Verfahrensgang
VG Düsseldorf (Beschluss vom 11.03.2005; Aktenzeichen 26 K 3098/04) |
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Vorlagen sind unzulässig.
Tatbestand
A.
Gegenstand der Verfahren ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 10 des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land Nordrhein-Westfalen (GVBl 2003 S. 696; im Folgenden: SZG-NRW) insoweit, als darin der Grundbetrag der Sonderzahlung für Beamte ab der Besoldungsgruppe A 7 bereits für das Jahr 2003 abgesenkt wurde.
I.
1. Die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung war in den Jahren von 1975 bis 2003 bundeseinheitlich durch Bundesrecht geregelt. Nach § 67 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020) in Verbindung mit § 13 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung (SZuwG) in der Fassung des Gesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl I S. 686) bestimmte sich die Höhe der Sonderzuwendung nach einem Bemessungsfaktor, der sich nach dem Verhältnis der Bezüge im Dezember 1993 zu denjenigen des laufenden Jahres berechnete. Bei Fortgeltung dieser Regelung hätte die Sonderzuwendung im Jahr 2003 84,29 % der Dezemberbezüge betragen.
2. Mit dem Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BBVAnpG 2003/2004) vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) wurde mit Wirkung zum 16. September 2003 das Sonderzuwendungsgesetz aufgehoben und den Ländern die Möglichkeit eröffnet, eigene Regelungen bezüglich einer jährlichen Sonderzahlung zu erlassen. Gemäß Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 ist das Sonderzuwendungsgesetz bis zum Erlass bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen weiter anzuwenden.
3. Der nordrhein-westfälische Landtag verabschiedete am 20. November 2003 als Artikel I des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung und über die Bezüge der Staatssekretäre und entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003 und 2004 für das Land Nordrhein-Westfalen (GVBl S. 696) das Sonderzahlungsgesetz NRW. Gemäß dessen § 5 besteht die jährliche Sonderzahlung, die nach § 10 SZG-NRW mit den laufenden Bezügen für den Monat Dezember zu gewähren ist, aus einem Grundbetrag und einem Sonderbetrag für Kinder. § 6 Abs. 1 Satz 1 SZG-NRW legt unter anderem fest, dass für die Besoldungsgruppen A 7 und A 8 der Grundbetrag in den Jahren 2003, 2004 und 2005 in Höhe von 70 %, für die übrigen Besoldungsgruppen ab A 9 aufwärts in Höhe von 50 % aus den nach dem Besoldungsrecht für den Monat Dezember maßgeblichen Bezügen berechnet und gewährt wird. Das Sonderzahlungsgesetz trat am 30. November 2003 in Kraft.
II.
1. Die Kläger der Ausgangsverfahren sind Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen der Besoldungsgruppen A 10 (2 BvL 5/05) und R 1 (2 BvL 6/05 und 2 BvL 7/05). Sie wenden sich gegen die gekürzte Sonderzahlung für das Jahr 2003 und begehren die Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 934,68 € (2 BvL 5/05), 1.730,56 € (2 BvL 6/05) und 1.760,83 € (2 BvL 7/05).
2. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
ob Art. I § 6 Abs. 1 Satz 1 im Verbindung mit § 10 des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung und über die Bezüge der Staatssekretäre und entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003 und 2004 für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003 bezogen auf Beamte ab Besoldungsgruppe A 7 und auf das Jahr 2003 mit Bundesrecht unvereinbar und deshalb ungültig ist.
Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, das Sonderzahlungsgesetz NRW sei insoweit verfassungswidrig, als danach für einzelne Besoldungsgruppen der Grundbetrag der Sonderzahlung bereits für das Jahr 2003 verringert worden sei. Dies verletze den Vertrauensschutz des Beamten bei Erlass eines Gesetzes mit unechter Rückwirkung.
Mit dem Gesetz vom 20. November 2003 habe der Gesetzgeber in einen noch nicht abgeschlossenen Lebenssachverhalt eingegriffen und eine bereits weitgehend entwickelte Rechtsposition der Beamten nachträglich entwertet. Mit der Festsetzung eines neuen Grundbetrages habe er nachträglich in den Zeitraum Januar bis November 2003 eingegriffen. Zwar sei nach dem Sonderzuwendungsgesetz Voraussetzung der Sonderzuwendung gewesen, dass der Beamte am 1. Dezember eine Tätigkeit im Dienst eines öffentlichrechtlichen Dienstherrn ausgeübt habe. Für die Höhe des Grundbetrages sei jedoch der Umfang der Tätigkeit im Kalenderjahr maßgebend gewesen. Ein Berechtigter habe den vollen Grundbetrag gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 SZuwG nur dann erhalten, wenn er vom 1. Januar bis zum 31. Dezember im Dienst eines öffentlichrechtlichen Dienstherrn gestanden habe; andernfalls habe sich der Grundbetrag für jeden vollen Monat, in dem der Beamte nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen sei, um ein Zwölftel vermindert. Hieraus folge, dass der Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung bereits im Januar entstanden sei und sich während der folgenden Monate weiterentwickelt habe, und zwar auf der Grundlage derjenigen Rechtslage, die in den jeweiligen Monaten galt. Daraus, dass gemäß § 10 SZuwG für die Gewährung und Bemessung der Zuwendung die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres maßgebend gewesen seien, könne nicht gefolgert werden, dass allein auf die aktuelle Gesetzeslage zu diesem Zeitpunkt abzustellen sei. Deshalb hätten die Kläger der Ausgangsverfahren jedenfalls bis zur Verkündung des Sonderzahlungsgesetzes NRW darauf vertrauen dürfen, dass ihnen für das Jahr 2003 das so genannte Weihnachtsgeld unvermindert gezahlt werde.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlagen sind unzulässig.
I.
Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Vorschriften nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪76≫). Das vorlegende Gericht muss hierzu darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Normen abhängt. Ferner muss das Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm näher darlegen und deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit nahe liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sowie einer eingehenden, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darstellung der Rechtslage (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪77≫; 88, 198 ≪201≫; 89, 329 ≪336 f.≫; 97, 49 ≪60≫). Die Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab dabei nicht nur benennen, sondern auch die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪77 f.≫).
II.
Diesen Anforderungen werden die Vorlagebeschlüsse nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschriften nicht in ausreichender Weise begründet.
1. Ausgangspunkt der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Prüfung einer Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatzes ist die Feststellung, dass nach den Regelungen des vormals geltenden Sonderzuwendungsgesetzes der Anspruch auf eine Sonderzahlung bereits im Januar eines Jahres entstanden sei und sich über die Monate hinweg vom Umfang her weiter entwickelt habe. Diese Feststellung ist aus Sicht des Verwaltungsgerichts maßgeblich für sein Ergebnis, das Sonderzahlungsgesetz entwerte nachträglich für das Jahr 2003 eine bereits weitgehend entwickelte Rechtsposition der Kläger. Diese Feststellung hätte aber einer näheren Darlegung der einfachgesetzlichen Rechtslage bedurft, um die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Normen durch das Verwaltungsgericht nachvollziehen zu können.
a) Die Vorlagebeschlüsse weisen zwar darauf hin, nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SZuwG sei eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Sonderzuwendung das Bestehen eines Dienstverhältnisses am 1. Dezember des jeweiligen Jahres gewesen und nach § 10 SZuwG sei für die Gewährung und Bemessung der Zuwendung auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse am 1. Dezember abzustellen gewesen. Dagegen gehen die Beschlüsse nicht näher auf die Gesetzesformulierung des § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 SZuwG ein, wonach sich der Grundbetrag für jeden Monat, in welchem dem Beamten keine Bezüge zugestanden haben, um ein Zwölftel vermindert. Es findet nach dieser Ausgestaltung daher keine Addition des Grundbetrages für jeden Dienstmonat statt. Das Verwaltungsgericht äußert sich nicht dazu, welche Bedeutung diese gesetzliche Ausgestaltung für seine Annahme haben könnte, dass ein im Januar entstehender Anspruch sich über die Monate hinweg vom Umfang her weiterentwickle. In diesem Zusammenhang befassen sich die Vorlagebeschlüsse auch nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob Beamten von Verfassungs wegen bereits vor dem 1. Dezember ein (Teil-)Anspruch auf die Sonderzuwendung zustehen müsse. Das Verwaltungsgericht zitiert zwar in anderem Zusammenhang die entsprechende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, in der die jährliche Sonderzuwendung als Anerkennung für geleistete Dienste, eine auch in die Zukunft gerichtete Treueprämie und eine Sonderleistung zur Deckung des im Weihnachtsmonat entstehenden besonderen Bedarfs charakterisiert wird (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1977 – VI C 24.75 –, juris). Das Gericht setzt sich allerdings nicht mit der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Urteil auseinander, im Rahmen einer so ausgestalteten Sonderleistung sei es eine sachgerechte Differenzierung, Beamte im vollen Umfang von der Sonderleistung auszuschließen, wenn sie im Dezember ohne Bezüge beurlaubt sind, wie es nach der damaligen Rechtslage der Fall war. Der generelle Ausschluss von der Sonderzuwendung verstoße daher nicht gegen höherrangiges Recht. Die Vorlagebeschlüsse erklären nicht, wie sich ihre Annahme eines bereits im Januar entstehenden und im Laufe des Jahres weiter anwachsenden Anspruchs auf eine Sonderzuwendung zu dieser Rechtsprechung verhält.
b) Die Vorlagebeschlüsse gehen zudem nicht darauf ein, dass eine weitere Voraussetzung des Anspruchs auf Sonderzuwendung das Verbleiben im Dienst bis einschließlich 31. März des Folgejahres war, es sei denn, dass ein früheres Ausscheiden nicht vom Berechtigten selbst zu vertreten war, § 3 Abs. 1 Nr. 3 SZuwG. Das Verwaltungsgericht setzt sich nicht damit auseinander, welche Bedeutung diese weitere Bedingung, in welcher die genannte Funktion der Sonderzuwendung als (auch) in die Zukunft gerichtete Treueprämie zum Ausdruck kommt, für seine Annahme eines bereits im Januar des jeweiligen Jahres entstehenden Anspruchs hat. Die gewährte Sonderzuwendung steht insoweit unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach § 3 Abs. 6 SZuwG.
2. Das Verwaltungsgericht legt nicht dar, auf welcher Grundlage es ein “entstandenes und zu beachtendes schutzwürdiges Vertrauen” der Kläger festgestellt hat. Die Beschlüsse zitieren zwar Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 14, 288 ≪297 ff.≫), nach der es für die Frage, ob der Betroffene mit einer Änderung der Rechtslage rechnen musste, nicht auf seine subjektiven Vorstellungen, sondern darauf ankomme, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen in ihren Fortbestand zu begründen. Den Beschlüssen ist aber nicht zu entnehmen, woraus sich speziell für die bisherigen Regelungen zur Sonderzuwendung eine solche objektive Eignung zur Begründung von Vertrauen ergibt.
a) Die Vorlagebeschlüsse befassen sich nicht mit der wechselnden Entwicklung der Sonderzuwendung für Beamte. Vor der Feststellung eines Verstoßes gegen den Vertrauensschutzgrundsatz hätte sich das Verwaltungsgericht jedoch damit auseinandersetzen müssen, ob diese Entwicklung zur Begründung von Vertrauen in den Fortbestand einer ungeminderten Sonderzuwendung geeignet ist oder ihr entgegenstehen könnte.
Die Beamten erhielten nach 1949 eine besondere, in der Weihnachtszeit gezahlte Leistung aufgrund von Landesgesetzen, die insoweit den Tarifverträgen für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst folgten (Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, § 67 BBesG Rn. 2). Dabei wurde zunächst ein Festbetrag ohne Differenzierung nach der Höhe der Bezüge gewährt. In Nordrhein-Westfalen führte das Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und der Disziplinarordnung vom 10. April 1962 (GVBl S. 187) in § 91c (später § 89) Landesbeamtengesetz erstmals eine gesetzliche Regelung ein, nach der Beamte und Versorgungsberechtigte eine Weihnachtszuwendung erhielten. Die Höhe der Weihnachtszuwendung wurde durch Rechtsverordnung vom 20. November 1962 (GVBl S. 569) auf 100 DM für Verheiratete und 80 DM für Ledige, Verwitwete und Geschiedene festgesetzt. Ab 1964 wurde anstelle eines einheitlichen Festbetrages ein Prozentsatz der monatlichen Bezüge als Weihnachtszuwendung gewährt. Die Zuwendung belief sich zunächst auf 33 1/3 % der Bezüge im Monat Dezember (GVBl 1964 S. 341) und wurde in der Folgezeit schrittweise bis zu 100 % der Bezüge im Monat Dezember im Jahr 1973 erhöht (GVBl 1973 S. 480). Der Geltungsbereich des Sonderzuwendungsgesetzes des Bundes, das zu diesem Zeitpunkt auch einen Grundbetrag von 100 % der Dezemberbezüge gewährte, wurde durch Artikel VI Nr. 2 des 2. BesVNG vom 23. Mai 1975 (BGBl I S. 1173) auf die Beamten der Länder, Gemeinden und sonstigen Dienstherrn erstreckt. Im Jahr 1994 wurde die Sonderzuwendung durch Art. 4 BBVAnpG 1994 (BGBl I S. 2229) auf der Höhe des Betrages für das Jahr 1993 eingefroren. Seit 1995 wurde die Sonderzuwendung durch die Einführung des Bemessungsfaktors in § 13 Abs. 1 SZuwG auf diesem Stand gehalten. Die Sonderzuwendung sank fortan im Verhältnis zu den monatlichen Bezügen der Beamten kontinuierlich ab. Im Jahr 2003 wären es bei Weitergeltung der Bundesregelung noch 84,29 % gewesen.
b) Die Vorlagebeschlüsse befassen sich in diesem Zusammenhang nicht mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 1967 – 2 BvR 668/67 –, JZ 1968, S. 61, durch den eine Verfassungsbeschwerde wegen einer Kürzung der Weihnachtszuwendung nicht angenommen wurde. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war die Weihnachtszuwendung für Beamte in Baden-Württemberg, die seit 1962 aufgrund des Landesbeamtengesetzes gewährt und deren Höhe durch Rechtsverordnungen festgelegt wurde. Seit Dezember 1964 wurde als Grundbetrag ein Drittel der für den Monat Dezember maßgebenden Bezüge gezahlt (GABl BW 1964 S. 455). Mit der Vierten Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung einer Weihnachtszuwendung an Beamte und Versorgungsempfänger vom 12. Oktober 1967 (GABl BW S. 240) wurde diese Regelung für das Jahr 1967 dahingehend geändert, dass der Grundbetrag nur noch bis zu einem Höchstbetrag von 60 DM gewährt wurde. Das Bundesverfassungsgericht führte in seinem Beschluss aus, die nicht zur verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation zählende Weihnachtszuwendung könne jederzeit für die Zukunft gemindert oder gestrichen werden. Anlass zur Erörterung eines möglichen Vertrauensschutzes der betroffenen Beamten sah das Bundesverfassungsgericht bei der vorliegenden Kürzung der im Dezember 1967 fälligen Zuwendung durch die Rechtsverordnung vom Oktober 1967 nicht.
3. Die Vorlagebeschlüsse befassen sich bei der Prüfung der Frage, ab wann der Schutz des Vertrauens in den Bestand des alten Rechts entfallen sein könnte, allein mit dem Schreiben des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Juli 2003 und stellen dazu fest, die bloße Ankündigung der Kürzung durch den Ministerpräsidenten habe das Vertrauen der Kläger nicht beseitigen können, da nicht er, sondern der Landtag für den Erlass des Gesetzes zuständig gewesen sei. Die Vorlagebeschlüsse verweisen dazu auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der das schutzwürdige Vertrauen in jedem Fall mit dem Beschluss des neuen Gesetzes ende (BVerfGE 95, 64 ≪87 f.≫). In diesem Zusammenhang befasst sich das Verwaltungsgericht jedoch nicht mit der Entstehungsgeschichte der angegriffenen Vorschriften.
Die Vorlagebeschlüsse gehen nicht darauf ein, dass die landesgesetzliche Regelung der Sonderzuwendung durch den Beschluss der entsprechenden Öffnungsklausel auf Bundesebene vorbereitet wurde, und prüft nicht, wie sich der bereits im Juli 2003 erfolgte Beschluss des BBVAnpG 2003/2004 auf das Vertrauen in den Fortbestand der ungeminderten Sonderzuwendung ausgewirkt haben könnte. Die Öffnungsklausel, die letztlich zur Absenkung der Sonderzuwendung für das Jahr 2003 führte, nahm ihren Anfang in einem Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 5. November 2002 zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BRDrucks 819/02). Die Zielsetzung dieses Antrags war es, die Beamtenbesoldung zum Zwecke der Konsolidierung der Landeshaushalte in bestimmtem Umfang, unter anderem bei der jährlichen Sonderzuwendung, für landesgesetzliche Regelungen zu öffnen (a.a.O., Vorblatt des Gesetzesantrags). Der nordrhein-westfälische Finanzminister kündigte in diesem Zusammenhang schon im Dezember 2002 an, das Land wolle die Personalkosten im kommenden Jahr um 280 Millionen Euro verringern, wobei auch Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld denkbar seien (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Dezember 2002, S. 15). Der Gesetzentwurf des Bundesrats, der am 21. Mai 2003 an den Deutschen Bundestag weitergeleitet wurde, sah schließlich in Art. 1 Nr. 2, Art. 3 eine Ermächtigung der Länder vor, bei der Sonderzuwendung von dem bundesgesetzlich festgelegten Bemessungsfaktor abweichen zu können (BTDrucks 15/1021). Der Entwurf wurde nachfolgend regelungstechnisch neu gefasst und mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge in Bund und Ländern 2003/2004 zusammengefasst. Der Deutsche Bundestag nahm den verbundenen Gesetzentwurf am 4. Juli 2003 an. Der Bundesrat stimmte am 11. Juli 2003 zu. Der Weg zu einer Kürzung der Sonderzuwendung stand den Ländern damit offen.
4. Das Verwaltungsgericht legt die Grundlagen seiner Abwägung zwischen Vertrauensschaden und gesetzgeberischem Anliegen, mit denen es seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Regelung begründen will, nicht umfassend und widerspruchsfrei dar.
a) Die Vorlagebeschlüsse stellen keinen verfassungsrechtlich relevanten Vertrauensschaden fest. Die Vorlage geht von dem verfassungsrechtlichen Maßstab aus, schutzwürdig sei ein betätigtes Vertrauen, also eine Vertrauensinvestition (vgl. BVerfGE 75, 246 ≪280 f.≫). Im Folgenden prüft das Verwaltungsgericht jedoch nicht, ob die bisherige Regelung der Sonderzuwendung geeignet war, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen (vgl. BVerfGE 30, 367 ≪389≫; 31, 94 ≪98≫). Den Vorlagebeschlüssen lässt sich nicht entnehmen, dass die betroffenen Beamten im Vertrauen auf den ungeminderten Fortbestand der Sonderzuwendung für das Jahr 2003 Dispositionen getroffen hätten, die bei rechtzeitiger Kenntnis der beabsichtigten Kürzung anders ausgefallen wären. Der Beschluss verweist insoweit nur darauf, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung jeder betroffene Beamte die zusätzliche Zuwendung bereits am Anfang, jedenfalls aber während des Jahres in seine finanziellen Planungen einbezogen habe, etwa für die Kraftfahrzeugversicherung, für Sondertilgungsbeträge im Rahmen bestehender Baufinanzierungen, für einen Winterurlaub oder Weihnachtsgeschenke. Allein der Feststellung, dass die Betroffenen bereits wussten, wie sie den erwarteten Geldbetrag verwenden wollten, lässt sich aber nicht entnehmen, dass sie deswegen bereits Entscheidungen trafen, die sie nach der Gesetzesänderung nicht mehr rückgängig machen konnten, und Nachteile erlitten, die über die Enttäuschung ihrer Erwartungen hinausgingen.
b) Bei der Prüfung, wie schwer der Eingriff in die Belange der Beamten wiegt, der in die Abwägung einzustellen ist, setzt sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch zu seiner eigenen Argumentation. Die Intensität der Nachteile ist maßgeblich für das Gewicht des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfGE 67, 1 ≪16≫; 76, 256 ≪353≫). Das Verwaltungsgericht geht hier davon aus, für die Bewertung der Erheblichkeit der Einkommensminderung komme es nicht auf die Minderung des Jahreseinkommens durch das Sonderzahlungsgesetz an, sondern auf die Reduzierung des Einkommens im Monat Dezember. Es stützt diese Ansicht allein darauf, dass nach der Lebenserfahrung die Sonderzuwendung nicht über das Folgejahr verteilt, sondern gezielt für konkrete Vorhaben im Dezember oder im Januar des Folgejahres ausgegeben werde. Auf dieser Grundlage stellt es fest, eine Einkommensminderung in einem Monat um einen Betrag von 934,68 € (2 BvL 5/05), 1.730,56 € (2 BvL 6/05) oder 1.760,83 € (2 BvL 7/05) sei erheblich. Das Verwaltungsgericht setzt sich damit in Widerspruch zu seiner eigenen Charakterisierung der Sonderzuwendung, die zwar auch der Abdeckung eines Sonderbedarfs im Monat Dezember diene, außerdem aber als Anerkennung für bisherige Dienste und Treueprämie für die Zukunft angelegt sei. Den Vorlagebeschlüssen ist auch nicht zu entnehmen, warum das Gericht einerseits davon ausgeht, auf die Sonderzuwendung werde bereits ab Januar des jeweiligen Jahres ein Monat für Monat stetig ansteigender Anspruch erworben, andererseits aber für die Erheblichkeit der Einkommensminderung nicht mehr auf das gesamte Jahr, sondern allein auf die im Monat Dezember ausgezahlten Leistungen abstellt. Das Verwaltungsgericht setzt sich in seiner Abwägung nicht mit der Minderung des Jahresnettoeinkommens der Beamten auseinander, das in der Gesetzesbegründung des Sonderzahlungsgesetzes mit 2,7 % für die Besoldungsgruppen ab A 9 aufwärts und 1,9 % für die übrigen Besoldungsgruppen beziffert wird (LTDrucks 13/4313, S. 17). Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht seine Überzeugung, die angegriffenen Normen verstießen gegen den Vertrauensschutzgrundsatz, aufgrund dieser unzureichend begründeten Erheblichkeitsbewertung anhand der Dezemberbezüge gewonnen hat.
c) Das Verwaltungsgericht stellt auf Seiten der betroffenen Beamten weitere Umstände in die Vertrauensschutzabwägung ein, deren verfassungsrechtliche Relevanz nicht begründet wird. Das Verwaltungsgericht gelangt zu dem Ergebnis, die erfolgte Kürzung für das Jahr 2003 sei unter Berücksichtigung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Reduzierung der Weihnachtszuwendung nicht isoliert betrachtet werden dürfe, sondern im Zusammenhang mit einer Vielzahl weiterer Kürzungen im Bereich der Beamtenbesoldung und -versorgung zu sehen sei.
Ein solches Zusammenspiel von Einschnitten im Besoldungs- und Versorgungsrecht kann zwar dazu führen, dass einzelne Beamtengruppen oder sogar die Beamtenschaft insgesamt nicht mehr angemessen alimentiert werden. Doch das Verwaltungsgericht sieht das Alimentationsprinzip selbst nicht als betroffen an. Den Beschlüssen ist dagegen nicht zu entnehmen, aus welchen verfassungsrechtlichen Grundsätzen die Ansicht abgeleitet wird, bei der Prüfung, ob eine Leistungskürzung gegen den Vertrauensschutzgrundsatz verstößt, sei auch zu berücksichtigen, ob für die betroffene Gruppe bereits andere Leistungen gekürzt worden seien oder sich solche Kürzungen in der Diskussion befänden. Das Verwaltungsgericht zitiert die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in der unter Vertrauensschutzgesichtspunkten die konkret in Rede stehende Neuregelung geprüft wird, legt aber nicht dar, warum es schließlich auch andere Rechtsänderungen in seine Abwägung mit einbezieht. Die Vorlagen erwecken durch ihre Formulierung den Eindruck, für das Abwägungsresultat zugunsten des Vertrauens der Beamten hätten die weiteren Kürzungen im Bereich der Beamtenbesoldung eine maßgebliche Rolle gespielt.
d) Das Verwaltungsgericht führt aus, es habe eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit stattzufinden. Welche Maßstäbe das Gericht für die Bewertung des Abwägungsergebnisses aus dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsatz ableitet, bleibt dagegen offen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstößt eine tatbestandliche Rückanknüpfung gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, wenn das schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen auf den Fortbestand der Rechtslage als Ergebnis der Abwägung höher zu gewichten ist als die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl (vgl. BVerfGE 72, 200 ≪254≫; 78, 249 ≪284≫; 105, 17 ≪43 f.≫). Den Beschlüssen ist nicht zu entnehmen, dass das Gericht einen solchen Vorrang des Vertrauens festgestellt hätte. Die Beschlüsse stellen vielmehr nur das schutzwürdige Vertrauen der betroffenen Beamten einerseits und das haushaltswirtschaftliche Anliegen des Gesetzgebers andererseits gegenüber und erklären, aufgrund der vorzunehmenden Abwägung sei die erfolgte Kürzung für das Jahr 2003 nicht gerechtfertigt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen