Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Beschluss vom 16.01.1998; Aktenzeichen 2 Ss 697/97)

LG Rottweil (Urteil vom 26.08.1997; Aktenzeichen AK 151/96 - 1 (2) Ns 13 Js 3489/95)

AG Rottweil (Urteil vom 03.06.1996; Aktenzeichen 3 Cs 416/95)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Dem Beschwerdeführer wird eine Mißbrauchsgebühr in Höhe von 250 DM (in Worten: zweihundertfünfzig Deutsche Mark) auferlegt.

 

Gründe

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine strafgerichtliche Verurteilung wegen Betrugs zu einer Geldstrafe. Durch eine in der Berufungshauptverhandlung angeordnete Verlesung des Protokolls über die frühere polizeiliche Vernehmung des Belastungszeugen und Geschädigten nach § 253 Abs. 1 StPO sieht er sich in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot) sowie seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG resultierenden allgemeinen Prozeßgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt.

I.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits nicht zulässig erhoben worden. Der Rügevortrag entspricht trotz anwaltlicher Vertretung des Beschwerdeführers in mehrfacher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen an eine substantiierte Begründung nach Maßgabe der §§ 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, 92 BVerfGG:

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts richtet, muß eine verfassungsrechtliche Überprüfung schon deshalb ausscheiden, weil der Beschwerdeführer weder seine Revisionsrechtfertigung vorgelegt noch sonst – etwa durch Vorlage des Verwerfungsantrags der Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht – hinreichend dargelegt hat, daß er die mit der Verfassungsbeschwerde beanstandete Verletzung des § 253 Abs. 1 StPO im Revisionsverfahren tatsächlich gerügt hat. Insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit der Geltendmachung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge kann auf die Vorlage der Revisionsrechtfertigung im Verfassungsbeschwerde-Verfahren nicht verzichtet werden. Denn das Bundesverfassungsgericht wird nur so in die Lage versetzt, den Beschluß des Revisionsgerichts auf die behaupteten Verfassungsverstöße hin zu überprüfen.

Im übrigen trägt der Beschwerdeführer nicht einmal vor, daß er oder sein Verteidiger der Verlesungsanordnung des Vorsitzenden innerhalb der Hauptverhandlung ausdrücklich oder wenigstens schlüssig widersprochen und damit ein Verlangen nach gerichtlicher Entscheidung gemäß § 238 Abs. 2 StPO artikuliert hätten (vgl. z.B. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 253 Rn. 2 und § 238 Rn. 10 ff., insbesondere Rn. 22). Eine Antwort darauf, warum der Beschwerdeführer oder sein Verteidiger nicht selbst von ihrem unmittelbaren Fragerecht gegenüber dem Zeugen nach § 240 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht haben, bleibt der Beschwerdeführer schuldig.

2. In Richtung auf das Berufungsurteil des Landgerichts muß aus den genannten Gründen offen bleiben, ob der Beschwerdeführer den mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Verfahrensfehler durch die formgerechte Anbringung einer entsprechenden Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend gemacht und damit den Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft hat.

3. Ein nicht heilbarer Substantiierungsmangel steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde auch insoweit entgegen, als sie sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung durch das Amtsgericht richtet. Denn dem Rügevortrag ist nicht zu entnehmen, wie das Urteil des Amtsgerichts auf dem beanstandeten Verfahrensverstoß beruhen sollte. Wie der Beschwerdeführer selbst vorträgt, war die frühere Aussage des Zeugen vom Amtsgericht gerade nicht nach § 253 Abs. 1 StPO verlesen worden.

4. Die Verfassungsbeschwerde wäre im übrigen – soweit ersichtlich – unbegründet. Denn der in der Sache schwer nachvollziehbare Rügevortrag des Beschwerdeführers steht im Widerspruch zu den – schon revisionsrechtlich – maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Berufungsurteils, wonach der Zeuge in der Hauptverhandlung glaubhaft erklärt hatte, sich an nichts anderes mehr erinnern zu können als daran, daß der Beschwerdeführer den Pkw angemietet habe und bis heute den Rechnungsbetrag schuldig geblieben sei. Damit lagen die Voraussetzungen einer Protokollverlesung zur Gedächtnisunterstützung nach § 253 Abs. 1 StPO ohne weiteres vor.

Für eine sonst willkürliche Rechtsanwendung oder einen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Prozeßgrundrecht auf ein faires Verfahren ist nichts ersichtlich.

II.

Dem Beschwerdeführer ist eine Mißbrauchsgebühr gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG in der als angemessen erscheinenden Höhe von 250,- DM aufzuerlegen, weil die Einlegung der offensichtlich unzulässigen, in der Sache zudem substanzlosen Verfassungsbeschwerde als mißbräuchlich anzusehen ist.

Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben, die Allgemeinheit und insbesondere die Grundrechtsverwirklichung des Einzelnen von Bedeutung sind; es ist jedoch nicht gehalten hinzunehmen, daß es in der Erfüllung dieser Aufgabe durch – wie hier – an gravierenden Zulässigkeitsmängeln leidende Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern nur mit erheblicher Verzögerung in deren Angelegenheiten Grundrechtsschutz zu gewähren vermag (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, NJW 1992, S. 1952; NJW 1995, S. 1418 und NJW 1996, S. 2785). Dem Beschwerdeführer war zuzumuten, wenigstens durch seinen anwaltlichen Vertreter vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen und dem Umfang der Nachprüfung strafgerichtlicher Entscheidungen im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zu ermitteln. Eine Sorgfaltspflichtverletzung seines Verfahrensbevollmächtigten muß sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen. Sollte die Einlegung der Verfassungsbeschwerde auf einer unzulänglichen anwaltlichen Beratung beruhen, bleibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Geltendmachung eines entsprechenden Regreßanspruchs unbenommen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Limbach, Kruis, Winter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1276497

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge