Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts M. wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Verwerfung einer strafprozessualen Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO und rügt, dass die Entscheidung ohne Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ergangen sei und keine Begründung aufweise. Hierdurch sieht er sein Recht auf öffentliche Verhandlung, sein Recht, sich selbst zu verteidigen, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, seinen Anspruch auf prozessuale Waffengleichheit und die Pflicht zur Begründung gerichtlicher Entscheidungen verletzt (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG). Als Maßstab für die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes sei insoweit Artikel 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen.
Eine öffentliche Verhandlung sei nach Art. 6 EMRK nur dann entbehrlich, wenn sich eine Instanz allein mit hochtechnischen oder rein rechtlichen Fragen beschäftige oder wenn eine Möglichkeit bestehe, durch einen Antrag die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu erreichen. Dabei seien Fragen der Subsumtion nicht als Rechtsfragen in diesem Sinne, sondern als Sachverhaltsfragen anzusehen.
Das Recht, sich selbst zu verteidigen, sei dadurch verletzt, dass ein Angeklagter nur indirekt, nämlich über seinen Verteidiger, in der Revisionsbegründung vortragen könne. Nach Art. 6 EMRK habe aber auch ein Gericht zweiter Instanz bei der Beurteilung der Schuldfrage den Angeklagten persönlich zu befragen, wenn dieser sich bestreitend verteidige. Der Beschwerdeführer hätte daher als Ausgleich für seine strukturelle Unterlegenheit gegenüber der Staatsanwaltschaft und zur Wahrung seines Rechts, sich selbst zu verteidigen, in einer Revisionshauptverhandlung angehört werden müssen.
Das Gebot der prozessualen Waffengleichheit sei als Chancengleichheit zu verstehen. Hiergegen werde verstoßen, da praktisch jede Revision der Staatsanwaltschaft zu einer Hauptverhandlung in der Revisionsinstanz führe, dies bei Revisionen des Angeklagten dagegen einen Ausnahmefall darstelle.
Nur in Kenntnis der Gründe, die das Revisionsgericht zur Verwerfung der Revision bewogen haben, könne der Angeklagte eine sinnvolle Entscheidung darüber treffen, ob er eine Anhörungsrüge oder eine Verfassungsbeschwerde erheben oder aber die Verwerfung seiner Revision hinnehmen solle. Dies zeige, dass die Begründungspflicht in einem Sachzusammenhang mit der Gewährung rechtlichen Gehörs stehe. Ferner sei eine Begründungspflicht – auch in sämtlichen Revisionsverfahren – erforderlich zur Eigen- und Fremdkontrolle und setze das erkennende Gericht unter einen Plausibilitätsdruck.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie zum Teil mangels substantiierter Darlegung einer Grundrechtsverletzung unzulässig und im Übrigen unbegründet ist. Weder die Entscheidung im Beschlusswege ohne Revisionshauptverhandlung (1.) noch das Fehlen einer Begründung der Entscheidung (2.) ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstanden. Hieran ändert auch der Vortrag des Beschwerdeführers zur konventionsrechtlichen Beurteilung nichts (3.).
1. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof über die Revision des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat.
a) Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 36, 85 ≪87≫; 60, 175 ≪210 f.≫; 89, 381 ≪391≫; stRspr). Der Beschwerdeführer hatte in seiner Revisionsbegründung (§ 344 StPO) und in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) Gelegenheit, sich umfassend zu äußern. Er trägt nicht substantiiert vor, dass er sein Revisionsvorbringen in schriftlicher Form nicht ausreichend habe deutlich machen können (vgl. BVerfGE 112, 185 ≪206≫).
b) Es genügt den Anforderungen an ein faires Strafverfahren, dass im Revisionsverfahren der Verteidiger oder ein Rechtsanwalt für den Angeklagten Stellung nimmt. Eine mündliche Verhandlung muss nicht zu dem Zweck durchgeführt werden, damit sich ein Angeklagter unabhängig von seinem Verteidiger äußern kann (vgl. BVerfGE 54, 100 ≪116 f.≫; 64, 135 ≪151 ff.≫). Im Übrigen hat der Angeklagte nach § 345 Abs. 2 StPO die Möglichkeit, die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle zu begründen, auch zur Ergänzung der von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt abgegebenen Revisionsbegründung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 345 Rn. 9).
c) Die Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ist auch nicht zur Herstellung prozessualer „Waffengleichheit” erforderlich.
aa) Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Beschuldigten einen Mindestbestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen. Ihm muss die Möglichkeit eingeräumt sein, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 64, 135 ≪145≫; 65, 171 ≪174 f.≫; 66, 313 ≪318≫). Dies verlangt eine gewisse verfahrensrechtliche „Waffengleichheit” von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem im Strafprozess (vgl. BVerfGE 63, 45 ≪61≫). Allerdings müssen verfahrensspezifische Unterschiede in der Rollenverteilung von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem nicht in jeder Beziehung ausgeglichen werden (vgl. BVerfGE 63, 45 ≪67≫; 122, 248 ≪272≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a. –, NJW 2013, S: 1058 ≪1060≫).
bb) Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die gesetzliche Regelung oder deren Anwendung durch die Revisionsgerichte vor diesem Hintergrund gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstößt. Es trifft zwar zu, dass Revisionen der Staatsanwaltschaft im Gegensatz zu solchen des Angeklagten im Allgemeinen nicht durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen werden (vgl. Gericke, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 349 Rn. 30). Der Beschwerdeführer zeigt jedoch nicht auf, inwieweit ihm die Entscheidung im Beschlusswege einen geringeren Grundrechtsschutz gewährt haben könnte als eine Entscheidung durch Urteil nach Durchführung einer Hauptverhandlung. Seinen Darlegungen kann auch nicht entnommen werden, dass die unterschiedliche Behandlung von Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft generell zu einer verminderten Rechtsschutzqualität bei Revisionen von Angeklagten führt (vgl. BVerfGE 112, 185 ≪204 f.≫).
2. Dass der Bundesgerichtshof gemäß § 349 Abs. 2 StPO die Revision des Beschwerdeführers ohne Begründung verworfen hat, ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
a) Von Verfassungs wegen bedarf eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung regelmäßig keiner Begründung (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫, 65, 293 ≪295≫; 81, 97 ≪106≫; 86, 133 ≪146≫; 94, 166 ≪210≫; 104, 1 ≪7 f.≫; 118, 212 ≪238≫). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt dies auch für Beschlüsse nach § 349 Abs. 2 StPO. Der Revisionsführer kennt die Gründe des angegriffenen Urteils und den ebenfalls zu begründenden Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 2 StPO. Er hat das Recht, dazu eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen (§ 349 Abs. 3 StPO). Schließlich muss die Entscheidung des Revisionsgerichts einstimmig ergehen. Durch diese Verfahrensweise wird dem Anspruch des Revisionsführers auf rechtliches Gehör ausreichend Rechnung getragen (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats vom 22. Januar 1982 – 2 BvR 1506/81 –, NJW 1982, S. 925; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. April 1989 – 1 BvR 1415/86 –, juris, Rn. 12; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Januar 2002 – 2 BvR 1225/01 –, NStZ 2002, S. 487 ≪488 f.≫; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05 –, NJW 2006, S. 136; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 2007 – 2 BvR 746/07 –, juris, Rn. 22).
b) Eine Begründung des Beschlusses nach § 349 Abs. 2 StPO ist auch nicht deshalb erforderlich, weil sonst keine sinnvolle Entscheidung darüber getroffen werden könnte, ob eine Anhörungsrüge nach § 356a StPO oder eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden soll.
aa) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfGE 51, 126 ≪129≫; 54, 43 ≪46≫; 86, 133 ≪146≫; 87, 363 ≪392≫; 96, 205 ≪216≫). Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann nur dann festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 70, 288 ≪293≫; 79, 51 ≪61≫; 80, 269 ≪286≫; 86, 133 ≪146≫; 96, 205 ≪217≫). Solche besonderen Umstände können auch bei einer nicht näher begründeten Entscheidung erkennbar sein.
bb) Zudem setzt eine Verwerfung der Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO einen zu begründenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus, der dem Revisionsführer mit den Gründen mitzuteilen ist (§ 349 Abs. 3 StPO). Zwar muss sich das Revisionsgericht, um nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, dem Antrag der Staatsanwaltschaft nur im Ergebnis, nicht jedoch in allen Teilen der Begründung anschließen. Bei einer Abweichung von der Begründung der Staatsanwaltschaft ist es aber sinnvoll und entspricht allgemeiner Übung, in den Beschluss einen Zusatz zur eigenen Rechtsauffassung aufzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Oktober 2001 – 2 BvR 1620/01 –, NJW 2002, S. 814 ≪815≫; BGH, Beschluss vom 20. Februar 2004 – 2 StR 116/03 –, NStZ 2004, S. 511). Ohne einen solchen Zusatz kann davon ausgegangen werden, dass sich das Revisionsgericht die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft zu Eigen gemacht hat (vgl. BVerfGK 5, 269 ≪285 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2013 – 2 BvR 85/13 –, juris, Rn. 25).
3. Die Verwerfung der Revision des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO widerspricht auch nicht den Gewährleistungen des Art. 6 EMRK. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem Grundgesetz. Sie ist jedoch als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Dies gilt auch für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. BVerfGE 128, 326 ≪366 ff.≫).
a) Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat – auch auf ausdrückliche Beanstandungen hin – Verwerfungen von Revisionen durch einen Beschluss, der keiner Begründung bedarf (§ 349 Abs. 2 StPO), als nicht konventionswidrig erachtet. Die Kommission sah es stets als ausreichend an, dass der Revisionsführer schriftlich über seinen Verteidiger vortragen und zum Revisionsverwerfungsantrag der Staatsanwaltschaft Stellung nehmen kann (vgl. EKMR, X. v. Germany, Entscheidung vom 14. Dezember 1961, Nr. 599/59, EKMR-E 8, 12 ≪19≫; X. v. Germany, Entscheidung vom 17. Januar 1963, Nr. 1035/61, EKMR-E 10, 12 ≪17 f.≫; X. v. Germany, Entscheidung vom 18. April 1964, Nr. 2136/64, EKMR-E 13, 116 ≪122≫; X. v. Germany, Entscheidung vom 6. Februar 1968, Nr. 3139/67, EKMR-E 26, 77 ≪78 f.≫). Ferner hielt es die Kommission für mit Art. 6 EMRK vereinbar, wenn das Revisionsgericht seine Entscheidung nicht näher begründet, sondern durch den Verweis auf § 349 Abs. 2 StPO hinreichend zum Ausdruck bringt, dass es die Revision für offensichtlich unbegründet erachtet und damit den Grund für seine Entscheidung angibt (EKMR, Salameh v. Germany, Entscheidung vom 15. Mai 1996, Nr. 28631/95).
b) Soweit ersichtlich, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu § 349 Abs. 2 StPO und dessen Anwendung durch die Fachgerichte bislang nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Zwar liegen einer Vielzahl von Entscheidungen des Gerichtshofs Ausgangsverfahren zu Grunde, bei denen die Revision gegen eine strafrechtliche Verurteilung durch nicht begründeten Beschluss als offensichtlich unbegründet verworfen wurde. Dies allein lässt jedoch nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass diese Rechtspraxis gebilligt wird und mit Art. 6 EMRK vereinbar ist. Ungeachtet dessen ist ein Konventionsverstoß nicht erkennbar.
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann im Rechtsmittelverfahren unter bestimmten Voraussetzungen von dem sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ergebenden Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung abgewichen werden. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der nationalen Verfahrensordnung und der Rolle des Rechtsmittelgerichts darin vorzunehmen (vgl. EGMR, Kerojärvi v. Finland, Urteil vom 19. Juli 1995, Nr. 17506/90, § 40; Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 40 f.; Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 62 f.; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49 f.; Dan v. Moldova, Urteil vom 5. Juli 2011, Nr. 8999/07, § 30).
(1) Als ein wesentliches Kriterium für die Entbehrlichkeit einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor Rechtsmittelgerichten betrachtet der Gerichtshof, ob in vorangegangener Instanz mündlich und öffentlich verhandelt wurde (vgl. EGMR, Axen v. Germany, Urteil vom 8. Dezember 1983, Nr. 8273/78, EGMR-E 2, 321 ≪326 f.≫, § 28; Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 41 f.; Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 63 f.; Miller v. Sweden, Urteil vom 8. Februar 2005, Nr. 55853/00, § 30). Von gewichtiger Bedeutung ist auch, welche Konsequenzen dem Verfahrensbeteiligten durch die Entscheidung über sein Rechtsmittel drohen, insbesondere im Vergleich zur vorinstanzlichen Entscheidung. So wies der Gerichtshof in einem Urteil zur Verwerfung einer Revision ohne mündliche Verhandlung in Zivilsachen darauf hin, dass die Entscheidung nur dazu führe, dass das Berufungsurteil rechtskräftig werde, welches seinerseits auf einer mit Art. 6 EMRK konformen Verhandlung beruhe (vgl. EGMR, Axen v. Germany, Urteil vom 8. Dezember 1983, Nr. 8273/78, EGMR-E 2, 321 ≪326 f.≫, § 28). Ist eine reformatio in peius nicht zu befürchten, so spricht dies gegen die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung (vgl. EGMR, Fejde v. Sweden, Urteil vom 29. Oktober 1991, Nr. 12631/87, § 33).
Weiter berücksichtigt der Gerichtshof, ob ausschließlich Rechtsfragen oder auch Sachverhaltsfragen Gegenstand der Prüfung durch das Rechtsmittelgericht sind (vgl. EGMR, Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 41; Dan v. Moldova, Urteil vom 5. Juli 2011, Nr. 8999/07, § 30). Auch bei einer Kompetenz des Rechtsmittelgerichts zur Befassung mit Sachverhaltsfragen muss nach Auffassung des Gerichtshofs allerdings nicht zwingend eine öffentliche mündliche Hauptverhandlung durchgeführt werden (vgl. EGMR, Fejde v. Sweden, Urteil vom 29. Oktober 1991, Nr. 12631/87, § 33; Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 63; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49 ff.). Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, ob sich die aufgeworfenen Fragen allein auf der Grundlage der Verfahrensakten angemessen entscheiden lassen (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 64; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49). Ebenfalls zu berücksichtigen sind die offensichtliche Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels (vgl. EGMR, Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 42) sowie die Notwendigkeit, den Geschäftsanfall zu bewältigen und innerhalb angemessener Zeit zu entscheiden (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 63; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49). Der Gerichtshof respektiert dabei die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsmittelzüge in den Vertragsstaaten, die entweder eine vorgelagerte Annahmeentscheidung voraussetzen, für die der Öffentlichkeitsgrundsatz ohnehin nicht gilt (vgl. EGMR, Monnell and Morris v. United Kingdom, Urteil vom 2. März 1987, Nr. 9562/81 und 9818/82, § 58), oder eine andere, vergleichbare Möglichkeit zur vereinfachten Erledigung aussichtsloser Rechtsmittel vorsehen (vgl. EGMR, Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 42; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 52).
(2) Nach diesen Kriterien ist die den Revisionsgerichten eingeräumte Möglichkeit, im Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, mit Art. 6 EMRK vereinbar. Ohne Revisionshauptverhandlung war es dem Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision des Beschwerdeführers nur möglich, das erstinstanzliche Urteil, das auf einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beruht, aufzuheben und zugunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden (§ 349 Abs. 4 StPO) oder aber das Urteil rechtskräftig werden zu lassen (§ 349 Abs. 2 StPO). Eine Verschlechterung der Situation des Beschwerdeführers gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil hätte – ungeachtet des Verbots der reformatio in peius gemäß § 358 Abs. 2 StPO – zwingend eine Revisionshauptverhandlung vorausgesetzt. Des Weiteren ist die Revision auf die Prüfung von Rechtsfragen beschränkt, die sich regelmäßig nach Aktenlage entscheiden lassen. In der Revisionsinstanz ist eine Beweisaufnahme über Tatfragen nicht statthaft, das Revisionsgericht ist an die Feststellungen des Tatgerichts gebunden. Überdies dient § 349 Abs. 2 StPO der Schonung der Ressourcen der Justiz, damit sich diese zügig aussichtsreichen Rechtsmitteln zuwenden kann, und damit der Verwirklichung des durch Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Beschleunigungsgrundsatzes. Ein Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Revision ergehen und setzt Einstimmigkeit voraus. Funktionell bildet der Beschluss damit ein Äquivalent zur Ablehnung einer (im deutschen Strafprozessrecht nicht vorgesehenen) Revisionszulassung.
bb) Art. 6 EMRK in der Auslegung des Gerichtshofs ist zwar eine grundsätzliche Pflicht zur angemessenen Begründung gerichtlicher Entscheidungen zu entnehmen. Allerdings hängt die Begründungspflicht von der Natur der Entscheidung ab und ist im Lichte der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Eine ausführliche Stellungnahme zu jedem Vorbringen der Beteiligten ist nicht notwendig. Ferner darf sich ein Rechtsmittelgericht, wenn es ein Rechtsmittel zurückweist, grundsätzlich darauf beschränken, sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung zu eigen zu machen (vgl. EGMR (GK), García Ruiz v. Spain, Urteil vom 21. Januar 1999, Nr. 30544/96, NJW 1999, S. 2429 ≪2429≫, § 26; vgl. auch EGMR, Axen v. Germany, Urteil vom 8. Dezember 1983, Nr. 8273/78, EGMR-E 2, 321 ≪328≫, § 32). Bei nationalen übergeordneten Gerichten erachtet es der Gerichtshof zudem für mit der Konvention vereinbar, wenn solche Gerichte bei der Nichtannahme offensichtlich unbegründeter Beschwerden von einer ausführlichen Begründung der Entscheidung absehen und allein auf die Norm verweisen, die ein entsprechendes Vorgehen erlaubt (vgl. EGMR, Sawoniuk v. United Kingdom, Entscheidung vom 29. Mai 2001, Nr. 63716/00; Schumacher v. Germany, Entscheidung vom 26. Februar 2008, Nr. 14029/05, juris, Rn. 108).
Hiernach ist es mit Art. 6 EMRK vereinbar, dass der Bundesgerichtshof seine Entscheidung über die Revision des Beschwerdeführers nicht mit einer Begründung versehen hat. Bei der Verwerfung einer Revision nach § 349 Abs. 2 StPO durch einen Beschluss, der keine oder nur eine knappe Begründung enthält, ist zu berücksichtigen, dass das angefochtene Urteil selbst ausführlich zu begründen war und dass das Revisionsgericht sich das angefochtene Urteil zwar nicht zu eigen macht, mit der Verwerfung der Revision aber zum Ausdruck bringt, dass es den erhobenen Revisionsrügen standhält. Zudem ist die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft zu begründen. Aus dieser ergibt sich regelmäßig, aus welchen Gründen die Revision verworfen wurde. Stützt das Revisionsgericht die Verwerfung der Revision dagegen auf andere Aspekte als die in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft genannten, so versieht es seine Entscheidung insoweit mit einer Begründung.
4. Da die Verfassungsbeschwerde aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt M. entsprechend § 114 Satz 1 ZPO abzulehnen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Landau, Kessal-Wulf, König
Fundstellen
NJW 2014, 2563 |
EuGRZ 2014, 486 |
NVwZ 2014, 8 |
JR 2015, 92 |
wistra 2014, 434 |
DÖV 2014, 844 |
JA 2014, 792 |
JZ 2014, 444 |
JuS 2014, 13 |
NJW-Spezial 2014, 506 |
StV 2015, 75 |
StraFo 2014, 391 |