Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG liegt nicht vor.
a) Die Strafnorm des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG genügt dem Bestimmtheitserfordernis.
Das Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 92, 1, ≪12≫; 96, 68, ≪97 f.≫; stRspr).
§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG pönalisiert die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse einer Aktiengesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand oder in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung. Dieser Straftatbestand enthält mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, die sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden konkretisieren lassen.
Der Begriff der “Verhältnisse der Gesellschaft” hat jedenfalls durch seine Ausdeutung in Rechtsprechung und Schrifttum hinreichende Bestimmtheit gewonnen. Hierunter sind neben der Vermögenslage der Gesellschaft alle anderen Umstände zu verstehen, die die Situation der Gesellschaft im Wirtschaftsleben und in ihrem politischen und sozialen Umfeld kennzeichnen (vgl. Otto, in: Hopt/Wiedemann, AktG, Großkommentar, 4. Aufl. 1997, § 400 Rn. 28; Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, Stand: Dezember 2005, AktG, § 400 Anm. 3; Geilen, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 400 Rn. 18; jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung).
Dem Bestimmtheitsgebot genügt auch der Begriff der “Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand”. Während unter Übersichten Zahlenwerke zu verstehen sind, handelt es sich bei Darstellungen um Berichte jeder Art (vgl. Schaal, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2006, § 400 Rn. 19, 21 m.w.N.). Beide Mitteilungsformen müssen sich auf den Vermögensstand der Gesellschaft beziehen (vgl. Geilen, a.a.O., Rn. 42; a.A. Bericht der Regierungskommission “Corporate Governance” vom 14. August 2001, BTDrucks 14/7515, S. 86). Der Begriff des “Vermögensstands” ist der Auslegung zugänglich. Im Schrifttum besteht Einigkeit darüber, dass darunter nicht nur die aktuelle Vermögenslage der Gesellschaft zu verstehen ist, sondern, entsprechend dem Normzweck des § 400 AktG, das Vertrauen von Personen, die zu der Gesellschaft in rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehung stehen oder unmittelbar in eine solche Beziehung eintreten wollen, zu schützen (vgl. Schaal, a.a.O., Rn. 2 m.w.N.), auch die Ertragslage der Gesellschaft und andere für ihre wirtschaftliche Entwicklung bedeutsame Faktoren (vgl. Otto, a.a.O., Rn. 36; Fuhrmann, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 400 Rn. 16; Geilen, a.a.O., Rn. 48; Schaal, a.a.O., Rn. 26). Anhand der so konkretisierten Rechtsbegriffe des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist für den Normadressaten die Strafbarkeit eines Verhaltens hinreichend erkennbar.
b) Die Strafnorm des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG wurde durch die Fachgerichte nicht in einer das Analogieverbot verletzenden Weise ausgelegt.
Ein Verstoß gegen das Analogieverbot kann dann gegeben sein, wenn das materielle Strafrecht objektiv unhaltbar und deshalb willkürlich ausgelegt wird (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 1994 – 2 BvR 322/94 –, veröffentlicht NJW 1995, S. 186 ≪187≫). Die Beschwerdeführer rügen unter diesem Gesichtspunkt, dass die Fachgerichte eine Ad-hoc-Mitteilung mit den Halbjahreszahlen des Unternehmens als Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand der Gesellschaft gewertet haben. Ob ein Verstoß gegen das Analogieverbot vorliegt, bestimmt sich nach dem möglichen Wortsinn des Gesetzes, der die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation markiert (vgl. BVerfGE 92, 1 ≪12≫).
Es ist durch den Wortsinn des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass Ad-hoc-Mitteilungen Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand sind. Ad-hoc-Mitteilungen können sich inhaltlich stark unterscheiden. Sie können lediglich Berichte über Einzelereignisse enthalten, aber auch umfangreiche Darstellungen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Ad-hoc-Mitteilungen, die nur ein Einzelereignis zum Gegenstand haben, kein geeignetes Tatmittel im Sinne des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sind, weil ihnen die Aussagekraft über den Vermögensstand der Gesellschaft und die Bedeutung für den geschützten Personenkreis fehlt. Eine grundsätzliche Geeignetheit solcher Mitteilungen, Tatmittel im Sinne der Strafnorm zu sein, wird überwiegend aber nicht in Zweifel gezogen (vgl. Urteil des Landgerichts München I vom 28. Juni 2001 – 12 O 10157/01 –, veröffentlicht NJW-RR 2001, S. 1701 ≪1705≫; Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 19. Juni 2002 – 2 Ws 36/02 –, veröffentlicht NStZ-RR 2002, S. 275 ≪276≫; Urteil des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2002 – 30 U 855/01 –, veröffentlicht NJW 2003, S. 144 ≪146≫; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2004 – II ZR 218/03 –, veröffentlicht NJW 2004, S. 2664 ≪2665 f.≫ mit differenzierender Bespr. Fleischer, DB 2004, S. 2031 ≪2033≫ und Terlau, BGH-Report 2004, S. 1495; ähnlich Spindler, WM 2004, S. 2089 ≪2091≫; Rieckers, BB 2002, S. 1213 ≪1215 f.≫; Thümmel, DB 2001, S. 2331; den angegriffenen Entscheidungen zustimmend Fleischer, NJW 2003, S. 2584 ≪2585≫; Kiethe, NStZ 2004, S. 73 ≪75≫; Ransiek, JR 2005, S. 165; Schaal, a.a.O., Rn. 25; kritisch Wallau, NStZ 2004, S. 289 ≪291≫; allgemein ablehnend zur Qualifizierung von Ad-hoc-Mitteilungen als Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand Rützel, AG 2003, S. 69 ≪73≫; Edelmann, BB 2004, S. 2031 ≪2032≫; Kort, AG 2005, S. 21 ≪24≫; Geßler, AktG, Stand: Dezember 2004, § 400 Rn. 25a).
Bei der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 handelte es sich nicht um die Darstellung eines einzelnen Geschäftsvorgangs, sondern der Halbjahreszahlen der Gesellschaft für das Jahr 2000, mit denen deren dynamisches Wachstum dokumentiert werden sollte. Das Tatgericht und das Revisionsgericht würdigen die Aussagekraft dieser Zahlen für die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, setzen sich mit Rechtsprechung auseinander, die die Geeignetheit von Ad-hoc-Mitteilungen über Einzelereignisse als Tatmittel verneint hat (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2002, a.a.O.; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2004, a.a.O.), und weisen den Unterschied zu solchen Fallgestaltungen auf. Die Erwägung, dass Halbjahreszahlen, wie sie hier veröffentlicht wurden, Aktionären und potentiellen Anlegern eine Beurteilung ermöglichen, wie sich die Geschäftstätigkeit des Unternehmens im Berichtszeitraum entwickelt hat und künftig entwickeln wird, und die deshalb von so wesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung sind, dass sie dem Anwendungsbereich des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG unterfallen, verletzen die Grenzen der Verfassung nicht.
2. Eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht vor.
Eine von willkürlichen Erwägungen bestimmte (vgl. BVerfGE 3, 359 ≪364≫; 29, 45 ≪48 f.≫ m.w.N.) Entscheidung des Revisionsgerichts, nicht gemäß § 132 Abs. 2 GVG die Vereinigten Großen Senate anzurufen, liegt nicht vor. Das Revisionsgericht hat nachvollziehbar dargetan, dass der von ihm zu entscheidende Fall anders zu behandeln ist als der der Entscheidung des 2. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2004 – II ZR 218/03 –, zugrundeliegende, weil es sich dort um eine Ad-hoc-Mitteilung handelte, die nur einen einzelnen Geschäftsabschluss zum Gegenstand hatte. Eine Vorlagepflicht bestand nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ansicht des Revisionsgerichts nicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Inf 2006, 690 |
ZIP 2006, 1096 |
AG 2006, 539 |
BKR 2007, 38 |
ZBB 2006, 306 |