 20. Dezember 1993 in Togo geborenen Kindes. Die Mutter des Kindes – gleichfalls togolesischer Staatsangehörigkeit – ist verstorben, sein biologischer Vater unbekannt. Das Kind ist nach dem Tod seiner Mutter 1999 in die Obhut der Familie des Beschwerdeführers in Togo gekommen. Dort wurde es – sowohl in persönlicher als auch in finanzieller Hinsicht – vom Beschwerdeführer und dessen Bruder betreut. Der Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Deutschland in einem Krankenhaus in L… als Neurochirurg arbeitete, wollte das Kind zu sich nach Deutschland holen, weil einerseits eine enge persönliche Beziehung zwischen beiden bestand und er dem Kind, das seit seiner Geburt an einem Herzklappenfehler und einer seltenen Blutkrankheit leidet, andererseits eine optimale medizinische Versorgung ermöglichen wollte. Im Frühjahr 2002 siedelte das Kind – nach Schaffung der rechtlichen und materiellen Voraussetzungen – nach Deutschland über. Es lebte seit diesem Zeitpunkt bei der Ehefrau des Beschwerdeführers in B… und wurde von dieser während der Woche, am Wochenende von ihr und dem Beschwerdeführer, der sich berufsbedingt während der Woche in L… aufhielt, betreut.
In der Geburtsurkunde des Kindes ist der Beschwerdeführer als Vater angegeben, als Erklärungsdatum der 31. Dezember 1993.
Der Bruder des Beschwerdeführers beantragte im Dezember 2003 vor dem Amtsgericht in Lome, Togo, die vormals von ihm ausgeübte elterliche Gewalt auf den Beschwerdeführer zu übertragen. Der Antrag des Bruders des Beschwerdeführers ist in der Übersetzung der Entscheidung des Amtsgerichts von Lome wie folgt formuliert: “Ich habe die Ehre, Sie inständig darum zu bitten, ein Urteil zu treffen, das mich dazu ermächtigt, die elterliche Gewalt, die ich tatsächlich auf den Minderjährigen A…A…J…, mutterlose Halbweise, geboren am 20. Dezember 1993 in S… (Präfektur von Golfe – Togo) ausgeübt habe, auf seinen Vater A…A…K…A…, wohnhaft und ansässig in B…, L-Str., Deutschland zu übertragen und zwar vor allem im Interesse des Kindes A…J…” In dem daraufhin antragsgemäß ergangenen Urteil des Amtsgerichts vom 18. Dezember 2003 ist der Beschwerdeführer als Vater ausgewiesen.
Nach der Entlassung des Kindes nach einer Operation am Herzen im Februar 2005 in H…-E… wurde das Kind wegen aufgetretener Beschwerden ins Klinikum B…-M… eingewiesen. Dort erklärte es, nicht mehr nach Hause zu wollen. Nachdem es wohl Suizidabsichten in der Klinik geäußert hatte, wurde seitens der Verantwortlichen des Krankenhauses das Jugendamt eingeschaltet. Dieses stellte sodann einen Antrag auf Entziehung der elterlichen Sorge, weil – nach Meinung der behandelnden Ärztin – eine lebensgefährliche Selbstgefährdung des Kindes gegeben sei, sollte es in den Haushalt seiner Stiefmutter zurückkehren müssen.
Das Amtsgericht Bremen – Familiengericht – übertrug daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 9. Juni 2005 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind auf das Jugendamt. Ungeklärt war zu diesem Zeitpunkt, aus welchem Grund das Kind eine Rückkehr in den Haushalt seiner Stiefmutter verweigerte. In dem auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hin stattfindenden Anhörungstermin wurde – neben der familiären Situation und des Verhältnisses des Kindes zu der nicht anwesenden Stiefmutter – erörtert, dass der Beschwerdeführer nicht der leibliche Vater, sondern der Bruder der im Jahr 1999 verstorbenen Mutter ist, er aber gleichwohl die Vaterschaft übernommen hat. Im Anschluss schrieb das Familiengericht dem Vormundschaftsgericht die Akte mit der Bitte zu, zu prüfen, ob für das Kind eine Vormundschaft einzurichten sei, weil es keinen gesetzlichen Vertreter habe.
a) Das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – stellte bei der Bestellung des Vormunds durch Beschluss vom 16. August 2005 und in seiner – auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hin ergangenen – Nichtabhilfeentscheidung vom 14. November 2005 auf die durch das Familiengericht verkündete nicht gegebene gesetzliche Vertretung für das Kind und die fehlende elterliche Sorge ab.
b) Das Landgericht wies – ohne persönliche Anhörung – die Beschwerde des Beschwerdeführers durch Beschluss vom 3. Februar 2006 zurück. Das Amtsgericht habe zu Recht für den Minderjährigen einen Vormund bestellt, weil er nicht gemäß § 1773 BGB unter elterlicher Sorge stehe. Das Gericht sah nach Art. 24 EGBGB in Verbindung mit Art. 13 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) vom 5. Oktober 1961 (BGBl II 1971 S. 217) den Anwendungsbereich deutschen Rechts gegeben und verneinte im vorliegenden Fall die gemäß Art. 3 MSA grundsätzliche Bindungswirkung der Entscheidung des togolesischen Gerichts vom 18. Dezember 2003 wegen eines Verstoßes gegen den ordre public. Die Entscheidung des togolesischen Gerichts sei mit der unwahren Behauptung erwirkt worden, der Beschwerdeführer sei der biologische Vater. Auch habe die erforderliche Mitwirkung des Kindes nicht festgestellt werden können. Nach § 1595 Abs. 2 BGB sei für die Vaterschaftsanerkennung grundsätzlich die Zustimmung des Kindes erforderlich, wenn die Mutter einer Anerkennung nicht zustimmen könne.
c) Das Oberlandesgericht wies durch Beschluss vom 9. Mai 2006 die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Das Gericht folgte der Begründung des Landgerichts.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Er habe die Vaterschaft anerkannt und die sich hieraus ergebende Verantwortung und ergebenden Pflichten übernommen. Zwischen dem Kind und ihm bestehe eine enge Verbundenheit. Die Entziehung oder Aberkennung der Sorgerechtsstellung stelle einen massiven Eingriff in die Rechtsposition der Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigten dar.
3. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Senat der Freien Hansestadt Bremen, dem Amt für Soziale Dienste Bremen, Sozialzentrum Mitte und dem Amt für Soziale Dienste Bremen, Sozialzentrum Hemelingen/Osterholz – Jugendamt – zur Stellungnahme zugestellt.
Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens und des Familiengerichts vorgelegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer gibt der Verfassungsbeschwerde statt.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts des Beschwerdeführers geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige – insbesondere ausreichend substantiiert begründete (§ 92 BVerfGG) – Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
1. Die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts, der Beschluss des Landgerichts sowie der des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
a) Die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen vorgenommene Abwägung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen. Ebenso ist es grundsätzlich den Fachgerichten überlassen, welchen verfahrensrechtlichen Weg sie wählen, um zu den für ihre Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen (vgl. BVerfGE 79, 51 ≪62≫). Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫). Die Intensität dieser Prüfung hängt davon ab, in welchem Maße von der Entscheidung Grundrechte beeinträchtigt werden (vgl. BVerfGE 83, 130 ≪145≫ m.w.N.).
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt die Eltern-Kind-Beziehung und sichert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder (vgl. BVerfGE 31, 194 ≪204≫; 104, 373 ≪385≫). Dieses den Eltern verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358 ≪371 f.≫; 75, 201 ≪218≫; 104, 373 ≪385≫; 107, 104 ≪117≫).
Der rechtliche Vater eines Kindes, der für dieses Elternverantwortung wahrnimmt, ist Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 24, 119 ≪136≫). Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geht zwar von einer auf Zeugung begründeten leiblichen Elternschaft aus, nimmt aber über diese Zuordnung hinausgehend die Eltern-Kind-Beziehung als umfassendes Verantwortungsverhältnis von Eltern gegenüber ihren der Pflege und Erziehung bedürftigen Kindern unter seinen Schutz. Voraussetzung dafür, entsprechend dem Elternrecht Verantwortung für das Kind tragen zu können, ist insofern auch die soziale und personale Verbundenheit zwischen Eltern und Kind (vgl. BVerfGE 56, 363 ≪382≫; 61, 358 ≪372≫; 103, 89 ≪107≫). Die Abstammung wie die sozial-familiäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG aus (vgl. BVerfGE 92, 158 ≪178≫).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben halten die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 16. August 2005 und vom 14. November 2005, der Beschluss des Landgerichts vom 3. Februar 2006 sowie des Oberlandesgerichts vom 9. Mai 2006 nicht stand. Die Gerichte haben das Elternrecht des Beschwerdeführers in seinem materiellen Gehalt verkannt.
aa) Das Landgericht und das Oberlandesgericht stellen bezüglich der Frage, ob der Beschwerdeführer wirksam die Vaterschaft anerkannt habe, auf die Entscheidung des togolesischen Gerichts vom 18. Dezember 2003 ab, und versagen dieser ihre Anerkennung unter Verweis auf einen Verstoß gegen den ordre public, Art. 6 EGBGB, weil der Beschwerdeführer wahrheitswidrig als biologischer Vater vor dem togolesischen Gericht aufgetreten sei und trotz nicht bestehender biologischer Vaterschaft diese anerkannt habe sowie die für die Anerkennung der Vaterschaft erforderliche Mitwirkung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB fehle.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben bezüglich des Vaterschaftsanerkenntnisses auf die Entscheidung des togolesischen Gerichts abgestellt, obgleich ausweislich des Wortlauts der Entscheidung die durch den Bruder des Beschwerdeführers tatsächlich ausgeübte elterliche Gewalt auf den Beschwerdeführer übertragen worden ist. Sie haben sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welchen Anforderungen und Voraussetzungen ein Vaterschaftsanerkenntnis nach togolesischem Recht unterliegt, das heißt ob diese Entscheidung nach togolesischem Recht ein Vaterschaftsanerkenntnis oder nicht vielmehr – was nach dem Wortlaut der Entscheidung naheliegender wäre – die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Beschwerdeführer ist. Folglich sind sie auch nicht der Frage nachgegangen, ob nach togolesischem Recht die Anerkennung der Vaterschaft mit der Eintragung des Beschwerdeführers als Vater in die Geburtsurkunde des Kindes erfolgt ist.
Soweit das Landgericht und das Oberlandesgericht – unter Zugrundelegung der Entscheidung des togolesischen Gerichts – einen Verstoß gegen den ordre public annehmen, lassen sie zum einen außer Betracht, dass das togolesische Recht ebenso wenig wie das deutsche Recht Bestimmungen dahingehend enthält, dass ein bewusst wahrheitswidrig abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis unwirksam wäre. Das Ergebnis – Wirksamkeit eines bewusst unrichtigen Vaterschaftsanerkenntnisses – würde bei Anwendung deutschen Rechts nicht anders ausfallen, verstößt also nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts mit der Folge, dass auch ein Verstoß gegen den ordre public, Art. 6 EGBGB nicht gegeben ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 3. August 2000 – 16 UF 180/00 –, FamRZ 2001, 246 ≪248≫). Zum anderen ist – entgegen der Annahme des Landgerichts und des Oberlandesgerichts – eine Zustimmung des Kindes bei einem Vaterschaftsanerkenntnis nur dann erforderlich, wenn das Kind nicht unter der elterlichen Sorge der Mutter steht, § 1595 Abs. 2 BGB. Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann gemäß § 1596 Abs. 2 BGB der gesetzliche Vertreter zustimmen. Einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf es nicht. Zutreffend ist, dass – unter der Prämisse, dass die Entscheidung des togolesischen Gerichts die Anerkennung der Vaterschaft beinhaltet – eine Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB erforderlich war, diese aber – weil das Kind noch nicht 14 Jahre alt war – durch den gesetzlichen Vertreter hätte erteilt werden können. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht ist der Frage nachgegangen, ob der die Entscheidung beantragende Bruder des Beschwerdeführers gesetzlicher Vertreter des Kindes nach togolesischem Recht war.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben es unterlassen, für die Vaterstellung des Beschwerdeführers maßgebliche rechtliche Erwägungen anzustellen.
bb) Das Amtsgericht stellt allein darauf ab, dass das Familiengericht in seinem Beschluss vom 3. August 2005 verkündet habe, der Minderjährige habe keinen gesetzlichen Vertreter, das heißt er mithin nicht unter elterlicher Sorge stehe. Eine eigene Prüfung, ob der Beschwerdeführer die Vaterschaft wirksam anerkannt hat und Inhaber der elterlichen Sorge ist, nimmt das Gericht nicht vor. Mit einer Elternstellung des Beschwerdeführers setzt sich das Gericht in keinster Weise auseinander und hat daher das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in seiner Entscheidung verkannt.
c) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
Die Abstammung des nichtehelichen Kindes unterliegt nach Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 EGBGB [in der Fassung vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2494)] dem Heimatrecht der Mutter (Satz 1), dem Heimatrecht des Vaters (Satz 3, 1. Alt.) oder dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (Satz 3, 2. Alt.) im Zeitpunkt des Anerkenntnisses der Vaterschaft (vgl. Klinkhardt in: Münchener Kommentar, BGB, Bd. 10, 3. Aufl., 1998, Art. 20, Rn. 27). Jede der drei Anknüpfungsmodalitäten führt zur Anwendung togolesischen Rechts. Die Anerkennung der Vaterschaft kann gemäß Art. 194 des Code des personnes et de la famille (CPF) vom 31. Januar 1980 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand Juli 2007, Togo, S. 13, 42) durch die Eintragung des Vaters in die Geburtsurkunde erfolgen. Gemäß Art. 246 CPF wird die elterliche Sorge bei einem nichtehelich geborenen Kind durch den Vater ausgeübt, sofern beide Elternteile anerkannt haben.
Der Beschwerdeführer ist – neben der Mutter des Kindes – als Vater in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen, so dass ein Anerkenntnis der Vaterschaft nach Art. 194 CPF in Betracht kommt. Zwar hindert Art. 197 CPF die Anerkennung eines aus einer inzestuösen Beziehung hervorgegangenen Kindes, jedoch ist der Beschwerdeführer unstreitig nicht der biologische Vater. Der Wirksamkeit dürfte ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB wegen der fehlenden Zustimmung des Kindes zu dem Vaterschaftsanerkenntnis nicht entgegenstehen. Das Kind dürfte bei Eintragung des Beschwerdeführers als Vater in die Geburtsurkunde unter der elterlichen Sorge der Mutter gestanden haben, deren Zustimmung in der gemeinsamen Eintragung als Eltern in die Geburtsurkunde gesehen werden kann, oder unter der elterlichen Sorge des Beschwerdeführers als anerkennender Vater. Stand dem Beschwerdeführer mit der Anerkennung die elterliche Sorge für das Kind gemäß Art. 246 CPF zu, bestand ein nach Art. 3 MSA zu beachtendes kraft Gesetzes bestehendes Gewaltverhältnis.
Wurde dem Beschwerdeführer die elterliche Sorge durch die Entscheidung des togolesischen Gerichts vom 18. Dezember 2003 übertragen, besteht zwar kein gesetzliches Gewaltverhältnis im Sinne des Art. 3 MSA. Jedoch sind auch in diesem Fall nur Schutzmaßnahmen zulässig, die zum Wohle des Kindes notwendig sind, auf der anderen Seite aber auch die gleichwohl bestehende elterliche Sorge des Beschwerdeführers beachten. Eine völlige Verdrängung des Beschwerdeführers aus seiner Vaterstellung – wie bei einer vollumfänglichen Bestellung eines Vormunds – dürfte insbesondere der übernommenen Verantwortung des Beschwerdeführers für das Kind und der bestehenden sozialen und personalen Verbundenheit des Kindes mit dem Beschwerdeführer und der damit gegebenen sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft nicht gerecht werden.
Ist das Vaterschaftsanerkenntnis des Beschwerdeführers dagegen in der gerichtlichen Entscheidung des togolesischen Gerichts zu sehen, ist der Frage nachzugehen, ob die unter Beachtung des ordre public für ein wirksames Anerkenntnis erforderliche Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters des zum Zeitpunkt der Anerkennung noch nicht 14 Jahre alten Kindes, etwa aufgrund des Antrags des die elterliche Sorge für das Kind ausübenden Bruders des Beschwerdeführers vorlag.
d) Die Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen das Elternrecht, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte bei gebotener Beachtung des Elternrechts des Beschwerdeführers zu einem diesem günstigeren Ergebnis gelangt wären.
2. Die Verletzung des Elternrechts des Beschwerdeführers durch die angegriffenen Entscheidungen ist nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen. Die Beschlüsse des Amtsgerichts sowie der Beschluss des Landgerichts und der des Oberlandesgerichts sind aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
3. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen
Haufe-Index 1976420 |
NJW 2008, 2835 |
FamRZ 2008, 960 |
JA 2009, 235 |
FamRBint 2008, 75 |