Beteiligte
Rechtsanwälte Frank Kropp und Partner |
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Zwischenurteil vom 07.05.1999; Aktenzeichen 6 B 10696/99.OVG) |
VG Koblenz (Zwischenurteil vom 29.03.1999; Aktenzeichen 3 L 913/99.KO) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz – PsychThG) vom 16. Juni 1998 (BGBl I S. 1311) und die Frage, ob es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, daß auch nach den Übergangsvorschriften nur Diplom-Psychologen die Approbation zum Psychologischen Psychotherapeuten erhalten.
I.
1. Durch das Psychotherapeutengesetz wurden zum 1. Januar 1999 nach langem Ringen um eine gesetzliche Regelung (vgl. BTDrucks 12/5890; BTDrucks 12/7870; BRDrucks 157/94; BTDrucks 13/1206; BTDrucks 13/8035; BTDrucks 13/8087; BTDrucks 13/8039; BTDrucks 13/9212; BTDrucks 13/9540; BTDrucks 13/9541; BTDrucks 13/9770) Berufsbilder für zwei neue Heilberufe in der Bundesrepublik Deutschland festgelegt: für den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten und für den Beruf des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Für beide Berufsgruppen hat der Gesetzgeber nunmehr die Approbation vorgesehen, die bisher Ärzten vorbehalten war.
a) Voraussetzung für die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut ist eine mindestens dreijährige Ausbildung zu diesem Beruf; Zugangsvoraussetzung für diese Ausbildung ist ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Psychologie (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 PsychThG). Für die Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ist als Zugangsvoraussetzung auch der erfolgreiche Abschluß eines Studiums der Pädagogik oder Sozialpädagogik vorgesehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b PsychThG).
b) Die Übergangsvorschriften regeln die Zugangsvoraussetzungen für solche Diplom-Psychologen, Diplom-Sozialpädagogen und Diplom-Pädagogen, die beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits psychotherapeutisch tätig waren. Dabei knüpft das Gesetz an die frühere Mitwirkung bzw. die Qualifikation für eine solche Mitwirkung bei der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten an. Das Gesetz greift also für die berufsrechtliche Erteilung der Approbation auf die älteren Regelungen des Sozialversicherungsrechts zurück. Das gilt auch für die Differenzierung zwischen den akademischen Studiengängen der Sozialpädagogik/Pädagogik einerseits und der Psychologie andererseits bezogen auf die Approbation zu den unterschiedlichen Berufsbildern des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die ebenfalls aus den Psychotherapie-Richtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung (dazu aa) stammt.
aa) Wer bisher am Delegationsverfahren nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Richtlinien in der Neufassung vom 3. Juli 1987, BAnz Nr. 156 Beilage Nr. 156 a, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12. März 1997, BAnz Nr. 49, S. 2946) teilgenommen hat oder aufgrund seiner Qualifikation hätte teilnehmen können, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen eine Approbation (§ 12 Abs. 1 PsychThG). In den Psychotherapie-Richtlinien war die Qualifikation zur Durchführung der Psychotherapie und psychosomatischen Grundversorgung im einzelnen festgelegt. Berechtigt zur Teilnahme am Delegationsverfahren waren lediglich Ärzte und Diplom-Psychologen mit einer abgeschlossenen Zusatzausbildung an einem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anerkannten Institut. Für die Durchführung der Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen wurde auch der Abschluß eines Sozialpädagogik- bzw. Pädagogikstudiums anerkannt. Im Delegationsverfahren konnten solche Therapeuten jedoch nur zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden.
bb) Wer bisher über das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 oder 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – an der Versorgung von gesetzlich Versicherten als Diplom-Psychologe außerhalb des Delegationsverfahrens mitgewirkt hat, wird von der Übergangsregelung des § 12 Abs. 3 PsychThG erfaßt:
(3) Personen mit einer bestandenen Abschlußprüfung im Studiengang Psychologie an einer Universität oder einer gleichstehenden Hochschule erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 auf Antrag eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Psychologischen Psychotherapeuten nach § 1 Abs. 1 Satz 1, wenn sie zwischen dem 1. Januar 1989 und dem 31. Dezember 1998 mit einer Gesamtdauer von mindestens sieben Jahren an der Versorgung von Versicherten einer Krankenkasse mitgewirkt haben oder ihre Leistungen während dieser Zeit von einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung vergütet oder von der Beihilfe als beihilfefähig anerkannt worden sind. Voraussetzung für die Erteilung der Approbation nach Satz 1 ist ferner, daß die Antragsteller
- während des Zeitraums nach Satz 1 mindestens 4 000 Stunden psychotherapeutischer Berufstätigkeit oder 60 dokumentierte und abgeschlossene Behandlungsfälle sowie
- mindestens 140 Stunden theoretischer Ausbildung in wissenschaftlich anerkannten Verfahren
nachweisen. Personen im Sinne des Satzes 1, die das Erfordernis nach Satz 1 zweiter Halbsatz oder die Voraussetzung nach Satz 2 Nr. 1 nicht erfüllen, erhalten die Approbation nur, wenn sie nachweisen, daß sie bis zum 31. Dezember 1998
- mindestens 2 000 Stunden psychotherapeutischer Berufstätigkeit abgeleistet oder 30 dokumentierte Behandlungsfälle abgeschlossen,
- mindestens fünf Behandlungsfälle unter Supervision mit insgesamt mindestens 250 Behandlungsstunden abgeschlossen,
- mindestens 280 Stunden theoretischer Ausbildung in wissenschaftlich anerkannten Verfahren abgeleistet haben und
- am 24. Juni 1997 für die Krankenkasse tätig waren oder ihre Leistungen zu diesem Zeitpunkt von einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung vergütet oder von der Beihilfe als beihilfefähig anerkannt worden sind.
Das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 3 SGB V ist als Ausnahme zum Sachleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgestaltet. Danach hat die Krankenkasse die Kosten zu erstatten, die für vom Versicherten selbst beschaffte notwendige Leistungen dadurch entstehen, daß die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat. Faktisch erreichte das Ausgabevolumen für die Vergütung der Therapeuten im Wege der Kostenerstattung dieselbe Höhe wie die Ausgaben für das Delegationsverfahren. Der Gesetzgeber geht daher davon aus, daß in diesem Bereich ein „grauer Markt” psychotherapeutischer Leistungserbringung durch nicht am Delegationsverfahren beteiligte Psychotherapeuten entstanden war, in dem mögliche Defizite hinsichtlich der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Behandlung hingenommen wurden (vgl. BTDrucks 13/1206, S. 1, 12).
cc) § 12 Abs. 4 PsychThG enthält eine ebenfalls nach Dauer der Berufstätigkeit abgestufte Übergangsregelung für beamtete und angestellte Psychologen in psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen oder neurologischen Einrichtungen.
c) Im sozialversicherungsrechtlichen Bereich hat sich der Gesetzgeber für eine gleichberechtigte Einbeziehung der Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung entschieden. Liegen neben der Approbation die weiteren Voraussetzungen nach § 95 Abs. 10 in Verbindung mit § 95 c Satz 2 Nr. 3 SGB V vor, erfolgt nach den Übergangsvorschriften zunächst eine bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung mit der Möglichkeit zur Nachqualifikation wird durch § 95 Abs. 11 SGB V eröffnet.
2. Die Beschwerdeführerin ist Diplom-Pädagogin und hat die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde auf dem Gebiet der Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz. Nach einer Angestelltentätigkeit in einer Familien-, Ehe- und Lebensberatungsstelle ist sie seit 1997 hauptberuflich selbständig psychotherapeutisch tätig. Sie behandelte auch gesetzlich Krankenversicherte auf der Grundlage des Kostenerstattungsverfahrens. Zur Höhe der hieraus erzielten Einnahmen ist nichts bekannt.
Auf Antrag erhielt sie die Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Die Erteilung der Approbation als Psychologische Psychotherapeutin wurde abgelehnt, da die Beschwerdeführerin kein Studium der Psychologie erfolgreich abgeschlossen habe. Wegen der Versagung der Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin hat die Beschwerdeführerin unter anderem beim Verwaltungsgericht den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt beantragt, die Behörde zu verpflichten, ihr die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin nicht deshalb zu versagen, weil sie kein abgeschlossenes Psychologiestudium nachweisen könne.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mangels Anordnungsanspruch als unbegründet ab. Nach dem Gesetz sei der Beschwerdeführerin zu Recht die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin nicht erteilt worden. Die Übergangsvorschriften des Psychotherapeutengesetzes verstießen auch nicht gegen das Grundgesetz. Das Oberverwaltungsgericht lehnte im wesentlichen aus den gleichen Gründen den Antrag auf Zulassung der Beschwerde ab.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Die Gerichte hätten sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht ausreichend mit den berechtigten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen Normen auseinandergesetzt. Die Übergangsregelungen nach § 12 Abs. 3, 4 PsychThG griffen in die subjektive Berufswahlfreiheit ein, weil die Approbation notwendige Voraussetzung für eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung sei und erst diese Möglichkeit die wirtschaftliche Existenz von Psychotherapeuten sichern könne. Die durch § 12 PsychThG vorgenommene Eingrenzung allein auf Diplom-Psychologen sei nicht durch besonders wichtige Gemeinschaftsgüter wie die Volksgesundheit zu rechtfertigen. Die Beschwerdeführerin habe bisher als Heilpraktikerin bei der psychotherapeutischen Behandlung von Erwachsenen beanstandungsfrei gearbeitet. Die Übergangsregelung sei am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich, weil im Kostenerstattungsverfahren in der Vergangenheit keine Unterschiede nach der Fachrichtung des Ausgangsstudiums gemacht worden seien, wodurch ein vertrauenswürdiger Besitzstand erworben worden sei.
Gleichzeitig beantragt die Beschwerdeführerin, das Bundesverfassungsgericht möge im Wege einer einstweiligen Anordnung die Behörde verpflichten, ihr die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin nicht deshalb zu versagen, weil sie kein abgeschlossenes Psychologiestudium nachweisen könne.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist aus dem Gesichtspunkt der Subsidiarität unzulässig. Der Rechtsweg ist nicht ordnungsgemäß erschöpft.
Zwar kann die letztinstanzliche Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in bestimmten Fällen selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (BVerfGE 42, 163 ≪167≫; 75, 318 ≪325≫). Im Ausgangsverfahren wurde aber nicht geklärt, ob die Beschwerdeführerin mit Ausnahme eines erfolgreich abgeschlossenen Studiums der Psychologie alle anderen Voraussetzungen für die Erteilung einer Approbation besitzt. Der Antrag der Beschwerdeführerin, die Approbation aus einem bestimmten Grund nicht zu versagen, war auf eine – möglicherweise unzulässige – Zwischenfeststellung eines einzelnen Tatbestandsmerkmals gerichtet. Im Hauptsacheverfahren kann eine weitere Klärung des Sachverhalts dazu führen, daß die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts entbehrlich wird (vgl. BVerfGE 42, 163 ≪167≫; 75, 318 ≪325≫).
2. Da die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist, kann offenbleiben, ob die mittelbar angefochtenen Regelungen deshalb gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, weil auch die bereits im Berufsfeld „Erwachsenenpsychotherapie” tätigen Personen ohne abgeschlossenes Psychologiestudium unter den gleichen Voraussetzungen wie die Diplom-Psychologen durch eine Übergangsregelung die Approbation erhalten müßten. Es ist allerdings zweifelhaft, ob überhaupt der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt wird, da weder das Tätigkeitsspektrum von psychotherapeutisch tätigen Heilpraktikern noch das Kostenerstattungsverfahren durch das Psychotherapeutengesetz verändert worden ist.
Die bestehenden Zulassungen nach dem Heilpraktikergesetz bleiben bestehen. Die Beeinträchtigung der bisherigen beruflichen Betätigung wird von der Beschwerdeführerin auch in erster Linie darin gesehen, daß zukünftig die Behandlung von Patienten im Kostenerstattungsverfahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für sie selbst faktisch ausscheide, da keine Mangellage im Bereich der psychotherapeutischen Behandlungen mehr vorhanden sein werde. Das sind allerdings tatsächliche Veränderungen; die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kostenerstattung gemäß § 13 SGB V sind im Zusammenhang mit dem Psychotherapeutengesetz nicht verändert worden. Wenn die tatsächliche Bedeutung des Kostenerstattungsverfahrens – wie vom Gesetzgeber ausdrücklich angestrebt – zurückgehen sollte, würden die Betroffenen dadurch in ihrer Berufsfreiheit nicht verletzt; denn Art. 12 Abs. 1 GG gewährt kein Recht auf Erhaltung des Geschäftsumfangs und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfGE 34, 252 ≪256≫ m.w.N.).
3. Im übrigen reicht das Begehren der Beschwerdeführerin über die Wahrung von Bestandsschutz erheblich hinaus. Würden die bereits im Berufsfeld „Psychotherapie” tätigen Heilpraktiker ohne die im Gesetz vorgeschriebene akademische Zugangsausbildung durch eine Approbation und eine Zulassung an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt, würden ihnen weit über das bisherige Maß hinaus Einkommens- und Verdienstmöglichkeiten eröffnet. Sie könnten alle gesetzlich Versicherten ohne Prüfung der Ausnahmevoraussetzungen nach § 13 Abs. 3 SGB V behandeln und die Kosten für die Behandlung bei der Kassenärztlichen Vereinigung geltend machen. Das hätte Einfluß auf die Punktwerte und das Einkommen aller an der kassenärztlichen Versorgung Beteiligten. Es schmälerte außerdem die Chancen für künftige Diplom-Psychologen mit Zusatzausbildung und staatlicher Prüfung bei der künftigen bedarfsabhängigen Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Ob in besonders gelagerten Ausnahmefällen dennoch bestimmte Therapeuten aus Vertrauensschutzgesichtspunkten für eine Übergangsfrist weiterhin zur Kostenerstattung zuzulassen sind, werden die Fachgerichte zu entscheiden haben.
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 543404 |
NJW 1999, 2729 |
NVwZ 2000, 187 |
MedR 1999, 461 |
SGb 1999, 701 |