Leitsatz (amtlich)
Es ist mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Minderjähriger (GG Art 2 Abs 1 in Verbindung mit GG Art 1 Abs 1) nicht vereinbar, daß Eltern ihre Kinder kraft elterlicher Vertretungsmacht (BGB § 1269) bei Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft finanziell unbegrenzt verpflichten können.
Tenor
1. § 1629 Absatz 1 in Verbindung mit § 1643 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18. Juli 1979 (Bundesgesetzbl. I S. 1061) – SorgeRG – ist insoweit mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar, als danach Eltern im Zusammenhang mit der Fortführung eines zu einem Nachlaß gehörenden Handelsgeschäfts ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung Verbindlichkeiten zu Lasten ihrer minderjährigen Kinder eingehen können, die über deren Haftung mit dem ererbten Vermögen hinausgehen.
2. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober 1984 – II ZR 223/83 – verletzt die Beschwerdeführerinnen zu 1 und 2 in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführerinnen die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß Eltern ihre Kinder im Rahmen der gesetzlichen Vertretungsmacht finanziell in unbegrenzter Höhe verpflichten können.
I.
1. Das Recht und die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen, steht bei ehelichen Kindern grundsätzlich den Eltern zu. Die dafür maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18. Juli 1979 (BGBl. I S. 1061) lauten:
§ 1626
(1) Der Vater und die Mutter haben das Recht und die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfaßt die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
(2) …
§ 1629
(1) Die elterliche Sorge umfaßt die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 Abs. 1 übertragen ist.
(2) …
(3) …
Nach dem Tode eines Elternteils steht die elterliche Sorge gemäß § 1681 Abs. 1 Satz 1 dem anderen Teil allein zu.
Die Befugnis der Eltern zur Vertretung des Kindes unterliegt jedoch verschiedenen Einschränkungen. Dazu bestimmt
§ 1643
(1) Zu Rechtsgeschäften für das Kind bedürfen die Eltern der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in den Fällen, in denen nach § 1821 und nach § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 ein Vormund der Genehmigung bedarf.
(2) …
(3) …
Die genehmigungspflichtigen Grundstücksgeschäfte sind in § 1821 erfaßt. Die sonstigen genehmigungspflichtigen Geschäfte regelt
§ 1822
Der Vormund bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts:
- zu einem Rechtsgeschäfte, durch das der Mündel zu einer Verfügung über sein Vermögen im ganzen oder über eine ihm angefallene Erbschaft oder über seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil verpflichtet wird, sowie zu einer Verfügung über den Anteil des Mündels an einer Erbschaft;
- …
- zu einem Vertrage, der auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts gerichtet ist, sowie zu einem Gesellschaftsvertrage, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird;
- …
- zu einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem anderen Vertrage, durch den der Mündel zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Mündels fortdauern soll;
- …
- …
- zur Aufnahme von Geld auf den Kredit des Mündels;
- zur Ausstellung einer Schuldverschreibung auf den Inhaber oder zur Eingehung einer Verbindlichkeit aus einem Wechsel oder einem anderen Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann;
- zur Übernahme einer fremden Verbindlichkeit, insbesondere zur Eingehung einer Bürgschaft;
- zur Erteilung einer Prokura;
- …
- …
Nach § 1645 sollen Eltern nicht ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ein neues Erwerbsgeschäft im Namen des Kindes beginnen.
2. a) Bis zum Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz – GleichberG) vom 18. Juni 1957 (BGBl. I S. 609) hatte allein der Vater grundsätzlich das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen. Ihm stand kraft seiner elterlichen Gewalt auch die Nutznießung am Kindesvermögen zu (§§ 1627, 1649 BGB vom 18. August 1896 – RGBl. S. 195). Diese wurde durch das Gleichberechtigungsgesetz nicht etwa auf Vater und Mutter gemeinsam übertragen, sondern ganz abgeschafft. Unter anderem wurde das damit begründet, die Gläubiger der Eltern hätten keinen Anspruch darauf, sich aus den Nutzungen des Kindesvermögens zu befriedigen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf: BTDrucks. II/224, S. 61).
b) Die Genehmigungspflicht des § 1643 Abs. 1 BGB wurde bereits in das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896 aufgenommen. Allerdings bezog sie sich nach altem Recht nur auf Rechtsgeschäfte, die der Gewalthaber als gesetzlicher Vertreter im Namen des Kindes vornahm. Soweit er dagegen kraft seiner Nutznießung am Kindesvermögen im eigenen Namen handelte, war er an die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht gebunden (vgl. Staudinger/Engler, Kommentar zum BGB, 10./11. Aufl., Viertes Buch, § 1643 Rdnr. 2). Der Wortlaut des § 1822 BGB hat sich seit 1896 – abgesehen von der Ersetzung in Nummer 5 „nach Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres” durch „nach dem Eintritt der Volljährigkeit” – nicht geändert.
Aus den Motiven zu § 1822 Nr. 3 BGB ergibt sich, daß man Verträge über den entgeltlichen Erwerb eines Erwerbsgeschäfts sowie zur Eingehung eines Gesellschaftsvertrages zum Zweck der Betreibung eines Erwerbsgeschäfts wegen ihrer Bedeutung und der damit verbundenen Gefahren der Genehmigungspflicht unterworfen hat und die Genehmigungsbedürftigkeit als Ergänzung zur Ordnungsvorschrift des § 1663 BGB (heute: § 1645 BGB) für notwendig erachtete. Der Erwerb eines Erwerbsgeschäfts durch Erbfolge oder Vermächtnis sollte nicht genehmigungspflichtig sein (Motive, S. 1145, abgedruckt bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. IV, S. 607). Wie beim Vormund (Motive, S. 1136, bei Mugdan, a.a.O., S. 602) ging man offensichtlich davon aus, es sei nicht möglich, die Vertretungsmacht des Vaters hinsichtlich besonders wichtiger, über die Grenzen einer gewöhnlichen Vermögensverwaltung hinausgehender Rechtsgeschäfte durch eine allgemeine prinzipielle Vorschrift zu beschränken. Das Gesetz müsse sich vielmehr mit der Aufstellung „einzelner bestimmter und greifbarer Kategorien” begnügen.
II.
1. Die Beschwerdeführerinnen wurden am 15. Mai 1964 und am 5. Oktober 1969 geboren. Sie sind die Töchter eines 1974 verstorbenen Einzelkaufmanns, der unter seinem Namen einen Handel mit Landmaschinen betrieben hatte. Zusammen mit ihrer Mutter haben die Beschwerdeführerinnen ihren Vater beerbt. Die Mutter entschloß sich, mit ihren Töchtern die Firma in ungeteilter Erbengemeinschaft fortzuführen. Eine entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte im Juli 1974.
Im Jahre 1978 wollte die Mutter die Erbauseinandersetzung herbeiführen und das Handelsgeschäft mit Wirkung ab Juli 1978 in eine Kommanditgesellschaft umwandeln. Die Beschwerdeführerinnen sollten mit einer Einlage von je 20 000 DM als Kommanditisten beteiligt werden. Auf Antrag der Mutter wurden für die Beschwerdeführerinnen Ergänzungspfleger bestellt.
Die beiden Verträge wurden zwar abgeschlossen, vormundschaftsgerichtlich jedoch nicht genehmigt.
Die in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführte Firma hatte im Frühjahr 1978 Geschäftsbeziehungen zur Klägerin des Ausgangsverfahrens, einem Herstellungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, aufgenommen. Nachdem sie in Zahlungsschwierigkeiten gekommen war und die GmbH & Co. KG wegen erheblicher offener Forderungen gegen sie einen Arrestbefehl erwirkt hatte, gab die Mutter im eigenen, im Namen der Firma und zugleich für die Beschwerdeführerinnen ein notarielles Schuldanerkenntnis über rund 851 000 DM nebst 12% Zinsen ab. Dabei unterwarf sie sich namens aller Beteiligten der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde. Das Vormundschaftsgericht hat die zu dieser Urkunde erbetene Genehmigung nicht erteilt, sondern der Mutter der Beschwerdeführerinnen am 18. Februar 1981 unter gleichzeitiger Pflegerbestellung die Vermögenssorge für ihre Kinder entzogen.
Da auf die anerkannte Schuld nur 20 000 DM bezahlt wurden, begann die GmbH & Co. KG, aus der notariellen Urkunde zu vollstrecken. Insbesondere ließ sie die Ansprüche der Miterbinnen auf Erbauseinandersetzung pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Anschließend beantragte sie die Teilungsversteigerung des Hausgrundstücks, das den wesentlichen Wert der Erbmasse darstellt.
2. Nachdem der Pfleger die Verbindlichkeit des Schuldanerkenntnisses gegenüber den Beschwerdeführerinnen bestritten hatte, erhob die GmbH & Co. KG Klage auf Feststellung, daß das Schuldanerkenntnis auch gegenüber den Beschwerdeführerinnen wirksam sei.
a) Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Fortführung des Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft habe nicht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurft, jedoch sei das von der Mutter abgegebene Schuldanerkenntnis gegenüber den Beschwerdeführerinnen unwirksam. Die Verwaltung des Nachlasses stehe nach § 2038 Abs. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich zu. Die Erbengemeinschaft könne zwar einen der Miterben zur Vornahme von Verwaltungsgeschäften bevollmächtigen. Wegen des Kontrahierungsverbots des § 181 BGB sei der gesetzliche Vertreter von Minderjährigen aber nicht in der Lage, sich in ihrem Namen die notwendige Vollmacht zu erteilen. Dies könne nur durch einen Pfleger geschehen, der hier nicht bestellt worden sei.
b) Die Berufung der GmbH & Co. KG blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung – wenn auch mit anderer Begründung – bestätigt.
Das Schuldanerkenntnis sei zwar von der Mutter innerhalb ihrer Vertretungsmacht für die Beschwerdeführerinnen abgegeben worden; es habe auch keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft. Der Geltendmachung der Rechte aus dem Schuldanerkenntnis stehe jedoch die Einrede der Bereicherung entgegen. Die Mutter habe die Beschwerdeführerinnen bei allen mit der Fortführung des ererbten Handelsgeschäfts zusammenhängenden und dem Schuldanerkenntnis zugrunde liegenden Rechtsgeschäften nicht wirksam verpflichten können; denn die Fortführung des Handelsgeschäfts sei als gesellschaftlicher Zusammenschluß in der Form einer OHG anzusehen, der wegen der Beteiligung der damals minderjährigen Beschwerdeführerinnen gemäß § 1822 Nr. 3 BGB genehmigungsbedürftig gewesen sei. Ein anderes Ergebnis sei auch deshalb unbillig, weil der 1979 geschlossene Gesellschaftsvertrag nur aus Gründen des Minderjährigenschutzes nicht genehmigt worden sei.
c) Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Er geht wie das Oberlandesgericht davon aus, daß das von der Mutter zugunsten der Klägerin des Ausgangsverfahrens abgegebene Schuldanerkenntnis gegenüber den Beschwerdeführerinnen wirksam sei. Die Mutter habe die Beschwerdeführerinnen im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht verpflichten können, da keiner der in § 1643 BGB genannten Fälle vorgelegen habe. Der Kreis der genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfte (§§ 1821, 1822 BGB) sei genau abgegrenzt. Eine Ausdehnung auf andere Geschäfte verbiete sich im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
Der Inanspruchnahme der Beschwerdeführerinnen aus dem Schuldanerkenntnis stehe abweichend von der Auffassung des Berufungsgerichts die Einrede der Bereicherung nicht entgegen. Die Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts durch mehrere Erben sei nicht notwendig als gesellschaftlicher Zusammenschluß anzusehen. Im vorliegenden Falle fehlten dafür Anhaltspunkte. § 27 HGB gehe davon aus, daß ein zum Nachlaß gehörendes Handelsgeschäft von den Erben fortgeführt werden könne. Bei natürlicher Betrachtung liege es von vornherein nahe, Miterben die Fortführung eines Geschäfts, die der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden könne, in ungeteilter Erbengemeinschaft zu gestatten. Hierfür bestehe auch ein praktisches Bedürfnis. Bei Bildung einer OHG könne das Geschäftsvermögen nur durch Einzelübertragung der Vermögensgegenstände von der Erbengemeinschaft auf die Gesellschaft übergehen. Darin liege eine teilweise Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, zu der die Erben nicht in jedem Falle gezwungen werden könnten (§§ 2043 ff. BGB). Außerdem könnten erhebliche Kosten entstehen, die insbesondere dann einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellten, wenn nur eine vorübergehende Fortführung des Unternehmens geplant sei. Aber auch sonst könnten sachliche Gründe dafür sprechen, das Unternehmen in nicht auseinandergesetzter Erbengemeinschaft fortzuführen.
Die Erben könnten allerdings zur Fortführung des Geschäfts eine offene Handelsgesellschaft gründen; ein darauf gerichteter – zumindest schlüssig zum Ausdruck gekommener – Wille werde nicht selten anzunehmen sein. Dafür reiche aber nicht allein der Entschluß der Erben zur Fortsetzung des Betriebs aus.
Es treffe zwar zu, daß der Minderjährigenschutz bei der Fortführung eines Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft nicht in gleicher Weise gewährleistet sei wie bei dem Weiterbetrieb eines Unternehmens in der Form einer Handelsgesellschaft; denn wenn einem Gesellschaftsvertrag die nach § 1822 Nr. 3 BGB erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts versagt werde, würden minderjährige Gesellschafter – anders als minderjährige Miterben – aus den von der Gesellschaft abgeschlossenen Geschäften nicht verpflichtet. Dieser Mangel an Minderjährigenschutz sei aber kein Grund, die Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts ausschließlich in den Formen des Gesellschaftsrechts zuzulassen.
Ob sich jemand geschäftlich in der Rechtsform einer Gesellschaft oder in einer ungeteilten Erbengemeinschaft betätige, ändere am eingegangenen wirtschaftlichen Risiko allerdings regelmäßig wenig. Es dränge sich daher die Frage auf, ob nicht eine analoge Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB auf die Fortführung eines Handelsgeschäfts mit minderjährigen Erben geboten sei. Dies habe jedoch im Schrifttum bislang keine Befürworter gefunden, und auch der erkennende Senat könne sich zu einem solchen Schritt nicht entschließen. Der Bundesgerichtshof habe es bisher aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit immer abgelehnt, die Vorschriften über die Einschränkung der Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters auszudehnen. Ein Schutz des minderjährigen Miterben durch entsprechende Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB wäre im übrigen nur erreichbar, wenn dem gesetzlichen Vertreter, solange die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht erteilt worden sei, die Vertretungsmacht zu allen beim Betrieb des Handelsgeschäfts abgeschlossenen Rechtsgeschäften fehle. Eine so weitgehende Wirkung komme dem Genehmigungserfordernis jedoch nach herkömmlicher Auffassung nicht zu.
Die Lage des Minderjährigen, der als Miterbe an einem zum Nachlaß gehörenden Handelsgeschäft beteiligt sei, unterscheide sich wesentlich von den Fällen des § 1822 Nr. 3 BGB. In diesen Fällen könne die Entscheidung über die Genehmigung abgewartet werden, ohne daß der bestehende Vermögensstatus der Beteiligten beeinträchtigt werde. Wenn ein Minderjähriger dagegen mit dem Erbfall Mitinhaber eines lebenden Unternehmens geworden sei, stünden die übrigen Miterben im Falle einer Genehmigungsbedürftigkeit vor der Wahl, entweder das Geschäft stillzulegen und die damit verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen oder es bis zur vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung unter dem Risiko der Geschäftsführung ohne Auftrag weiterzuführen. Das Vormundschaftsgericht hätte dann die ihm nach seiner Funktion nicht zukommende, vom Wesen her unternehmerische Entscheidung zu treffen, was mit dem in den Nachlaß gefallenen Unternehmen geschehen solle. Das entferne sich so weit von den in § 1822 Nr. 3 BGB geregelten Fällen, daß eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf den Fall der Fortführung des ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft nicht gerechtfertigt erscheine. Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung könne insoweit ebensowenig gefordert werden wie in den ähnlichen Fällen der Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts durch den minderjährigen Alleinerben und der Nachfolge des Minderjährigen in eine Gesellschafterstellung des Erblassers.
Vorliegend seien die Beschwerdeführerinnen demnach als Mitinhaberinnen des zulässigerweise in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführten Handelsgeschäfts aus den von ihrer Mutter als gesetzlicher Vertreterin abgeschlossenen Rechtsgeschäften berechtigt und verpflichtet worden. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Klägerin des Ausgangsverfahrens die Inhaberverhältnisse bei dem Abschluß der Geschäfte bekannt gewesen seien.
III.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Feststellung des Bundesgerichtshofs, das vollstreckbare Schuldanerkenntnis sei ihnen gegenüber wirksam. Sie machen geltend, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichte den Staat, über ihr Wohl und ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu wachen. Auch Minderjährige hätten Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, die von den Gerichten zu beachten seien. Der Bundesgerichtshof hätte deshalb die Zulässigkeit der zeitlich unbeschränkten Fortführung eines Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft bei Beteiligung von Minderjährigen verneinen, zumindest aber § 1822 Nr. 3 BGB analog anwenden müssen. Dagegen werde in dem angegriffenen Urteil ihrer Mutter das Recht zugestanden, sie in einer Höhe finanziell zu verpflichten, daß sie ihres Lebens nie mehr froh würden. Die GmbH & Co. KG habe bereits mit der Zwangsvollstreckung begonnen und werde diese bis zur Befriedigung ihrer Forderung gegen sie fortsetzen.
IV.
1. Der Bundesminister der Justiz, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Primär seien Pflege und Erziehung der Kinder in die Verantwortung der Eltern gelegt (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG); hierzu gehöre auch der Bereich der Vermögenssorge. Das staatliche Wächteramt diene dazu, Verletzungen des Kindeswohls zu verhüten.
Die gesetzliche Regelung über die prinzipiell unbeschränkte Vertretungsmacht sei verfassungsmäßig.
Die Zulassung der zeitlich unbegrenzten Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft unter Beteiligung von Minderjährigen gefährde deren Vermögensinteressen noch nicht. Art. 6 Abs. 2 GG verlange nicht den Ausschluß der Haftung der Minderjährigen. Eine derartige Forderung würde das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Erbrecht beeinträchtigen und wäre in Fällen der Alleinerbschaft eines Minderjährigen nicht erfüllbar.
Die Ablehnung einer analogen Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB in diesen Fällen verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG. Das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung könne nicht mit der Erwägung begründet werden, eine derartige Genehmigung sei zum Schutze der Minderjährigen im Regelfall zu versagen. Der Staat habe andere gesetzliche Möglichkeiten als das Genehmigungserfordernis, um Minderjährige vor dem finanziellen Ruin aufgrund einer unzureichenden Vertretung ihrer Vermögensinteressen in einer ungeteilten Erbengemeinschaft zu bewahren. So habe das Vormundschaftsgericht der Mutter der Beschwerdeführerinnen – wenn auch nicht rechtzeitig – die Vermögenssorge entzogen. Gemäß § 48 FGG habe der Standesbeamte dem Vormundschaftsgericht vom Tod einer Person, die ein minderjähriges Kind hinterlassen habe, Mitteilung zu machen. Sterbe ein Elternteil, so habe der Überlebende ein Verzeichnis des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens beim Vormundschaftsgericht einzureichen, welches das Kind von Todes wegen erworben habe (§§ 1682 a. F., 1640 n. F. BGB). Seit dem 1. Januar 1980 habe das Nachlaßgericht diesen Vermögenserwerb dem Vormundschaftsgericht gemäß § 50 Abs. 2 FGG anzuzeigen.
Ob gegen die angefochtene Entscheidung des Bundesgerichtshofs tatsächliche und „einfachrechtliche” Bedenken bestünden, sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu überprüfen.
2. Die Gegnerin des Ausgangsverfahrens hält die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für richtig. Das angegriffene Urteil beruhe auf hundertjähriger Rechtstradition, die ihren Grund in dem Bedürfnis nach überschaubaren Rechtsverhältnissen habe. Der Vorrang des Elternrechts vor Eingriffen des Staates sei auch bei der Vermögenssorge zu beachten. Im Zeitpunkt des Erbfalls wäre keinem der Gedanke gekommen, die Erbschaft auszuschlagen; der Nachlaß sei nicht überschuldet, die Prognosen für die Weiterführung des Geschäfts seien günstig gewesen. Der Vermögensverlust sei erst viele Jahre später eingetreten. Das Vormundschaftsgericht habe keine Maßnahmen zum Schutz der Beschwerdeführerinnen ergriffen und nicht einmal vor der Wiederheirat der Mutter die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangt. Die Beschwerdeführerinnen müßten sich an diejenigen halten, die ihr heutiges Schicksal verschuldet hätten. Daß ihre Mutter, gegen die sie Schadensersatzansprüche hätten, in Vermögensverfall geraten sei, falle in ihre Sphäre. Jedenfalls gehe es nicht an, den Schutz der Beschwerdeführerinnen auf Kosten der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter zu verwirklichen, die selbst kaum volljährig geworden und bei einem Verlust der streitigen Forderungen vom Konkurs bedroht seien. Es gebe auch keinen allgemeinen Rechtssatz, daß die Haftung Minderjähriger, die als Erben an einem Handelsgeschäft beteiligt seien, ohne zeitliche Begrenzung auf die Erbmasse zu beschränken sei.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), weil es auf mit diesem Grundrecht unvereinbaren Vorschriften beruht.
I.
1. Nach § 1643 Abs. 1 in Verbindung mit § 1822 Nr. 3 BGB bedürfen Eltern der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zum Abschluß eines Gesellschaftsvertrags für ihr Kind, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird. Eine entsprechende Regelung bei der Fortführung eines Handelsbetriebs in ungeteilter Erbengemeinschaft gibt es dagegen nicht.
Der Bundesgerichtshof vertritt als zuständiges oberstes Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, Miterben könnten ohne gesellschaftlichen Zusammenschluß und ohne zeitliche Beschränkung ein ererbtes Handelsgeschäft betreiben (vgl. BGHZ 17, 299 (302); 30, 391; 32, 67); dies entspricht der in der Literatur vertretenen herrschenden Meinung (Literaturnachweise bei Hüffer in: Großkomm. HGB, 4. Aufl., Rdnr. 72 vor § 22, und Karsten Schmidt, Handelsrecht, 2. Aufl., § 5 I 3 f.). Daraus folgt, daß ein Handelsgeschäft auch von einer ungeteilten Erbengemeinschaft geführt werden kann, die aus den Eltern und ihren minderjährigen Kindern besteht.
Die damit verbundene Gefahr für den Minderjährigen hat bereits der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs gesehen und erkannt, daß der Katalog des § 1822 BGB nicht alle denkbaren Fälle erfaßt, die an und für sich regelungsbedürftig wären. Letztlich wurde davon ausgegangen, daß der Nutzen, welcher im allgemeinen für die Sicherheit des Verkehrs und das Interesse des Minderjährigen daraus erwachse, daß das Gesetz für seine sichere, kreditwirkende Vertretung sorge, schwerer wiege als die Gefahr, welche in einzelnen Fällen für den Minderjährigen daraus entstehen könne, daß der gesetzliche Vertreter seine Vertretungsmacht arglistig zum Nachteile des Minderjährigen mißbrauche (vgl. Motive, S. 1086, bei Mugdan, a.a.O., S. 575 f.).
Der Bundesgerichtshof hat es in der angegriffenen Entscheidung abgelehnt, § 1822 Nr. 3 BGB analog anzuwenden, und hat damit seine Rechtsprechung zu dieser Vorschrift – die allerdings andere Sachverhalte betrifft – aufrechterhalten: Der Handelsverkehr erfordere auf dem Gebiet der rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis klare Rechtsverhältnisse. Auch die Erfahrungen mit der einschlägigen Rechtsprechung nötigten nicht im Interesse des Minderjährigen, in einem über den gesetzlichen Wortlaut hinausgehenden Maße das Vormundschaftsgericht bei der Führung der Gesellschaft einzuschalten und damit hemmend auf die Entschlußfreiheit der Gesellschafter einzuwirken (vgl. BGHZ 38, 26 (32)). Das entscheidende Gewicht bei der Anwendung und Auslegung der §§ 1821, 1822 BGB sei darauf zu legen, daß sie für den Rechtsverkehr eine praktische klare Handhabung ermöglichten und nicht einer differenzierten, auf den jeweiligen Einzelfall abgestellten Beurteilung Raum gäben. Das würde unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit für das Rechts- und Wirtschaftsleben unhaltbare Folgen haben und mit dem Grundgedanken dieser Bestimmungen gewiß nicht im Einklang stehen (vgl. BGHZ 17, 160 (163)).
Der Abschluß von Verträgen im Namen minderjähriger Kinder durch ihre Eltern bei der Fortführung eines Handelsgeschäfts in Erbengemeinschaft kann danach wohl im Innenverhältnis Schadensersatzansprüche auslösen, läßt aber im übrigen die Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den Kindern unberührt (vgl. BGHZ 52, 316 (317)).
2. Die Auffassung über die Zulässigkeit der zeitlich unbeschränkten Fortführung eines ererbten Betriebs in der Form der Erbengemeinschaft ist allerdings auch auf Kritik gestoßen. So wird eingewandt, die Erbengemeinschaft sei aus Organisations- und Haftungsgründen zur Führung eines Unternehmens wenig geeignet; sie stehe zudem in Widerspruch zu dem Grundsatz des abgeschlossenen Kreises der handelsrechtlichen Gesellschaftsformen (Fischer, ZHR 144 (1980), S. 1, 8 ff., 11, 13 f.). Als noch bedenklicher wird es angesehen, daß die herrschende Lehre notwendig zu einer Ausschaltung der Schutzvorschrift des § 1822 Nr. 3 BGB führen muß. Denn in der Form einer Erbengemeinschaft könnten die Miterben das Geschäft auch bei Beteiligung von Minderjährigen ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung fortführen und dadurch weittragende Verpflichtungen in der Person des Minderjährigen begründen. Vom Standpunkt eines durchgreifenden Minderjährigenschutzes erscheine das unvertretbar (Fischer, Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 105 Anm. 65 a).
II.
Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, eine von der herrschenden Auffassung abweichende Auslegung der gesetzlichen Vorschriften vorzuschreiben; insbesondere kann von Verfassungs wegen nicht eine analoge Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB verlangt werden. Die angegriffene Entscheidung gibt jedoch Anlaß zur verfassungsrechtlichen Überprüfung des § 1629 Abs. 1 in Verbindung mit § 1643 Abs. 1 BGB, der auf § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB verweist.
1. Das Prinzip der eigenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen wird durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gewährleistet. Soweit es um eine umfassende Einschränkung der Privatautonomie geht, wie sie aus der gesetzlichen Vertretung Minderjähriger folgt, ist nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht berührt (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als „unbenanntes” Freiheitsrecht die speziellen „benannten”) Freiheitsrechte. Seine Aufgabe ist es, im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der „Würde des Menschen” (Art. 1 Abs. 1 GG) die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen. Wegen dieser Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ebenso wie die des Bundesgerichtshofs, den Inhalt des geschützten Rechts nicht abschließend umschrieben, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet (vgl. BVerfGE 54, 148 (153 f.)). So ist das Recht auf Selbstbestimmung im Bereich der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt (vgl. BVerfGE 65, 1 (42)). In gleicher Intensität wird aber das Recht auf individuelle Selbstbestimmung berührt, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs. 1 BGB) finanziell verpflichten können. Hierdurch können in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung und damit nicht nur einzelne Ausformungen allgemeiner Handlungsfreiheit, sondern die engere persönliche Lebenssphäre junger Menschen betroffen werden.
b) Das Selbstbestimmungsrecht des Vertretenen wird zwar auch bei der gewillkürten Vertretung berührt, solange die Vollmacht besteht und soweit sie reicht. Innerhalb ihrer Grenzen kann der Vertreter für und an Stelle des Vertretenen die Rechtsfolgen werten, also den Vertretenen verpflichten, über dessen Rechte verfügen und für ihn Rechte begründen. Während der Laufzeit der Vollmacht ist der Vertretene daher in gleicher Weise wie bei der gesetzlichen Vertretung der Gefahr ausgesetzt, daß seine Interessen durch einen anderen nicht in der gebotenen Weise wahrgenommen werden (vgl. Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S. 104 f.). Der Gesetzgeber hat aber eine rechtsgeschäftliche Vertretung nur durch einen grundsätzlich vom Vertretenen selbst eingesetzten Bevollmächtigten zugelassen, so daß die „Fremdbestimmung” durch den Vertreter im Ergebnis auf dem eigenen Willen des Vertretenen und damit auf seinem Recht auf Selbstbestimmung beruht. Dagegen ist das minderjährige Kind nicht in der Lage, auf die Vertretungsbefugnis seiner Eltern einzuwirken.
2. Die elterliche Gewalt des Vaters, wie sie bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 bestand, sollte ähnlich wie die heutige elterliche Sorge, die neben der Personen- auch die Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB) umfaßt, dem Schutz minderjähriger Kinder dienen. Allerdings wurde das frühere „Gewaltverhältnis” von dem damaligen familienrechtlichen Grundgedanken geprägt, daß die Abkömmlinge sich den jeweiligen Verhältnissen der Hausgemeinschaft zu fügen hätten, in die sie durch die Geburt eingetreten waren (vgl. Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 1908, Zweiter Band, Zweite Abteilung: Familienrecht, S. 558 f.). Dagegen soll mit dem Begriff der elterlichen Sorge der rechtliche Charakter der zeitgemäßen Eltern-Kind-Beziehung besser zum Ausdruck kommen. Auch die elterlichen Rechte finden ihre Rechtfertigung letztlich allein im Bedürfnis des Kindes nach Schutz und Hilfe. So wird mit dem Begriff der elterlichen Sorge klargestellt, daß Eltern keinen Machtanspruch gegenüber ihren Kindern haben, da diese kein Rechtsobjekt ihrer Eltern sind (vgl. Einzelbegründung zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 8. November 1973 – BRDrucks. 690/73, S. 14). Nur ein derart verstandenes Sorgerecht wird der Stellung des Kindes als Grundrechtsträger gerecht. Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG. Eine Verfassung, welche die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihrer Gewährleistung stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen (vgl. BVerfGE 24, 119 (144)). Dem entspricht es, das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) als eine komplexe Verknüpfung von Rechten und Pflichten zu sehen, wobei die Pflicht nicht lediglich eine das Recht begrenzende Schranke, sondern einen wesensbestimmenden Bestandteil des Elternrechts darstellt, das insoweit treffender als Elternverantwortung bezeichnet werden kann (vgl. BVerfGE 56, 363 (381 f.)).
3. Bei der Vorschrift des § 1629 Abs. 1 BGB ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß eine Selbstbestimmung und Selbstverantwortung minderjähriger Kinder – abgestuft nach einzelnen Gebieten und Altersklassen – noch nicht möglich ist. Mit der Anordnung des gesetzlichen Vertretungsrechts der Eltern soll insbesondere verhindert werden, daß Kinder Verträge abschließen, die nicht in ihrem wohlverstandenen Interesse liegen. Soweit sich Fremdbestimmung der Kinder durch ihre Eltern danach als Minderjährigenschutz erweist, entspricht dies dem Kindeswohl, so daß eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausscheidet. Mit der Einräumung der gesetzlichen Vertretungsmacht ist aber gleichzeitig die Gefahr verbunden, daß sich eine unkontrollierte Entscheidungsbefugnis der Eltern nachteilig für die Kinder auswirken kann. Zwar haben Eltern ihre Rechte uneigennützig und verantwortungsbewußt wahrzunehmen. Dies bedeutet auch Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Volljährigkeit grundsätzlich eingetretenen Entscheidungsfreiheit des Kindes über die von ihm vorzunehmenden Handlungen und Unterlassungen. Indessen kann nicht ausgeschlossen werden, daß Eltern nicht fähig oder nicht bereit sind, den Anforderungen des Elternrechts zu entsprechen. Insoweit ist der Gesetzgeber aufgerufen, in Wahrnehmung seines Wächteramts (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) Regelungen zu treffen, die verhindern, daß der volljährig Gewordene nicht mehr als nur eine scheinbare Freiheit erreicht. Das Recht zur Selbstbestimmung ist zwar nicht identisch mit der Freiheit von allen Bindungen, die kraft elterlichen Vertretungsrechts geschaffen wurden. Nachwirkungen der elterlichen Sorge sind auch im rechtsgeschäftlichen Bereich vielfach ebenso notwendig wie ungefährlich (vgl. Gernhuber, FamRZ 1962, S. 89 (93 f.)). Sie sind verfassungsrechtlich noch hinnehmbar, wenn sich die Haftung des Minderjährigen bei einem ererbten und fortgeführten Handelsgeschäft auf das im Wege der Erbfolge erworbene Vermögen beschränkt. Wenn aber der Gesetzgeber den Eltern das Recht einräumt, ihre Kinder in einem weitergehenden Maße zu verpflichten, dann muß er gleichzeitig dafür Sorge tragen, daß den Volljährigen Raum bleibt, um ihr weiteres Leben selbst und ohne unzumutbare Belastungen zu gestalten, die sie nicht zu verantworten haben. Diese Möglichkeit ist ihnen jedenfalls dann verschlossen, wenn sie als Folge der Vertretungsmacht ihrer Eltern mit erheblichen Schulden in die Volljährigkeit „entlassen” werden. Etwaige Schadensersatzansprüche des Minderjährigen gegenüber seinem gesetzlichen Vertreter (vgl. Schmidt, NJW 1985, S. 139) reichen dabei nicht aus, um dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes zu entsprechen, zumal diese Ansprüche in der Regel wertlos sind.
III.
Der Gesetzgeber des vorigen Jahrhunderts hatte vorausgesetzt, daß bei Personengesellschaften immer eine natürliche Person Mitglied der Gesellschaft war. Seit der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts vom 4. Juli 1922 – II B 2/22 – (RGZ 105, 101) ist aber die Besetzung der Mitgliedstelle des persönlich haftenden Gesellschafters bei einer Kommanditgesellschaft mit einer juristischen Person zugelassen, so daß die volle persönliche Einstandspflicht des Komplementärs aufgehoben werden kann (vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 1980, Bd. 1, S. 539). Diese ist aber entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach der bestehenden Gesetzeslage bei Minderjährigen stets gegeben, die als Mitglieder einer Erbengemeinschaft einen Handelsbetrieb fortführen. Der Schutz Minderjähriger durch das Erfordernis vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung bezieht sich nur auf einzelne abstrakt umschriebene bedeutsame Geschäfte. Darüber hinaus ist das Vormundschaftsgericht befugt, bei konkreter Gefährdung des Kindesvermögens einzugreifen (§ 1667 BGB); schließlich ist bei In-sich-Geschäften die Vertretungsmacht der Eltern gesetzlich ausgeschlossen (§ 1629 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1795 BGB) oder sie kann bei Interessengegensätzen entzogen werden (§ 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB). Wie der Fall der Beschwerdeführerinnen zeigt, reichen diese gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen aber nicht aus, das Problem des Minderjährigenschutzes in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zu lösen. Der Gesetzgeber hat danach in Erfüllung seines Wächteramts das verbleibende Defizit auszugleichen. Dabei genügt eine Regelung den Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, welche die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch Minderjährige von einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig macht oder welche Minderjährige als Miterben eines Handelsgeschäfts jedenfalls nicht über den Umfang des ererbten Vermögens hinaus zu Schuldnern werden läßt. Soweit der Bundesminister der Justiz ausgeführt hat, eine Begrenzung der Haftung von Minderjährigen würde in der Praxis auf kaum überwindbare tatsächliche Schwierigkeiten stoßen und faktisch eine erwerbswirtschaftliche Betätigung unmöglich machen, müssen diese – im übrigen nicht näher konkretisierten – Bedenken hinter dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes von Minderjährigen zurücktreten.
IV.
Die angegriffene Entscheidung beruht auf der Anwendung der verfassungswidrigen Regelung und ist damit ihrerseits verfassungswidrig. Sie ist daher aufzuheben; die Sache ist an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen.
Fundstellen