Verfahrensgang
Saarländisches OLG (Beschluss vom 19.08.2008; Aktenzeichen 8 U 644/04 - 177) |
Saarländisches OLG (Urteil vom 03.07.2008; Aktenzeichen 8 U 644/04-177) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen wegen restlichen Werklohns geführten Zivilprozess. Im Auftrag der Beschwerdeführer setzte die Klägerin des Ausgangsverfahrens Tür- und Fensterelemente in ein Wohnhaus der Beschwerdeführer in Frankreich ein. Die Beschwerdeführer zahlten den von der Klägerin hierfür berechneten Werklohn teilweise nicht.
Das von der Klägerin deswegen angerufene Landgericht hat Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat einen Ortstermin in Frankreich abgehalten. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht auf die Berufung der Klägerin ein neues Sachverständigengutachten eingeholt und die Beschwerdeführer zur Zahlung verurteilt. Die Verwertung des im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachtens sei aufgrund der Durchführung der Ortsbesichtigung im Ausland unzulässig. Nach zwar bestrittener, aber zutreffender Ansicht stelle das Tätigwerden eines Sachverständigen im Ausland außerhalb der nicht anwendbaren EG-Beweisaufnahmeverordnung eine Verletzung der Souveränitätsrechte des ausländischen Staates dar.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Obgleich das Oberlandesgericht seiner Entscheidung einen in der einschlägigen Literatur umstrittenen, höchstrichterlich nicht geklärten abstrakten Rechtssatz über die Verwertung von Beweiserhebungen im Ausland zugrunde gelegt habe, sei die Revision entgegen § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht zugelassen und den Beschwerdeführern auf diese Weise der gesetzliche Richter entzogen worden.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist die Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Vielmehr ist ein Erfolg der Verfassungsbeschwerde nicht erkennbar. Insbesondere hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt, obwohl es über eine Frage mit grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO entschieden und trotzdem die Revision nicht zugelassen hat.
1. Die Auslegung und Anwendung von Bestimmungen des Prozessrechts, die über den Zugang zur Rechtsmittelinstanz entscheiden, ist an Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 5. August 2002 – 2 BvR 1108/02 –, NJW 2003, S. 281; Beschluss vom 11. Februar 2008 – 2 BvR 899/07 –, NJW 2008, S. 1938). Dies gilt auch für § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 8. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, S. 1371 ≪1372 f.≫). Durch eine willkürliche Auslegung oder Anwendung des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann der im Berufungsrechtszug unterlegenen Partei der Zugang zur Revision in verfassungswidriger Weise versperrt werden.
2. a) Das Oberlandesgericht hat in dem angegriffenen Urteil über eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO entschieden. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Sache zu, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (vgl. BGHZ 151, 221 ≪223≫; 152, 181 ≪191≫; BGH, Beschluss vom 5. November 2002 – VI ZB 40/02, NJW 2003, S. 437). Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht höchstrichterlich geklärt sind. Umstritten, höchstrichterlich nicht entschieden und deshalb klärungsbedürftig ist – wie das Oberlandesgericht selbst erkannt hat – die Frage, ob außerhalb des Anwendungsbereichs der EG-Beweisaufnahmeverordnung eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten im Ausland ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 363 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO stattfinden darf.
b) Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens kann dennoch nicht festgestellt werden, dass das Oberlandesgericht die Revision willkürlich nicht zugelassen hat. Die Revisionszulassung ist nämlich nur geboten, wenn die zu klärende Rechtsfrage im Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – VII ZR 101/02 –, NJW 2003, 831 ≪831 f.≫; BGHZ 153, 254 ≪256≫).
Im Revisionsverfahren wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht geprüft, ob ein Berufungsgericht im Falle einer erneuten Tatsachenfeststellung die Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO beachtet hat (vgl. BGHZ 162, 313 ≪319≫). Vielmehr sind die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen dem weiteren Verfahren unabhängig hiervon zugrunde zu legen (vgl. BGH, a.a.O.). Das vom Oberlandesgericht eingeholte (neue) Gutachten war deswegen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob das erste Gutachten verwertbar und eine Tatsachenneufeststellung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erforderlich gewesen ist.
Mangels näheren Vortrags der Beschwerdeführer zu den gutachterlichen Feststellungen kann nicht festgestellt werden, ob und – wenn ja – welche Bedeutung das erste Gutachten für die Entscheidung des Oberlandesgerichts hatte. Deswegen ist auch nicht erkennbar, ob die Nichtberücksichtigung des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens entscheidungserheblich und die Nichtzulassung der Revision deshalb willkürlich gewesen ist.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Eichberger, Masing
Fundstellen