Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum aktienrechtlichen Spruchstellenverfahren
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Zwischenurteil vom 29.08.1994; Aktenzeichen 15 W 19/94) |
LG Mannheim (Zwischenurteil vom 30.05.1994; Aktenzeichen 23 AktE 1/90) |
Tenor
Der Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. August 1994 - 15 W 19/94 - und der Beschluß des Landgerichts Mannheim vom 30. Mai 1994 - 23 AktE 1/90 - verletzen den Beschwerdeführer zu 1) in seinem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden, soweit sie den Beschwerdeführer zu 1) betreffen, aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer zu 1) die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein aktienrechtliches Spruchstellenverfahren.
I.
1. Die Beschwerdeführer waren Aktionäre der mittlerweile erloschenen S.E.N. Maschinenbau AG (nachfolgend: „SEN AG”). Die SEN AG schloß im März 1987 einen Verschmelzungsvertrag gemäß §§ 340 ff. AktG a.F. mit der M. Getränke- und Verpackungstechnik AG, welche inzwischen als KHS Maschinen- und Anlagenbau AG (nachfolgend: „KHS AG”) firmiert. Gegen den zustimmenden Hauptversammlungsbeschluß der SEN AG zu dem Verschmelzungsvertrag erhoben verschiedene Aktionäre Anfechtungsklagen, so daß sich die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister verzögerte.
Im Januar 1990, als die Anfechtungsklagen gegen den Verschmelzungsvertrag noch anhängig waren, schloß die SEN AG einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag im Sinn des § 291 Abs. 1 AktG mit der K.M. Maschinenbau GmbH (im folgenden: K. GmbH). Dieser Unternehmensvertrag setzte als angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre eine jährliche Zahlung von 10,15 DM je Aktie im Nennbetrag von 50 DM fest und sah als Abfindung eine Barzahlung in Höhe von 176 DM je Aktie im Nennbetrag von 50 DM vor.
Der Beschwerdeführer zu 1) trennte sich vom dem Großteil seiner Aktien zu dem vertraglich angebotenen Abfindungspreis, so daß er nur noch mit wenigen Aktien an der SEN AG beteiligt war. Die Beschwerdeführerin zu 2) nahm das Abfindungsangebot nicht an. Beide Beschwerdeführer strengten sodann mit weiteren Minderheitsaktionären zur Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Abfindung ein aktienrechtliches Spruchstellenverfahren gemäß § 306 AktG an.
Noch vor der Entscheidung des Landgerichts im Spruchstellenverfahren wurde die Verschmelzung der SEN AG auf die KHS AG nach rechtskräftiger Abweisung der dagegen gerichteten Anfechtungsklagen im August 1993 in das Handelsregister eingetragen. Im Ausgangsverfahren machten die Antragsgegnerinnen (SEN AG und K. GmbH) daraufhin geltend, das Spruchstellenverfahren habe sich mit der Eintragung der Verschmelzung erledigt, da eine Vertragspartnerin des Unternehmensvertrags (SEN AG) mit der Eintragung der Verschmelzung gemäß § 346 Abs. 4 Satz 1 AktG a.F. erloschen und der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag deshalb hinfällig geworden sei.
2. Das Landgericht stellte in dem angegriffenen Beschluß fest, das Verfahren zur Bestimmung des Abfindungsanspruchs gemäß § 305 AktG habe sich erledigt (veröffentlicht in: DB 1994, S. 1463). Der Abfindungsanspruch setze einen bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag voraus. Da die SEN AG im Zuge der Verschmelzung auf die KHS AG erloschen sei, sei deren Unternehmensvertrag mit der K. GmbH gegenstandslos geworden. Ebenso sei der Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre gemäß § 305 AktG erloschen. Die außenstehenden Aktionäre hätten auch keinen Abfindungsanspruch gegen das übernehmende Unternehmen aus dem Verschmelzungsvertrag, weil man aus einer erloschenen Gesellschaft gar nicht mehr gegen eine Abfindung ausscheiden könne.
3. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen (veröffentlicht in: DB 1994, S. 1917). Das Landgericht habe zu Recht angenommen, daß der Abfindungsanspruch mit der Eintragung der Verschmelzung weggefallen sei. Mit der Eintragung seien die Aktionäre der SEN AG Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft geworden. Die SEN AG sei infolge ihres Erlöschens als Vertragspartnerin des Unternehmensvertrags mit der K. GmbH weggefallen, so daß der Unternehmensvertrag seinerseits hinfällig geworden sei. Mit der Beendigung des Unternehmensvertrags entfalle auch das dort enthaltene Angebot der herrschenden Gesellschaft auf Erwerb der Aktien der abhängigen Gesellschaft gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung.
Ein Fortbestehen des Abfindungsanspruchs lasse sich auch nicht dadurch konstruieren, daß man die übernehmende Gesellschaft aus dem Verschmelzungsvertrag (KHS AG) als Anspruchsschuldnerin betrachte. Diese sei an dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht beteiligt gewesen. Ein anderes Ergebnis sei auch nicht zur Vermeidung einer mißbräuchlichen Einflußnahme des herrschenden Unternehmens auf ein ungünstig verlaufendes Spruchstellenverfahren geboten. Die Aktionäre der SEN AG hätten die Möglichkeit gehabt, ihre Aktien gegen solche der KHS AG einzutauschen. Das Gesetz stelle insoweit mit § 352 c AktG a.F. ein besonderes Verfahren zum Schutz der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft zur Verfügung, neben dem für die Fortsetzung eines Spruchstellenverfahrens nach § 306 AktG kein Raum bleibe.
Außerdem habe in der vorliegenden Konstellation von vornherein nicht die Gefahr einer mißbräuchlichen Herbeiführung der Beendigung des Unternehmensvertrags bestanden. Der Verschmelzungsvertrag sei vor dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden. Der Unternehmensvertrag habe lediglich eine Übergangslösung während der Anhängigkeit der gegen die Verschmelzung gerichteten Anfechtungsklagen dargestellt. In einer solchen Situation hätten die außenstehenden Aktionäre damit rechnen müssen, daß ihrem Abfindungsanspruch nachträglich durch die Beendigung des Unternehmensvertrags der Boden entzogen werde.
4. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 14 GG. Der Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags stelle für sie den denkbar stärksten Eingriff in ihre Eigentumsposition dar. Ihr Unternehmen werde zur Plünderung durch die herrschende Gesellschaft freigegeben. Ein solcher Eingriff sei nur zulässig, wenn die außenstehenden Aktionäre dafür durch einen angemessenen Ausgleich und eine angemessene Abfindung kompensiert würden. Das hätten die Gerichte im Ausgangsverfahren unter Mißachtung des Grundrechts aus Art. 14 GG und des Gebots effektiven Rechtsschutzes verkannt.
Die Eintragung der Verschmelzung stelle kein erledigendes Ereignis für das Spruchstellenverfahren dar. Für den Beschwerdeführer zu 1), der mit einem Großteil seiner Aktien bereits aus der abhängigen Gesellschaft ausgeschieden sei, habe die Verschmelzung überhaupt keine Wirkung mehr, da er nicht mehr Gesellschafter des übertragenden Unternehmens sei. Durch die angegriffenen Entscheidungen sei ihm allerdings die Möglichkeit entzogen worden, seinen Abfindungsergänzungsanspruch zu realisieren. Auch die Beschwerdeführerin zu 2), die das Abfindungsangebot der K. GmbH nicht angenommen habe, werde durch die Auffassung der Gerichte beschwert. Sie erhalte keine angemessene Abfindung. Der Hinweis des Oberlandesgerichts auf das Verfahren nach § 352 c AktG a.F. verfange nicht, da der Bewertungszeitpunkt hinsichtlich der Umtauschrelation für die Verschmelzung und in bezug auf den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verschieden, die Rechtswirkungen einer Entscheidung gemäß § 352 c AktG a.F. auf den Kreis der widersprechenden Aktionäre beschränkt seien, und das Verfahren lediglich die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses im Rahmen der Verschmelzung sicherstelle, nicht aber die Möglichkeit eröffne, aus der Gesellschaft auszuscheiden.
5. Das Justizministerium Baden-Württemberg hat sich zu der Verfassungsbeschwerde nicht geäußert. Die übrigen Verfahrensbeteiligten hatten ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Antragsgegnerinnen halten die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde, soweit sie von dem Beschwerdeführer zu 1) erhoben worden ist, zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung sind insoweit gegeben. Die hierfür maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht (vgl. insbesondere BVerfGE 14, 263) bereits entschieden (§ 93 c Abs. 1 BVerfGG).
Soweit die Verfassungsbeschwerde von der Beschwerdeführerin zu 2) erhoben worden ist, liegen die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG dagegen nicht vor.
1. Die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer zu 1) in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das Eigentum. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfaßt der Schutz des Grundrechts auch das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Dispositionsbefugnis über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet ist (vgl. BVerfGE 14, 263 ≪276 f.≫; 50, 290 ≪339, 341≫).
Der Gesetzgeber ist nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG befugt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Er hat dabei, da das in einer Aktie verkörperte Eigentum an einem Unternehmensträger regelmäßig in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht, einen weiten Gestaltungsspielraum. Allerdings darf er die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums nicht über Gebühr verkürzen (vgl. BVerfGE 14, 263 ≪278≫; 50, 290 ≪340≫).
b) Die Regelungen der §§ 291 ff. AktG greifen in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der „außenstehenden Aktionäre” einer Aktiengesellschaft ein. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG ermöglicht es den Mehrheitsaktionären einer Aktiengesellschaft, die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen zu unterstellen (Beherrschungsvertrag) und ihre Gesellschaft zu verpflichten, den ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (Gewinnabführungsvertrag). Mit dem Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags geht für die außenstehenden Aktionäre die Gefahr einer Auszehrung ihrer Mitgliedschaftsrechte und insbesondere ihrer Vermögensbeteiligung einher. Das hat der Bundesgerichtshof im einzelnen in seinem Beschluß vom 20. Mai 1997 („Guano AG”) aufgezeigt (BGHZ 135, 374).
Das herrschende Unternehmen erlangt mit dem Unternehmensvertrag das Recht, der abhängigen Gesellschaft auch nachteilige Weisungen zu erteilen (§ 308 Abs. 1 AktG) und den von der abhängigen Gesellschaft erzielten Gewinn zu vereinnahmen. Die herrschende Gesellschaft kann kraft ihrer Weisungsbefugnis durch einen entsprechenden Gebrauch von Ansatz- und Bewertungswahlrechten den Jahresüberschuß und damit auch den abzuführenden Gewinn der abhängigen Gesellschaft erhöhen. Sie kann Rückstellungen oder Sonderposten mit Rücklagenanteil auflösen und im Rahmen des § 301 AktG auch die Auflösung vorvertraglich gebildeter stiller Reserven veranlassen. Schließlich kann das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft ihrer Vermögenswerte weitgehend entkleiden und sie vollständig dem Konzerninteresse unterwerfen. Weisungsabhängigkeit und Gewinnabführungsverpflichtung können mithin dazu führen, daß die abhängige Gesellschaft bei Beendigung eines Unternehmensvertrags nicht mehr in der Lage ist, sich aus eigener Kraft zu behaupten (vgl. BGHZ 135, 374 ≪377 f.≫).
c) Trotz der mit dem Unternehmensvertrag für die außenstehenden Aktionäre einhergehenden Gefahren hat der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 291 ff. AktG die ihm durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumte Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht überschritten. Der Gesetzgeber darf im Interesse gesellschaftsrechtlicher Flexibilität und einfacher Konzernbildung einer Aktiengesellschaft die Möglichkeit eröffnen, sich im Rahmen eines Unternehmensvertrags der Herrschaft einer anderen Gesellschaft zu unterwerfen und zur Abführung des Gewinns zu verpflichten (vgl. BVerfGE 14, 263 ≪282≫). Allerdings muß der Gesetzgeber dabei die berechtigten Interessen der außenstehenden Aktionäre beachten. Die Minderheitsaktionäre werden zwar – anders als in der Fallkonstellation, welche der Feldmühle-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag – nicht „aus ihrer Gesellschaft gedrängt”, müssen aber doch eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer grundrechtlich geschützten Gesellschaftsbeteiligung hinnehmen. Das hat der Gesetzgeber berücksichtigt.
Das Gesetz enthält ausreichende Schutzmechanismen für die außenstehenden Aktionäre: Mit der Möglichkeit, eine Anfechtungsklage nach § 246 AktG gegen den Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung zu dem Unternehmensvertrag (§ 293 AktG) zu erheben, haben die Minderheitsaktionäre einen wirksamen Rechtsbehelf gegen einen denkbaren Mißbrauch wirtschaftlicher Macht. Außerdem erhalten sie im Rahmen des § 304 AktG einen angemessenen Ausgleich und haben gemäß § 305 AktG die Möglichkeit, ihre Aktien der herrschenden Gesellschaft gegen eine angemessene Abfindung anzudienen. Für den Verlust ihrer Rechtsposition werden sie damit im Prinzip wirtschaftlich voll entschädigt. Die materiellrechtliche Position ist durch die Möglichkeit, ein Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG zu betreiben, auch verfahrensrechtlich abgesichert. Die gesetzliche Regelung genügt damit im Grundsatz den Anforderungen, welche das Bundesverfassungsgericht im Feldmühle-Urteil an eine verhältnismäßige Beschränkung des Eigentums der Minderheitsaktionäre gestellt hat (vgl. BVerfGE 14, 263 ≪283≫).
d) Der gesetzlich gewährleistete Schutz des Eigentums der außenstehenden Aktionäre darf allerdings nicht auf der Rechtsanwendungsebene unterlaufen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben sich die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung eigentumsbeschränkender Gesetze innerhalb der Grenzen zu halten, die dem Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Eigentümerbefugnisse gezogen sind (vgl. BVerfGE 68, 361 ≪372≫). Auch bei der Anwendung der §§ 304 ff. AktG ist dem Einfluß von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Verfassungsverstoß allerdings erst dann feststellen, wenn die richterliche Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts im Gesetz keine Stütze mehr findet oder wenn sie das eingeschränkte Grundrecht, insbesondere seinen Schutzbereich, in Bedeutung und Tragweite grundlegend verkennt und das auch für den konkreten Rechtsfall in der materiellen Auswirkung von einiger Relevanz ist (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪9 f.≫).
2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen, soweit sie den Beschwerdeführer zu 1) betreffen, nicht.
a) Landgericht und Oberlandesgericht sind davon ausgegangen, das Spruchstellenverfahren habe sich mit der Eintragung der Verschmelzung erledigt, weil eine Vertragspartnerin des Unternehmensvertrags erloschen sei. Diese formale Argumentation trägt dem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht hinreichend Rechnung. Das Grundrecht verlangt, daß die Minderheitsaktionäre für die Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition, welche mit dem Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags regelmäßig einhergeht, wirtschaftlich voll entschädigt werden. Der Bundesgerichtshof hat in der Guano-Entscheidung überzeugend dargelegt, daß die außenstehenden Aktionäre gegen bestimmte Maßnahmen der herrschenden Gesellschaft nur durch eine angemessene Abfindung abgesichert werden können (vgl. BGHZ 135, 374 ≪379≫).
Das Aktiengesetz bestimmt nicht, wie sich die Verschmelzung eines Vertragspartners eines Unternehmensvertrags auf ein laufendes Spruchstellenverfahren auswirkt. Die Bedeutung der Eigentumsgarantie wird aber grundlegend verkannt, wenn ein Aktionär, der von dem vertraglichen Abfindungsangebot Gebrauch gemacht hat und tatsächlich aus der abhängigen Gesellschaft ausgeschieden ist, für seine Aktien weniger als eine „angemessene” Abfindung erhielte. Deshalb ist auch im Fall einer Verschmelzung ein laufendes Spruchstellenverfahren mit Blick auf diejenigen Aktionäre, die ihre Aktien der herrschenden Gesellschaft angedient haben, fortzusetzen und über den Abfindungsanspruch sachlich zu befinden.
Die Erwägung des Oberlandesgerichts, es existierten keine Aktien der abhängigen Gesellschaft mehr, welche die herrschende Gesellschaft erwerben könne, ist mit Blick auf den Beschwerdeführer zu 1) ohne Relevanz. Die Aktien des Beschwerdeführers zu 1) hat die K. GmbH bereits erworben. Dafür hat sie eine angemessene Abfindung zu bezahlen. Stellt sich im Verlauf des Spruchstellenverfahrens heraus, daß die vertraglich angebotene Abfindung zu niedrig war, so hat die (nach wie vor existierende) K. GmbH eine entsprechende Nachzahlung hinsichtlich derjenigen Aktien, welche sie zum Preis von 176 DM übernommen hatte, zu leisten.
b) Das Bundesverfassungsgericht kann nicht ausschließen, daß sich im Spruchstellenverfahren eine Erhöhung des Abfindungsbetrags ergibt. Die Anträge der außenstehenden Aktionäre auf Erhöhung der Ausgleichszahlung sind zwar mittlerweile rechtskräftig zurückgewiesen worden (Beschluß des Landgerichts Mannheim vom 16. Dezember 1996 - 23 AktE 1/90 - und Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 1997 - 15 W 1/97 -). Doch steht damit keineswegs zwingend fest, daß auch die vertraglich angebotene Abfindung angemessen ist. Das Landgericht hat das Verfahren deshalb mit Blick auf diejenigen Aktionäre, die ihre Aktien der K. GmbH angedient hatten, fortzusetzen und sachlich über den Abfindungsanspruch zu befinden.
3. Soweit die Beschwerdeführerin zu 2) von den angegriffenen Beschlüssen betroffen ist, kann das Bundesverfassungsgericht nicht feststellen, daß die Gerichte die Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG grundlegend verkannt haben. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist deshalb nicht angezeigt.
a) Das Oberlandesgericht hat betont, daß die außenstehenden Aktionäre für ihre Aktien der SEN AG Anteile an der KHS AG erhalten haben. Sie hatten die Möglichkeit, das entsprechende Umtauschverhältnis gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Beschwerdeführerin zu 2) hatte – anders als der Beschwerdeführer zu 1) – das Abfindungsangebot der K. GmbH nicht angenommen. Zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung war sie noch im Besitz ihrer SEN-Aktien. Dafür hat sie im Zuge der Verschmelzung Aktien der KHS AG erhalten. Aufgrund des besonderen Geschehensablaufs lag der für die Verschmelzung maßgebliche Bewertungsstichtag vor dem Inkrafttreten des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags. Für die Beschwerdeführerin zu 2) bestand mithin keine Gefahr, daß sich der Wert der SEN AG und damit der Wert ihrer Gesellschaftsbeteiligung, soweit er für die Verschmelzungswertrelation von Belang war, infolge des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verringerte. Der Abschluß und damit auch die Beendigung des Unternehmensvertrags waren für die Frage, wieviele Aktien der übernehmenden Gesellschaft (KHS AG) die Beschwerdeführerin zu 2) für ihre SEN-Beteiligung erhält, ohne Auswirkung. Maßgeblich war insoweit allein der Wert der SEN AG zum für die Verschmelzung maßgeblichen Bewertungsstichtag. Die Beschwerdeführerin zu 2) bedurfte deshalb nicht in gleichem Maß wie der Beschwerdeführer zu 1) des Schutzes der §§ 305, 306 AktG. Das durfte das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen.
Das Bundesverfassungsgericht hat nicht darüber zu befinden, ob die von den Gerichten im Ausgangsverfahren vertretene Auffassung aktienrechtlich zwingend ist (vgl. dazu verneinend Meilicke W., AG 1995, S. 181 ≪187≫; bejahend Naraschewski, DB 1997, S. 1653 ≪1657≫). Ebensowenig hat sich das Bundesverfassungsgericht im Rahmen dieser Verfassungsbeschwerde mit der Frage zu befassen, wie gegebenenfalls ein (auch verfassungsrechtlich) gebotener Abfindungsanspruch nach Beendigung eines Spruchstellenverfahrens zu realisieren ist, wenn das abhängige Unternehmen infolge einer Verschmelzung oder Eingliederung erloschen ist. Von Verfassungs wegen entscheidend ist allein, ob die wirtschaftlich volle Entschädigung, auf die ein Aktionär, dessen Eigentumsposition durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag berührt ist, Anspruch hat, die gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Abfindung erfordert. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Aktionär durch Festsetzungen im Verschmelzungsvertrag und deren gerichtlicher Kontrolle geschützt ist und der maßgebliche Bewertungsstichtag für die Bestimmung der Verschmelzungswertrelation vor dem Beginn des Spruchstellenverfahrens liegt. So lagen die Dinge bei der Beschwerdeführerin zu 2).
b) Die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) steht nicht in Widerspruch zu der verfassungsrechtlich zutreffenden Argumentation des Bundesgerichtshofs im Fall der Guano AG. Der Bundesgerichtshof hat dort entschieden, daß der Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre im Sinn des § 305 Abs. 1 AktG bei Beendigung des Unternehmensvertrags während des Spruchstellenverfahrens fortbesteht und daß in dem Spruchstellenverfahren darüber sachlich zu entscheiden ist (vgl. BGHZ 135, 374 ≪377≫). Der Ausgangsfall, der der Guano-Entscheidung zugrunde lag, unterscheidet sich aber von der Konstellation im hier zu beurteilenden Ausgangsverfahren maßgeblich dadurch, daß erstens im Fall der Guano AG der Unternehmensvertrag durch eine Kündigung, nicht durch eine Verschmelzung beendet wurde, daß zweitens dort die herrschende, nicht die abhängige Gesellschaft verschmolzen wurde und daß drittens der Verschmelzungsvertrag und damit zusammenhängend der Bewertungsstichtag für die Verschmelzung dem Beginn des Spruchstellenverfahrens zeitlich nachfolgten. Zu Recht hat der Bundesgerichtshof festgestellt, daß die außenstehenden Aktionäre in einer solchen Konstellation allein durch die Fortführung des Spruchstellenverfahrens gegen eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Eigentumsposition geschützt werden konnten. Das ist anders, wenn – wie im Fall der SEN AG – die abhängige Gesellschaft verschmolzen wird, die beteiligten Unternehmen das die Beendigung des Unternehmensvertrags auslösende Moment (Verschmelzung) bereits vor dem Beginn des Spruchstellenverfahrens veranlaßt haben und der Unternehmensvertrag aufgrund des konkreten Geschehensablaufs die Verschmelzungswertrelation nicht mehr beeinflussen kann.
4. Dem Beschwerdeführer zu 1) sind gemäß § 34 a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 543450 |
DB 1999, 575 |
NJW 1999, 1699 |
EWiR 1999, 459 |
NZG 1999, 302 |
WM 1999, 435 |
WuB 1999, 580 |
ZIP 1999, 532 |
AG 1999, 218 |