Verfahrensgang
OLG Koblenz (Beschluss vom 11.04.2002; Aktenzeichen 2 Ss 66/02) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Sie ist unbegründet.
Die Zurückweisung der vom Beschwerdeführer gegen das landgerichtliche Berufungsurteil eingelegten Revision ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, weil die Zulassung des Assessors als Wahlverteidiger durch das Landgericht nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstieß.
Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) dem Beschuldigten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren. Der Beschuldigte darf nicht nur Objekt des Verfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen; er ist berechtigt, sich von einem gewählten Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen (vgl. BVerfGE 39, 156 ≪163≫; 238 ≪243≫; 63, 380 ≪390 f.≫; stRspr). Eine Ausprägung des Gebots fairer Verfahrensführung stellt § 140 Abs. 2 StPO dar, wonach der Vorsitzende des Gerichts einen Verteidiger zu bestellen hat, wenn dessen Mitwirkung wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Das kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa dann der Fall sein, wenn ausnahmsweise die sachgemäße Verteidigung ohne vorherige Akteneinsicht nicht möglich oder eine umfangreiche und schwierige Beweisaufnahme zu erwarten ist (vgl. BVerfGE 63, 380 ≪391≫). Schließlich gehört es zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, dass der Beschuldigte, der die Kosten eines gewählten Verteidigers nicht aufzubringen vermag, in schwerwiegenden Fällen von Amts wegen und auf Staatskosten einen rechtskundigen Beistand erhält (Pflichtverteidiger; vgl. BVerfGE 39, 238 ≪243≫; 46, 202 ≪210 f.≫; 63, 380 ≪391≫).
Nach diesen Grundsätzen ist die vom Landgericht beschlossene Zulassung des (für den vom Beschwerdeführer beauftragten Rechtsanwalt tätigen) Assessors als Verteidiger für die Berufungshauptverhandlung nicht zu beanstanden. Gegenstand des Berufungsverfahrens war – wie die Generalstaatsanwaltschaft im Einzelnen ausgeführt hat – eine Tat mit einfach gelagertem Sachverhalt und ohne rechtliche Schwierigkeiten, bei der die Frage im Vordergrund stand, ob der Beschwerdeführer seinen Klein-Lastkraftwagen – eigenhändig oder mittels eines anderen – in Brand gesetzt hatte. Unter diesen Umständen war die Verneinung einer schwierigen Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO noch vertretbar, auch wenn die Staatsanwaltschaft mit der Berufung eine vom erstinstanzlichen (freisprechenden) Urteil abweichende Rechtsfolge erstrebte und im Berufungsverfahren zwei weitere Zeugen zu vernehmen waren. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers musste das Landgericht die Tat auch nicht als “schwer” im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO einstufen. Die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe (neun Monate zur Bewährung) liegt unterhalb der Grenze einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ab der nach herrschender Meinung in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers besteht (Laufhütte in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 4. Aufl., § 140 Rn. 21; Kleinknecht/Meyer-Goßner, Kommentar zur Strafprozessordnung, 45. Aufl., § 140 Rn. 23; Lüderssen, in: Löwe-Rosenberg, Kommentar zur Strafprozessordnung, 25. Aufl., § 140 Rn. 57; siehe aber auch Rn. 64). Es sind auch keine Umstände vom Beschwerdeführer vorgetragen oder sonst ersichtlich, die das Vorliegen eines “schwerwiegenden Falles” im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung begründen könnten. Insbesondere hatte der Beschwerdeführer die Möglichkeit, über seinen Wahlverteidiger Akteneinsicht zu nehmen, und im Übrigen auch während des gesamten Berufungsverfahrens rechtskundigen Beistand. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er durch die Zulassung des für den von ihm beauftragten Rechtsanwalt tätigen Assessors konkret in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden sein und das Berufungsurteil hierauf beruhen könnte, führt der Beschwerdeführer nicht an. Damit ist ein Fairnessverstoß des Landgerichts, der eine Aufhebung des Berufungsurteils im Revisionsverfahren von Verfassungs wegen geboten hätte, nicht feststellbar.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 875010 |
NJW 2003, 882 |
KammerForum 2003, 159 |