Leitsatz (amtlich)
Zur Verfassungsmäßigkeit des Solidarfonds Abfallrückführung
Tenor
Artikel 1 § 8 „Solidarfonds Abfallrückführung”) des Ausführungsgesetzes zu dem Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Ausführungsgesetz zum Basler Übereinkommen) vom 30. September 1994 (BGBl I S. 2771) ist mit Ausnahme der Sätze 1 bis 4 des Absatzes 1 sowie der Absätze 4 und 5 mit Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 72, Artikel 74, Artikel 105 und Artikel 110 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob die Regelungen zum „Solidarfonds Abfallrückführung” und die dort bestimmte Abgabe zur Finanzierung der Kosten staatlicher Abfallrückführung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit den Anforderungen an die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe, vereinbar sind.
I.
1. Das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (BGBl II 1994 S. 2703) statuiert in Artikel 8 eine Wiedereinfuhrpflicht des Ausfuhrstaates für den Fall, dass eine grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle nicht entsprechend den vertraglichen Bedingungen zu Ende geführt werden kann.
Artikel 8
Wiedereinfuhrpflicht
Kann eine grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle, der die betroffenen Staaten vorbehaltlich dieses Übereinkommens zugestimmt haben, nicht entsprechend den vertraglichen Bestimmungen zu Ende geführt werden, so sorgt der Ausfuhrstaat dafür, dass die betreffenden Abfälle vom Exporteur in den Ausfuhrstaat zurückgeführt werden, falls binnen 90 Tagen, nachdem der Einfuhrstaat den Ausfuhrstaat und das Sekretariat unterrichtet hat, oder binnen einer anderen von den betroffenen Staaten vereinbarten Frist keine anderen Regelungen für ihre umweltgerechte Entsorgung getroffen werden können. Zu diesem Zweck werden der Ausfuhrstaat und jeder Durchfuhrstaat, der Vertragspartei ist, die Rückführung dieser Abfälle in den Ausfuhrstaat nicht ablehnen, aufhalten oder verhindern.
Ferner besteht aus Artikel 9 des Basler Übereinkommens eine Rückführungspflicht des Ausfuhrstaates für den unerlaubten Verkehr mit Abfällen:
Artikel 9
Unerlaubter Verkehr
(1) Als unerlaubter Verkehr im Sinne dieses Übereinkommens gilt jede grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle,
- die ohne eine nach dem Übereinkommen erforderliche Notifikation an alle betroffenen Staaten erfolgt,
- die ohne die nach dem Übereinkommen erforderliche Zustimmung eines betroffenen Staates erfolgt,
- die mit einer durch Fälschung, irreführende Angaben oder Betrug erlangten Zustimmung der betroffenen Staaten erfolgt,
- die im wesentlichen nicht mit den Papieren übereinstimmt oder
- die zu einer vorsätzlichen Beseitigung [z.B. Einbringen (dumping)] gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle entgegen diesem Übereinkommen und allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts führt.
(2) Gilt eine grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle infolge des Verhaltens des Exporteurs oder des Erzeugers als unerlaubter Verkehr, so sorgt der Ausfuhrstaat dafür, dass die betreffenden Abfälle
- vom Exporteur oder vom Erzeuger oder, falls notwendig, von ihm selbst in den Ausfuhrstaat zurückgeführt werden oder, falls dies praktisch nicht möglich ist,
- in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen anderweitig entsorgt werden,
und zwar binnen 30 Tagen, nachdem der Ausfuhrstaat über den unerlaubten Verkehr unterrichtet wurde, oder binnen einer anderen von den betroffenen Staaten zu vereinbarenden Frist. Zu diesem Zweck werden die betroffenen Vertragsparteien die Rückführung dieser Abfälle in den Ausfuhrstaat nicht ablehnen, aufhalten oder verhindern.
(3) Gilt eine grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle infolge des Verhaltens des Importeurs oder des Entsorgers als unerlaubter Verkehr, so sorgt der Einfuhrstaat dafür, dass die betreffenden Abfälle vom Importeur oder vom Entsorger oder, falls notwendig, von ihm selbst binnen 30 Tagen, nachdem der Einfuhrstaat von dem unerlaubten Verkehr Kenntnis erhalten hat, oder binnen einer anderen von den betroffenen Staaten zu vereinbarenden Frist umweltgerecht entsorgt werden. Zu diesem Zweck arbeiten die betroffenen Vertragsparteien nach Bedarf bei einer umweltgerechten Entsorgung zusammen.
(4) …
(5) …
Zur Umsetzung dieser Regelungen erließ der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl EG Nr. L 30/1). Die Verordnung greift die Rückführungsbestimmungen auf und ergänzt sie um die Pflicht, Sicherheit für eine eventuelle Rückführung zu leisten:
Artikel 25
(1) Kann ein Abfalltransport, dem die betroffenen zuständigen Behörden zugestimmt haben, nicht rechtzeitig gemäß den Bestimmungen des in den Artikeln 3 und 6 genannten Begleitscheins bzw. Vertrages durchgeführt werden, so sorgt die zuständige Behörde am Versandort innerhalb von 90 Tagen, nachdem sie verständigt wurde, dafür, dass die notifizierende Person die Abfälle in ihren Zuständigkeitsbereich oder an einen anderen Ort im Versandstaat zurücksendet, es sei denn, es ist hinreichend sichergestellt, dass die Beseitigung oder Verwertung auf eine andere umweltverträgliche Weise erfolgen kann.
(2) …
(3) …
Artikel 26
(1) Als illegale Verbringung gilt:
- eine Verbringung ohne Notifizierung an alle betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung,
- eine Verbringung ohne Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung,
- eine Verbringung mit einer durch Fälschung, falsche Angaben oder Betrug erlangten Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden,
- eine Verbringung, die dem Begleitschein sachlich nicht entspricht,
- eine Verbringung, die eine Beseitigung oder Verwertung unter Verletzung gemeinschaftlicher oder internationaler Bestimmungen bewirkt,
- eine Verbringung, die nicht in Einklang mit den Artikeln 14, 16, 19 und 21 steht.
(2) Hat die notifizierende Person die illegale Verbringung zu verantworten, so sorgt die zuständige Behörde am Versandort dafür, dass die betreffenden Abfälle
- von der notifizierenden Person oder erforderlichenfalls von der zuständigen Behörde selbst wieder in den Versandstaat verbracht werden oder, sofern dies nicht möglich ist,
- anderweitig auf eine umweltverträgliche Weise beseitigt oder verwertet werden;
dies hat innerhalb von 30 Tagen, nachdem die zuständige Behörde von der illegalen Verbringung in Kenntnis gesetzt wurde, oder innerhalb einer anderen mit den betroffenen zuständigen Behörden vereinbarten Frist zu geschehen.
…
(3) …
(4) …
(5) …
Artikel 27
(1) Für jede Verbringung von Abfällen, die unter diese Verordnung fällt, ist die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung oder der Nachweis einer entsprechenden Versicherung erforderlich, durch die die Kosten der Beförderung einschließlich der Rücksendung in den Fällen nach den Artikeln 25 und 26 und der Beseitigung oder Verwertung abgedeckt sind.
(2) Derartige Sicherheitsleistungen werden freigegeben, wenn
- mit der Bescheinigung über die Beseitigung oder die Verwertung der Abfälle der Nachweis erfolgt ist, dass die Abfälle am Bestimmungsort eingetroffen und auf umweltverträgliche Weise beseitigt oder verwertet worden sind;
- mit dem Dokument T 5 gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2823/87 der Kommission (ABl Nr. L 270 vom 23.9.1987, S. 1) der Nachweis erfolgt ist, dass im Falle der Durchfuhr durch die Gemeinschaft die Abfälle die Gemeinschaft verlassen haben.
(3) Jeder Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm im Rahmen dieses Artikels festgelegten innerstaatlichen Rechtsvorschriften. Die Kommission leitet diese Informationen an alle Mitgliedstaaten weiter.
Der Bundesgesetzgeber verabschiedete ein Ausführungsgesetz zum Basler Übereinkommen (Ausführungsgesetz zu dem Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung ≪Ausführungsgesetz zum Basler Übereinkommen≫ vom 30. September 1994, BGBl I S. 2771), das zugleich der Durchführung der EG-Verordnung dient. Artikel 1 dieses Ausführungsgesetzes enthält das Abfallverbringungsgesetz (AbfVerbrG). Ein wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzes sind die nähere Konkretisierung der Rückführungspflicht sowie die Deckung der durch die Wiedereinfuhr entstehenden Kosten.
Zur Deckung dieser Kosten setzt § 7 AbfVerbrG die in der EG-Verordnung vorgegebene Sicherheitsleistung um und errichtet § 8 AbfVerbrG den „Solidarfonds Abfallrückführung”:
§ 7
Sicherheitsleistung
(1) In Ausführung von Artikel 27 der EG-Abfallverbringungsverordnung darf eine notifizierungsbedürftige Verbringung von Abfällen in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes nur erfolgen, wenn die notifizierende Person zuvor Sicherheit geleistet oder eine entsprechende Versicherung nachgewiesen hat und ihrer Pflicht zur Beteiligung an dem Solidarfonds gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 nachgekommen ist.
(2) Zuständig für die Festlegung und die Freigabe der Sicherheit ist die zuständige Behörde des Versandortes. Wird im Falle der Verbringung von Abfällen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes von der zuständigen Behörde des Versandortes die Entscheidung über die Verbringung nicht von der Hinterlegung einer Sicherheit oder dem Nachweis einer entsprechenden Versicherung abhängig gemacht oder hat die inländische Behörde Anlass zu der Annahme, dass die von der Behörde am Versandort geforderte Sicherheit oder Versicherung nicht geeignet ist, alle in Artikel 27 der EG-Abfallverbringungsverordnung genannten Kosten und Risiken abzudecken, legt sie die erforderliche Sicherheit oder Versicherung durch Bedingung oder Auflage selbst fest.
(3) Zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der Wiedereinfuhr und schadlosen Verwertung oder gemeinwohlverträglichen Beseitigung entstehenden Kosten kann die Sicherheitsleistung verwendet oder die Versicherung in Anspruch genommen werden.
§ 8
Solidarfonds Abfallrückführung
(1) Es wird ein „Solidarfonds Abfallrückführung” (Solidarfonds) als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Die Anstalt gilt mit Inkrafttreten dieses Gesetzes als entstanden. Organe der Anstalt sind der Vorstand und der Verwaltungsrat. Die Anstalt untersteht der Aufsicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Entstehen im Falle des § 6 Abs. 3 Kosten, trägt diese bis zu einer Höhe von 75 Millionen Deutsche Mark für jeweils drei Jahre der Solidarfonds. Notifizierende Personen im Sinne der EG-Abfallverbringungsverordnung sind verpflichtet, unter Berücksichtigung von Art und Menge der zu verbringenden Abfälle Mitgliedsbeiträge zur Deckung der Leistungen und Verwaltungskosten des Solidarfonds an die Anstalt zu leisten. Mitgliedsbeiträge, die nach jeweils drei Jahren nicht verwendet worden sind, werden an die Beitragspflichtigen nach vorheriger Rückzahlung der nach Absatz 2 geleisteten Nachschüsse anteilig rückerstattet. Der Solidarfonds kann Leistungen anbieten, mit denen die notifizierenden Personen ihre Verpflichtung erfüllen, eine Sicherheit zu leisten oder eine entsprechende Versicherung nachzuweisen. Das Nähere über die Anstalt, insbesondere
- die Beitragspflicht und die Beitragspflichtigen,
- die Bemessung der Beiträge,
- das Verfahren zur Festsetzung und Erhebung der Beiträge,
- die Inanspruchnahme des Solidarfonds im Falle des § 6 Abs. 3,
- die Pflicht zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Unterlagen gegenüber dem Solidarfonds, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist, und
- die Ausgestaltung der Aufsicht über die Anstalt einschließlich der Genehmigung des Haushalts,
bestimmt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft durch Rechtsverordnung.
(2) Soweit die vom Solidarfonds gemäß Abs. 1 Satz 5 bereitzustellenden Mittel zur Abdeckung der durch Rückführungen und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung entstehenden Kosten nicht ausreichen, sind die Länder nach Abzug eines durch Rechtsverordnung nach Satz 2 festzulegenden Bundesanteils nach einem entsprechend Bevölkerungszahl und Steueraufkommen gebildeten Verteilungsschlüssel (Königsteiner Schlüssel) oder einem anderen zwischen den Ländern vereinbarten Schlüssel zum Nachschuss verpflichtet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit soll im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft mit Zustimmung des Bundesrates den Fondsumfang durch Rechtsverordnung abweichend von Absatz 1 Satz 5 festlegen, wenn der tatsächliche Bedarf in einem Zeitraum von drei Jahren die Summe nach Satz 5, in den ersten drei Jahren nach Errichtung des Solidarfonds die jährlich aufzubringende Summe, um mehr als 20 vom Hundert über- oder unterschreitet.
(3) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft durch Rechtsverordnung Aufgaben und Befugnisse des Solidarfonds einer anderen juristischen Person zuzuweisen, wenn diese bereit ist, die Aufgaben zu übernehmen und sie hinreichende Gewähr für die Erfüllung der Aufgaben bietet. Wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 vorliegen, kann die juristische Person den Fondsumfang durch Satzungsänderung selbst abweichend festlegen. Durch die Rechtsverordnung kann sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Genehmigung der Satzung dieser juristischen Person und von Satzungsänderungen durch diese juristische Person vorbehalten und die Aufsicht über die juristische Person regeln. Des weiteren wird das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt zu bestimmen, von dem ab die Anstalt oder die juristische Person in Anspruch genommen werden kann.
(4) Der Solidarfonds kann von Rückführpflichtigen nach § 6 Abs. 1 Satz 1, soweit er für deren Pflichten einsteht, Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Erstattungsansprüche gegen einen Rückführpflichtigen gehen auf den Solidarfonds über, soweit dieser Kosten für die Rückführung und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung der Abfälle übernommen hat.
(5) Der Solidarfonds ist von der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Vermögensteuer befreit.
Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass ein Schlüsselbegriff für die Abgabeverpflichtung der der „notifizierenden Person” nach der EG-Abfallverbringungsverordnung ist. Der Begriff ist dort wie folgt definiert:
Artikel 2
Im Sinne dieser Verordnung sind
a) …
…
g) „notifizierende Person”: alle Personen, die zur Notifizierung verpflichtet sind, d.h. eine der nachstehend genannten Personen, die beabsichtigt, Abfälle zu verbringen oder verbringen zu lassen;
i) die Person, durch deren Tätigkeit Abfälle angefallen sind (Abfallerzeuger); oder
ii) wenn dies nicht möglich ist: ein von einem Mitgliedstaat zugelassener Einsammler
oder eingetragener oder zugelassener Händler oder Makler, der für die Beseitigung oder Verwertung von Abfällen sorgt; oder
iii) wenn diese Personen unbekannt oder nicht zugelassen sind: die Person, die im Besitz der Abfälle ist oder über sie verfügt (Besitzer); oder
iv) im Falle der Einfuhr der Abfälle in oder ihrer Durchfuhr durch die Gemeinschaft: die in den Rechtsvorschriften des Versandstaats bestimmte Person oder, wenn eine solche Person nicht bestimmt wurde, die Person, die im Besitz der Abfälle ist oder über sie verfügt (Besitzer).
…
2. Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung zum Abfallverbringungsgesetz sah vor, dass mit der Wiedereinfuhrpflicht einschließlich der Kostentragung das jeweils betroffene Land belastet werden sollte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs, BTDrucks 12/6351, S. 7; später § 5 Abs. 1 Satz 3, BTDrucks 12/7032, S. 10 f.). Die Bundesregierung hielt eine solche Regelung wegen der bestehenden Länderzuständigkeit für die Überwachung und Genehmigung für sachgerecht und insoweit der Vollzugskompetenz folgend (BTDrucks 12/6351, S. 17; vgl. auch BRDrucks 304/93, S. 46). Insbesondere wegen dieser Kostenregelung lehnte der Bundesrat den Gesetzentwurf in seiner ersten Fassung ab.
Das Gesetz wurde zunächst ohne Fondsregelung mit den Stimmen der Regierungskoalition vom Deutschen Bundestag verabschiedet (BT-Plenarprotokoll 12/216, S. 18717 ≪A und B≫). Die Ländermehrheit im Bundesrat rief daraufhin am 3. Mai 1994 den Vermittlungsausschuss an. Der Bund dürfe seine völkerrechtliche Wiedereinfuhrpflicht nicht auf die Länder abwälzen (BTDrucks 12/7479, S. 4). Zugleich schlug der Bundesrat die Einführung einer Fondslösung vor (a.a.O., S. 4 f. ≪§ 6a≫). Die Fondslösung wurde im Vermittlungsausschuss angenommen und vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats verabschiedet.
Die Idee eines Solidarfonds wurde in einer beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eingerichteten Projektgruppe entwickelt (Bericht der Projektgruppe Basler Übereinkommen, BMU, Stand: 3. Januar 1994). Das Bundesministerium der Justiz äußerte in einem Schreiben vom 24. Februar 1994 verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen Finanzierung des Fonds durch Beiträge der Abfallentsorger. Das Justizministerium vertrat die Auffassung, dass es sich um eine Sonderabgabe handele, die die engen Voraussetzungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Sonderabgaben erfüllen müsse. Unbeschadet der Frage, ob die Voraussetzungen der Gruppenhomogenität und der Gruppenverantwortung vorlägen, erscheine vor allen Dingen das Kriterium der Gruppennützigkeit zweifelhaft. Denn in erster Linie stehe der Fonds für die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland (innerstaatlich das jeweilige Land) ein, in den im Übereinkommen genannten Fällen die Wiedereinfuhr zu sichern. Nutznießer der Sonderabgaben, durch die der Fonds gespeist werde, sei also die Bundesrepublik Deutschland, deren durch das Übereinkommen festgelegte Wiedereinfuhrpflicht als öffentliche Aufgabe finanziert werde.
Zu den finanziellen Ausmaßen der Tätigkeit des Solidarfonds lassen folgende Zahlenangaben aus verschiedenen Rückerstattungsbescheiden des Fonds eine grobe Schätzung zu: Für den Abrechnungszeitraum August 1999 bis August 2002 Beitragseinnahmen von 7.745.057,00 Euro, Wiedereinfuhrkosten von 25.760,00 Euro, Verwaltungskosten von 1.229.267,00 Euro und Zinseinnahmen von 844.034,00 Euro; für den Zeitraum von Juli 2001 bis Juli 2004 Beitragseinnahmen von 3.308.801,00 Euro, Wiedereinfuhrkosten von 75.507,00 Euro, Verwaltungskosten von 926.219,00 Euro und Zinseinnahmen von 648.121,00 Euro.
Die Bundesregierung hat dazu mitgeteilt, dass das Soll-Vermögen des Fonds mehrfach abgesenkt worden sei, nämlich von 75 Millionen DM über 30 Millionen DM (1. Juni 1996) auf 16 Millionen DM bzw. 8 Millionen Euro (1. Januar 2002). Die Angemessenheit der Verwaltungskosten sei vom Bundesrechnungshof nicht beanstandet worden.
3. Am 27. Februar 2003 stellte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem von der Kommission betriebenen Verfahren fest, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Erlass dieses Gesetzes gegen Art. 23 und 25 EG verstoßen habe, da die fragliche Abgabe die gleiche Wirkung wie eine Ausfuhrzollabgabe entfalte und eine Ausnahme vom Verbot der Erhebung von Abgaben mit zollgleicher Wirkung nicht vorliege (EuGH, RS C-389/00, Slg. 2003-2, I-2022). Am 16. März 2005 hat die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abfallverbringungsgesetzes sowie zur Auflösung und Abwicklung der Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung” beschlossen.
II.
Die Beschwerdeführerinnen des Verfahrens 2 BvR 2335/95 rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 24, Art. 72, Art. 105 und Art. 110 GG. Die Beschwerdeführerinnen des Verfahrens 2 BvR 2391/95 rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 ff. GG.
1. a) Die Beschwerdeführerinnen des Verfahrens 2 BvR 2335/95 meinen, dass sich neben der allgemeinen Abgabenbelastung eine zusätzlich bestehende Finanzierungsverantwortung der notifizierenden Personen nicht rechtfertigen lasse. Der insoweit durch den Solidarfonds begründete „Mitgliedsbeitrag” könne weder als Steuer noch als Verbandslast eingeordnet werden.
Um eine Verbandslast handele es sich nicht, weil der Solidarfonds Abfallrückführung keinen korporativen Charakter habe. Zwar lasse sich die Gruppenzugehörigkeit der beitragspflichtigen Abfallerzeuger, -entsorger und -transporteure anhand spezifischer Merkmale einigermaßen sicher bestimmen, aber die bloße Abgrenzbarkeit einer Gruppe und ihre spezifische Aufgaben- oder Finanzierungsverantwortung erhebe sie noch nicht in den Stand einer rechtlich verfassten Personenvereinigung. Die einzige Klammer, welche die Gruppe der notifizierenden Personen mit der Fondsorganisation verbinde, sei die Pflicht, Beiträge in den Fonds zu entrichten. Der Organisation sei keine Aufgabenerfüllung in Selbstverwaltung übertragen. Die eigentliche Verwaltungsaufgabe der Überwachung der Abfallexporte bleibe in unmittelbar staatlicher Hand und werde durch staatliche Behörden wahrgenommen. Auch hätten die Beitragszahler keinerlei Mitwirkungsrechte oder sonstige, über die Beitragsleistung hinausgehenden Pflichten. Der Fonds sei damit eher staatsnahe Apparatur zur Beitreibung von Finanzmitteln als ein aus dem Staat herausgelöster begrenzt autonomer Verwaltungsträger.
Als Steuer könne der „Mitgliedsbeitrag” unabhängig von seiner formalen Bezeichnung und haushaltsmäßigen Behandlung mit Sicherheit deswegen nicht bezeichnet werden, weil er nicht voraussetzungslos von allen Bürgern erhoben werde, auf die der Abgabentatbestand zutreffe, sondern an einen spezifischen Belastungsgrund einer abgegrenzten Personengruppe anknüpfe. Der „Mitgliedsbeitrag” könne auch nicht als Vorzugslast (Gebühr oder Beitrag) qualifiziert werden. Nach dem herkömmlichen Gebührenbegriff könne von einer Gebühr nur die Rede sein, wenn der Abschöpfung ein verhältnismäßiger staatlicherseits zugewandter Nutzen in einem gleichsam synallagmatischen Verhältnis korrespondiere. Die zur Finanzierung des Solidarfonds herangezogenen Beitragspflichtigen erlangten für ihren Beitrag keinerlei Gegenleistung in diesem Sinne. Auch wenn man einer Erweiterung des klassischen Gebührenbegriffs um die so genannten Kostenüberwälzungs- und Verleihungsgebühren zu folgen bereit wäre, komme eine Rechtfertigung als Gebühr nicht in Frage. Denn auch in diesem Fall sei eine individuelle Kostenverantwortung des Belasteten erforderlich. Anders als bei der Nutzung knapper Ressourcen, bei der über die Zulässigkeit einer Verleihungsgebühr nachgedacht werden könne, scheide dies im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil es lediglich um die Ausübung verfassungsrechtlich garantierter Grundrechte (hier der Berufsausübungsfreiheit) gehe. Die bloße Gestattung der Grundrechtsausübung könne nicht entgeltpflichtig gemacht werden. Der Staat dürfe den Grundrechtsgebrauch nicht verkaufen.
Der „Mitgliedsbeitrag” könne auch nicht durch den Gedanken einer „Versichertengemeinschaft potentieller Verursacher” gerechtfertigt werden. Die Auffassung, dass das umweltrechtliche Verursacherprinzip geeignet sei, die Kostenregelung des Abfallverbringungsgesetzes einschließlich des Solidarfonds Abfallrückführung zu legitimieren, könne nicht überzeugen. Danach rechtfertige sich die Inanspruchnahme der „Solidargemeinschaft” der notifizierenden Personen statt der Allgemeinheit der Steuerzahler daraus, dass die notifizierenden Personen eine „Verantwortungsgemeinschaft der Abfallwirtschaft” bildeten, die in spezifischer Sachnähe zu den Aufgaben der Abfallrückführung stehe. Die Finanzierungsverantwortlichkeit der Abfallexporteure ergebe sich daraus, dass die Missstände, deren Beseitigung Aufgabe des Verbands sei, durch den Abfallexport hervorgerufen würden.
Diese Begründung der Verantwortlichkeit der Branche der Abfallentsorgungs- und Exportwirtschaft gehe fehl, weil sie die Solidarverantwortung der Gruppe der Abfallexporteure letztlich darauf gründe, dass dieser Gewerbezweig überhaupt existiere. Lasse man ein solches Argument zu, dann könne man jeden Gewerbezweig, der sich mit der Herstellung nicht ganz ungefährlicher Produkte befasse, darüber hinaus auch jede Bevölkerungsgruppe, die solche Produkte erwerbe oder mit ihnen umgehe, für die ordnungsrechtlichen Kosten verantwortlich machen, die sich aus der nicht bestimmungsgemäßen oder gar missbräuchlichen Herstellung oder dem entsprechenden Gebrauch solcher Produkte ergäben.
Im Übrigen sei nicht erkennbar, woraus sich die Solidarpflicht der ordnungsgemäß notifizierenden Branchenangehörigen für die vorsätzlich rechtswidrig exportierenden „schwarzen Schafe” im Abfallexportwesen ergeben solle. Die Ausübung einer missbrauchsfähigen, aber grundrechtlich erlaubten und geschützten Tätigkeit könne nicht ohne weiteres eine Haftung für vorsätzlichen Missbrauch durch Dritte begründen.
Da sich insgesamt die Kostenüberwälzung auf die zum Solidarfonds Abfallrückführung beitragspflichtigen Gewerbetreibenden mangels einer aktuellen oder potentiellen Verursachungsbeziehung der Pflichtigen zu dem Risiko illegaler Abfallexporte als Vorzugslast (Gebühr oder Beitrag) nicht begründen lasse, handele es sich um eine Sonderabgabe.
Diese sei, jedenfalls wenn sie überwiegend Finanzierungsfunktion habe, nur unter den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten engen Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig, die jedoch nicht erfüllt seien.
Es sei nicht erkennbar, welches sachliche Kriterium die vom Solidarfonds Abfallrückführung betroffenen Unternehmen zu einer homogenen Gruppe verbinden solle. Eine spezifische Sachnähe der notifizierenden Abfallentsorgungsunternehmen könne allein dann angenommen werden, wenn man auf deren rein tatsächliche Betroffenheit abhebe. Aber auch in diesem Fall fehle es an einer Sachnähe zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck. Hiermit sei offenkundig ein Sachzweck gemeint, der mit den Abgaben finanziert werden solle. Ein solcher werde aber mit dem Solidarfonds Abfallrückführung nicht verfolgt, weil der Fonds einzig und allein der finanziellen Entlastung der öffentlichen Hände dienen solle.
Allein der Umstand, dass die Verhinderung und Rückführung illegaler Abfallexporte sachlich in der Nähe der Abfallexportwirtschaft liege, könne keine Gruppenverantwortung der Abfallexportwirtschaft für diese Sachaufgabe begründen. Mit dem Argument einer Branchenhaftung könnten die Kosten staatlicher Umwelt- und Wirtschaftspolitik durch ungezählte Sonderfonds aufgefangen werden, in die einzelne Branchen der Wirtschaft Zwangsbeiträge einzuzahlen hätten. Hierdurch würden die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Erhebung von Sonderabgaben konterkariert. Es würde nämlich verhindert, dass die Sonderabgabe ein spezielles gesetzgeberisches Instrument bleibe, das gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme darstelle.
b) Die Beschwerdeführerinnen des Verfahrens 2 BvR 2391/95 sehen in der Beitragspflicht in den Solidarfonds Abfallrückführung ebenfalls eine unzulässige Sonderabgabe. Lediglich das Kriterium der Homogenität der Gruppe sei erfüllt. Dagegen liege in der Rückführung illegaler Abfallexporte keine der Entsorgungsbranche obliegende besondere Aufgabe, sondern eine dem Staat zuzurechnende Gemeinlast, die aus Steuermitteln finanziert werden müsse. Der Solidarfonds Abfallrückführung habe einzig und allein den Zweck, die öffentlichen Hände finanziell zu entlasten. Aus diesem Grunde fehle der Zusammenhang mit der eigenen besonderen Sachaufgabe, die dem Solidarfonds obliege. Weiterhin fehle es an der von der Rechtsprechung geforderten spezifischen Sachnähe. Diese Sachnähe müsse zu dem verfolgten Sachzweck bestehen; da mit dem Solidarfonds ein solcher selbständiger Sachzweck außerhalb der Finanzierung nicht verfolgt werde, sei eine Sachnähe nicht erkennbar.
Auch fehle es an der notwendigen Gruppenverantwortung. Die Gruppenverantwortung beziehe sich, wie die spezifische Sachnähe, aus der sie entspringe, auf die besondere Sachaufgabe. Eine Verantwortungsbeziehung könne aber nur entstehen, wenn hierfür ein plausibler und überzeugender Sachgrund aufgewiesen werden könne. Dies sei aber gerade nicht der Fall. Vor allem die These von der Branchenhaftung für die „schwarzen Schafe” sei kein tragfähiger Zurechnungsgrund.
Schließlich fehle es auch an dem Erfordernis der Gruppennützigkeit. Es sei bislang nicht plausibel dargetan, worin der Nutzen der Rückführung illegaler Abfalltransporte für die Gruppe der gesetzestreuen Abfallexporteure liegen solle.
2. Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich die Bundesregierung und die Niedersächsische Landesregierung geäußert.
a) Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Ihrer Auffassung nach übersehen die Beschwerdeführerinnen, dass die legal Exportierenden selbst Nutznießer der staatlichen Garantenstellung für die Rückholung fehlgeschlagener Abfallexporte seien. Denn nur durch die völkerrechtliche Garantie der Bundesrepublik Deutschland, für die Kosten der Rückholung aller illegal exportierten Abfälle letztverantwortlich einzustehen (Art. 9 Abs. 2 Basler Übereinkommen), werde das Tätigkeitsfeld der Abfallexportbranche überhaupt erst eröffnet. Die das Tätigkeitsfeld der Abfallexportbranche begrenzenden völker- und europarechtlichen Regelungen verböten den Abfallexport grundsätzlich und verlangten die Entsorgung im Inland oder in der Nähe des Entstehungsortes. Nur unter bestimmten Bedingungen sei der Export nach Maßgabe des Basler Übereinkommens erlaubt. Grundsätzlich könne dieser nur in die Vertragsstaaten des Übereinkommens und nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass der jeweilige Entsendestaat die Ausfallhaftung für die legale Abwicklung aller von seinem Staatsgebiet ausgehenden Exporte übernehme. Hieraus folge, dass der Legitimationsgrund für die in § 8 AbfVerbrG eingeforderte Finanzierungsverantwortung der notifizierenden Abfallexporteure ein Vorteilsausgleich sei.
Der Beitrag zum Solidarfonds erfülle die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Gebühr. Die von der Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich übernommene Garantenstellung für die Rückführung fehlgeschlagener Abfallexporte erweise sich als eine staatliche Leistung, die ausschließlich individuell und konkret den Abfallexporteuren in dem Maße zugute komme, wie sie die völkerrechtlich abgesicherten Exportchancen nutzen wollten. Durch die völkerrechtliche Garantieübernahme Deutschlands erhielten die nach § 8 AbfVerbrG beitragspflichtigen „notifizierenden Personen” einen Sondervorteil gegenüber der Allgemeinheit.
Die Branchenförderung durch die staatliche Garantenstellung komme jedem Abfallexporteur bei jedem legalen Abfallexport zugute. Die kostenaufwendige staatliche Garantenstellung ermögliche jeden einzelnen legalen Abfallexport, so dass der jeweilige Exporteur einen individuellen Sondervorteil aus der staatlichen Garantenstellung erlange. Der Umstand, dass die staatliche Garantenstellung sich in einer Kostenübernahme für die Rückführung illegaler Abfallexporte zeige und das Gebührenaufkommen mithin nicht für die Gebührenschuldner selbst, sondern für die „schwarzen Schafe” der Branche eingesetzt werde, sei nach den aufgezeigten Zusammenhängen verfassungsrechtlich irrelevant. Denn der Staat finanziere die Rückabwicklung von illegalen Exporten durch „schwarze Schafe” im individuellen Interesse der legal handelnden Abfallexporteure.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen liege in der Einführung des Solidarfonds Abfallrückführung keine mit dem Grundgesetz unvereinbare Kommerzialisierung der Grundrechte der Abfallexporteure. Ein subjektives Recht der Exportierwilligen auf günstige internationale Exportbedingungen bestehe nicht. Es gebe keinen grundrechtlich ableitbaren Anspruch der Abfallexporteure gegen den Staat darauf, die außerhalb des Hoheitsgebiets liegenden Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass ein Exportgewerbe tatsächlich betrieben werden könne. Weder aus Art. 12 GG noch aus Art. 14 GG oder gar Art. 2 Abs. 1 GG lasse sich ein entsprechender Leistungsanspruch folgern. Soweit sich der Staat gleichwohl entschließe, Exportförderung für eine bestimmte Branche zu betreiben, so wie es vorliegend durch Ermöglichung des Abfallexports in die Vertragsstaaten des Basler Übereinkommens geschehen sei, dürfe er die Kosten dieser Fördermaßnahme auf die durch die Maßnahme begünstigten Exporteure im Wege einer (nichtsteuerlichen) Ausgleichsabgabe abwälzen.
Hilfsweise hält die Bundesregierung den „Mitgliedsbeitrag” zum Solidarfonds Abfallrückführung als Finanzierungssonderabgabe für verfassungsrechtlich zulässig. Sie erfülle einen besonderen Sachzweck, indem sie die Lasten finanziere, die dem Staat dadurch entstünden, dass er durch völkerrechtliche Vereinbarung die Garantie für die von seinem Hoheitsgebiet unternommenen Abfallexporte übernehme. Art. 2 Buchstabe g der EG-Abfallverbringungsverordnung enthalte eine Legaldefinition der „notifizierenden Personen”. Durch die dort genannten Merkmale seien die notifizierenden Personen als homogene Gruppe von der Allgemeinheit deutlich abgrenzbar.
Da für die Sonderabgabe kein stärkerer Zurechnungszusammenhang gefordert werden könne als für die Gebühr als verfassungsrechtlich unbedenklichster Erscheinungsform nichtsteuerlicher Abgabenerhebung, begründe der Ausgleich des durch die staatliche Garantieübernahme geschaffenen Vorteils für die Abfallexportbranche deren besondere Sachnähe zu der zu finanzierenden Aufgabe. Aus dieser Sachnähe ergebe sich zugleich die Gruppenverantwortung für den mit der Garantenstellung verbundenen staatlichen Aufwand.
Die „Mitgliedsbeiträge” würden auch gruppennützig verwendet. Das folge notwendig aus dem Gegenleistungscharakter der Abgabe. Das Abgabenaufkommen diene dazu, die Bedingung zu erfüllen, unter der nach den völker- und europarechtlichen Vorgaben Abfall zulässigerweise exportiert werden könne. Mit der Abgabe leisteten die deutschen Exporteure den von der Staatengemeinschaft festgesetzten Preis für ihre Zulassung zur internationalen Abfallverbringung.
b) Die Niedersächsische Landesregierung stimmt mit der Stellungnahme der Bundesregierung im Ergebnis überein und weist auf erhebliche Kosten durch illegale Abfalltransporte hin, mit denen ohne Einführung eines Solidarfonds die Länder belastet würden.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet.
I.
§ 8 Abs. 1 Satz 6 AbfVerbrG verletzt die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil die Abgabe als eine unzulässige Sonderabgabe gegen Art. 72 Abs. 2 (a.F.), Art. 74 Nr. 24 (a.F.) in Verbindung mit Art. 105 und Art. 110 Abs. 1 GG verstößt.
1. Öffentliche Abgaben greifen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 98, 83 ≪97≫). Die Abgabepflicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 AbfVerbrG (im Folgenden: Abfallausfuhrabgabe) knüpft tatbestandlich unmittelbar an bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten der „notifizierenden Personen” (insbesondere Produzenten, Händler, Besitzer – im Folgenden vereinfacht: Abfall exportierende Unternehmen) an. Sie ist eingefügt in den Zusammenhang eines abfallwirtschaftlichen Regulierungskonzepts und nimmt die Abgabepflichtigen gerade wegen ihrer Beteiligung an einem spezifischen abfallwirtschaftlichen (Export-)Markt in Anspruch. Eine solche Abgabenregelung greift in die Berufsfreiheit der Abgabepflichtigen ein und ist nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zulässig, das auch im Übrigen mit der Verfassung in Einklang steht.
2. Kompetenzrechtlicher Maßstab für die angegriffene Abgabepflicht sind Art. 70 ff. GG, hier insbesondere Art. 74 Nr. 24 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 (a.F.) GG. Art. 105 GG begründet als spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm Gesetzgebungskompetenzen für Steuern. Für öffentlich-rechtliche Abgaben, die keine Steuern sind (nichtsteuerliche Abgaben), richtet sich die Gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen Regeln über die Sachgesetzgebungskompetenzen (vgl. BVerfGE 4, 7 ≪13≫; 110, 370 ≪384≫; stRspr).
Die Abfallausfuhrabgabe ist nach ihrem tatbestandlich bestimmten materiellen Gehalt (vgl. BVerfGE 110, 370 ≪384≫) keine Steuer. Anders als Abgaben, die unter den herkömmlichen Steuerbegriff fallen, dient sie nicht der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines Gemeinwesens (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪178≫; 91, 186 ≪201≫). Das Aufkommen der Abgabe ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 und 7 AbfVerbrG ausschließlich der Deckung der Leistungen und Verwaltungskosten des Solidarfonds Abfallrückführung, also einem speziellen Finanzbedarf, gewidmet und fließt auch nicht in den allgemeinen Haushalt des Bundes, sondern unterliegt der Verwaltung des als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ausgestalteten Fonds. Mit einer so gestalteten Abgabe nimmt der Gesetzgeber eine besondere Finanzierungsverantwortung der Gruppe der Abgabepflichtigen in Anspruch. Dies lässt sich nur als Auferlegung einer nichtsteuerlichen Abgabe rechtfertigen (vgl. auch BVerfGE 108, 186 ≪212 f.≫).
3. Die Abfallausfuhrabgabe erfüllt nicht die besonderen Zulässigkeitsanforderungen, die sich für nichtsteuerliche Abgaben und insbesondere für Sonderabgaben aus den Begrenzungs- und Schutzfunktionen der bundesstaatlichen Finanzverfassung des Grundgesetzes ergeben. Die Abgabe hat mangels eines konkreten Gegenleistungsverhältnisses keine die herkömmlichen Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) prägende Ausgleichsfunktion. Der Abgabe fehlt auch die hinreichende Gruppennützigkeit und damit ein gegenüber der Steuer unterscheidungskräftiger Rechtfertigungsgrund für die Erhebung einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck (vgl. zuletzt BVerfGE 110, 370 ≪387 f.≫.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus den Begrenzungs- und Schutzfunktionen der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) Grenzen für Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz auferlegt. Die Finanzverfassung, die die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen – neben den Zöllen und Finanzmonopolen – nur für das Finanzierungsmittel der Steuer regelt, schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben verschiedener Art zwar nicht aus; das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabetypen. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes schützt insofern auch die Bürger.
Drei grundlegende Prinzipien der Finanzverfassung begrenzen die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben (vgl. BVerfGE 93, 319 ≪342 f.≫; 108, 1 ≪16 f.≫; 108, 186 ≪215 f.≫; 110, 370 ≪387 f.≫):
- Zur Wahrung der Geltungskraft der Finanzverfassung bedürfen nichtsteuerliche Abgaben – über die Einnahmenerzielung hinaus
- oder an deren Stelle – einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden.
- Die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe muss der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen. Der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe ist regelmäßig zugleich Steuerpflichtiger und wird schon als solcher zur Finanzierung der Lasten herangezogen, die die Gemeinschaft treffen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen.
- Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans (Art. 110 Abs. 1 GG) ist berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahmen- und Ausgabenkreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden.
b) Die Abfallausfuhrabgabe kann nicht als Gebühr oder Beitrag gerechtfertigt werden. Zu dem herkömmlichen Typus der Gebühr gehören öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung dem Gebührenschuldner auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (stRspr; vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 108, 1 ≪13≫; 110, 370 ≪388≫). Entsprechend werden Beiträge für die potentielle Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung oder Leistung erhoben (vgl. BVerfGE 110, 370 ≪388≫ m.w.N.).
Die Abfallausfuhrabgabe ist nicht durch öffentliche Leistungen veranlasst, die den Abgabepflichtigen individuell zurechenbar sind. Die Abgabe dient der Deckung von Kosten, die als Folge normwidrigen Verhaltens von Abfallexporteuren durch die Pflicht zur Rückführung exportierter Abfälle entstehen können, für deren Erfüllung die Vertragsstaaten des Basler Übereinkommens eine Garantenstellung übernommen haben. Weder die Übernahme der staatlichen Garantenpflichten im Zusammenhang mit fehlgeschlagenen Abfallexporten noch der Beitritt zum Basler Übereinkommen oder die innerstaatliche Umsetzung völkerrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen durch das Abfallverbringungsgesetz lassen sich als individuell zurechenbare öffentliche Leistungen qualifizieren. Zwar können die Abfallexporteure die Vorteile wirtschaftlich nutzen, die sich durch die Möglichkeiten zulässigen Exportierens ergeben. Dies stiftet jedoch keine – aktuellen oder potentiellen – individuellen Leistungsrechtsverhältnisse zwischen Staat und Abgabepflichtigen, wie sie für zulässige Gebühren oder Beiträge kennzeichnend sind. Bei den Kosten der staatlichen Garantenpflichten im Zusammenhang der Rückführung fehlgeschlagener Abfallexporte handelt es sich vielmehr um Folgekosten grenzüberschreitender internationaler und gemeinschaftsrechtlicher Kooperation der beteiligten Staaten im Interesse des Umweltschutzes, die in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit geschuldet sind und dieser auch nach Sinn und Zweck der Kooperation zugute kommen sollen.
Wesentlich kommt hinzu, dass die notifizierenden Personen ihrerseits für jede notifizierungsbedürftige Verbringung von Abfällen gemäß § 7 AbfVerbrG Sicherheit zu leisten haben, die im Fall der Rückführung in Anspruch genommen werden darf. Die Fondszahlungen sind deshalb nicht durch Risiken veranlasst, die von den notifizierenden Abgabepflichtigen geschaffen sind, und bringen diesen angesichts ihrer eigenen Gewährleistung durch Sicherheitsleistung auch keine potentiellen Vorteile. Die Zahlungen des Fonds entlasten vielmehr allein den für die Rückführung nicht notifizierter, also illegaler Transporte (vgl. Art. 26 Abs. 1 Buchstabe a) EG-Abfallverbringungsverordnung) gewährleistungspflichtigen Staat.
An diesem Befund kann auch die gesetzliche Bezeichnung als Mitgliedsbeitrag nichts ändern. Insbesondere kann die Abgabe nicht als eine so genannte Verbandslast (vgl. z.B. BVerwGE 42, 210 ≪217≫; BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 2002 – 9 B 15/02 –, NVwZ 2002, S. 1508) gerechtfertigt werden. Der Solidarfonds ist nicht mitgliedschaftlich als Körperschaft, sondern als Anstalt strukturiert, deren Vorstand vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit berufen wird (§ 2 Abs. 1 Verordnung über die Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung vom 20. Mai 1996 ≪BGBl I S. 694≫, vgl. auch § 5 Abs. 2 der Verordnung zum Verfahren und § 10 der Verordnung zur Fach- und Rechtsaufsicht), während die Abgabepflichtigen mit eigenen mitgliedschaftlichen Rechten nicht ausgestattet sind. Zudem beschränken sich die Aufgaben des Solidarfonds ohne einen weitergehenden Zweck auf die Bereitstellung, Verwaltung und Auszahlung der durch die Abgabe erzielten Einnahmen.
c) Eine Rechtfertigung als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion im engeren Sinn scheidet jedenfalls mangels gruppennütziger Verwendung des Abgabenaufkommens aus.
aa) Für Sonderabgaben im engeren Sinn hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung besonders strenge Anforderungen entwickelt. Sonderabgaben im engeren Sinn zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nimmt, obwohl weder ein Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer ausschließen. Sonderabgaben schaffen trotz ihrer Ähnlichkeit mit den ebenfalls „voraussetzungslos” erhobenen Steuern neben diesen und außerhalb der Grundsätze steuergerechter Verteilung der Gemeinlasten zusätzliche Sonderlasten und gefährden in den Fällen organisatorischer Ausgliederung des Abgabenaufkommens und seiner Verwendung aus dem Kreislauf staatlicher Einnahmen und Ausgaben zugleich das Budgetrecht des Parlaments. Wegen dieser Gefährdungen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen sowie des parlamentarischen Budgetrechts unterliegen Sonderabgaben engen Grenzen und müssen deshalb gegenüber den Steuern seltene Ausnahmen bleiben (stRspr; vgl. BVerfGE 55, 274 ≪308≫; 108, 186 ≪217≫ m.w.N.).
Der Gesetzgeber darf sich der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, die in einer spezifischen Beziehung (Sachnähe) zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht und der deshalb eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden kann. Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet werden (BVerfGE 75, 108 ≪147 f.≫; vgl. aus der stRspr näher BVerfGE 55, 274 ≪305 ff.≫; 67, 256 ≪275 ff.≫; 82, 159 ≪179 ff.≫). Zusätzlich muss der Gesetzgeber im Interesse wirksamer parlamentarisch-demokratischer Legitimation und Kontrolle die erhobenen Sonderabgaben haushaltsrechtlich vollständig dokumentieren (vgl. BVerfGE 108, 186 ≪218 f.≫).
bb) An diesen Anforderungen ist die Abfallausfuhrabgabe zu messen, da es an besonderen unterscheidungskräftigen Belastungsgründen für sonstige Abgaben (vgl. BVerfGE 101, 141 ≪150 f.≫) im Übrigen fehlt: Die Abgabe ist zumindest überwiegend durch ihren Finanzierungszweck geprägt, und mangels besonderer Vorteile auf Grund öffentlicher Leistung (vgl. oben, b) kann es insbesondere auch nicht um eine Vorteilsabschöpfung (vgl. BVerfGE 93, 319 ≪345≫) gehen.
Innerhalb des Ensembles der speziellen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck besteht eine besonders enge Verbindung zwischen der spezifischen Beziehung oder auch Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Zweck der Abgabenerhebung, einer daraus ableitbaren Finanzierungsverantwortung und der gruppennützigen Verwendung des Abgabenaufkommens. Sind Sachnähe zum Zweck der Abgabe und Finanzierungsverantwortung der belasteten Gruppe der Abgabepflichtigen gegeben, so wirkt die zweckentsprechende Verwendung des Abgabenaufkommens zugleich gruppennützig, entlastet die Gesamtgruppe der Abgabenschuldner nämlich von einer ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Aufgabe. Die Erfüllung dieser Merkmalsgruppe in ihrem Zusammenspiel bildet zugleich den entscheidenden Rechtfertigungsgrund für eine zu der Gemeinlast der Steuern hinzutretende Sonderlast und sichert so die Wahrung verhältnismäßiger Belastungsgleichheit.
cc) Die Kosten pflichtgemäßer Rückführung fehlgeschlagener Abfallexporte lassen sich ökonomisch als Kosten der Beteiligung Deutschlands am Basler Übereinkommen formulieren. Sieht man mit der Bundesregierung diese Beteiligung als eine Förderungsmaßnahme zugunsten der Abfall exportierenden Unternehmen an, so liegt es auf den ersten Blick nahe, besondere Sachnähe und Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen sowie die Gruppennützigkeit der Abgabenverwendung zu bejahen. Da die Staaten in überwiegender Zahl weltweit dem Übereinkommen beigetreten sind, blieben wegen des vertraglichen Verbots grenzüberschreitender Abfalltransporte mit Nicht-Vertragsparteien (Art. 4 Abs. 5 des Basler Übereinkommens) wesentliche Exportmöglichkeiten nur durch die Beteiligung am Übereinkommen eröffnet. Durch die Kombination dieses Verbots mit der Rückführungspflicht des Exportstaates (Art. 8 und Art. 9) können die Kosten dieser Rückführungspflicht auch als Kosten der Zugänglichkeit des Exportmarktes bezeichnet werden. Indes mögen die abgabepflichtigen Unternehmen diesem Exportmarkt zwar evident näher stehen als die Gesamtheit der Steuerpflichtigen, einen Schluss auf eine korrespondierende Sachnähe und Finanzierungsverantwortlichkeit für die Kosten der Rückführung lässt dies jedoch noch nicht zu.
In der Sache bedeutet die finanzielle Inpflichtnahme der notifizierenden Personen die Zurechnung einer Finanzierungsverantwortung für die Folgen fremden Fehlverhaltens. Nur in den Fällen, in denen Abfallexporte nicht notifiziert werden und also das betreffende Unternehmen auch keine Sicherheitsleistung für den potentiellen Rücktransport erbracht hat, bekommt die Garantenstellung des Staates praktische Bedeutung. Mit der Notifizierung und der dadurch veranlassten Sicherheitsleistung oder Versicherung werden alle Abfallexporteure für die Gewährleistung einer Rückführung der eigenen Abfallexporte im Falle des Fehlschlags in Anspruch genommen. Sie sind Zurechnungssubjekte der Finanzierungsverantwortung für die je selbst veranlassten Umweltrisiken ihres Exports. Die verbleibenden Restrisiken, für die der Staat als Vertragspartner des Basler Übereinkommens einzustehen hat, sind nicht Konsequenz eines gemeinsamen Risikos aller Nutzer des Exportmarktes, sondern Folge individuellen Fehlverhaltens in den Fällen illegaler Nutzung. Die Grundsätze über die Zulässigkeit von Sonderabgaben schließen es zwar nicht von vornherein aus, über eine solche Abgabe im Wege so genannter Fondslösungen auch die Beseitigung der Folgen von Fehlverhalten – beispielsweise umweltschädigendem Verhalten – in Fällen zu finanzieren, in denen die in erster Linie Verantwortlichen nicht herangezogen werden können, weil sie nicht auffindbar oder nicht zahlungsfähig sind oder aus anderen Gründen eine effektive individuelle Schadenszurechnung nicht möglich ist. Voraussetzung dafür ist aber unter anderem, dass es sich, zumindest im Wesentlichen, um eine Ausfallverantwortung für das Verhalten von Angehörigen gerade derjenigen Gruppe handelt, die zur Finanzierung herangezogen wird. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Mit der Abfallausfuhrabgabe belastet wird die Gruppe derjenigen Abfallexporteure, die ihre Notifizierungspflicht im Zusammenhang mit der Abfallverbringung ins Ausland erfüllen. Finanziert wird mit Hilfe der Abgabe dagegen im typischen Fall die Beseitigung der Folgen eines Fehlverhaltens von Abfallexporteuren, die ihre Notifizierungspflicht und daher auch die damit verbundene Pflicht, Sicherheit zu leisten, gerade nicht erfüllt haben.
Zudem bezweckt die Beteiligung am Basler Übereinkommen in erster Linie Umweltschutz durch Marktregulierung, also durch Beschränkung der Freiheit der Marktteilnehmer. Im Hinblick auf diese Zielsetzung hätte sich die Bundesrepublik Deutschland einer Beteiligung schon aus Gründen einer im vorrangigen Interesse der Allgemeinheit glaubwürdigen Umweltpolitik kaum entziehen können. Rechtlich bindend kam die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft vom 1. Februar 1993 hinzu, durch die auch erst die umfassenden Gewährleistungspflichten der Abfallexporteure im Hinblick auf die je selbst veranlassten Risiken der eigenen notifizierten Exporte begründet wurden. Diese Verordnung aber schließt, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften inzwischen entschieden hat (EuGH, RS C-389/00, Slg. 2003-2, I-2022), für ihren Geltungsbereich ohnehin die finanzielle Inpflichtnahme der Exporteure für die Folgen fremden Verhaltens aus, weist also die Kosten der mitgliedstaatlichen Gewährleistung der Rückführung fehlgeschlagener Transporte im praktischen Ergebnis den öffentlichen Haushalten zu. Auch dies spricht dafür, eine spezifische Sachnähe der Abgabepflichtigen zu den primär umweltpolitischen Zielsetzungen des Abfallverbringungsgesetzes zu verneinen, soweit es um die Bewältigung von Umweltrisiken geht, die nicht durch eigenes, sondern durch fremdes Fehlverhalten veranlasst sind. Danach entfallen auch Sachnähe und Finanzierungsverantwortung für die Kosten der staatlichen Einstandspflicht für die Rückführung fehlgeschlagener Abfallexporte. Es handelt sich hierbei um die Erfüllung völkerrechtlich und gemeinschaftsrechtlich begründeter Pflichten im Interesse eines wirksamen Umweltschutzes, für deren Zurechnung zur Verantwortungssphäre der besonderen Gruppe der Abgabepflichtigen statt zu jener der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen sachliche Gründe von besonderem Gewicht nicht zu erkennen sind.
4. Ob die angegriffenen Regelungen unter weiteren Gesichtspunkten verfassungswidrig sind und ob die festgestellte Verfassungswidrigkeit auch die Verletzung anderer Grundrechte zur Folge hat, bedarf hiernach keiner Entscheidung.
II.
Die Verfassungswidrigkeit der als Sonderabgabe gestalteten Abfallausfuhrabgabe gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 AbfVerbrG führt zur Nichtigkeit der Gesamtregelung zum Solidarfonds Abfallrückführung gemäß § 8 AbfVerbrG mit Ausnahme der Sätze 1 bis 4 des Absatzes 1 sowie der Absätze 4 und 5. Besondere Gründe gegen die Nichtigkeit als Regelfolge der Verfassungswidrigkeit einer Norm sind vorliegend nicht erkennbar.
Die Nichtigkeit der Abfallausfuhrabgabe gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 AbfVerbrG hat die Nichtigkeit der Gesamtregelung des § 8 AbfVerbrG zum Solidarfonds Abfallrückführung mit den genannten Ausnahmen zur Folge, denn mit dem Wegfall der Abgabe als Instrument zur Finanzierung der staatlichen Garantenpflichten bei der Rückführung fehlgeschlagener Abfallexporte verliert die Gesamtregelung überwiegend ihren Sinn (vgl. grundlegend BVerfGE 8, 274 ≪301≫). Einen praktisch bedeutsamen Sinn für die Durchführung von Abwicklungsaufgaben behalten lediglich die genannten Regelungen der Eingangssätze zur Errichtung des Solidarfonds als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die Bestimmungen der Absätze 4 und 5 zu möglichen Ansprüchen gegen Rückführpflichtige auf Aufwendungsersatz und zum Übergang von Erstattungsansprüchen sowie zu Steuerbefreiungen des Absatzes 5.
III.
Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Hassemer, Jentsch, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen