Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Zivilrechtsstreit um die Rückenteignung eines nach dem Baulandgesetz der Deutschen Demokratischen Republik enteigneten Grundstücks.
I.
1. Der Beschwerdeführer war Eigentümer eines in Ost-Berlin belegenen Grundstücks. Dieses wurde durch Beschluß des Magistrats von (Groß-)Berlin vom 11. September 1986 aufgrund des Baulandgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik zum Zwecke des Wohnungsneubaus enteignet. Die Bauarbeiten an dem Grundstück wurden zwar begonnen, aber nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland nicht zu Ende geführt, sondern eingestellt.
Die 1991 oder 1992 gestellten Anträge des Beschwerdeführers auf Rückenteignung des Grundstücks und Wiederaufgreifen des Enteignungsverfahrens von 1986 wurden von der zuständigen Senatsverwaltung des Landes Berlin abgelehnt. Auch der Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung, gerichtet auf die Feststellung, daß diesem ein Anspruch auf Rückenteignung zustehe oder im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei der Enteignungsbehörde zugestanden habe, blieb erfolglos. Der Bundesgerichtshof hat die Abweisung der Klage im wesentlichen damit begründet, daß das Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück zum Zeitpunkt seiner Entziehung weder den Schutz des Art. 14 GG genossen noch unter dem Schutz einer vergleichbaren rechtlichen Bestandsgarantie gestanden habe (zu den Einzelheiten vgl. NJW 1998, S. 222 ≪223 f.≫).
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 und 3 GG durch das Urteil des Bundesgerichtshofs. Er macht insbesondere geltend:
Die Annahme eines Rückenteignungsanspruchs setze nicht voraus, daß zum Zeitpunkt der Enteignung Art. 14 GG oder eine andere Rückenteignungsregelung gegolten habe. Die Existenz eines solchen Anspruchs sei erst recht für “schwebende Altfälle” anzuerkennen, die – wie hier hinsichtlich der Enteignungsentschädigung – wegen der Maueröffnung von den Behörden der Deutschen Demokratischen Republik bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht mehr abgeschlossen worden seien.
Der Bundesgerichtshof habe im übrigen die für Ost-Berlin gegebene Ausnahmesituation nicht berücksichtigt. Nach Art. 23 Satz 1 GG alter Fassung habe Groß-Berlin zu den Ländern der Bundesrepublik Deutschland gehört. Die Geltung der Verfassung von Berlin und des Grundgesetzes für den Ostsektor von Berlin sei zwar bis zum Beitritt nach Art. 23 GG alter Fassung suspendiert gewesen. Das habe aber nicht in Frage gestellt, daß Art. 14 GG für diesen Bereich auch schon vor dem 3. Oktober 1990 Geltung beansprucht habe. Es könne deshalb nicht angenommen werden, daß Bürgern der Bundesrepublik oder den im sowjetischen Sektor von Berlin lebenden Personen hinsichtlich ihrer in diesem Gebiet gelegenen Vermögenswerte keine sich aus Art. 14 GG ergebenden Rechtspositionen zugestanden hätten.
Abgesehen davon könne der Auffassung, daß es unter der Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik einen Rückenteignungsanspruch nicht gegeben habe, nicht gefolgt werden. Verfassungsrechtlich nicht haltbar seien auch die Erwägungen im angegriffenen Urteil zur Bedeutung der am 17. Juni 1990 beschlossenen “Verfassungsgrundsätze” der Deutschen Demokratischen Republik.
Durch die restriktive Auslegung des § 102 BauGB durch den Bundesgerichtshof werde auch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Frühere Eigentümer mit Grundeigentum im Bereich der alten Bundesrepublik und der Westsektoren von Groß-Berlin würden anders behandelt als Eigentümer mit Grundbesitz im Beitrittsgebiet und im Ostteil Berlins. Dafür gebe es keinen sachlich rechtfertigenden Grund.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Weder hat die Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Grundrechte aus Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt.
1. Durch den dem Beschwerdeführer bekannten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 1997 – 1 BvR 1611/94 – ist geklärt, daß die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Grundstückseigentümern, die in der Deutschen Demokratischen Republik enteignet wurden, keinen Rückerwerbsanspruch gewährt, wenn der Zweck der Enteignung nicht verwirklicht wurde. Dies gilt auch dann, wenn das Vorhaben, für das enteignet wurde, erst nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland endgültig aufgegeben worden ist. Weder zwingt der verfassungsrechtlich verbürgte Eigentumsschutz dazu, § 102 BauGB so auszulegen, daß er auf Fälle dieser Art angewandt wird, noch ist ihm insoweit ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Rückübereignung des enteigneten Grundstücks zu entnehmen. Art. 14 GG wird auch nicht verletzt, wenn das Recht der Deutschen Demokratischen Republik dahin ausgelegt wird, daß es einen Anspruch auf Rückübereignung nicht gekannt hat, den die Bundesrepublik nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik hätte erfüllen müssen. Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (Verfassungsgrundsätze) vom 17. Juni 1990 (GBl I S. 299) zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung, weil es sich Rückwirkung nicht beigelegt hat.
Der Bundesgesetzgeber war nach dem genannten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts auch nicht verfassungsrechtlich verpflichtet, für in der Deutschen Demokratischen Republik vollzogene Enteignungen, deren Zweck nach der Wiedervereinigung aufgegeben worden ist, einen Rückübereignungstatbestand zu schaffen. Das Fehlen eines entsprechenden Anspruchs in der Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik wies nicht einen derartigen Unrechtsgehalt auf, daß es nach Art. 14 GG oder aus rechtsstaatlichen Gründen hätte geboten sein können, im Recht der Bundesrepublik die Möglichkeit einer Rückabwicklung solcher Enteignungen zu eröffnen.
Es verstößt schließlich nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 1997 nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Enteignungen der hier in Rede stehenden Art anders behandelt werden als Enteignungen, die unter der Geltung einer Rechtsordnung vorgenommen wurden, die ein Rückenteignungsrecht vorsah. Eine verfassungsrechtliche Pflicht, Personen, die im Beitrittsgebiet gelebt haben, nachträglich so zu stellen, als hätten sie im Geltungsbereich einer solchen Rechtsordnung gelebt, besteht nicht.
2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers rechtfertigt keine andere Beurteilung.
a) Soweit er annimmt, die in dem Beschluß vom 9. Dezember 1997 entwickelten Grundsätze zu Art. 14 GG seien auf seinen Fall nicht anwendbar, weil die Enteignung, von der er betroffen wurde, erst unter der Geltung des Grundgesetzes vollzogen worden sei, kann demnach den Feststellungen, die sich dem angegriffenen Urteil entnehmen lassen, nicht gefolgt werden. Danach ist das streitgegenständliche Grundstück mit Beschluß vom 11. September 1986 enteignet und im Jahre 1989 mit einzelnen Baumaßnahmen begonnen worden. Die Enteignung hat also, wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich hervorgehoben hat, “bereits vor dem Beitritt stattgefunden” (Urteilsabdruck S. 8; Hervorhebung im Original). Lediglich die Enteignungsentschädigung, die noch von der zuständigen Behörde der Deutschen Demokratischen Republik festgesetzt worden war, ist dem Beschwerdeführer vor dem Beitritt nicht mehr zugeflossen. Das läßt den Vollzug der Enteignung jedoch unberührt.
b) Auch der Umstand, daß nach dem Wortlaut des Art. 23 Satz 1 GG alter Fassung Groß-Berlin zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehörte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit das Grundgesetz damit Geltung auch im sowjetischen Sektor von Berlin beanspruchte. Auch der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, daß das Grundgesetz im Ostteil Berlins jedenfalls faktisch nicht durchgesetzt werden konnte (vgl. auch BVerfGE 7, 1 ≪7 ff., 10≫, sowie Scholz, DÖV 1987, S. 358 ≪361≫, letzterer dazu, daß der östliche Teil Berlins aufgrund der Vorbehaltswirkungen des Besatzungsrechts und wegen seiner faktischen Abtrennung nach einhelliger Auffassung nicht Teil des Bundesgebiets werden konnte). Von daher ist nicht erkennbar, inwieweit dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Enteignung eine Rechtsposition zugestanden haben könnte, aus der sich ein Anspruch auf Rückerwerb des streitgegenständlichen Grundstücks ableiten ließe oder in die das angegriffene Urteil durch Verneinung eines solchen Anspruchs eingegriffen haben könnte. Eine Verpflichtung des Bundesgesetzgebers zur nachträglichen Schaffung eines Rückübereignungstatbestands besteht insoweit ebensowenig wie für Grundstücke, die im Gebiet der in Art. 1 Abs. 1 des Einigungsvertrags genannten Länder enteignet wurden.
c) Vor diesem Hintergrund ist schließlich auch kein Raum für die Annahme, daß das angegriffene Revisionsurteil den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG deshalb verletzt, weil es von Enteignungsmaßnahmen betroffene Grundstückseigentümer im früheren Ost-Berlin anders behandelt als Eigentümer mit in den Westsektoren der Stadt belegenem Grundbesitz. Diese Verschiedenbehandlung erklärt sich hinreichend aus den unterschiedlichen Rechtsordnungen, die im Ost- und im Westteil Berlins galten. Auch insoweit trifft zu, was das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 9. Dezember 1997 (auf S. 19 des Umdrucks) gesagt hat.
d) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 1276188 |
NJW 1999, 3326 |
VIZ 1998, 372 |
WM 1998, 1068 |
NJ 1998, 416 |