Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehung einer Untersagungs- und Einstellungsverfügung betreffend die Vermittlung von Sportwetten zu festen Gewinnquoten.
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist zugelassene Buchmacherin für Pferdesportwetten an verschiedenen Standorten in Deutschland und betreibt unter anderem eine Wettannahmestelle in Halle (Saale). Seit November 2003 bietet sie dort auch Wetten auf sonstige Sportereignisse an, die sie an ein in Gibraltar ansässiges und zugelassenes Wettunternehmen vermittelt.
Letzteres untersagte ihr die Stadt Halle (Saale) mit Bescheid vom 5. August 2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung verwies die Stadt darauf, dass sowohl die von der Beschwerdeführerin als auch die von dem Wettunternehmen in Gibraltar ausgeübte Geschäftstätigkeit nach dem den Vorgaben des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland entsprechenden Gesetz über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt (Lotto-Toto-G) vom 16. August 1991 (GVBl LSA S. 266) in der Fassung von Art. 4 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Juni 2004 (GVBl LSA S. 326) weder tatsächlich behördlich genehmigt noch rechtlich überhaupt erlaubnisfähig sei, da nur Wettunternehmen zugelassen werden könnten, deren sämtliche Anteile dem Land Sachsen-Anhalt gehörten. Diese Begehung von nach § 14 Lotto-Toto-G, jedenfalls aber nach § 284 Abs. 1 und 4 StGB strafbarem Verhalten rechtfertige eine sofortige Vollziehung.
2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Widerspruch. Zugleich beantragte sie beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Dem gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Januar 2005 statt. In der Begründung führte es dazu aus, dass die verfassungs- und europarechtlichen Zweifel an den der Untersagung zugrunde liegenden Rechtsnormen auch angesichts des inzwischen an die Stelle des Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt getretenen Glücksspielgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (Glücksspielgesetz – GlüG LSA) vom 22. Dezember 2004 (GVBl LSA S. 846) fortbestünden. Der Gesetzgeber habe auch dort kein System beschränkter Zulassung, sondern einen vollständigen Ausschluss privater Anbieter vorgesehen, dessen Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG und den Art. 43 ff. und 49 ff. EG nicht erkennbar sei.
3. Die Beschwerde der Stadt war erfolgreich. Die sofortige Vollziehung sei zur Unterbindung von nach § 284 StGB strafbarem Verhalten gerechtfertigt. Denn mangels einer allein maßgeblichen wirksamen inländischen Erlaubnis der sachlich und örtlich zuständigen Behörde sei die von der Beschwerdeführerin betriebene Wettvermittlung als strafbar anzusehen.
Das Verbot unerlaubten öffentlichen Veranstaltens und Vermittelns von Sportwetten verstoße weder gegen Verfassungs- noch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei aus den vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 6 C 2.01 –, BVerwGE 114, 92) genannten Gründen gerechtfertigt. Aufgrund derselben Bewertung sei auch der baden-württembergische Landesgesetzgeber von der grundsätzlichen Gefährlichkeit und Unerwünschtheit des Glücksspiels an sich ausgegangen. Schließlich entspreche die Regelungslage auch den insbesondere in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gambelli” (Urteil vom 6. November 2003 – C-243/01 –) formulierten Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. Im Rahmen des gemeinschaftsrechtlich nicht ausgeschlossenen Monopols lasse der Gesetzgeber zur Beschränkung des unerlaubten Glücksspiels nur den sozialpolitisch und ordnungsrechtlich vertretbaren Bereich des Glücksspiels zu und setze sich damit nicht in einen unauflösbaren Widerspruch zu der dem Monopol zugrunde liegenden grundsätzlichen Unverwünschtheit von Glücksspielen einschließlich von Wetten.
4. Gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde, mit der sie eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG rügt. Gleichzeitig beantragte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Oberverwaltungsgericht habe im Rahmen seiner Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit von § 284 StGB in Verbindung mit dem sachsen-anhaltinischen Landesrecht die verfassungsrechtliche Bedeutung der Berufsfreiheit grundlegend verkannt. Nicht Glücksspiel als solches, sondern unkontrolliertes Glücksspiel durch unzuverlässige Anbieter stelle eine Gefahr dar. Bei erlaubtem Glücksspiel ließen weder das Geschäftsgebaren staatlicher Veranstalter noch die Aufsichtstätigkeit des Landes etwas dafür erkennen, dass dieses davon geleitet sei, die Spielleidenschaft der Bevölkerung einzudämmen. Von einer grundsätzlichen Unerwünschtheit des Glücksspiels könne angesichts einer konsumgüterartigen Vermarktung erlaubter Glücksspiele keine Rede sein. Es sei fraglich, ob das – vermeintlich – der Abwehr abstrakter Gefahren für die Bevölkerung dienende staatliche Monopol noch zu rechtfertigen sei. Nicht zuletzt wegen der diesbezüglich uneinheitlichen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen bedürfe es einer verfassungsgerichtlichen Klärung.
5. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Land Sachsen-Anhalt sowie die Stadt Halle (Saale) Stellung genommen. Sie haben vor allem darauf hingewiesen, dass das Landesrecht für Sachsen-Anhalt seit dem In-Kraft-Treten des Glücksspielgesetzes gerade kein „staatliches Vermittlungsmonopol” mehr kenne, sondern eine Erlaubnismöglichkeit für die Vermittlung von Glücksspielen bereitstelle.
Entscheidungsgründe
II.
Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist insbesondere nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie aus Gründen der Subsidiarität und mangelnden Substantiierung unzulässig ist.
a) aa) Die Beschwerdeführerin hat es unterlassen, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde sämtliche zur Durchsetzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG und zur Beseitigung der diesbezüglich gerügten Beschwer geeigneten rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, wie dies nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde in der Regel geboten ist (vgl. BVerfGE 22, 287 ≪290 f.≫; 91, 1 ≪25≫; stRspr).
Unabhängig von der Frage, ob die Durchführung des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens gegen die sofort vollziehbare Untersagungsverfügung ein zur Beseitigung des geltend gemachten Verfassungsverstoßes geeignetes und der Beschwerdeführerin zumutbares Mittel darstellt – was bejahendenfalls zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangene Entscheidung führen würde (vgl. BVerfGE 77, 381 ≪400 f.≫; 79, 275 ≪279≫) –, muss die Beschwerdeführerin vor der Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes zunächst bei der zuständigen Behörde das Verfahren auf Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 13 GlüG LSA einleiten und sich gegebenenfalls mit einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren an die Verwaltungsgerichte wenden. Insoweit eröffnet die Verfassungsbeschwerde keine wahlweise Rechtsschutzmöglichkeit neben bestehenden sonstigen Rechtswegen vor den Fachgerichten, denen in diesem Zusammenhang auch die Wahrung der Grundrechte obliegt.
Zwar erging die unter Anordnung des Sofortvollzugs gegenüber der Beschwerdeführerin verfügte Untersagung noch auf der Grundlage des Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt in der Fassung von Art. 4 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen. Danach gab es noch keinen gesetzlichen Erlaubnistatbestand betreffend die Vermittlung von Glücksspielen.
Seit dem In-Kraft-Treten des Glücksspielgesetzes am 30. Dezember 2004 enthält das sachsen-anhaltinische Landesrecht nunmehr aber mit § 13 GlüG LSA eine Regelung, die die Erteilung einer Erlaubnis für die – gewerbliche – Vermittlung von Glücksspielen vorsieht, die nicht durch Wettannahmestellen (§ 13 Abs. 7 i.V.m. § 5 GlüG LSA) eines nach § 3 GlüG LSA zugelassenen, ausschließlich dem Land gehörenden Wettunternehmens vorgenommen werden.
Der sachsen-anhaltinische Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass auch die Vermittlung von Glücksspielen einschließlich von Wetten nur mit vorheriger Erlaubnis vorgenommen werden und die unerlaubte Vermittlung mithin ordnungsrechtlich verboten sein soll. Zwar wird nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GlüG LSA kein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis gewährt, sondern diese in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. § 13 Abs. 3 Nr. 1 GlüG LSA lässt eine Erlaubniserteilung nur für die Vermittlung von Beteiligungen an im Land Sachsen-Anhalt erlaubte Veranstaltungen zu, wenn dies für deren Durchführung erforderlich ist. § 13 Abs. 3 Nr. 2 GlüG LSA fordert außerdem, dass für die Vermittlung ein hinreichendes öffentliches Bedürfnis besteht. In § 13 GlüG LSA werden jedenfalls weitere Anforderungen an eine erlaubnisfähige Vermittlungstätigkeit gestellt. Diese betreffen zum Beispiel eine ordnungsgemäße und transparente Durchführung der Vermittlung (§ 13 Abs. 3 Nr. 4 und 5 GlüG LSA), bestimmte Anforderungen an die Person des Vermittlers (§ 13 Abs. 4 Nr. 1 und 3 GlüG LSA) sowie die in § 14 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland (GVBl LSA 2004 S. 328) formulierten Anforderungen (§ 13 Abs. 4 Nr. 2 GlüG LSA) und das allgemeine Erfordernis der Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (§ 13 Abs. 4 Nr. 4 GlüG LSA). Ferner erlaubt § 13 Abs. 6 GlüG LSA, die Erteilung einer Erlaubnis von der Leistung einer angemessenen Sicherheit abhängig zu machen und die Erlaubnis zu befristen oder mit anderen Nebenbestimmungen – auch nachträglich – zu beschränken. Das Glücksspielgesetz gestaltet die Erlaubniserteilung für die Wettvermittlung damit trotz der zum Teil restriktiven, auf ein so genanntes „repressives Verbot” hindeutenden Voraussetzungen andererseits zumindest auch im Sinne einer präventiven behördlichen Kontrolle aus.
Damit hat das sachsen-anhaltinische Gesetz unabhängig von der Frage, inwieweit § 13 GlüG LSA – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit – mit Verfassungsrecht sowie mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist – was hinsichtlich der deutschen Regelungslage derzeit umstritten ist (vgl. etwa Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. Juni 2005 – 12 B 10190/05.OVG –; demgegenüber etwa Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 2005 – 11 ME 396/03 –, GewArch 2005, S. 282 m.w.N.) – ein rechtsförmiges und voraussetzungsvolles Verfahren zur Erlangung einer Erlaubnis für Wettvermittlungstätigkeiten geschaffen. Zweifel an der Vereinbarkeit des § 13 GlüG LSA oder einzelner seiner – restriktiven – Voraussetzungen mit höherrangigem Verfassungs- oder anwendungsvorrangigem Gemeinschaftsrecht, wie sie im Ausgangsverfahren auch vom Verwaltungsgericht erwogen worden sind, sind daher zunächst innerhalb dieses gesetzlich vorgesehenen Verfahrens vorzubringen.
Auch für den Fall der Notwendigkeit einer verfassungs- oder gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung einzelner Erlaubnisvoraussetzungen des § 13 GlüG LSA, die von den Behörden und Verwaltungsgerichten bei der Entscheidung über eine Erlaubniserteilung in Betracht zu ziehen ist, macht die Norm hinsichtlich der davon unabhängigen und selbständigen weiteren Voraussetzungen das Einholen einer präventiven Kontrollerlaubnis notwendig. Diese jedenfalls im Sinne einer präventiven Kontrolle des Wettvermittlers und der Wettvermittlungstätigkeit zu verstehende ordnungsrechtliche Erlaubnisbedürftigkeit ist darüber hinaus grundsätzlich auch geeignet, ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Verfügung zu begründen, mit der die Vermittlung von Wetten ohne vorherige Erlaubnis untersagt wird.
bb) Angesichts dieser Ausgangsrechtslage im Land Sachsen-Anhalt unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem durch die Kammer mit stattgebendem Beschluss vom 27. April 2005 – 1 BvR 223/05 – (GewArch 2005, S. 246) entschiedenen Verfahren betreffend einen Sachverhalt aus dem Freistaat Bayern. § 13 GlüG LSA eröffnet unabhängig von weitergehenden Regelungsgehalten jedenfalls ein präventives Kontrollregime für die Wettvermittlungstätigkeit. Damit aber ist – nicht zuletzt auch hinsichtlich einer etwaigen Einwirkung von Gemeinschaftsrecht – eine andere Rechtslage als in den Fällen gegeben, in denen allein straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verbote existieren – etwa aufgrund von § 284 StGB sowie ergänzender landesrechtlicher Sanktionsnormen wie zum Beispiel § 14 Lotto-Toto-G oder nunmehr § 18 GlüG LSA – oder auch eine ordnungsrechtliche Regelung ein vollständiges Verbot der Sportwettenvermittlung durch private Anbieter vorsieht, sofern es sich nicht um Vermittlung durch Wettannahmestellen und Wetteinnehmer für die landesrechtlich zugelassene Sportwettenveranstaltung des unmittelbar oder mittelbar landeseigenen Veranstalters handelt.
b) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte durch das Fehlen von Übergangsregelungen für schon vor dem In-Kraft-Treten des Glücksspielgesetzes begonnene Wettvermittlungstätigkeiten rügt – wie dies nach ihren Angaben seit Ende des Jahres 2003 der Fall ist –, ist ihr – nachträglich ergänzendes – Vorbringen verfristet.
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
III.
Da die Kammer die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annimmt, wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (vgl. § 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Haas, Hömig, Bryde
Fundstellen