Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluss: Rüge einer unzureichenden Absicherung des Krankheitsrisikos durch eine Versicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung erfordert ggf substantiierte Darlegungen, dass ärztliche Leistungen trotz Einschaltung der Kassenärztlichen Vereinigung nicht zu erlangen waren. keine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB V (juris: SGB 5) dahingehend, dass auch bisher privat Krankenversicherte iS dieser Vorschrift versicherungspflichtig wären
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2, § 92; SGB 5 § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b, § 75 Abs. 3a S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Absicherung des Krankheitsrisikos im sogenannten Basistarif der privaten Krankenversicherung in verfassungsrechtlich relevanter Weise unzureichend ist und daher für derart versicherte Personen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung bestehen muss.
I.
Rz. 2
Der 1944 geborene Beschwerdeführer bezieht Altersrente und ergänzend Sozialhilfe in Form der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Er war bis 2009 selbständig tätig und bis 31. August 2012 privat krankenversichert. Während der Verbüßung einer Haftstrafe kündigte das Versicherungsunternehmen die Versicherung wegen Zahlungsverzugs.
Rz. 3
Nach der Haftentlassung beantragte der Beschwerdeführer die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung. Dies lehnte die im Ausgangsverfahren beklagte AOK ab. Klage und Berufung blieben erfolglos: Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe nicht, da der Beschwerdeführer zuletzt bei einer privaten Krankenversicherung versichert gewesen sei; die Unterbrechung durch die Haftzeit mit dem daraus resultierenden Anspruch auf Gesundheitsfürsorge stehe dem nicht entgegen. Die Beschwerde wegen der vom Landessozialgericht nicht zugelassenen Revision verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig.
Rz. 4
Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, er habe insbesondere aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Da sich aus seiner nunmehrigen Versicherung im Basistarif einer privaten Krankenversicherung kein Behandlungsanspruch gegen Ärzte und andere Leistungserbringer ergebe und diese wegen der im Vergleich zu anderen privatärztlichen Behandlungen reduzierten Vergütung zur Behandlung häufig Zuzahlungen verlangten oder zur Behandlung nicht bereit seien, genüge die Versicherung im Basistarif nicht zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Ob diese unzureichende Versorgung ehemaliger Privatpatienten dazu führe, dass diese unabhängig von der einfach-gesetzlichen Lage einen verfassungsunmittelbaren Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung hätten, brauche nicht entschieden zu werden. Es reiche aus, § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe b SGB V verfassungsgemäß auszulegen. Es möge zwar sein, dass der Gesetzgeber in der Vorschrift habe zum Ausdruck bringen wollen, nur solche Personen würden von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst, die bisher weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen seien; dies werde im Gesetz aber nicht zum Ausdruck gebracht. Dies ergebe sich daraus, dass das Wort "oder" in § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe b SGB V die alternativen tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung abgrenze, die in einem Versicherungsstatus bestünden, der entweder "nicht gesetzlich" oder "privat" gewesen sei, so dass auch Personen wie er auf Grund von § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe b SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig seien.
II.
Rz. 5
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht.
Rz. 6
1. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts wendet, beachtet er bei seiner Argumentation, die allein auf die vermeintliche materielle Verfassungswidrigkeit der Ablehnung seiner Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung gestützt ist, nicht, dass das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen und also keine Entscheidung in der Sache getroffen hat.
Rz. 7
2. a) Im Übrigen ergibt sich die unzureichende Substantiierung einer möglichen Verletzung in Grund- oder grundrechtsgleichen Rechten bereits daraus, dass der Beschwerdeführer die angegriffenen Bescheide vom 12. und 26. September 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 7. April 2014 nicht vorgelegt und ihren Inhalt nur kursorisch beziehungsweise gar nicht mitgeteilt hat.
Rz. 8
b) Zudem lässt das Vorbringen auch inhaltlich die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert erkennen.
Rz. 9
aa) Der Beschwerdeführer stützt seine Verfassungsbeschwerde zentral auf das Argument, auf Grund der vermeintlich unzureichenden Absicherung des Krankheitsrisikos durch eine Versicherung im Basistarif sei der Staat seiner Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums nicht ausreichend nachgekommen, obwohl auch die Versicherung im Basistarif einen Leistungsumfang zu decken hat, der gerade dem in der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, den der Beschwerdeführer zum Maßstab seiner Argumentation macht (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen - VAG). Der Beschwerdeführer macht geltend, entsprechende Leistungen seien tatsächlich nicht erreichbar, da er keinen unmittelbaren Behandlungsanspruch gegen Ärzte und sonstige Leistungserbringer habe. Damit aus dieser Argumentation auch nur die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ersichtlich werden könnte, hätte der Beschwerdeführer sich allerdings substantiierter mit dem Sicherstellungsauftrag der Kassen(zahn)ärztlichen (Bundes-)Vereinigungen befassen müssen: Zum einen hätte er - allgemein - dartun müssen, dass die genannten öffentlich-rechtlich verfassten Körperschaften ihren gesetzlichen Pflichten aus § 75 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht genügten. Konkret hätte er zudem darlegen müssen, dass er sich trotz Einschaltung der zur Sicherstellung verpflichteten Kassenärztlichen Vereinigung vergeblich um eine Behandlung zu den Bedingungen des Basistarifs bemüht hat. Dazu genügt die vom ihm vorgelegte Liste mit tatsächlich erbrachten Zuzahlungen nicht.
Rz. 10
Auch für Leistungsbereiche wie der physiotherapeutischen Behandlung, hinsichtlich derer eine Sicherstellungsverpflichtung nicht existiert, hätte eine substantiierte Verfassungsbeschwerde konkrete Darlegungen dazu verlangt, dass dies tatsächlich zu Versorgungsschwierigkeiten führt. Auch sonst sind nämlich Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums keineswegs durchgängig als Zugang zu entsprechenden Sachleistungen ausgestaltet. So stellt der Gesetzgeber im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe die Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs als pauschalierte Geldleistung zur Verfügung, ohne dass dies, soweit es sich um marktgängige Güter handelt, als solches problematisch wäre. Verfassungsrechtlich relevante Fragen entstehen vielmehr erst dann, wenn die entsprechenden Geldmittel nicht ausreichen, um sich die zur Existenzsicherung benötigten Leistungen zu verschaffen. Das aber wäre konkret darzulegen gewesen. Auch insofern genügt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht.
Rz. 11
bb) Selbst wenn aber Versorgungsprobleme hinreichend substantiiert vorgetragen worden wären, wäre noch nicht ausreichend dargetan, dass § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe b SGB V in dem vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Sinne verfassungskonform ausgelegt werden könnte und daher die angegriffenen Entscheidungen verfassungswidrig sein könnten. Zwar ist zutreffend, dass die Stellung des Wortes "nicht" in § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe b SGB V es grundsätzlich erlaubt, dieses nur auf das unmittelbar sich anschließende Wort "gesetzlich" und nicht auch auf das nach dem Wort "oder" folgende "privat" zu beziehen. Inhaltlich aber wäre ein derartiges Verständnis - das sprachlich, anders als der Beschwerdeführer offenbar meint, keineswegs zwingend ist - nicht sinnvoll, weil die Worte "oder privat" dann keinen relevanten eigenen Bedeutungsgehalt mehr hätten, da eine privat krankenversicherte Person regelmäßig nicht gesetzlich krankenversichert ist. Mehr noch: Bei einem derartigen Verständnis würde die Aufnahmemöglichkeit (und Versicherungspflicht) aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe b SGB V auf alle zuvor nicht gesetzlich Krankenversicherten erstreckt; da andererseits § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V alle zuvor gesetzlich Krankenversicherten erfasst, wäre - nimmt man beide Alternativen zusammen und folgte dem vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Verständnis - über § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V jedermann in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert (sofern er aktuell keinen anderweitigen Versicherungsschutz hat und nicht unter § 5 Abs. 5 oder § 6 SGB V fällt). Es wäre nicht nur unnötig, dies so kompliziert zu formulieren, sondern ist auch ganz ersichtlich nicht der Sinne der Vorschrift, die dazu dient, zu einer ausgewogenen Lastenverteilung zwischen beiden Versicherungssäulen zu gelangen (BVerfGE 123, 186 ≪244≫). Überdies hätte es dann der Regelungen über den Basistarif in der privaten Krankenversicherung, die Versicherungspflicht in § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz und den Kontrahierungszwang für die Versicherungsunternehmen aus § 152 Abs. 2 VAG nicht bedurft.
Rz. 12
Bei dem vom Beschwerdeführer favorisierten Verständnis von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V würde es sich daher nicht mehr um verfassungskonforme Auslegung, sondern um eine Korrektur des Gesetzes handeln. Zu der Frage, ob es dafür hinreichende Gründe geben könnte und ob eine unterstellte unzureichende Versorgung gerade dazu führen müsste, dass der Beschwerdeführer die Aufnahme in die gesetzlichen Krankenversicherung verlangen kann, hat er aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. In diesem Zusammenhang ist daher nur darauf hinzuweisen, dass die Absicherung im Krankheitsfall zwar sicherlich zur Existenzsicherung gehört und daher aus Verfassungsgründen gewährleistet sein muss. Im Hinblick auf das Versicherungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung ist aber zumindest sehr zweifelhaft, dass ein Betroffener die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung verlangen kann, wenn er zur Beitragstragung (jedenfalls aus eigenen Mitteln) nicht mehr in der Lage ist, während er sich zuvor, als er finanziell besser gestellt war, für eine private Absicherung des Krankheitsrisikos entschieden hatte. Näherliegend wäre es demgegenüber, da es sich um Fragen der Existenzsicherung handelt, dass der Betroffene einen Anspruch auf weitere Leistungen gegen den hierfür zuständigen Sozialleistungsträger haben könnte, unterstellt die Absicherung im Basistarif erwiese sich tatsächlich in verfassungswidrig relevanter Weise als unzureichend (ablehnend hierzu allerdings zum Beispiel Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Oktober 2016 - L 8 SO 246/15 -, juris).
III.
Rz. 13
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts liegen mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht vor.
Rz. 14
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI11275140 |