Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 und § 10 Abs. 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in der Fassung des Art. 6 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I S. 4607, 4617).
Beschwerdeführer sind Verleihunternehmen und zwei Arbeitgeberverbände der Leiharbeitsbranche. Die angegriffenen Normen sehen vor, dass die bei einem Verleiher beschäftigten Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen können, wobei durch Tarifvertrag hiervon abweichende Regelungen zugelassen sind und im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren können.
A.
Durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 wurde das Recht der Arbeitnehmerüberlassung teilweise neu konzipiert. Das so genannte Synchronisationsverbot, das Verbot wiederholter Befristung, das Wiedereinstellungsverbot sowie das Prinzip einer Höchstdauer der Überlassung wurden durch diese Neuregelung abgeschafft. Im Gegenzug zu diesen Erleichterungen der Leiharbeit verpflichtete der Gesetzgeber die Verleihunternehmen, den Leiharbeitnehmern für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Hiervon kann in den ersten sechs Wochen eines Leiharbeitsverhältnisses bei zuvor Arbeitslosen abgewichen werden sowie generell aufgrund von abweichenden Vereinbarungen in einem beim Verleiher anwendbaren Tarifvertrag.
Nach der gesetzlichen Neuregelung sind seit dem Jahr 2003 branchenweit eine Reihe von Tarifverträgen zur Leiharbeit geschlossen worden, unter anderem zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. und der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA), dem Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2283/03, und der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB. Zudem sind Tarifverträge vereinbart zwischen der Mittelstandsvereinigung Zeitarbeit e.V. (MVZ), der Beschwerdeführerin zu 1) im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2582/03, und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP), der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ) und der CGZP sowie der Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen (BVD) und der CGZP. Neben den Branchentarifverträgen wurden mehrere Firmentarifverträge vereinbart, unter anderem zwischen Firmen der N.-Unternehmensgruppe (zu der die Beschwerdeführerinnen im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2504/03 gehören) und der Tarifgemeinschaft CGZP.
Entscheidungsgründe
B.
Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2283/03 ist der Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA), der nach seinen Angaben der größte Arbeitgeberverband im Bereich der Zeitarbeit ist. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt er eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG.
Die sechs Beschwerdeführerinnen im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2504/03 sind als Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sie machen geltend, dass die angegriffenen gesetzlichen Regelungen sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG verletzten.
Die Beschwerdeführerin zu 1) im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2582/03, die Mittelstandsvereinigung Zeitarbeit e.V. (MVZ), ist ein im Januar 2003 gegründeter bundesweit organisierter Arbeitgeberverband der Leiharbeitsbranche. Die Beschwerdeführerinnen zu 2) und zu 3) sind als Verleihunternehmen tätig. Alle rügen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.
Die Beschwerdeführer machen die formelle Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Gesetzesvorschriften geltend. Das Gesetz sei wegen der Einrichtung von Personal-Service-Agenturen (§ 37 c SGB III) nach Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG und wegen der Besoldungsregelung in § 400 a SGB III nach Art. 74 a Abs. 3 GG zustimmungspflichtig gewesen. Die Regelungen seien auch materiell verfassungswidrig. Durch die gesetzliche Regulierung der Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer werde ohne rechtfertigenden Grund unverhältnismäßig in die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeberverbände und in die Berufsfreiheit der Verleihunternehmen eingegriffen. Der Eingriff sei auch nicht wegen der gesetzlichen Tariföffnungsklausel gerechtfertigt.
C.
Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerden im Sinne von § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
I.
Den Verfassungsbeschwerden kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Sie werfen keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung entschieden sind (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24≫).
Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sind insbesondere der Schutzbereich und die Grenzen der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsfreiheit (vgl. insbesondere BVerfGE 94, 268 ≪282 ff.≫; 100, 214 ≪221 ff.≫; 100, 271 ≪282 ff.≫; 103, 293 ≪304 ff.≫) und die Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 GG bei gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts (vgl. etwa BVerfGE 84, 133 ≪146 ff.≫; 85, 226 ≪233 ff.≫; 92, 140 ≪150 ff.≫; 97, 169 ≪175 ff.≫; 99, 202 ≪211 ff.≫).
II.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg. Durch die angegriffenen Gesetzesvorschriften werden Grundrechte der Beschwerdeführer nicht verletzt.
1. Soweit in den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2504/03 und 2582/03 die Verletzung der Grundrechte Dritter, nämlich der Leiharbeitnehmer und der Entleiher, gerügt wird, sind die Beschwerdeführer nicht selbst betroffen. Insoweit fehlt es an der Darlegung der Verletzung eigener subjektiver Verfassungsrechte (vgl. BVerfGE 77, 84 ≪101≫).
2. Die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Argumente vermögen ernsthafte Zweifel daran, dass das Gesetz formell verfassungsgemäß zustande gekommen ist, nicht zu begründen. Durch § 37 c SGB III sind nicht im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG bundeseigene Behörden errichtet worden; die mit § 37 c SGB III verbundene Aufgabenerweiterung führt insbesondere nicht dazu, dass die dem Bund schon zugewiesenen Verwaltungsaufgaben eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite erfahren (vgl. BVerfGE 48, 127 ≪180≫). Auch kann in § 400 a SGB III keine Regelung im Sinne des Art. 74 a Abs. 3 GG gesehen werden, die sich unmittelbar auf die Besoldung der Landesbediensteten auswirkt.
3. Die angegriffenen Gesetzesvorschriften verletzen auch nicht die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) der beschwerdeführenden Arbeitgeberverbände.
a) Art. 9 Abs. 3 GG schützt nicht nur den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten, fernzubleiben oder sie zu verlassen. Geschützt ist auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (vgl. BVerfGE 84, 212 ≪224≫; 92, 365 ≪393≫; 100, 271 ≪282≫). Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (vgl. BVerfGE 88, 103 ≪114≫; 94, 268 ≪283≫; 103, 293 ≪304≫).
Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (vgl. BVerfGE 94, 268 ≪283≫). Der Staat enthält sich in diesem Betätigungsfeld grundsätzlich einer Einflussnahme (vgl. BVerfGE 38, 281 ≪305 f.≫) und überlässt die erforderlichen Regelungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen, die sie autonom durch Vereinbarungen treffen (vgl. BVerfGE 44, 322 ≪340 f.≫). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (vgl. BVerfGE 94, 268 ≪283≫; 100, 271 ≪282≫; 103, 293 ≪304≫).
b) Ob angesichts der ausdrücklich normierten Tariföffnungsklausel in den angegriffenen Gesetzesvorschriften vorliegend überhaupt in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG eingegriffen wird, kann offen bleiben. Der Eingriff wäre jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
aa) Die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit kann zum Schutz von Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang gebührt (vgl. BVerfGE 84, 212 ≪228≫; 100, 271 ≪283≫; 103, 293 ≪306≫). Dem Gesetzgeber ist es, wenn solche Gründe vorliegen, grundsätzlich nicht verwehrt, Fragen zu regeln, die Gegenstand von Tarifverträgen sein können (vgl. BVerfGE 94, 268 ≪284≫; 100, 271 ≪283≫; 103, 293 ≪306≫). Art. 9 Abs. 3 GG verleiht den Tarifvertragsparteien in dem für tarifvertragliche Regelungen zugänglichen Bereich zwar ein Normsetzungsrecht, aber kein Normsetzungsmonopol. Der Gesetzgeber bleibt befugt, das Arbeitsrecht zu regeln (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Damit verbundene Beeinträchtigungen der Tarifautonomie sind verfassungsgemäß, wenn der Gesetzgeber mit ihnen den Schutz der Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Belange bezweckt und wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (vgl. BVerfGE 94, 268 ≪284≫; 103, 293 ≪306≫).
bb) Selbst wenn man in den hier angegriffenen Gesetzesvorschriften eine Beeinträchtigung der Tarifautonomie sieht, wäre diese verfassungsgemäß, weil der Gesetzgeber mit ihr den Schutz der Grundrechte Dritter und auch anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Belange bezweckt; auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
(1) Die angegriffenen Gesetzesvorschriften dienen der Verbesserung der Stellung der Leiharbeitnehmer und damit dem Schutz ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Durch die Regelung der Arbeitsbedingungen soll für die Leiharbeitnehmer ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet werden. Nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers sollen die geänderten Vorschriften der Arbeitnehmerüberlassung den hohen Anforderungen Rechnung tragen, denen Leiharbeitnehmer genügen müssten (vgl. BTDrucks 15/25, S. 24). Das soll dazu beitragen, die gesellschaftliche Akzeptanz und die Qualität der Leiharbeit zu steigern, und damit auch die Stellung des Leiharbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt stärken.
Bei der Umsetzung eines solchen Programms hat der Gesetzgeber im Bereich arbeitsrechtlicher Regelungen einen großen Gestaltungsspielraum (vgl. nur BVerfGE 103, 293 ≪307≫ m.w.N.). Sozialstaatlich motivierte, zum Schutz der abhängig Beschäftigten eines Wirtschaftszweiges vernünftige und zweckmäßig typisierende Regelungen zulässiger Formen unselbständiger Arbeit muss der Einzelne als Grenzen seiner unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich als zumutbar hinnehmen. Zwingende Regelungen des Arbeitsrechts schaffen erst den Rahmen, in dem die mehrheitlich abhängig Beschäftigten ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG unter angemessenen Bedingungen verwirklichen können. Sie rechtfertigen sich daraus, dass der Individualarbeitsvertrag vielfach ein unzureichendes Instrument zur Begründung eines sozial angemessenen Arbeitsverhältnisses darstellt (vgl. BVerfGE 34, 307 ≪316≫; 77, 84 ≪116 f.≫). Dies gilt für die hier angegriffenen Gesetzesnormen umso mehr, als sie nicht als zwingende, sondern als tarifdispositive Regelungen ausgestaltet sind. Den Tarifvertragsparteien soll nach dem Willen des Gesetzgebers gerade die Möglichkeit gegeben werden, „die Arbeitsbedingungen flexibel zu gestalten” (vgl. BTDrucks 15/25, S. 38).
(2) Die angegriffenen gesetzlichen Regelungen dienen auch einem verfassungsrechtlich legitimierten Gemeinwohlbelang, da sie neue Beschäftigungsmöglichkeiten erschließen sollen. Vermittlungsorientierte Leiharbeit soll insbesondere als Brücke aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung genutzt werden (vgl. BTDrucks 15/25, S. 23 f.).
(a) Das Ziel, Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, hat auf Grund des Sozialstaatsprinzips Verfassungsrang und ermöglicht den zuvor Arbeitslosen, das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 100, 271 ≪284≫; 103, 293 ≪307≫).
(b) Die angegriffenen Vorschriften sind geeignet, einen Beitrag zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zu leisten.
Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪175≫; 96, 10 ≪23≫; 103, 293 ≪307≫). Das Konzept des Gesetzgebers, die Akzeptanz und Qualität der Leiharbeit zu steigern, um damit Beschäftigungspotentiale zu erschließen, ist nachvollziehbar. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung ein besonders weitgehender Einschätzungs- und Prognosevorrang zukommt (vgl. BVerfGE 77, 84 ≪106 f.≫; 87, 363 ≪383≫; 103, 293 ≪307≫). Es ist vornehmlich seine Sache, auf der Grundlage seiner arbeitsmarkt-, sozial- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will.
(c) Auch gegen die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelungen bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber ein anderes, gleich wirksames Mittel hätte wählen können.
(d) Die angegriffenen Gesetzesbestimmungen sind auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
Zwar ist hier die Tarifautonomie in ihrem klassischen Wirkungsfeld, der Regelung der Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts berührt, doch sind die Regelungen nicht übermäßig belastend, weil durch die gesetzliche Tariföffnungsklausel das Betätigungsrecht der Tarifvertragsparteien nicht eingeschränkt wird. Den Verleihunternehmen wird durch die gesetzliche Tariföffnungsklausel gerade ermöglicht, die Arbeitsbedingungen flexibler zu gestalten, falls sie die gesetzliche Regelung als zu starr empfinden sollten. Auch die tatsächliche Entwicklung seit In-Kraft-Treten der angegriffenen Gesetzesvorschriften zeigt, dass die Arbeitsbedingungen in der Leiharbeitsbranche faktisch durchweg durch tarifliche Regelungen und nicht durch die gesetzlichen Vorgaben gestaltet werden.
Den Verleihunternehmen sind die angegriffenen Regelungen zumutbar, weil eine steigende Qualität und Akzeptanz von Leiharbeit, die gesetzgeberisches Anliegen war, auch ihnen nützt. Ihre Wettbewerbsbedingungen und durch die angestrebte Ausweitung der Leiharbeit ihre Stellung im Arbeitsmarkt können sich dadurch gegenüber den Arbeitgebern der anderen Branchen verbessern.
Die tatsächliche Entwicklung in der Leiharbeitsbranche seit In-Kraft-Treten der angegriffenen Regelungen belegt, dass sich ihre Wettbewerbsbedingungen nicht verschlechtert haben und die Entwicklung dieser Branche wesentlich von der allgemeinen Konjunkturentwicklung, nicht aber von den angegriffenen Regelungen, abhängig ist. Nachdem im Jahr 2003 eine Stagnation festzustellen war, wird in diesem Jahr nach den Angaben des Bundesverbandes Zeitarbeit mit einer Zunahme des Branchenumsatzes gerechnet (vgl. den Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” vom 27. August 2004, S. 13: „Zeitarbeitsbranche wittert Aufwärtstendenz”).
4. Die negative Koalitionsfreiheit der beschwerdeführenden Verleihunternehmen ist ebenfalls nicht verletzt.
Zwar umfasst die Koalitionsfreiheit als individuelles Freiheitsrecht auch das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪367≫). Die Verleihunternehmen werden aber durch die angegriffenen Regelungen weder zum Eintritt in tarifvertragsschließende Verbände gezwungen noch wird es ihnen unmöglich gemacht, sich anderweitig als Koalition im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG zusammenzuschließen oder sich an einer solchen zu beteiligen.
Der von den beschwerdeführenden Verleihunternehmen beklagte mittelbare Druck, um der größeren Einflussmöglichkeit willen Mitglied eines Arbeitgeberverbandes zu werden, ist nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde. Die Verleihunternehmen bleiben frei darin, einem Arbeitgeberverband fernzubleiben oder sich mit anderen Unternehmen zu einem neuen Arbeitgeberverband zusammenzuschließen. Auch steht es den Verleihunternehmen – wie allen anderen Unternehmen – frei, sich nicht an den Regelungen eines Verbandstarifvertrages zu orientieren, sondern, ohne Anschluss an einen Arbeitgeberverband, selbst einen Tarifvertrag zu vereinbaren (vgl. § 2 Abs. 1 TVG). Der Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit beschränkt sich insofern auf ein Fernbleiberecht der Außenseiter (vgl. BVerfGE 31, 297 ≪302≫; 44, 322 ≪352≫; 50, 290 ≪367≫; 55, 7 ≪21 ff.≫). In dieses wird durch die hier angegriffenen gesetzlichen Bestimmungen nicht eingegriffen.
Die angegriffenen Regelungen sehen nicht einmal eine staatlich angeordnete Geltungserstreckung oder -erweiterung der von Tarifvertragsparteien getroffenen Regelungen der Arbeitsbedingungen vor. Vielmehr wird es den Verleihunternehmen freigestellt, die Anwendung abweichender tariflicher Regelungen zu vereinbaren oder davon abzusehen. Bei vertraglicher Nichtanwendung von Tarifregelungen sind sie zwar von Gesetzes wegen verpflichtet, ihren Arbeitnehmern für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren, doch berührt diese Verpflichtung nicht die negative Koalitionsfreiheit der Verleihunternehmen, sondern ist am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
5. Die angegriffenen Gesetzesnormen verstoßen auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Durch die Regelungen wird in die Berufsausübung der beschwerdeführenden Verleihunternehmen eingegriffen. Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt.
a) Die angegriffenen Gesetzesnormen berühren die Freiheit der Berufsausübung der Verleihunternehmen. Durch Art. 12 Abs. 1 GG wird auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Arbeitgeber geschützt. Zu dieser Freiheit gehört das Recht, Verträge nach ihrem Willen zu gestalten. Dieses Recht wird durch die angegriffenen Normen, die zugunsten der Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die wesentlichen Arbeitsbedingungen an denen der vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers orientieren, beeinträchtigt. Abweichende einzelvertragliche Vereinbarungen werden durch § 9 Nr. 2 AÜG ausdrücklich für unwirksam erklärt.
b) Bei privatrechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, geht es um den Ausgleich widerstreitender Interessen, die regelmäßig beide grundrechtlich verankert sind (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪176≫). Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Leiharbeitnehmers an zumutbaren Arbeitsbedingungen steht das – ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte – Interesse des Arbeitgebers gegenüber, die Arbeitsbedingungen der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer möglichst kostengünstig gestalten zu können. Arbeitsrechtliche Normen dienen vor allem dem Schutz der Arbeitnehmer, weil diese sich beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischerweise in einer Situation struktureller Unterlegenheit befinden (vgl. BVerfGE 84, 212 ≪229≫; 85, 191 ≪213≫; 92, 365 ≪395≫).
Da beide Arbeitsvertragsparteien unter dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG stehen, sind die kollidierenden Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 89, 214 ≪232≫; 97, 169 ≪176≫).
Dem Gesetzgeber ist dabei ein weiter Gestaltungsfreiraum eingeräumt. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkungen seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit (vgl. BVerfGE 37, 1 ≪21≫; 51, 193 ≪208≫; 77, 84 ≪106≫; 77, 308 ≪332≫; 81, 156 ≪189≫). Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann nur angenommen werden, wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, dass in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪176 f.≫).
c) Daran gemessen verletzen die angegriffenen Normen nicht die Berufsfreiheit der Verleihunternehmen. Der Gesetzgeber hat einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien getroffen, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Wie unter C II 3 b bb ausgeführt, dienen die Regelungen einem legitimen Zweck und sind verhältnismäßig.
6. Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Das Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 81, 156 ≪205≫ m.w.N.).
Ein solcher Verstoß lässt sich hier schon deshalb nicht feststellen, weil die Arbeitgeber der Leiharbeitsbranche gegenüber den Arbeitgebern anderer Branchen nicht wesentlich ungleich behandelt werden. Zwar wird für die Arbeitnehmer in anderen Branchen insbesondere das Arbeitsentgelt nicht gesetzlich limitiert, doch werden die Verleihunternehmen insoweit nur auf das – unterschiedliche – Niveau der Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Branchen festgelegt, wenn und soweit die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer in diesen jeweils unterschiedlichen Branchen bei den Entleihern tätig sind. Es werden damit gerade keine einheitlichen, sondern, je nach Einsatzbranche, unterschiedlichen Arbeitsbedingungen festgelegt. Über die gesetzliche Tariföffnungsklausel – mit der Möglichkeit der einzelvertraglichen Bezugnahme auf die Tarifbedingungen – wird zudem den Verleihunternehmen die Möglichkeit eröffnet, die Arbeitsbedingungen tariflich zu gestalten. Auch insoweit gilt nichts anderes als für die Arbeitgeber in anderen Branchen.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung zwischen Verleihunternehmen für mehr oder weniger qualifizierte Arbeitskräfte hätte unterscheiden müssen. Auch insofern ist die Situation nicht anders als bei sonstigen arbeitsrechtlichen Normen, die unterschiedslos für alle Arbeitgeber gelten, unabhängig davon, welche Arbeitnehmer diese im Einzelnen beschäftigen mögen. Abgesehen davon können sich die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft eines Unternehmens und das Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer ändern, weshalb eine Anknüpfung an den Qualifikationsgrad der Arbeitnehmer für die Anwendbarkeit von arbeitsrechtlichen Normen nicht als ein sachgerechtes Abgrenzungskriterium angesehen werden könnte.
III.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Hömig, Bryde, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1289029 |
BB 2005, 495 |
DB 2005, 110 |
ZAP 2005, 174 |
AUR 2005, 71 |
RdW 2005, 217 |