Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungsspielraum; Subsidiaritätsgrundsatz; Anrufung der Fachgerichte
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da ihr der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht.
Dieser Grundsatz verpflichtet einen Beschwerdeführer, vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich die Fachgerichte mit seinem Anliegen zu befassen. Das gilt nicht nur dann, wenn das Gesetz einen Auslegungs– oder Entscheidungsspielraum offen lässt, sondern auch dann, wenn ein solcher Spielraum fehlt (BVerfGE 58, 81 ≪104 f.≫; 72, 39 ≪43 ff.≫). Die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte besteht ausnahmsweise dann nicht, wenn die angegriffene Regelung den Beschwerdeführer zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können, oder wenn die Anrufung der Fachgerichte dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten ist, etwa weil dies offensichtlich sinn– und aussichtslos wäre (BVerfGE 79, 1 ≪20≫). Kann der mit dem Subsidiaritätsgrundsatz vornehmlich verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche Klärung der verfassungsrechtlich relevanten Sach- und Rechtsfragen herbeizuführen, nicht erreicht werden, ist die vorrangige Anrufung der Fachgerichte gleichfalls entbehrlich (BVerfG, a.a.O., S. 20).
Danach ist die Beschwerdeführerin, die selbst zum Grundsatz der Subsidiarität nichts vorträgt, insgesamt gehalten, zunächst Rechtsschutz auf dem Zivilrechtsweg zu suchen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass sich zuerst die Fachgerichte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit der Angelegenheit befassen sollen, liegt nicht vor. Es ist weder ersichtlich noch konkret vorgetragen, dass die angegriffenen Regelungen die Beschwerdeführerin zu Dispositionen zwingen, die später nicht mehr korrigiert werden können. Soweit die Beschwerdeführerin finanzielle Belastungen – etwa durch die Regelung über die Rücksendekosten – beanstandet, sind sämtliche Versandhandelsunternehmen gleichermaßen betroffen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrbelastungen letztlich in die Verkaufspreise einkalkuliert werden und vom Kunden zu tragen sind. Die Anrufung der Fachgerichte ist der Beschwerdeführerin auch nicht unzumutbar. Der Zweck des Subsidiaritätsgrundsatzes, eine fachgerichtliche Klärung der verfassungsrechtlich relevanten Sach- und Rechtsfragen herbeizuführen, kann durch die vorherige Anrufung der Fachgerichte erreicht werden. Wie die Beschwerdeführerin selbst vorträgt, sind eine Vielzahl der von ihr als verfassungswidrig gerügten Vorschriften – insbesondere über die Informations- und Dokumentationspflichten – auslegungsfähig und klärungsbedürftig. Hinzu kommt, dass unter Berücksichtigung konkreter Sachverhalte und gegebenenfalls sogar statistischer Erkenntnisse eine Gesamtschau der die Versandhandelsunternehmen treffenden neuen Regelungen notwendig ist, um bewerten zu können, ob ein unzumutbarer Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vorliegt oder eine sachwidrige Ungleichbehandlung zum stationären Handel angenommen werden kann. Hierfür ist aber ebenfalls zunächst eine umfassende Vorprüfung und Auslegung der einzelnen Vorschriften durch die Fachgerichte erforderlich.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 645099 |
NJW 2002, 428 |
WM 2002, 390 |