Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig.
1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die unterbliebene Herabsetzung der Einzelstrafen wendet, hat er den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet. Danach sind über die Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Grundrechtsverletzung abzuwenden (vgl. BVerfGE 68, 384 ≪389≫); hierzu gehört auch, dass der Beschwerdeführer Rechtsmittel vor den Fachgerichten in gehöriger Weise erhoben und prozessualen Rüge- und Darstellungslasten genügt hat (vgl. BVerfGE 87, 1 ≪33≫). Eine mangelnde Berücksichtigung der bis zum Erlass des Urteils des Landgerichts am 22. Mai 1998 aufgetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen hätte der Beschwerdeführer bereits mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision geltend machen müssen. Ob dies der Fall war, kann das Bundesverfassungsgericht mangels Vorlage oder Mitteilung des wesentlichen Inhalts jener Revisionsrechtfertigung nicht beurteilen; nach der vom Beschwerdeführer nur auszugsweise mitgeteilten Revisionsentscheidung nahm der Bundesgerichtshof jedenfalls nicht an, dass der Beschwerdeführer in seinem damaligen Rechtsmittel Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK in einer den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise gerügt hatte.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls unzulässig, soweit der Beschwerdeführer meint, das Landgericht habe im Urteil vom 18. Dezember 2001 noch weiter gehende Verstöße gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK annehmen und entsprechenden Beweisanträgen nachgehen müssen. Der Beschwerdeführer hat es sowohl im Revisionsverfahren als auch in seiner Verfassungsbeschwerde versäumt, bestimmte Zeiträume weiterer justizbedingter Verfahrensverzögerungen zu benennen, deren Berücksichtigung durch die Fachgerichte fehlerhaft unterblieben ist. Im Übrigen sind die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und deshalb der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen; das Bundesverfassungsgericht kann nur bei einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts eingreifen (vgl. BVerfGE 1, 418 ≪420≫). Derartige Verletzungen hat der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Zurückweisung der Beweisanträge nicht dargetan, zumal die von ihm letztlich erstrebte umfassende Rekonstruktion des Verfahrensgangs einschließlich der in Befolgung der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts getroffenen Beweisanordnungen und der diesen zu Grunde liegenden Erwägungen ohnehin ausscheiden musste.
Entscheidungsgründe
II.
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
1. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung verletzt den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (vgl. BVerfGE 63, 45 ≪69≫; BVerfGK 2, 239 ≪246≫; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ≪Vorprüfungsausschuss≫ vom 24. November 1983 – 2 BvR 121/83 –, NJW 1984, S. 967). Ob eine mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Von Bedeutung sind dabei insbesondere der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs sowie der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat (vgl. BVerfGK 2, a.a.O.; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ≪Vorprüfungsausschuss≫ vom 24. November 1983 – 2 BvR 121/83 –, NJW 1984, S. 967; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 1993 – 2 BvR 1487/90 –, NJW 1993, S. 3254).
Die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwingt die Strafverfolgungsbehörden dazu, sie bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu berücksichtigen. Diese haben im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zu prüfen, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen darf. Belastende Folgen staatlich verschuldeter Verzögerung sind von den Strafverfolgungsbehörden von Verfassungs wegen ebenso zu berücksichtigen wie die Umstände, die den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründet haben (vgl. BVerfGK 2, 239 ≪247≫ m.w.N.).
2. Hieran gemessen liegt keine Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren vor.
a) Bei der Bestimmung der Gesamtstrafe hat das Landgericht den bisherigen Verfahrensgang vollständig auf vermeidbare Verfahrensverzögerungen überprüft und Verstöße im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt. Ebenso hat die Strafkammer die dem Beschwerdeführer im Verlauf des Verfahrens entstandenen Belastungen umfassend festgestellt und gewürdigt.
b) Eine Verfahrenseinstellung, sei es nach §§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 2 StPO oder aufgrund Annahme eines unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot folgenden Verfahrenshindernisses, war hier von Verfassungs wegen nicht geboten. Die gesetzlichen Möglichkeiten reichten aus, um das Ausmaß der aus vermeidbarer Verfahrensverzögerung folgenden zusätzlichen Belastung des Beschwerdeführers im Rahmen der Strafzumessung auszugleichen.
Allerdings lagen hier die Taten sehr lange zurück. Darüber hinaus belief sich die gesamte Verfahrensdauer vom Zeitpunkt der Eröffnung des Tatvorwurfs bis zur abschließenden Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2002 auf mehr als zehn Jahre, wobei die Schuldsprüche jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt Rechtskraft erlangt hatten. Nach den Feststellungen des Landgerichts lagen justizbedingte Verzögerungen von insgesamt 26 Monaten vor. Daraus ergaben sich erhebliche Belastungen des Beschwerdeführers. Andererseits handelte es sich aber um ein besonders umfangreiches und sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht schwieriges Verfahren, welches eine überaus langwierige und komplizierte Beweisaufnahme erforderte, was sich in einer außergewöhnlichen Dauer der Hauptverhandlung niederschlug. Im Revisionsverfahren sah sich der Strafsenat des Bundesgerichtshofs im ersten Durchgang zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung veranlasst. Schließlich ging es um schwerwiegende Tatvorwürfe, wie die Art der Tatbegehung, das Ausmaß des Schadens und die Höhe des Strafmaßes zeigen.
Es kommt hinzu, dass das Landgericht der aus der Verfahrensdauer folgenden Belastung auf mehrfache Weise Rechnung getragen hat. So hat es drei Einzeltaten trotz rechtskräftigen Schuldspruchs nach der lediglich die Strafhöhe betreffenden Aufhebung und Zurückverweisung vollständig nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den hieraus folgenden geringeren Schuldumfang ausdrücklich bei der Bildung der Gesamtstrafe berücksichtigt. Außerdem hat es sowohl die fiktiv für den Fall zeitnaher Aburteilung gebildete Gesamtstrafe als auch das in Anbetracht der Verstöße gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK herabgesetzte Strafmaß erheblich reduziert.
c) Die konkrete Begründung des infolge der Verletzung des Beschleunigungsgebotes gewährten Strafnachlasses lässt ebenfalls keinen Verfassungsverstoß erkennen. Das Landgericht, das nur noch die Gesamtstrafe festzusetzen hatte, hat unter Würdigung der sonstigen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Gesichtspunkte zunächst eine fiktive Strafe für den Fall nicht gegebener Verfahrensverzögerungen gebildet, welche es sodann wegen der festgestellten Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot beträchtlich herabgesetzt hat. Einer weitergehenden Spezifizierung im Hinblick auf die sonstigen von der Kammer berücksichtigten Milderungsgründe bedurfte es nicht. Ebenso wenig erforderte hier das Gebot schuldangemessenen Strafens, bei der Festsetzung der (wegen der justizbedingten Verfahrensverzögerungen reduzierten) Gesamtstrafe die rechtskräftige Einsatzstrafe zu unterschreiten.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1396553 |
NStZ-RR 2005, 346 |