Der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kommt nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in Rechte des Bürgers eingreift, vollständig der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫). Dem Bedürfnis nach wirksamem Rechtsschutz dürfen sich die Fachgerichte bei der Gewährung von Eilrechtsschutz nicht dadurch entziehen, daß sie überspannte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes stellen (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪74≫; 93, 1 ≪15≫).
Hieran gemessen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß dem “untergetauchten” Beschwerdeführer zu 1. die begehrte einstweilige Anordnung wegen fehlenden Anordnungsgrundes mit der Begründung versagt worden ist, Eilrechtsschutz könne auch nach Bekanntwerden seines Aufenthaltsortes noch rechtzeitig gewährt werden. Die Fallbeispiele aus Baden-Württemberg, die von den Beschwerdeführern im fachgerichtlichen Verfahren zum Beleg für eine Eilbedürftigkeit auch bei untergetauchten Antragstellern vorgebracht worden sind, mußten für das Verwaltungsgericht angesichts der ihm bekannten Behördenpraxis in Hessen, auf die es vorliegend allein ankam, noch nicht von Verfassungs wegen die Eilbedürftigkeit und damit den Anordnungsgrund zum Zeitpunkt seiner Entscheidungen bewirken.
Die von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang erstmals im Rahmen der Verfassungsbeschwerde problematisierte Frage der Ermöglichung einer freiwilligen Ausreise (als Anordnungsgrund) ist bislang noch nicht Gegenstand einer fachgerichtlichen Prüfung gewesen (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
Mit ihren Ausführungen zum Bestehen eines Anordungsanspruchs aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG können die Beschwerdeführer nicht durchdringen, denn auf den “nur ergänzenden” Ausführungen zu Art. 6 GG und Art. 8 EMRK beruhen die beiden angegriffenen Beschlüsse vom 23. Juli 1999 nicht. Die alle angegriffenen Beschlüsse tragende Verneinung eines Anordnungsgrundes bedeutet nicht, daß das Verwaltungsgericht bei gegebener Eilbedürftigkeit – also bei Bekanntwerden des Aufenthaltsortes des Beschwerdeführer zu 1., so daß seine Abschiebung tatsächlich vollzogen werden könnte – die Prüfung eines Anordnungsanspruchs unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG ablehnen würde. Im Gegenteil deuten seine Hilfserwägungen in den beiden Beschlüssen vom 23. Juli 1999 darauf hin, daß es dann – gegebenenfalls tragend – in die entsprechende Prüfung eintreten würde.
Die “ergänzenden” Hinweise des Verwaltungsgerichts in den Beschlüssen vom 23. Juli 1999 geben der Kammer allerdings für ein mögliches weiteres Eilverfahren nach Bekanntwerden des Aufenthaltsortes des Beschwerdeführers zu 1. Anlaß zu folgenden Bemerkungen:
Die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiäre Bindung des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, bei ihrer Ermessensausübung pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 76, 1 ≪49 ff.≫; 80, 81 ≪93≫). Es ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und einem von ihm als Vater anerkannten deutschen Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil dem deutschen Kind wegen dessen Beziehung zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (vgl. BVerfGE 76, 1 ≪49 ff.≫; 80, 81 ≪93 ff.≫ sowie Kammerbeschlüsse vom 1. Oktober 1992 – 2 BvR 1365/92 –, InfAuslR 1993, S. 10 f., und vom 10. August 1994 – 2 BvR 1542/94 –, InfAuslR 1994, S. 394 f.). Dabei läßt sich das Bestehen einer aufenthaltsrechtlich schützenswerten Beistandsgemeinschaft verfassungsrechtlich tragfähig nicht allein mit einem Verweis auf die Möglichkeit der Betreuung im erforderlichen Umfang auch durch die Mutter verneinen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte (vgl. BVerfGE 80, 81 ≪95≫ und Kammerbeschlüsse vom 25. Oktober 1995 – 2 BvR 901/95 –, BayVBl 1996, S. 144, vom 1. August 1996 – 2 BvR 1119/96 –, InfAuslR 1996, S. 341 f., und vom 20. März 1997 – 2 BvR 260/97 –, in JURIS veröffentlicht). Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, daß der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird, sondern der Vater – allein oder gemeinsam mit der Mutter – wesentliche elterliche Betreuungsleistungen erbringen kann, die gegebenenfalls auch als Beistandsgemeinschaft aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG entfalten (vgl. Kammerbeschluß vom 20. März 1997 – 2 BvR 260/97 –, in JURIS veröffentlicht).
Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) das gemeinsame Sorgerecht auch für nichteheliche Kinder geschaffen und die gemeinsame Sorge auch bei Scheidung der Eltern nunmehr als Regelfall vorgesehen. Er hat damit seiner aus Art. 6 Abs. 1 GG bestehenden Verpflichtung zum besonderen Schutz der Familie Rechnung getragen (für nichteheliche Kinder auch der aus Art. 6 Abs. 5 GG zur Schaffung gleicher Bedingungen wie für eheliche Kinder). Ein Zurücktreten des Vollzugsinteresses könnte daher nunmehr bereits aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung zugunsten nichtehelicher Väter und eines gemeinsamen Sorgerechts sowie eines Anspruchs des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen anzunehmen sein (vgl. §§ 1626 Abs. 1 und 3, 1626a BGB; vgl. auch § 1684 Abs. 1 BGB). Insofern weisen die Beschwerdeführer zutreffend auf die zusammen mit der Mutter der Beschwerdeführerin zu 2. am 8. Juli 1999 notariell erklärte Anerkennung der Vaterschaft durch den Beschwerdeführer zu 1. und die gemeinsame Sorgerechtserklärung sowie darauf hin, daß es sich auch um einen in die Abwägung einzubeziehenden öffentlichen Belang und nicht lediglich das private Interesse des Beschwerdeführer zu 1. handele.
Die Belange der Bundesrepublik Deutschland überwiegen die durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten privaten Interessen des Beschwerdeführers zu 1. und der Beschwerdeführerin zu 2. nicht ohne weiteres schon deshalb, weil der Beschwerdeführer zu 1. vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Durch das nachträgliche Entstehen einer von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG grundsätzlich geschützten Lebensgemeinschaft ist eine neue Situation eingetreten. Es müßte daher aufgezeigt werden, durch welches verfassungsrechtlich beachtliche überwiegende Interesse eine Entfernung des Beschwerdeführers zu 1. aus dem Bundesgebiet dennoch gerechtfertigt sein kann (vgl. Kammerbeschluß vom 10. August 1994 – 2 BvR 1542/94 –, InfAuslR 1994, S. 394 f.).
Das Verwaltungsgericht hat zudem bei seinen Ausführungen, daß eine vorübergehende Trennung nicht unverhältnismäßig sei, nicht zu erkennen gegeben, welchen Zeitraum einer Trennung des Beschwerdeführers zu 1. von der Beschwerdeführerin zu 2. es für noch zumutbar hält. Wenn es in diesem Zusammenhang allein auf die Möglichkeit der Weiterverfolgung des in der Hauptsache begehrten Aufenthaltsrechts vom Ausland aus sowie darauf verweist, daß die Trennung nicht auf Dauer angelegt sei, so läßt dies besorgen, daß es auch eine längere Trennungszeit noch als “vorübergehend” und damit zumutbar ansieht. Es ist indes zu berücksichtigen, daß gerade bei einem kleinen Kind – die Beschwerdeführerin zu 2. ist zweieinhalb Jahre alt – die Entwicklung sehr schnell voranschreitet, so daß hier auch eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 Abs. 2 GG schon unzumutbar lang sein kann.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.