Tenor
Die Verzögerungsbeschwerden werden als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I.
Die Verzögerungsbeschwerden richten sich gegen die Dauer zweier Organstreitverfahren.
1. a) Der Beschwerdeführer war Mitglied der 13. Bundesversammlung. Mit seinen Anträgen in dem am 26. August 2009 eingeleiteten Organstreitverfahren 2 BvE 2/09 macht er geltend, durch die 13. Bundesversammlung und deren Präsidenten in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG analog verletzt zu sein.
b) Der Beschwerdeführer war auch Mitglied der 14. Bundesversammlung. Mit seinen Anträgen in dem am 1. September 2010 eingeleiteten Organstreitverfahren 2 BvE 2/10 macht er geltend, durch die 14. Bundesversammlung und deren Präsidenten in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG analog verletzt zu sein.
c) Zur Begründung der Organstreitverfahren trägt er übereinstimmend vor, ihm sei in den Bundesversammlungen das Wort zur Begründung von Anträgen nicht erteilt, sondern eine Geschäftsordnung beschlossen worden, nach der sämtliche Anträge nicht mündlich begründet werden durften; weitere von ihm eingebrachte Anträge seien nicht zur Abstimmung gestellt oder abgelehnt worden. Ferner begehrt der Beschwerdeführer, die Wahlen des Bundespräsidenten in der 13. und der 14. Bundesversammlung für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen, weil die Bundesversammlungen aufgrund fehlerhafter Wahlen in mehreren Länderparlamenten nicht verfassungsgemäß zusammengesetzt gewesen seien.
Am 9. Januar 2012 legte der Beschwerdeführer in beiden Verfahren gleichlautende Verzögerungsrügen ein, die er im Wesentlichen damit begründete, dass es in den Verfahren um die Gültigkeit der Wahl des Staatsoberhauptes gehe, weshalb alle Beteiligten an einer zügigen Erledigung interessiert sein sollten; auf das in Wahlprüfungssachen geltende Beschleunigungsgebot sei hinzuweisen.
Mit seinen am 10. Mai 2010 und am 24. Juli 2012 gestellten Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richtet sich der Beschwerdeführer gegen Strafverfolgungsmaßnahmen wegen der Vorwürfe der Volksverhetzung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und beruft sich zur Begründung auf seine Immunität als Mitglied der Bundesversammlung. Die Berichterstatterin teilte dem Beschwerdeführer mit, es sei nicht beabsichtigt, über den Antrag zu entscheiden, weil das mit ihm verfolgte Begehren nicht Inhalt der Entscheidung in der Hauptsache sein könne, der Antrag mithin unzulässig sei.
2. Am 11. März 2013 hat der Beschwerdeführer Verzögerungsbeschwerden erhoben und eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer beantragt, hilfsweise die Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer, sowie unverzügliche Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung. Zur Begründung wiederholt er das Vorbringen aus seinen Verzögerungsrügen und fügt hinzu, in Anbetracht der Bedeutung der Verfahren, der in Rede stehenden Rechtsverletzungen und der Verfahrensdauer sei die bloße Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer nicht ausreichend. Im Verfahren 2 BvE 2/10 sei der Beschwerdeführer gemäß § 97a Abs. 2 Satz 2, 3 BVerfGG mit mindestens 1.200 EUR zu entschädigen, da bei möglicher Beendigung des Verfahrens innerhalb von zwei Jahren eine Verfahrensverzögerung von rund einem Jahr vorliege. Im Verfahren 2 BvE 2/09 sei er mit mindestens 2.400 EUR zu entschädigen, weil die Verfahrensverzögerung sich auf rund zwei Jahre belaufe. Auch seine Eilanträge seien verschleppt worden, obwohl seine fortbestehende Immunität aus § 7 Satz 1 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung (BPräsWahlG) in Verbindung mit Art. 46 Abs. 2 GG gefährdet sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verzögerungsbeschwerden sind unzulässig. Die Ausführungen des Beschwerdeführers genügen nicht den Darlegungsanforderungen aus § 97b Abs. 2 Satz 2 BVerfGG. Insbesondere ist ein Nachteil im Sinne von § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht substantiiert dargelegt.
1. Gemäß § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG wird nur entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht einen Nachteil erleidet. Die Begründungs- und Substantiierungslast (§ 97b Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) bezieht sich auch auf das Vorliegen eines Nachteils im Sinne des § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
a) Das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, mit dem die Verzögerungsbeschwerde für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeführt worden ist, setzt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichts zur überlangen Verfahrensdauer und ihren Folgen um (vgl. EGMR, Urteil vom 2. September 2010 – 46344/06 –, NJW 2010, S. 3355 – Rumpf ./. Deutschland; BVerfGE 55, 349 ≪369≫). Es sollte eine Rechtsschutzlücke geschlossen werden, die sowohl den Anforderungen der Art. 19 Abs. 4, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als auch denen der Art. 6, Art. 13 EMRK (Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit) widerspricht (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 1). Die mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geschaffenen Instrumente bezwecken mithin, Gefährdungen der genannten Grund- und Menschenrechte zu begegnen beziehungsweise deren Verletzungen zu kompensieren. Der Entschädigungsanspruch als Ausgleich für Nachteile infolge rechtswidrigen Verhaltens durch ein Gericht hat demgemäß individualschützenden Charakter. Dies findet seinen Niederschlag insbesondere in § 198 Abs. 6 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), demzufolge Verfahrensbeteiligte im Sinne des Gesetzes nicht Verfassungsorgane, Träger öffentlicher Verwaltung und sonstige öffentliche Stellen sind, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind (vgl. auch BTDrucks 17/3802, S. 23).
b) Die Zielsetzung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bestimmt auch die Auslegung der Regelungen über die Verzögerungsbeschwerde in §§ 97a ff. BVerfGG. Zwar sind diese nicht nur in verfassungsgerichtlichen Verfahren anwendbar, die wie namentlich die Verfassungsbeschwerde vorrangig auf die Gewährung von Individualrechtsschutz hin angelegt sind. Daher können sie etwa auch in Organstreitverfahren zum Tragen kommen. Gleichwohl liegt nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes ein Nachteil im Sinne von § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nur in Fällen individueller Betroffenheit vor. Die unangemessene Dauer des Verfahrens führt nur dann zu einem kompensationspflichtigen Nachteil, wenn sie sich auf die individuelle Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten auswirkt. Dies kann beispielsweise beim Ausschluss eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages von der Wahrnehmung seiner Rechte während der Legislaturperiode der Fall sein (vgl. etwa BVerfGE 130, 318 ff.). Hingegen wird ein Nachteil bei erledigten Sachverhalten, deren Klärung vorrangig im allgemeinen Interesse liegt, allenfalls unter besonderen Voraussetzungen in Frage kommen.
Die Bestimmung des § 97a Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, wonach ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet wird, wenn ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht unangemessen lange gedauert hat, steht der vorstehenden Auslegung nicht entgegen. Wie ihre Grundlage in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 29. März 2006 – 36813/97 –, NJW 2007, S. 1259 ≪1265≫ – Scordino ./. Italien) zeigt (vgl. BTDrucks 17/3802, S. 19), knüpft die Vermutung an Verfahren des Individualrechtsschutzes an.
c) Die Verzögerungsbeschwerde ist gemäß § 97b Abs. 2 Satz 2 BVerfGG schriftlich einzulegen und zu begründen, was Ausführungen zu allen Anspruchsvoraussetzungen umfasst, an welche die Entschädigung anknüpft (vgl. BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom 3. April 2013 – 1 BvR 2256/10 – Vz 32/12 –, juris, Rn. 13). Mit der Begründung seiner Verzögerungsbeschwerde muss der Beschwerdeführer deshalb nicht nur die Unangemessenheit der Verfahrensdauer darlegen, sondern auch, dass ein Nachteil vorliegt. In genuin dem Individualgrundrechtsschutz dienenden Verfahren wird dafür in der Regel die Darlegung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer genügen, weil sich der Beschwerdeführer für den Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, auf die widerlegliche Vermutung des § 97a Abs. 2 Satz 1 BVerfGG berufen kann. Hingegen obliegt es in einem Verfahren ohne offensichtliche subjektive Ausprägung – wie etwa einem Organstreitverfahren, das grundsätzlich nicht dem Individualrechtsschutz, sondern der gegenseitigen Kompetenzabgrenzung von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis dient (vgl. BVerfGE 126, 55 ≪67 f.≫) – dem Beschwerdeführer, die für das Vorliegen eines Nachteils im Sinne einer individuellen Betroffenheit maßgeblichen Umstände in der Beschwerdebegründung aufzuzeigen.
2. Der Beschwerdeführer hat einen Nachteil im Sinne des § 97a Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht substantiiert dargelegt. Die Verzögerungsbeschwerden betreffen Organstreitverfahren, weshalb der Beschwerdeführer gehalten war, seine subjektive Betroffenheit durch die behauptete Verfahrensverzögerung darzulegen. Dieser Obliegenheit ist er nicht nachgekommen. Ausführungen zur subjektiven Bedeutung einer zügigen Verfahrensbeendigung fehlen. Der Beschwerdeführer verweist lediglich auf die besondere Bedeutung der Bundespräsidentenwahl und das in Wahlprüfungssachen geltende Beschleunigungsgebot. Daraus ergibt sich kein Nachteil, der sich gerade in der Person des Beschwerdeführers verwirklicht und einen Ausgleich erfordern könnte. Etwas anderes folgt auch nicht aus seinem Hinweis auf die im Rahmen der Organstreitverfahren gestellten Eilanträge, mit denen er offensichtlich ein verfahrensfremdes Rechtsschutzziel verfolgt.
3. Danach kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer ausreichend zum Vorliegen einer unangemessen langen Verfahrensdauer vorgetragen hat (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom 1. Oktober 2012 – 1 BvR 170/06 – Vz 1/12 –, juris, Rn. 20 f., m.w.N.).
Unterschriften
Gerhardt, Gaier, Eichberger, Hermanns
Fundstellen