Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist ein eingetragener Verein, der sich gemäß § 1 Abs. 2 seiner Satzung als Gewerkschaft versteht, in der die Beschäftigten der Polizeien der Länder, des Bundes und der Kommunen organisiert werden. Er hat sich die Aufgabe gestellt, die wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. Dazu strebt er unter anderem auch die Beteiligung an Personalratswahlen an. Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Wahlvorschläge für die Gruppe der Beamten wurden jedoch bei verschiedenen Personalratswahlen im Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen. Die hiergegen erhobenen Wahlanfechtungsklagen sind jeweils abgewiesen worden; letztinstanzlich wies das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsbeschwerden durch Beschlüsse vom 25. Juli 2006 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführerin kein Wahlanfechtungsrecht zustehe, weil sie keine Gewerkschaft im Sinne des § 22 Abs. 1 Landespersonalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfalen – LPVG – sei.
2. Mit den Verfassungsbeschwerden rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG.
Die von den Verwaltungsgerichten zur Anwendung gebrachte Auslegung des Begriffs “Gewerkschaft” verkenne Bedeutung und Tragweite des Art. 9 Abs. 3 GG. Durch das über den Wortlaut des § 22 Abs. 1 LPVG hinaus verlangte Erfordernis des “besonderen Gewichts” der Beamtenvereinigung habe das Bundesverwaltungsgericht eine Einschränkung vorgenommen, die mit der grundgesetzlich gewährleisteten Koalitionsfreiheit nicht zu vereinbaren sei. Die Auslegung verstoße auch gegen das Gebot der Chancengleichheit aller Wahlbewerber, weil sie zu einer ungleichen Behandlung von Gewerkschaften mit “besonderem Gewicht” und anderen Gewerkschaften führe. Schließlich verkenne das Bundesverwaltungsgericht, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des Landespersonalvertretungsgesetzes die Rechtsstellung der Einzelgewerkschaften habe stärken wollen. Dieses Anliegen werde durch die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts zu Nichte gemacht, sie erweise sich damit als willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫). Sie haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts verletzen Art. 9 Abs. 3 GG nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss eine Arbeitnehmervereinigung ungeschriebene Mindestvoraussetzungen erfüllen, um als Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne anerkannt werden zu können (vgl. BAGE 113, 82 ≪89≫); diese Rechtsprechung wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. BVerfGE 58, 233 ≪248 f.≫). Danach ist es mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit vereinbar, den Rechtsstatus der Gewerkschaft von ungeschriebenen Mindestvoraussetzungen abhängig zu machen. Dazu gehört insbesondere eine gewisse Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, die “sicherstellt, dass dieser wenigstens Verhandlungsangebote nicht übersehen kann” (BVerfGE 58, 233 ≪249≫). Eine Gewerkschaft muss daher ausreichend leistungsfähig sein, damit sich ihr Gegenspieler jedenfalls veranlasst sieht, auf Verhandlungen einzugehen. Unterhalb dieser Mindestschwelle kommt der Vereinigung keine ausreichende Autorität zu, um den Anwendungsbereich der Koalitionsfreiheit sinnvoll gestalten zu können.
An diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht in den angegriffenen Entscheidungen angeknüpft. Es hat darüber hinaus dargelegt, dass die Vorschriften des Landespersonalvertretungsgesetzes den Gewerkschaften Befugnisse und Rechte einräumen, die sonst nur einer Mehrzahl von Beschäftigten oder dem Dienststellenleiter zustehen. Diese Privilegien sind jedoch nur gerechtfertigt, wenn es sich bei den Gewerkschaften um Vereinigungen handelt, denen im Hinblick auf die Regelungen des Landespersonalvertretungsgesetzes ein besonderes Gewicht zukommt. Die Auslegung des Begriffs der Gewerkschaft im Sinne des § 22 Abs. 1 LPVG ist daher nachvollziehbar und entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 9 Abs. 3 GG.
2. Die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht auch im Einklang mit dem Gebot der Gleichheit der Wahl. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beschwerdeführerin nach den vorangegangenen Ausführungen nicht als Gewerkschaft im Sinne des Landespersonalvertretungsgesetzes behandelt werden musste und ihr damit auch kein Recht auf Abgabe eigenständiger Wahlvorschläge nach § 16 Abs. 4 Satz 1 LPVG zustand. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass auch die Ungleichbehandlung von Wahlvorschlägen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn und soweit sie dazu dient, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken (vgl. BVerfGE 111, 289 ≪302≫). Ebenso wie die Zulassung eines Wahlvorschlags vom Erreichen eines bestimmten Unterschriftenquorums abhängig gemacht werden kann, findet daher auch das Erfordernis einer ausreichenden Verhandlungs- oder Einwirkungsmacht einer Gewerkschaft eine sachliche Rechtfertigung.
3. Die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts erweisen sich schließlich auch nicht wegen Missachtung des gesetzgeberischen Willens als willkürlich. Insoweit geht bereits die Darstellung der Beschwerde fehl, der Gesetzentwurf sei von der Zielstellung geprägt gewesen, Berufsverbände und Gewerkschaften weitgehend gleichzustellen. Dieser Ansatz lag zwar dem Gesetzentwurf zu Grunde (vgl. LTDrucks 7/3543, S. 49 und S. 66). Das Vorhaben ist im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht realisiert worden; vielmehr ist das Wort “Berufsverbände” in § 2 Abs. 1 des Entwurfs gerade deshalb gestrichen worden, um zu vermeiden, dass kleinere Interessenverbände mit allen personalvertretungsrechtlichen Rechten ausgestattet würden (LTDrucks 7/4343, S. 11). Der von der Beschwerdeführerin behauptete gesetzgeberische Wille hat in das Landespersonalvertretungsgesetz 1974 deshalb keinen Eingang gefunden. Im Übrigen hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Entstehungsgeschichte der Norm ausführlich und nachvollziehbar auseinandergesetzt, so dass von willkürlicher Rechtsanwendung ohnehin keine Rede sein kann.
Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen