Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuergeheimnis. unvollständige Vorlage von Akten an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß
Leitsatz (amtlich)
1.Zur Parteifähigkeit und Prozeßführungsbefugnis in einem Organstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG um das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
2.Wird ein Untersuchungsausschuß des Bundestages zur Kontrolle der Bundesregierung eingesetzt, erstreckt sich das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 Abs. 1 GG auch auf das Recht auf Vorlage der Akten.
3.a) Auf ein solches Aktenherausgabeverlangen findet gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG die Vorschrift des § 96 StPO sinngemäß, d.h. unter Beachtung des Sinns parlamentarischer Kontrolle, Anwendung.
b) Das Wohl des Bundes oder eines Landes (§ 96 StPO) ist im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut. Die Berufung auf das Wohl des Bundes gegenüber dem Bundestag kann mithin in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen werden.
c) Nur unter ganz besonderen Umständen können sich Gründe finden lassen, dem Untersuchungsausschuß Akten unter Berufung auf das Wohl des Bundes oder eines Landes vorzuenthalten. Solche Gründe können sich insbesondere aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt.
4. a) Zu den von § 96 StPO erfaßten öffentlichen Belangen kann auch das Steuergeheimnis im Sinne des § 30 AO gehören.
b) Der Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO ist verfassungskonform so auszulegen, daß er auch den Fall des Aktenvorlageverlangens des Untersuchungsausschusses erfaßt, mit dem der Bundestag in der Öffentlichkeit verbreiteten Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit der Exekutive nachgeht, die auch die Steuermoral der Bürger nachhaltig erschüttern könnten.
5. a) Das Beweiserhebungsrecht und das Recht auf Aktenvorlage gemäß Art. 44 Abs. 1 GG können durch die Grundrechte eingeschränkt sein. Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und grundrechtlicher Datenschutz müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, daß beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten.
b)Das Recht auf Wahrung des in § 30 AO gesetzlich umschriebenen Steuergeheimnisses ist als solches kein Grundrecht. Die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse kann indessen durch grundrechtliche Verbürgungen geboten sein.
c)Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet in der Regel dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Eigentumsschutzes, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiete gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.
Normenkette
GG Art. 44 Abs. 1, 2 S. 1; AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c; StPO § 96
Tenor
1. Die Weigerung der Antragsgegner, die Akten vollständig herauszugeben, verletzt Artikel 44 des Grundgesetzes.
2. Die Anträge der Antragsteller zu 2) und 4) werden verworfen.
Tatbestand
A.
Gegenstand der zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Organstreitverfahren ist die Frage, ob die Bundesregierung, der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft dadurch gegen Art. 44 GG verstoßen haben, daß sie die vom 1. Untersuchungsausschuß des 10. Deutschen Bundestages (sogenannter Flick-Ausschuß) angeforderten Akten unter Berufung auf das Steuergeheimnis nur unvollständig vorgelegt haben.
I.
1. a) Die Firma Verwaltungsgesellschaft für industrielle Unternehmungen Friedrich Flick GmbH (jetzt: Friedrich Flick Industrieverwaltung KGaA) – im folgenden: Firma Flick – veräußerte zum 1. Januar 1976 Aktien der Daimler-Benz AG und erzielte dabei einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von rund 1,935 Milliarden DM. Um eine Versteuerung des größten Teils dieses Veräußerungsgewinns zu vermeiden, beantragte die Firma Flick in den Jahren 1976 bis 1978 beim Bundesminister für Wirtschaft im Hinblick auf die von ihr geplante Wiederanlage der stillen Reserven Bescheinigungen gemäß § 6b EStG und § 4 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft (Auslandsinvestitionsgesetz – AuslInvG –).
Diese Vorschriften hatten – soweit hier einschlägig – im maßgeblichen Zeitpunkt folgenden Wortlaut (BGBl 1964 I S. 886 und BGBl 1969 I S. 1216):
§ 6b EStG
Gewinn aus der Veräußerung bestimmter Anlagegüter
(1) Steuerpflichtige, die
…,
Anteile an Kapitalgesellschaften
…
veräußern, können im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in Satz 2 bezeichneten Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafft oder hergestellt worden sind, einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen. Der Abzug ist zulässig bei den Anschaffungs- oder Herstellungskosten von
…
5. Anteilen an Kapitalgesellschaften, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften entstanden ist und der Bundesminister für Wirtschaft im Benehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und der von der Landesregierung bestimmten Stelle bescheinigt hat, daß der Erwerb der Anteile unter Berücksichtigung der Veräußerung der Anteile volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig und geeignet ist, die Unternehmensstruktur eines Wirtschaftszweigs: zu verbessern oder einer breiten Eigentumsstreuung zu dienen.
…
(2)–(5)…
§ 4 AusllnvG
Übertragung stiller Reserven auf Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften
(1) Steuerpflichtige, die Anteile an Kapitalgesellschaften veräußern, können im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von den Anschaffungskosten von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem ausländischen Staat abziehen. Voraussetzung für den Abzug ist, daß
…
2. der Bundesminister für Wirtschaft im Benehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und der von der Landesregierung bestimmten Stelle bescheinigt hat, daß der Erwerb der Anteile unter Berücksichtigung der Veräußerung der Anteile volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig und geeignet ist, der internationalen Arbeitsteilung oder einer verstärkten weltwirtschaftlichen Verflechtung zu dienen,…
(2) …
b) Der Bundesminister für Wirtschaft erteilte im Benehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und den Wirtschaftsministern der betroffenen Länder der Firma Flick Bescheinigungen für Reinvestitionen in Höhe von 1,449 Milliarden DM. Davon entfielen ca. 780 Millionen DM auf den Erwerb von Aktien der amerikanischen Firma W. R. Grace + Co. (Bescheinigungen des Bundesministers für Wirtschaft gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 AusllnvG vom 8. September 1976 und 28. September 1978) und ca. 209 Millionen DM auf den Erwerb einer mittelbaren Mehrheitsbeteiligung an der „Gerling-Konzern-Versicherungsbeteiligungs AG” (Bescheinigung des Bundesministers für Wirtschaft gemäß § 6b Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 EStG vom 12. August 1981).
2. a) Der Verkauf der Daimler-Aktien durch die Firma Flick und deren Bemühungen um eine steuerneutrale Wiederanlage der dadurch aufgedeckten stillen Reserven fanden in der publizistischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik große Beachtung und führten auch bei den politischen Parteien und im Deutschen Bundestag zu einer Erörterung darüber, ob die steuerbegünstigenden Regelungen der §§ 6b EStG, 4 AuslInvG eingeschränkt werden sollten und in welcher Weise das Parlament an Bescheinigungsverfahren mit großer Tragweite beteiligt werden könnte (Deutscher Bundestag, Sten. Ber., 87. Sitzung vom 26. April 1978, S. 6878 f.; 89. Sitzung vom 10. Mai 1978, S. 7035 ff.).
Während und nach Abschluß der von der Firma Flick beim Bundesminister für Wirtschaft eingeleiteten Bescheinigungsverfahren wurde insbesondere Kritik an der Erteilung von steuerbegünstigenden Bescheinigungen für den Erwerb von Anteilen am Grace-Konzern und am Gerling-Konzern geäußert. Diese Kritik war auch Gegenstand von Antragen im Deutschen Bundestag (vgl. Sten. Ber., 124. Sitzung vom 13. Dezember 1978, S. 9690 f.; 125. Sitzung vom 14. Dezember 1978, S. 9777 f). Die Bundesregierung lehnte es dabei unter Hinweis auf das in § 30 AO geregelte Steuergeheimnis ab, dem Parlament gegenüber im einzelnen darzulegen, was die beteiligten Minister veranlaßt hatte, die Förderungswürdigkeit der Reinvestitionen zu bejahen.
b) Als Ergebnis der durch die Flick-Transaktion in Gang gekommenen Reformdiskussion wurde § 6 b EStG durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1523) u.a. dahin gehend geändert, daß nur noch 80 % der Veräußerungsgewinne von der Besteuerung ausgenommen werden dürfen. § 4 AuslInvG wurde durch dasselbe Gesetz aufgehoben.
3. Seit dem Jahre 1975 finden in der Bundesrepublik steuerbehördliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit Geldspenden an politische Parteien statt. Durch Presseberichte, die auszugsweise staatsanwaltschaftliche Ermittlungsergebnisse und Vernehmungsprotokolle sowie Verteidigungsschriften der Verdächtigen wiedergaben, wurde seit Beginn des Jahres 1982 der Eindruck erweckt, als hätten Verantwortliche der Firma Flick über Regierungsmitglieder, leitende Beamte und Politiker den politischen Parteien hohe Geldbeträge zukommen lassen, um die Entscheidungen in den Bescheinigungsverfahren gemäß § 6b EStG und § 4 AusllnvG zugunsten der Firma Flick zu beeinflussen.
Die Staatsanwaltschaft Bonn erhob Anfang Dezember 1983 beim Landgericht Bonn u.a. gegen den damals amtierenden Bundesminister für Wirtschaft, dessen Amtsvorgänger und zwei frühere leitende Mitarbeiter der Firma Flick Anklage wegen passiver und aktiver Bestechung im Zusammenhang mit der Erteilung der oben genannten Bescheinigungen an die Firma Flick.
4. Mit zwei Bescheiden vom 27. Dezember 1983 nahm das Bundesministerium für Wirtschaft die der Firma Flick am 8. September 1976 und 28. September 1978 gemäß § 4 AusllnvG erteilten Bescheinigungen für den Kauf von Aktien des Grace-Konzerns zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Laufe des Überprüfungsverfahrens habe sich herausgestellt, daß die für die Erteilung der Bescheinigungen erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen weder zur Zeit des Bescheinigungsverfahrens noch im Zeitpunkt der Rücknahme vorgelegen hätten. Gegen diese Bescheide hat die Firma Flick beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.
5. a) Am 28. April 1983 hatte die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 GG mit folgendem Untersuchungsauftrag beantragt (BT-Drucks. 10/34):
I. Dieser Ausschuß soll klären, ob – und falls ja, in welcher Weise – es der Flick-Konzern unternommen hat, auf Entscheidungen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, der Regierung, der Verwaltung oder sonstiger Stellen der Bundesrepublik Deutschland Einfluß zu nehmen.
Insbesondere soll festgestellt werden, auf welcher Grundlage der Bundesminister für Wirtschaft die Entscheidungen getroffen hat, die die Voraussetzungen dafür schufen, daß der Friedrich Flick Industrieverwaltung KGaA steuerliche Vorteile für den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen der Firma Daimler-Benz AG im Hinblick auf gesetzlich begünstigte Wiederanlagen zu gewähren und – nach Auftreten von Zweifeln – zu belassen waren.
Es sollen insbesondere die folgenden Fragen untersucht werden:
Einflußnahme
1. Haben Angehörige, Mitarbeiter oder Beauftragte des Flick-Konzerns oder andere Personen es unternommen, auf
- Mitglieder der Bundesregierung,
- leitende Beamte oder sonstige Mitarbeiter der gesetzlich hierzu berufenen Stellen,
- Mitglieder des Deutschen Bundestages,
- Parteien
mit dem Ziel Einfluß zu nehmen, die Anerkennung der bezeichneten steuerlichen Begünstigungen zu erreichen und zu sichern?
2. Welche mittelbaren oder unmittelbaren Zuwendungen oder Leistungen materieller oder immaterieller Art wurden den zu 1. genannten Personen, Stellen oder Organisationen in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung; den Wiederanlagen sowie den steuerlichen Vorteilsgewährungen von seiten des Flick-Konzerns angeboten und welche Zuwendungen wurden angenommen?
3. Inwieweit wurden Zuwendungen oder Leistungen (Frage 2) mit Entscheidungen über die Anerkennung der Begünstigung der Wiederanlagen oder anderen Entscheidungen in Verbindung gebracht?
4. Hat es in einem Bundesministerium – mit oder ohne Zusammenhang zum Fall Flick – Überlegungen gegeben, die gesetzlichen Grundlagen so zu verändern; daß schon für diesen oder für zukünftige Fälle gleichartige Wiederanlagen nicht mehr zu steuerlichen Begünstigungen führen?
Entscheidungen über steuerliche Vorteile
5. Welche Tatsachenbehauptungen des Steuerpflichtigen haben den Bundesminister für Wirtschaft im Be- bzw. Einvernehmen mit den gesetzlich hierzu berufenen Stellen veranlaßt, die bezeichneten Wiederanlagen als förderungswürdig und geeignet im Sinne der jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften anzusehen?
6. Wie, von wem und mit welchem Ergebnis wurde der jeweilige Tatsachenvortrag des Steuerpflichtigen vor und nach den Begünstigungsentscheidungen überprüft?
7. Sind Zweifel an einem Tatsachenvortrag des Steuerpflichtigen aufgetreten, und wurde bzw. wird geprüft, ob eine Entscheidung des Bundesministeriums für Wirtschaft aufzuheben ist?
8. Haben sich die Prognosen, die nach den jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Förderungswürdigkeit und Geeignetheit zu stellen waren, erfüllt?
9. Welche steuerlichen Vorteile – auf Zeit oder auf Dauer – hat der Steuerpflichtige durch die Entscheidungen des Bundesministeriums für Wirtschaft erzielt?
Schlußfolgerungen
10. Ist eine Entscheidung des Bundesministeriums für Wirtschaft aufzuheben und – falls ja – sind Maßnahmen gegen die Steuerpflichtigen zu ergreifen?
11. Welche Schlußfolgerungen ergeben sich für den Gesetzgeber?
II. Dem Verfahren des Untersuchungsausschusses werden die Regeln zugrunde gelegt, die von den Mitgliedern der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft im Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen formuliert wurden, soweit sie geltendem Recht nicht widersprechen und wenn nach übereinstimmender Auffassung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses keine sonstigen Bedenken dagegen bestehen.
Der Antrag wurde am 19. Mai 1983 vom Bundestag angenommen (Sten. Ber., 8. Sitzung, S. 422 ff. [433]). Der Untersuchungsausschuß konstituierte sich als I. Untersuchungsausschuß der 10. Wahlperiode am 9. Juni 1983. Ihm gehören fünf Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU, vier Mitglieder der Fraktion der SPD sowie je ein Mitglied der Fraktion der F.D.P. und der Fraktion DIE GRÜNEN an.
b) In seiner Sitzung am 16. Juni 1983 beschloß der Untersuchungsausschuß einstimmig:
Es soll Beweis erhoben werden zum Untersuchungsauftrag durch Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten 50 Js 36/82 (Staatsanwaltschaft Bonn) und der einschlägigen Vorgänge beim Bundesminister für Wirtschaft und beim Bundesminister der Finanzen.
Diesen Beweisbeschluß, übermittelte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 20. Juni 1983 dem Bundeskanzler und bat um baldige Zuleitung der erwähnten Akten aus dem Bereich der Bundesregierung.
Der Bundesminister der Finanzen teilte mit Schreiben vom 16. August 1983 dem Ausschußvorsitzenden mit, daß der Bundeskanzler ihn beauftragt habe, das Schreiben vom 20. Juni 1983 für den Bereich seiner Zuständigkeit zu beantworten. Dem Schreiben waren neben einer zusammenfassenden Sachverhaltsdarstellung und je einer Dokumentation zum Verfahrensablauf im Bundesministerium der Finanzen und im Bundesministerium für Wirtschaft zwei Ordner mit „einschlägigen Vorgängen” zu den Bescheinigungsverfahren aus dem Bundesministerium der Finanzen beigefügt.
Diese Akten sind unvollständig; aus ihnen sind einzelne Seiten entfernt und einzelne Textpassagen sowie Angaben geschwärzt oder beim Fotokopieren abgedeckt worden. Hierzu gehört u.a. die Kooperationsvereinbarung zwischen den Firmen Flick und Grace. Auf in den Akten eingehefteten Aussonderungsformularen ist vermerkt, daß die entfernten oder unkenntlich gemachten Vorgänge dem Untersuchungsausschuß nicht vorgelegt würden, weil das Steuergeheimnis (§ 30 AO) dies gebiete. In der Regel ist dieser Hinweis ergänzt durch einen der folgenden Zusätze: „Geschützte betriebliche Verhältnisse der Antragstellerin, die zur Antragsbegründung vorgetragen worden sind”, – „Namen von Personen, die für die Antragstellerin im Verfahren tätig geworden sind” –, „geschützte Verhältnisse Dritter”.
Der Bundesminister für Wirtschaft übersandte dem Untersuchungsausschuß mit Schreiben vom 31. August 1983 die einschlägigen Vorgänge zu den die Firma Flick betreffenden Bescheinigungsverfahren. Er wies darauf hin, daß die Angaben unkenntlich gemacht worden seien, die sich auf „Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen oder Verhältnisse Dritter” bezögen. Die vom Bundesminister für Wirtschaft vorgelegten Akten sind in ähnlicher Weise lückenhaft wie die Akten des Bundesministers der Finanzen. An den Stellen der ausgesonderten zusammenhängenden Teile befindet sich der Vermerk: „Dem Steuergeheimnis unterliegende Angaben.”
c) In seiner Sitzung vom 7. September 1983 befaßte sich der Untersuchungsausschuß mit der Weigerung der beiden Bundesminister, dem Ausschuß die vollständigen Akten vorzulegen. Ein Antrag, der Untersuchungsausschuß möge deshalb ein Organstreitverfahren beim Bundesverfassungsgericht einleiten, wurde von der Ausschußmehrheit abgelehnt.
d) Am 27. Oktober 1983 beschloß der Bundestag, den Untersuchungsauftrag des I. Untersuchungsausschusses zu ergänzen (Sten. Ber., 31. Sitzung, S. 2065 ff. [2076]). Auf Antrag der Fraktion der SPD wurde der Untersuchungsauftrag wie folgt erweitert (BT-Drucks. 10/520):
Der durch Beschluß des Deutschen Bundestages vom 19. Mai 1983 eingesetzte Untersuchungsausschuß soll auch klären, ob und in welcher Weise die Fa. Flick Einfluß auf die Herausgabe der vom Ausschuß in Erfüllung seines Untersuchungsauftrages angeforderten behördeninternen Unterlagen über die dem Flick-Konzern bewilligten Steuervergünstigungen genommen hat.
Auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. (BT-Drucks. 10/521) wurde beschlossen:
Der durch Beschluß des Deutschen Bundestages vom 19. Mai 1983 eingesetzte Untersuchungsausschuß soll auch klären, ob Parteien, Mitglieder des Deutschen Bundestages oder andere Personen es unternommen haben, auf
- Mitglieder der Bundesregierung,
- Parlamentarische Staatssekretäre, leitende Beamte oder sonstige Mitarbeiter der gesetzlich hierzu berufenen Stellen
mit dem Ziel Einfluß zu nehmen, daß dem Flick-Konzern von ihm beantragte Bescheinigungen (§ 6b EStG, § 4 AuslInvG) nicht erteilt werden.
e) Der Untersuchungsausschuß beantragte mit Schreiben vom 1. Dezember 1983 und 6. Januar 1984 beim Landgericht Bonn die Überlassung der Beweismittelordner, der Anklageschriften und Einstellungsverfügungen aus dem dort anhängigen Strafverfahren gegen den Bundesminister für Wirtschaft u.a. Der Vorsitzende der zuständigen Strafkammer lehnte dies ab.
f) Am 18. Januar 1984 hat der Untersuchungsausschuß mit der Vernehmung von Zeugen begonnen. Die Beweisaufnahme ist noch nicht abgeschlossen.
6. Das Steuergeheimnis ist in § 30 AO wie folgt geregelt:
§ 30
Steuergeheimnis
(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.
(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er
Verhältnisse eines anderen, die ihm
- in einem Verwaltungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
- in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
- aus anderem Anlaß durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheides oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen bekanntgeworden sind, oder
- ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekanntgeworden ist,
unbefugt offenbart oder verwertet.
(3) Den Amtsträgern stehen gleich
- die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuches),
- amtlich zugezogene Sachverständige,
- die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
(4) Die Offenbarung der nach Absatz 2 erlangten Kenntnisse ist zulässig, soweit
- sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient,
- sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist,
- der Betroffene zustimmt,
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse
- in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekanntgeworden sind, oder
- ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn
- Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen verfolgt werden oder verfolgt werden sollen,
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörde und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern,
oder
- die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.
(5) Vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.
II.
1. Antragstellerin zu 1) ist die im Zeitpunkt der Antragstellung aus 28 und gegenwärtig aus 27 Abgeordneten bestehende Fraktion DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Der Antragsteller zu 2) gehört der Antragstellern zu 1) an und ist Mitglied des 1. Untersuchungsausschusses der 10. Wahlperiode im Deutschen Bundestag. Er stellt in seiner Eigenschaft als „Fraktion im Ausschuß” den Antrag der Antragstellerin zu 1) im eigenen Namen.
Antragstellerin zu 3) ist die aus 202 Abgeordneten bestehende Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag. Die Antragsteller zu 4) gehören der Antragstellerin zu 3) an und sind Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Sie haben in ihrer Eigenschaft als „Fraktion im Ausschuß” den Antrag der Antragstellerin zu 3) im eigenen Namen gestellt und machen die Verletzung des Beweiserhebungsrechts durch die Antragsgegner geltend.
Die Antragsteller zu 4) sind gleichzeitig dem Verfahren der Antragstellerin zu 3) beigetreten.
Mit ihren gegen die Bundesregierung – von den Antragstellern zu 3) und 4) auch gegen den Bundesminister der Finanzen und den Bundesminister für Wirtschaft – gerichteten und im wesentlichen gleichen Anträgen haben sie beantragt festzustellen:
Die Antragsgegner haben gegen Art. 44 des Grundgesetzes dadurch verstoßen, daß sie dem 1. Untersuchungsausschuß der 10. Wahlperiode des Deutschen Bundestages die Vorlage der durch Beweisbeschluß vom 16. Juni 1983 beigezogenen vollständigen Akten, nämlich der einschlägigen Vorgänge aus den Geschäftsbereichen des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Wirtschaft, verweigern.
2. Zur Begründung tragen die Antragsteller, mit unterschiedlicher Gewichtung im einzelnen, im wesentlichen vor:
a) Ihre Anträge seien zulässig.
Es handele sich um ein Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Streitgegenstand sei nicht die Auslegung des § 30 AO, sondern die Frage, wieweit das Aktenvorlagerecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse aus Art. 44 GG gegenüber der Regierung reiche.
Sie seien – die Antragstellerin zu 3) auch als konkrete Antragsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 GG – parteifähig und auch befugt, die beanstandete Maßnahme als Verletzung sowohl eigener Rechte als auch der Rechte des Bundestages geltend zu machen. Dies stehe nicht etwa nur dem Untersuchungsausschuß zu.
Mit der Weigerung der Antragsgegner, die Akten vollständig herauszugeben, seien sie und der Bundestag in ihrer Untersuchungskompetenz aus Art. 44 Abs. 1 GG wegen der begonnenen Zeugenvernehmung bereits verletzt worden. Die Einsicht in die vollständigen Akten sei notwendig, um eine sachdienliche Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen zu gewährleisten.
b) Die Anträge seien begründet, weil die Antragsgegner nach Maßgabe von Art. 44 Abs. 1 bis 3 GG zur Vorlage sämtlicher einschlägiger Akten aus ihren Geschäftsbereichen verpflichtet seien.
aa) Die Herausgabepflicht sei verfassungsrechtlicher Natur. Sie ergebe sich aus der Eigenart des parlamentarischen Untersuchungsrechts nach Art. 44 Abs. 1 GG, aus der darin begründeten Rechtsstellung des Untersuchungsausschusses gegenüber der Bundesregierung, aus dem Zweck des Untersuchungsverfahrens sowie aus den Besonderheiten der Beweiserhebung gemäß Art. 44 Abs. 1 bis 3 GG und der Funktion der Aktenvorlage im Rahmen der „Amtshilfe” (Art. 44 Abs. 3 GG).
Bei der Ausübung seines Untersuchungsrechts nehme der Bundestag ausschließlich verfassungsrechtliche Kompetenzen wahr. Das Untersuchungsverfahren einschließlich der Beweiserhebung trage daher verfassungsrechtlichen Charakter. Soweit auf das Untersuchungsverfahren einfaches Gesetzesrecht „sinngemäß” Anwendung finden solle (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG), sei es auf die Ebene materiellen Verfassungsrechts erhoben und als Kompetenzzuweisung zu verstehen. Entsprechend der verfassungsrechtlichen Eigenart des parlamentarischen Untersuchungsrechts ergäben sich auch seine Grenzen allein aus der Verfassung; sie könnten ihrer Natur nach lediglich Kompetenz- oder Grundrechtsschranken sein.
Zwar sei auch der Untersuchungsausschuß an „Gesetz und Recht” gebunden, doch gehöre dazu auch die Bindung an die Verfassung, die der Gesetzesbindung vorgehe und im Kollisionsfalle zu einer verfassungskonformen Auslegung des einfachen Gesetzesrechts führe. Da die Aktenvorlagepflicht gemäß Art. 44 Abs. 1 bis 3 GG verfassungsrechtlicher Natur sei, könne einfaches Gesetzesrecht die Bundesregierung davon nur befreien, wenn das Grundgesetz selbst einen entsprechenden Vorbehalt enthielte.
Daß die Regierung eine Aktenvorlage gegenüber Untersuchungsausschüssen – anders als etwa bei der Amtshilfe zwischen Behörden – nur aus verfassungsrechtlichen Gründen verweigern dürfe, folge auch aus Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens selbst.
Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses habe die Funktion, die parlamentarische Selbstinformation sicherzustellen, ohne die ein parlamentarisches Untersuchungsverfahren sinnlos wäre. Die Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle sei nicht gewährleistet, wenn die Regierung über Art und Umfang der Parlamentsinformation zu befinden hätte.
bb) Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Vorlage der Akten werde durch die Verweisung auf die Vorschriften des Strafprozesses nicht beschränkt. Insbesondere sei § 96 StPO auf das Verhältnis von Untersuchungsausschuß und Bundesregierung überhaupt nicht, also auch nicht „sinngemäß” anwendbar. Dies ergebe sich einmal aus der Entstehungsgeschichte des Beweiserhebungsrechts von Untersuchungsausschüssen und zum anderen aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung § 96 StPO stelle lediglich eine Schutzvorschrift zugunsten des Beschuldigten dar. Denn bei verfassungskonformer Auslegung könnten gemäß § 96 StPO nur belastende Akten zurückgehalten werden, da anderenfalls ein Fehlurteil in Kauf genommen werden würde. Während im Strafprozeß die Anwendung des § 96 StPO lediglich zu einer Zurücknähme des staatlichen Strafanspruchs führe, würde dies im parlamentarischen Untersuchungsverfahren die parlamentarische Selbstinformation behindern und deshalb dysfunktional sein.
Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß die Regierung auch gegenüber dem Parlament über einen „Geheimnisbereich” verfüge, der mit dem „Wohl des Bundes oder eines Landes” umschrieben werden könnte. Es gebe nach allgemeiner Ansicht kein gegenständlich bestimmbares Gebiet der Politik mehr, das dem Informationszugriff des Parlaments prinzipiell entzogen wäre, zumal zwingenden Geheimhaltungsinteressen durch Anwendung von Geheimschutzvorschriften Rechnung getragen werden könne. Lediglich aus Gründen der Gewaltenteilung könne ein vertraulicher, nicht ausforschbarer Initiativ- und Beratungsbereich der Regierung anerkannt werden, der die Funktionsfähigkeit der Regierung als eigenständige Staatsgewalt garantiere. Dieser Beratungsbereich sei jedoch bereits unter Kompetenzgesichtspunkten der parlamentarischen Untersuchung entzogen.
Auch bei einer „sinngemäßen” Anwendung des § 96 StPO würden jedenfalls nicht schon jegliche „Gründe einer staatsbezogenen Geheimhaltungssphäre” zur Beschränkung der Aktenvorlagepflicht ausreichen, sondern nur solche Belange, die unmittelbar den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes beträfen. Auch in diesem Falle sei es nicht möglich, den § 30 AO in den § 96 StPO „hineinzulesen”.
Schließlich könnte die Herausgabe der vollständigen Akten auch bei Anwendung des § 96 StPO (in Verbindung mit § 30 AO) und bei Bejahung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen nicht verweigert werden, da – anders als im Strafprozeß mit Bezug auf das Gericht – eine Beschränkung der Kenntnisnahme auf die Mitglieder des Untersuchungsausschusses möglich sei.
cc) Eine Verweigerung der Aktenvorlage lasse sich nicht unter dem Gesichtspunkt des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO rechtfertigen.
Art. 44 GG enthalte keinen entsprechenden Gesetzesvorbehalt. Dem Steuergeheimnis als solchem komme keine verfassungsrechtliche Qualität zu. Der von § 30 AO bezweckte Grundrechtsschutz begründe keine „Grundrechtsgewährleistungsprärogative” und kein Informationsmonopol der Exekutive, da eine Wahrung des Steuergeheimnisses auch im parlamentarischen Raum möglich sei. Die gegenteilige Auffassung verkenne die Funktion des Untersuchungsverfahrens in einer repräsentativen Demokratie als des wichtigsten Instruments der Volksvertretung, d.h. praktisch der parlamentarischen Opposition, zur politischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung.
dd) Eine materiell-rechtliche Grenze des Aktenvorlagerechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ergebe sich zwar aus der Grundrechtsbindung aller öffentlichen Gewalt. Zur effektiven Sicherung der Grundrechte sei es jedoch nicht erforderlich, daß im Untersuchungsverfahren zwischen Regierung und Parlament Informationsschranken errichtet würden. Ein Untersuchungsausschuß sei selbst in der Lage, durch geeignete organisatorische und verfahrensmäßige Vorkehrungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dafür zu sorgen, daß Grundrechte der Betroffenen nicht verletzt würden.
Die im Bereich des Steuergeheimnisses vor allem geschützten Grundrechte aus Art. 14 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) und aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) stünden der Einsichtnahme in die zurückgehaltenen Unterlagen nicht entgegen. Ob diese Grundrechte überhaupt betroffen seien, könne erst durch Akteneinsicht festgestellt werden. Zudem sei zweifelhaft, ob sich die Firma Flick überhaupt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Sinne des „informationellen Selbstbestimmungsrechts” berufen könne.
ee) Auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des § 30 AO könnten die Antragsgegner ihre Weigerung nicht unter Hinweis auf diese Vorschrift rechtfertigen. Bescheinigungsverfahren gemäß §§ 6 b EStG, 4 AusllnvG würden von dieser Bestimmung schon tatbestandlich gar nicht erfaßt, da es sich um selbständige Verwaltungsverfahren außerhalb des Besteuerungswesens handele. Unabhängig davon ergebe sich jedenfalls eine Offenbarungspflicht aus einem „zwingenden öffentlichen Interesse” im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO. Der Gegenstand des Untersuchungsverfahrens, die „Affäre Flick”, sei ein Musterbeispiel für diesen Tatbestand. Die Antragsgegner hätten bei der im Rahmen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO gebotenen Abwägung den hohen Rang des parlamentarischen Untersuchungsrechts aus Art. 44 GG als Instrument der Regierungs- und Verwaltungskontrolle überhaupt nicht gewürdigt, sondern seien von einem undifferenzierten „Vorrang” des Steuergeheimnisses ausgegangen. Auch seien die Antragsgegner mit ihren formularmäßigen Hinweisen für die Aussonderungen und Schwärzungen nicht ihrer Begründungspflicht nachgekommen.
III.
1. Der Bundesminister der Finanzen hat – zugleich im Namen der Bundesregierung und des Bundesministers für Wirtschaft – zu den Anträgen Stellung genommen. Er trägt unter Vorlage eines Rechtsgutachtens von Professor Dr. Klaus Stern im wesentlichen vor:
a) Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestünden Bedenken. Es sei fraglich, ob die Antragsteller zu 2) und 4) im vorliegenden Organstreit parteifähig seien und ob die Antragsteller die Verletzung eigener verfassungsmäßiger Rechte oder solcher des Bundestages oder des Untersuchungsausschusses geltend machen könnten. Die Rechte des Bundestages aus Art. 44 GG seien weder im Hinblick auf die Einsetzung des Untersuchungsausschusses noch im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand verletzt worden. Beeinträchtigt sei nur das Recht des Untersuchungsausschusses, eine konkrete Beweisaufnahme mit bestimmten Mitteln durchführen zu können. Daher sei im vorliegenden Streitfall allenfalls der Untersuchungsausschuß antragsbefugt, der aber die Einleitung eines Organstreitverfahrens mit Mehrheit abgelehnt habe. Eine Prozeßstandschaft für den Untersuchungsausschuß sei unzulässig.
b) Die Anträge seien jedenfalls unbegründet, da die Antragsteller zu Unrecht eine uneingeschränkte Aktenvorlagepflicht annähmen und sich die Antragsgegner an das geltende Recht gehalten hätten.
aa) Untersuchungsausschüsse hätten im parlamentarischen Regierungssystem eine verfassungsrechtlich verankerte Kontrollaufgabe. In der Aufgabenzuweisung gemäß Art. 44 Abs. 1 GG liege jedoch keine Erteilung von Befugnissen. Sie erfolge erst in den für das Untersuchungsverfahren maßgeblichen Kompetenznormen der Art. 44 Abs. 2 Satz 1 und Art. 44 Abs. 3 GG. Danach stünden den Untersuchungsausschüssen gegenüber anderen Staatsorganen und Bürgern nur die Befugnisse zu, die in diesen Bestimmungen in Verbindung mit den Normensystemen der Vorschriften über den Strafprozeß für Beweiserhebungen und der Rechts- und Amtshilfe gewährt seien. Die Kontrollaufgabennorm des Art. 44 Abs. 1 GG sei keine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Befugnisnorm. Nur im Rahmen der durch Art. 44 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GG in Bezug genommenen Kompetenzzuweisungen dürften Untersuchungsausschüsse nach außen mit hoheitlichen Mitteln Befugnisse ausüben.
bb) Die Kompetenznormensysteme der Art. 44 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 1 GG stünden nebeneinander. Das Befugnissystem der Rechts- und Amtshilfe nach Art. 44 Abs. 3, Art. 35 Abs. 1 GG werde durch die Vorschriften der §§ 4 ff. VwVfG unmittelbar oder jedenfalls in entsprechender Anwendung konkretisiert.
Für Beweiserhebungen würden nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß gelten. Insbesondere seien die §§ 54, 96 StPO anwendbar. Kompetenzschranken nach diesen Vorschriften seien verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Die Auffassung der Antragsteller, daß § 96 StPO, §§ 4 ff. VwVfG und § 30 AO als einfaches Gesetzesrecht das Aktenvorlagerecht des Untersuchungsausschusses nicht begrenzen könnten, sei unzutreffend. Es stehe außer Zweifel, daß nach Art. 20 Abs. 3 GG die vollziehende Gewalt in ihrer Gesamtheit, also auch die Regierung, an Gesetz und Recht, d.h. an alle Rechtsnormen, gebunden sei. Werde das einfache Gesetzesrecht zudem noch vom Verfassungsrecht, wie es im Falle des Art. 44 Abs. 2 und 3 GG geschehen sei, in Bezug genommen, so würde sich die Exekutive einer schweren Verletzung ihrer Pflichten schuldig machen, wenn sie diese Rechtsnormen nicht beachtete. Es treffe nicht zu, daß diese Gesetzesbindung nur für die Beziehungen gegenüber den Bürgern gelte. Eine Abweichung vom geltenden Gesetzesrecht wäre nur in Erwägung zu ziehen, wenn die für das Untersuchungsverfahren geltenden Vorschriften der Strafprozeßordnung, des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 30 AO verfassungswidrig wären. Nach dem Willen des Gesetzgebers gelte daher § 30 AO – entweder unmittelbar- oder über die Gemeinwohlklausel des § 96 StPO – auch gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen.
§ 30 AO enthalte eine gesetzliche Konkretisierung der Abwägung zwischen dem Grundrechtsschutz der Steuerpflichtigen und dem zwingenden öffentlichen Interesse an einer Offenbarung. Die Vorschrift diene auch der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit einem schützenswerten, im Rechtsstaatsprinzip und in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Verfassungsgut.
Die Hinweise der Antragsteller auf Möglichkeiten einer nur begrenzten Zugänglichmachung der Geheimnisse änderten daran nichts. Das parlamentarische Regierungssystem und speziell die Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen lebten vom Prinzip der Öffentlichkeit. Untersuchungsausschüsse seien politische Kampfinstrumente. Die Beachtung von Geheimhaltungsvorschriften stehe im Ermessen des Untersuchungsausschusses. Wirksame Sanktionen gegen Geheimnisbrüche gebe es nicht. Die Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen zeige auch, daß Geheimschutzvorschriften das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Umstände nicht hätten verhindern können.
Die Auffassung der Antragsteller werde auch dem Grundrechtsschutz nicht gerecht, der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz (BVerfGE 65, 1) erweitert worden sei. Würden grundrechtsgeschützte Belange, hier vor allem die von Art. 2, 12, 14 GG erfaßten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, dem Untersuchungsausschuß durch Aktenvorlage offenbart, wäre die Grundrechtsverletzung bereits eingetreten, d.h. die Grundrechte wären ignoriert. Organisationsrechtliche Vorkehrungen könnten keine Abhilfe schaffen.
cc) Die streitbefangenen Akteninhalte seien gemäß § 30 AO zu Recht nicht an den Untersuchungsausschuß herausgegeben worden. Die Pflicht zur Beachtung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO gelte auch für die Bescheinigungsverfahren nach den §§ 6 b EStG, 4 AusllnvG.
Bei der Auslegung des § 30 AO müsse beachtet werden, daß diese Vorschrift die Wahrung des Steuergeheimnisses als Regel und seine Durchbrechung als Ausnahme ansehe. Es handele, sich um ein Geheimhaltungsprinzip mit Offenbarungsvorbehalt. Aus dieser Systematik und der Funktion des § 30 AO als Instrument des Grundrechtsschützes folge, daß die Ausnahmetatbestände eng auszulegen seien. Eine Offenbarung dürfe nur ultima ratio sein.
Die Antragsteller könnten sich nicht mit Erfolg auf ein „zwingendes öffentliches Interesse” im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO für eine vollständige Aktenvorlage berufen. Diese Vorschrift räume nur der Finanzverwaltung eine Art Notwehrrecht gegen verleumderische Behauptungen unter Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes ein. Selbst wenn man diese Vorschrift zugunsten des Untersuchungsausschusses anwenden würde, könnte ein zwingendes öffentliches Interesse, nicht bejaht werden, da die Kontrolle der Exekutive durch Untersuchungsausschüsse nicht in Bürgerkontrolle umschlagen dürfe. Hinzu komme, daß dem Bundesminister der Finanzen bei der Bestimmung des zwingenden öffentlichen Interesses eine Einschätzungsprärogative mit wertendem Beurteilungsspielraum zustehe. Bei der Abwägung der Allgemeininteressen wirtschaftspolitischer, insbesondere außenwirtschaftlicher und Steuer- bzw. finanzpolitischer Art auf der einen und den Kontrollaufgaben des Parlaments auf der anderen Seite müsse die Kontrollmöglichkeit durch den Bundesrechnungshof und aufgrund der Subventionsberichte der Bundesregierung berücksichtigt werden. Bei einer vollen Offenbarung wären hier schwerwiegende wirtschaftspolitische und unternehmenspolitische Gefährdungen zu befürchten. Für eine Lockerung des Steuergeheimnisses bei der Anwendung der §§ 6 b EStG, 4 AusllnvG und der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe bestehe kein Anlaß, da nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte insoweit der Exekutive grundsätzlich kein Beurteilungsspielraum, sondern nur eine minimale Einschätzungsprärogative eingeräumt sei.
2. Die Landtage von Rheinland-Pfalz und von Nordrhein-Westfalen haben zum Verfahren Stellung genommen.
Der Landtag Rheinland-Pfalz führt aus, daß das in § 30 AO geregelte Steuergeheimnis als solches die verfassungsrechtliche Aktenvorlagepflicht nicht begrenzen könne. Grenzen könnten sich aber im Einzelfall aus kompetenzrechtlichen Gründen oder aus den Grundrechten ergeben, wobei ein Interessenausgleich unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefunden werden müsse.
Der Landtag Nordrhein-Westfalen vertritt die Auffassung, daß das Steuergeheimnis gemäß § 30 AO der vollständigen Herausgabe der Akten an den 1. Untersuchungsausschuß der 10. Wahlperiode des Deutschen Bundestages im Ergebnis nicht entgegenstehe.
Entscheidungsgründe
B.
Die Anträge der Antragstellerinnen zu 1) und 3) sind zulässig; die Anträge der Antragsteller zu 2) und 4) sind unzulässig.
1. Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG gegeben; eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne dieser Bestimmungen liegt vor. Die Rechtsnatur der Streitigkeit bestimmt sich danach, welchen Charakter das Rechtsverhältnis hat, in dem die geltend gemachten Ansprüche wurzeln. Auf die Vorstellung der Parteien von der Rechtsnatur des Streitverhältnisses kommt es hierbei nicht an (vgl. BVerfGE 62, 295 [313]).
Im Streit steht die Frage nach dem Umfang des vom 1. Untersuchungsausschuß des 10. Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung geltend gemachten Anspruchs auf Herausgabe von Akten aus den Geschäftsbereichen der Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft. Die Rechte des Untersuchungsausschusses einschließlich des Rechts auf Akteneinsicht sind in Art. 44 GG und in den von dieser Bestimmung in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschriften geregelt. Der Streitgegenstand des Verfahrens betrifft deshalb die verfassungsrechtlichen Organbeziehungen zwischen dem Bundestag als Träger des Untersuchungsrechts und dem Ausschuß als Hilfsorgan des Parlaments auf der einen Seite und der Bundesregierung und einzelnen Bundesministern auf der anderen Seite.
Dem verfassungsrechtlichen Charakter des Streitverhältnisses steht nicht entgegen, daß die Antragsgegner die vollständige Herausgabe der Akten unter Hinweis auf das in § 30 AO geregelte Steuergeheimnis verweigern. Ein solches Verweigerungsrecht kann indessen nur dann bestehen, wenn es sich aus Art. 44 GG ergibt oder aus einer anderen Verfassungsbestimmung abzuleiten ist.
2. a) Die Antragstellerinnen zu 1) und 3) sind Fraktionen des Deutschen Bundestages und daher im Organstreitverfahren gemäß § 63 BVerfGG parteifähig (vgl. BVerfGE 45, 1 [28]; st. Rspr.). Die Antragstellerin zu 3) ist daneben auch insoweit befugt, im Verfassungsstreit als Beteiligte aufzutreten, als sie sich im Antrag gemäß Art. 44 Abs. 1 GG als das Viertel der Mitglieder des Bundestages konstituiert hat (BVerf-GE 2, 143 [162]; vgl. auch BVerfGE 49, 70 [77]).
b) Der Antragsteller zu 2) und die Antragsteller zu 4) sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 63 BVerfGG ebenfalls parteifähig. Sie sind als „Fraktion im Ausschuß” nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages mit eigenen Rechten ausgestattet (vgl. §§ 59 Abs. 4, 60 Abs. 2, 61 Abs. 2, 64 Abs. 2 Satz 3 GOßT). Ob daraus generell die Parteifähigkeit für den Organstreit folgt, ist im Hinblick auf den Wortlaut des § 63 BVerfGG und die Entstehungsgeschichte des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG zweifelhaft, kann hier jedoch dahinstehen. Die „Fraktion im Untersuchungsausschuß” ist jedenfalls im Sinne des § 63 BVerfGG wie ein Teil des Bundestages zu behandeln. Der Untersuchungsausschuß ist ein gemäß Art. 44 GG mit besonderen Rechten ausgestattetes Hilfsorgan des Bundestages. Der Bundestag kann von Verfassungswegen als Plenum diese besonderen Befugnisse nicht selbst wahrnehmen. Deshalb hat insbesondere die durch § 60 Abs. 2 GOßT der „Fraktion im Ausschuß” als Minderheitsrecht eingeräumte Befugnis, die Einberufung des Ausschusses zu erwirken, auch in bezug auf das dem gesamten Parlament zustehende Untersuchungsrecht gemäß Art. 44 GG besonderes Gewicht.
3. a) Die Antragstellerinnen zu 1) und 3) sind antragsbefugt (§ 64 Abs. 1 BVerfGG).
aa) Als Fraktionen des Bundestages sind sie berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments geltend zu machen (vgl. BVerfGE 45, 1 [28]). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 2. August 1978 ausgeführt, daß durch die Untersuchungsverfahren die Parlamente die Möglichkeit erhalten haben, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie in Erfüllung ihres Verfassungsauftrages als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halten. Aufgabe der Untersuchungsausschüsse sei es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und die Entscheidungen vorzubereiten (BVerfGE 49, 70 [85]). Herr der Untersuchungen, die die Aufklärung möglicher Mißstände im Verantwortungsbereich der Regierung zum Gegenstand haben, ist also der Bundestag. Er bedient sich nach der Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 GG des Untersuchungsausschusses. Damit dieser seine Aufgabe sachgerecht erfüllen, insbesondere über die „Erforderlichkeit” von Beweiserhebungen (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG) entscheiden kann, ist im Einsetzungsbeschluß die Aufgabe des Untersuchungsausschusses präzisiert. Wird eine vom Untersuchungsausschuß beschlossene Beweiserhebung durch Maßnahmen der Exekutive vereitelt, so kann dadurch der parlamentarische Untersuchungsauftrag in Frage gestellt sein.
Dies machen die Antragsteller geltend. Hinsichtlich der unter der Überschrift „Einflußnahme” formulierten Fragen 1 bis 4 haben sie vorgetragen, es sei durch die Schwärzung der Namen von Mitarbeitern der Firma Flick unmöglich, Zeugen in wesentlichen Punkten geeignete und gezielte Vorhalte zu machen. Zu den Fragen 5 bis 7, die unter der Überschrift „Entscheidungen über steuerliche Vorteile” zusammengefaßt sind, machen die Antragsteller geltend, daß die vorgelegten Akten insbesondere die Antragsbegründungen der Firma Flick für die Bescheinigungen gemäß § 4 AuslInvG nicht enthielten. Damit haben nach dem Vortrag der Antragsteller die Antragsgegner die Aufklärung dieser Fragen unmöglich gemacht und demnach das Untersuchungsrecht des Bundestages durch die Verweigerung vollständiger Aktenherausgabe verletzt.
bb) Die Antragstellerin zu 3) ist auch in ihrer Eigenschaft als konkrete Antragsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG antragsbefugt. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ist der Bundestag verpflichtet, dem von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder gestellten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu entsprechen. Damit hat das Grundgesetz das parlamentarische Untersuchungsrecht auch als Minderheitsrecht ausgestaltet (vgl. BVerfGE 49, 70 [86 f.]). Dieses Recht, zu dessen Durchsetzung auch das Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht dient (vgl. BVerfGE 45, 1 [29 f.]), könnte nach dem Vortrag der Antragstellerin zu 3) unmittelbar gefährdet sein, wenn das mit Beweisbeschluß geltend gemachte Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses nicht durchgesetzt würde.
b) Demgegenüber sind die Antragsteller zu 2) und 4) nicht antragsbefugt im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG. Als „Fraktion im Ausschuß” stehen ihnen eigene Rechte aus dem Grundgesetz gegen die Bundesregierung oder gegen Bundesminister auf Herausgabe von Akten nicht zu. Sie sind auch nicht befugt, in Prozeßstandschaft eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung des Beweiserhebungsrechts des Untersuchungsausschusses durch die Bundesregierung oder durch Bundesminister zu rügen. Dies kommt vielmehr, wie ausgeführt, dem Bundestag zu oder denjenigen, die für ihn in Prozeßstandschaft handeln können.
4. Die Antragsgegner sind prozeßführungsbefugt. Die Bundesregierung trägt die rechtliche Verantwortung für die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage, da sie im Rahmen ihrer Koordinierungsbefugnis (vgl. Art. 65 Satz 3 GG) über das Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses beraten und einen Beschluß des Inhalts gefaßt hat, § 30 AO auch gegenüber dem Untersuchungsausschuß anzuwenden. Die Antragsgegner zu 2) und 3) haben im Rahmen ihrer Ressortkompetenz nach Art. 65 Satz 2 GG über den Umfang der Aktenherausgabe und damit konkret darüber entschieden, inwieweit dem Aufklärungsinteresse des Bundestages entsprochen werden soll.
5. Die Antragstellerinnen haben ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung. Die inzwischen erfolgte Rücknahme der der Firma Flick gemäß § 4 AuslInvG erteilten Bescheinigungen durch den Bundesminister der Finanzen steht dem nicht entgegen, weil dadurch der Untersuchungsauftrag weitgehend unberührt bleibt.
6. Der von den Antragstellern zu 4) gemäß § 65 BVerfGG erklärte Beitritt zum Verfahren der Antragstellerin zu 3) ist aus den gleichen Gründen, aus denen ihnen die Antragsbefugnis fehlt, unzulässig.
C.
Die Anträge sind im wesentlichen begründet. Die einem Grundsatzbeschluß der Bundesregierung entsprechende Weigerung des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Wirtschaft, dem I. Untersuchungsausschuß des 10. Deutschen Bundestages die mit Beweisbeschluß vom 16. Juni 1983 genannten und mit Schreiben des Ausschußvorsitzenden vom 20. Juni 1983 angeforderten Akten vollständig vorzulegen, verstößt nach Maßgabe der folgenden Ausführungen gegen Art. 44 GG.
Dadurch werden der Deutsche Bundestag und die in der Antragstellerin zu 3) verkörperte Antragsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
I.
Art. 44 Abs. 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, einen Untersuchungsausschuß mit der Befugnis zur Erhebung der erforderlichen Beweise einzusetzen. Jedenfalls soweit der Untersuchungsauftrag die Kontrolle der Regierung bezweckt, erstreckt sich das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses auch auf das im Grundgesetz nicht eigens erwähnte Recht auf Vorlage der Akten der zu kontrollierenden Exekutive.
1. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt den Untersuchungsausschuß, die in Verfolg des Untersuchungszweckes erforderlichen Beweise selbst zu erheben.
Die Verfassung schließt mit dem Wort „erhebt” an den Sprachgebrauch an, wie er sich häufig in kompetenzbegründenden Bestimmungen findet. Er reicht über Art. 34 Abs. 1 Satz 2 WRV – „diese Ausschüsse erheben …” – in die konstitutionelle Zeit zurück. So setzten Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Preuß. Verf. von 1850 und Art. 27 Satz 1 der Reichsverfassung von 1871 (RV) fest, daß die gesetzgebende Körperschaft die Legitimation ihrer Mitglieder „prüft”. Auch das Grundgesetz kennt an zahlreichen Stellen entsprechende Wendungen, die Kompetenzen verleihen und Rechte gewähren, z.B. Art. 35, 59 Abs. 1, 60 Abs. 1, 65, 84 Abs. 3 GG.
Wenn der Untersuchungsausschuß die erforderlichen Beweise erheben kann, so ergibt sich schon aus dieser Wortwahl die Befugnis, in den Grenzen des seiner Tätigkeit zugrundeliegenden Parlamentsbeschlusses diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält. Darin ist auch das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen.
Zur Beweiserhebung verweist Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Vorschriften über den Strafprozeß; sie finden jedoch nur „sinngemäße” Anwendung. Auszugehen ist danach zunächst vom Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens (Art. 44 Abs. 1 GG). Von daher ist jeweils zu prüfen, welche strafprozessualen Vorschriften heranzuziehen und in welchem Umfang sie anzuwenden sind. Mithin bleibt das in Abs. 1 verankerte Recht zur Erhebung der erforderlichen Beweise so, wie es Sinn und Zweck des Untersuchungsausschusses erfordert, für die Anwendung der Vorschriften des Strafprozesses beherrschend.
2. Das Recht auf Aktenvorlage kann nicht lediglich als Teil des Rechts auf Amtshilfe gedeutet werden. Wenn ein Untersuchungsausschuß des Bundestages von Behörden, die seiner Kontrolle nicht unterliegen, also etwa solchen der Länder und der Gemeinden, Akten anfordert, mag dies als Inanspruchnahme von Amtshilfe anzusehen sein. Das Recht auf Vorlage von Akten der dem Bundestag verantwortlichen Regierung ist demgegenüber Bestandteil des parlamentarischen Kontrollrechts. Die Beziehungen zwischen Bundestag und Bundesregierung können nicht durch den in anderen Bereichen entwickelten Begriff der Amtshilfe beschrieben werden; sie sind durch ihre verfassungsrechtlichen Kompetenzen bestimmt (vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht in; Staatsrechtliche Abhandlungen, 1955, S. 242 ff., 246; Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 [1958], S. 37 f.; Bäumlin, Die Kontrolle des Parlaments über Regierung und Verwaltung, ZSchweizR Bd. 107, 2. Halbband, S. 238 ff.). Schon in der frühkonstitutionellen Zeit hat v. Rotteck das Recht der Aktenanforderung als mit der Kompetenz der Landstände gegeben erachtet. Die Regierung dürfe den Landständen nichts verheimlichen, sondern müsse alle zur Darstellung der Lage des Staates und der von den Ständen zu vertretenden Interessen nötigen Weisungen, Aufklärungen, Aktenstücke, Urkunden usw. diesen auf Verlangen vorlegen (Lehrbuch des Vernunftrechts, 2. Aufl., 1840, 2. Bd., S. 256).
Das gleiche Verständnis liegt auch anderen Vorschriften der Verfassung zugrunde. So ergibt sich z.B. die grundsätzliche Verpflichtung der Exekutive zur Zusammenarbeit mit dem Parlament bei der Behandlung von Bitten und Beschwerden bereits unmittelbar aus Art. 45 c GG. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht zum parlamentarischen Interpellationsrecht entschieden, daß diesem Recht eine verfassungsrechtliche Pflicht der Bundesregierung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen und den Abgeordneten die zur Ausübung ihres Mandates erforderlichen Informationen zu verschaffen, korrespondiere (vgl. BVerfGE 13, 123 [125]; 57, 1 [5]).
3. Diese Auslegung wird durch verfassungssystematische Gesichtspunkte erhärtet. Das Grundgesetz hat ein parlamentarisches Regierungssystem normiert, das stärker ausgeprägt und zugleich mehr auf Stabilität der Regierung angelegt ist als unter der Weimarer Reichsverfassung (BVerfGE 62, 1 [40 f.]).
Das parlamentarische Regierungssystem wird grundlegend auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Der Grundsatz der Gewaltenteilung, der zu den tragenden Organisationsprinzipien des Grundgesetzes gehört und dessen Bedeutung in der politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsgewalt liegt (vgl. BVerfGE 3, 225 [247]; 34, 52 [59]), gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, daß parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat dem durch die Einfügung der Art. 45 a, 45 b (wo sich der Begriff der parlamentarischen Kontrolle findet), Art. 45 c und 53a GG Nachdruck verliehen. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, gerade auch den Untersuchungsausschuß mit denjenigen Befugnissen ausgestattet anzusehen, deren er bedarf, um die ihm aufgegebene Klärung von Zweifeln an der „Gesetzlichkeit oder Lauterkeit von Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahmen” (vgl. § 52 des Preußischen Entwurfs zur Weimarer Reichsverfassung in: Triepel, Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht, 5. Aufl., 1931, S. 14) wirksam vornehmen zu können. Zu diesen Befugnissen gehört – im Rahmen des durch Parlamentsbeschluß festgelegten Untersuchungsauftrages – als ein Bestandteil des Rechts, die erforderlichen Beweise zu erheben, das Recht auf Einsichtnahme in die Akten der Regierung.
4. Die Entstehungsgeschichte des Art. 44 GG und seines Vorläufers, des Art. 34 WRV, bestätigt dieses Ergebnis.
a) Im Jahre 1918 schlug Max Weber in seinem Aufsatz „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland” (Gesammelte. Politische Schriften, 4. Aufl., 1980, S. 351 ff.) die Einrichtung von öffentlich tagenden Untersuchungsausschüssen mit umfangreichen Befugnissen bis hin zum eidlichen Verhör der Beteiligten vor. Das wichtigste Machtmittel der Exekutive gegenüber der Legislative sei, das Dienstwissen als Dienstgeheimnis gegen Kontrolle zu sichern. Insofern sei das Enqueterecht mit der durch die parlamentarische Kontrolle erzwungenen Publizität der Verwaltung die grundlegende Vorbedingung aller weiteren Reformen des Parlaments. Als Minderheitsrecht ausgestaltet bilde das Enqueterecht gegen eine mögliche „Mehrheitswirtschaft” und ihre bekannten Gefahren das „Gegengewicht der Publizität”.
Im Sinne dieser Gedanken beschloß die Weimarer Nationalversammlung den Art. 34 WRV. Er enthielt, wie schon § 52 des Preuß'schen Entwurfs, auch das Aktenvorlagerecht (Art. 34 Abs. 2 WRV). Die Bezugnahme auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung wurde während der Beratungen des Verfassungsausschusses nur eingefügt, um zum Recht der Zeugeneinvernahme, das der Verfassungsausschuß mit Art. 34 Abs. 1 WRV als geregelt ansah, das Recht des Zeugniszwanges und der Zeugenvereidigung hinzuzufügen (Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 391; Bd. 336, S. 264 ff.).
Auch in der Wissenschaft wurde das Verhältnis des Art. 34 Abs. 1 zu Abs. 2 WRV so verstanden (Anschütz, Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, Erl. 4 und 8; Hatschek/Kurtzig, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, 2. Aufl., 1930, 1. Bd., S. 700 f.; Lammers in: Anschütz/Thoma, Handbuch des deutschen Staatsrechts, 1932, 2. Bd., S. 470 Fn. 120; Heck, Der Parlamentarische Untersuchungsausschuß, 1925, S. 17 f.). Schon Art. 82 Preuß. Verf. verlieh der Enquete-Kommission die Befugnis zur selbständigen Anhörung von Zeugen und Sachverständigen, die dagegen das Recht zur Amtshilfe durch Aktenanforderung von Behörden oder richterliche Zeugeneinvernahme im Auftrage des Untersuchungsausschusses nicht mit umfaßte (vgl. v. Rönne/Zorn, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 5. Aufl., 1899, S. 364; weitergehend im Sinne der Verleihung auch dieser Befugnisse: v. Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 4. Aufl., 1881, S. 295 f., und Lammers, a.a.O.). Art. 34 Abs. 1 WRV und Art. 82 Preuß. Verf. wurden mithin als Befugnisnormen aufgefaßt.
b) Während der Verhandlungen des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee und des Parlamentarischen Rates war das Aktenvorlagerecht Bestandteil aller Fassungen des Artikels über den Untersuchungsausschuß bis in die Schlußphase der Beratungen. Vor der vierten und letzten Lesung des Hauptausschusses schlug der Allgemeine Redaktionsausschuß, über dessen Erörterungen keine Protokolle vorhanden sind, vor, die bisherige Bestimmung – „Die Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, einem Ersuchen des Ausschusses um Aktenvorlage und Rechtshilfe Folge zu leisten” – wie folgt zu fassen: „Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet” (Parl. Rat, Entwürfe zum GG, S. 208). Der Hauptausschuß und der Parlamentarische Rat nahmen diese Fassung ohne Aussprache an (Parl. Rat, Verhandlungen des HA, 57. Sitzung vom 5. Mai 1949, S. 752, und Parl. Rat, Sten. Ber., 9. Sitzung vom 6. Mai 1949, S. 182). Der schriftliche Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes enthält hierzu keine Bemerkungen. Sinn der redaktionellen Überarbeitung durch den Allgemeinen Redaktionsausschuß war es nicht, die Befugnisse des Untersuchungsausschusses einzuschränken. Das Recht der Aktenvorlage ist wie nach Art. 34 WRV selbstverständlicher Bestandteil des Rechts der Untersuchungsausschüsse durch alle Stadien der Veränderungen des Art. 44 GG geblieben.
Akten sind ein besonders wichtiges Beweismittel bei der Untersuchung politischer Vorgänge. Sie haben gegenüber Zeugenaussagen in der Regel einen höheren Beweiswert, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann. Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum „Wesenskern” des Untersuchungsrechts (Partsch, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, Verh. 45 DJT Bd. I, Teil 3, S. 126 f.).
II.
Auf die Wahrnehmung des in Art. 44 Abs. 1 GG begründeten Beweiserhebungsrechts finden gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Diese Bestimmung erfaßt über § 96 StPO auch § 30 AO. Bei ihrer Anwendung ist jedoch der Bedeutung der parlamentarischen Kontrollkompetenz Rechnung zu tragen. Grenzen des Beweiserhebungsrechts können sich zudem aus den Grundrechten ergeben.
1. Es kann dahinstehen, ob § 30 AO eine Vorschrift „über den Strafprozeß” im engeren Wortsinn ist und damit unmittelbar für das Verfahren der Untersuchungsausschüsse gilt. Denn jedenfalls schließt der für das Untersuchungsverfahren anwendbare § 96 StPO die Berücksichtigung des § 30 AO ein.
2. Gemäß § 96 StPO darf u.a. die Vorlegung von Akten durch Behörden nicht gefordert werden, wenn die oberste Dienstbehörde erklärt, daß das „Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile” bereiten würde. Diese Bestimmung stellt für das Strafverfahren ein Beweisverbot, näherhin ein Beweisverfahrensverbot auf, und dient dem Zweck, das Dienstgeheimnis auch im Strafverfahren in gewissen Grenzen zu schützen (vgl. BVerfGE 57, 250 [282]). Sie ist auch von einem Untersuchungsausschuß grundsätzlich zu beachten.
a) Die Verweisungsnorm des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG bezieht sich ihrem Wortlaut nach im Grundsatz auf alle einschlägigen, d.h. Beweisaufnahme und Beweismittel regelnden Vorschriften. Dieser Wortlaut läßt insbesondere nicht den Schluß zu, die Bezugnahme solle nur befugnisbegründende, nicht dagegen befugnisbegrenzende Regelungen der Strafprozeßordnung erfassen. Auch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ergibt keinen durchgreifenden, in eine andere Richtung deutenden Anhaltspunkt.
b) Die Bestimmung des § 96 StPQ ist nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG sinngemäß anzuwenden. Dies heißt, daß Art und Umfang der Anwendung der Vorschrift dem Sinn parlamentarischer Kontrolle durch einen Untersuchungsausschuß entsprechen sollen. Hiernach liegt es nicht im – wenn auch pflichtgemäßen – Ermessen der Bundesregierung, gegenüber einem Untersuchungsausschuß, der mögliche Mißstände im Verantwortungsbereich der Regierung aufklären soll, zu bestimmen, was sie als die Aktenherausgabe hinderndes Wohl des Bundes oder eines Landes ansieht. Der Aktenherausgabeanspruch hat Verfassungsrang. Er dient, jedenfalls soweit er im Zusammenhang mit einer Mißstandsenquete geltend gemacht wird, der Kontrollaufgabe des Bundestages gegenüber, der Bundesregierung. Diese hat die verfassungsrechtliche Pflicht, die Ausübung des Kontrollrechts des Bundestages in geeigneter Weise zu unterstützen.
aa) Unproblematisch ist die Geheimhaltung solcher Tatsachen, die mit dem Kontrollauftrag eines Untersuchungsausschusses, wie ihn der Bundestag formuliert hat, in keinem sachlichen Zusammenhang stehen. Insoweit nimmt die Regierung ihre eigene Verantwortung wahr, wenn sie dafür sorgt, daß geheimzuhaltende Tatsachen nicht ohne Notwendigkeit dritten Stellen, seien es solche der Exekutive, der Legislative oder der Judikative, zugänglich werden. Jede Weitergabe eines Dienstgeheimnisses vermehrt die Gefahr, daß es allgemein bekannt wird.
bb) Enthalten vom Untersuchungsausschuß angeforderte Akten Dienstgeheimnisse, ohne deren Offenbarung dem Kontrollauftrag des Bundestages nicht genügt werden kann, so bedeutet die sinngemäße Anwendung des § 96 StPO grundsätzlich, daß die Bundesregierung den Untersuchungsausschuß in einer Weise zu unterstützen hat, die zugleich das Dienstgeheimnis nach Maßgabe dieser Vorschrift wahrt.
(1) Schon das von Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug genommene Gerichtsverfassungsgesetz sieht zur Vermeidung der Gefährdung der Staatssicherheit in § 172 Nr. 1 den Ausschluß der Öffentlichkeit von der Verhandlung vor. Der Wahrung des Dienstgeheimnisses wird also schon im Strafprozeß vorrangig nicht durch Nichtweitergabe Rechnung getragen, sondern durch Weitergabe unter besonderen, das Bekanntwerden verhindernden Vorkehrungen, zu denen auch die Strafandrohung des § 353 d Nr. 1 StGB zählt.
(2) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung (GSO), die Bestandteil der Geschäftsordnung ist (vgl. § 17 GOßT in der Fassung vom 2. Juli 1980, BGBl I S. 1237), in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt. Die Geheimschutzordnung ist der Verschlußsachenanweisung des Bundesministers des Innern nachgebildet und in der Definition der Geheimhaltungsgrade zum Teil strenger als die jetzt geltende Fassung der Verschlußsachenanweisung. Von besonderer Bedeutung ist § 3 Abs. 2 GSO, wonach die das Schriftstück herausgebende Stelle, also gegebenenfalls das jeweilige Ministerium, den Geheimhaltungsgrad verbindlich auch für die Behandlung des Schriftstücks im Bundestag bestimmt.
Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353 b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt.
(3) Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, daß das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit von Parlament und Regierung wurden im sicherheitsempfindlichen Bereich durch die Artikel 45 a, 45 b, 53 a GG über den Stand von 1949 hinaus weiterentwickelt. Ferner bestehen auf gesetzlicher Grundlage weitere parlamentarische Gremien, die mit geheimzuhaltenden Materien zu tun haben. Das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 11. April 1978 (BGBl I S;453) betont in § 2 Abs. 1 ausdrücklich den Anspruch der Kommission auf „umfassende” Unterrichtung. Den Haushalt der Geheimdienste berät nach § 4 Abs. 9 HaushaltsG 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1516) ein eigens dafür gebildetes Gremium aus Abgeordneten. Ferner regelt das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) vom 13. August 1968 (BGBl I S. 949) die Eingriffe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Amtes für Sicherheit der Bundeswehr und des Bundesnachrichtendienstes in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis der Bürger. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß dem innerhalb oder außerhalb des Parlaments gebildeten Kontrollorgan alle für seine Entscheidungen erheblichen Unterlagen zugänglich gemacht werden müssen (vgl. BVerfGE 30, 1 [23]).
(4) Das Wohl des Bundes oder eines Landes, der Bezugspunkt für die durch § 96 StPO geschützten öffentlichen Interessen, ist demnach im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht der Bundesregierung allein, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut. Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Daß auch die Beobachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen. Diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten.
(5) In der Entwicklung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse wurde die Durchbrechung des Öffentlichkeitsprinzips zunehmend erleichtert. Während noch § 52 des Preuß'schen Entwurfs zur Weimarer Reichsverfassung einen Ausschluß der Öffentlichkeit nicht vorsah, gab der Entwurf des Verfassungsausschusses dem Untersuchungsausschuß die Möglichkeit, einstimmig die Öffentlichkeit auszuschließen (vgl. Verhandlung der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung; Aktenstück Nr. 391; Bd. 336, S. 264 ff). Die Nationalversammlung beschloß dann die weiter abgeschwächte Fassung des Art. 34 Abs. 1 Satz 3 WRV, wonach die Öffentlichkeit mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden konnte.
Der Parlamentarische Rat ging im Laufe der Beratungen des Grundgesetzes zur einfachen Mehrheit für den Ausschluß der Öffentlichkeit über. Für den Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß nach Art. 45 a GG wurde auf die Öffentlichkeit der Verhandlungen im Grundsatz verzichtet (vgl. Art. 45 a Abs. 3 GG).
(6) Den Ausschluß der in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG vorgesehenen Öffentlichkeit kann die Bundesregierung, wenn sie dem Ausschuß geheimes Material übermittelt, nicht erzwingen. Vielmehr ist nach der Verfassung der Untersuchungsausschuß Herr über die Öffentlichkeit seiner Verhandlungen. Die Bundesregierung, die eine eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse hat, ist aber nicht verpflichtet, Verschlußsachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Untersuchungsausschuß vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet. Aus der Befolgung der Geheimschutzordnung folgt zugleich die. Pflicht des Untersuchungsausschusses, in der Begründung seiner Beschlußempfehlungen und in seinem Bericht die Mitteilung der von der Regierung übermittelten Tatsachen zu unterlassen, die in nichtöffentlicher Sitzung erörtert wurden, es sei denn, sie ist unter Geheimschutzgesichtspunkten auch nach Auffassung der Bundesregierung unbedenklich.
cc) Schließlich sind bei einer sinngemäßen Anwendung des § 96 StPO gegenüber einem Untersuchungsausschuß die strukturellen Unterschiede zwischen dem parlamentarischen Untersuchungsverfahren und dem Strafprozeß in Betracht zu ziehen. Die Bundesregierung ist im Strafprozeß regelmäßig unbeteiligt, während sie im Untersuchungsverfahren, in dem Vorwürfe gegen ihre eigene Amtstätigkeit aufgeklärt werden sollen, Betroffene, gleichsam Partei, ist. Es wäre ein Verfassungsverstoß, wenn die jeweilige oberste Bundesbehörde Aktenstücke etwa deshalb zurückbehielte, weil sie belastendes Material enthalten oder weil sie den Untersuchungsausschuß auf die Spur belastenden Materials oder weiterer Beweismittel bringen könnten. Die Bundesregierung und die obersten Dienstbehörden haben schon um des öffentlichen Ansehens der Bundesrepublik Deutschland willen, das von der Amtsführung der Bundesregierung in hohem Maße abhängt, alles zu tun, um Zweifel an der „Lauterkeit von Regierungs- und Verwaltungsmaßnahmen”, die nach dem ersten Entwurf zu Art. 34 WRV für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses maßgebend sein sollten, zu zerstreuen.
dd) Die Bundesregierung hat hiernach gegenüber einem Aktenherausgabeanspruch des Untersuchungsausschusses zunächst zu prüfen, ob sich überhaupt geheimzuhaltende Tatsachen in jenen Akten befinden, die mit dem Untersuchungsauftrag im Zusammenhang stehen. Ist dies der Fall, so eröffnet die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Möglichkeiten, dem von der Bundesregierung festzulegenden Geheimhaltungsgrad Rechnung zu tragen. Nimmt die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch, geheimzuhaltende Tatsachen dem Untersuchungsausschuß vorzuenthalten, so muß sie den Ausschuß, gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Art der Schriftstücke, die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der Geheimhaltungsbedürftigkeit unterrichten, der diesen Tatsachen ihrer Auffassung nach zukommt. Dazu ist die Regierung gehalten, dem Untersuchungsausschuß für die Erörterung ihres Standpunktes zur Verfügung zu stehen (vgl. hierzu auch Schlußbericht Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924, S. 56 r.Sp.).
Hat der Untersuchungsausschuß Grund zu der Annahme, daß zurückgehaltene Informationen mit dem ihm erteilten Kontrollauftrag zu tun haben und besteht er deshalb auf Herausgabe der Akten, so hat die Regierung die vom Untersuchungsausschuß genannten Gründe zu erwägen und, sollten sie ihre Auffassung nicht erschüttern können, zu prüfen, welche Wege beschritten werden können, um den Untersuchungsausschuß davon zu überzeugen, daß seine Annahme nicht zutrifft. In der Vergangenheit hat die Bundesregierung zu diesem Zweck gelegentlich dem Vorsitzenden des Ausschusses und seinem Stellvertreter Akteneinsicht gewährt. Das ist eine der möglichen Verfahrensweisen.
ee) Angesichts dieser Verfassungslage und Verfahrensmöglichkeiten dürften sich nur unter ganz besonderen Umständen Gründe finden lassen, dem Untersuchungsausschuß Akten unter Berufung auf das Wohl des Bundes oder eines Landes vorzuenthalten. Solche Gründe können sich insbesondere aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk (vgl. BVerfGE 9, 268 [281]) setzt notwendigerweise einen „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung” voraus (Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 [1980], S. 598), der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört z.B. die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.
Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet ist.
Indessen brauchen hier die Grenzen, innerhalb deren die Regierung unter Berufung auf § 96 StPO das Dienstgeheimnis wahren darf, nicht abschließend beschrieben zu werden.
c) Zu den von § 96 StPO erfaßten öffentlichen Belangen kann auch das Steuergeheimnis im Sinne des § 30 AO gehören. Diese Vorschrift schützt das Steuergeheimnis als Gegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten des Steuerrechts. Sie dient zum einen dem privaten Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen und der anderen zur Auskunftserteilung verpflichteten Personen. Zugleich wird mit ihr der Zweck verfolgt, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung der steuerlich relevanten Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, d.h. insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen. Diese im Rechtsstaatsprinzip und im Gleichbehandlungsgebot verankerten öffentlichen Interessen haben einen hohen Rang, der über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens hinausgeht. Dieser hohe Rang rechtfertigt es, bei der Auslegung der Staatswohlklausel im Sinne des § 96 StPO auch die durch § 30 AO geschützten öffentlichen Interessen zu berücksichtigen, um so einen Wertungswiderspruch zwischen den beiden Geheimhaltungsvorschriften zu vermeiden.
aa) Steuerdaten sind regelmäßig nicht von öffentlichem Interesse in dem Sinne, wie es ein Untersuchungsauftrag des Bundestages an einen Untersuchungsausschuß voraussetzt. Die parlamentarische Kontrolle ist politische Kontrolle, nicht administrative Überkontrolle. Die Bundesregierung kann daher von einem Aktenherausgabeverlangen eines Untersuchungsausschusses nur dann zur Prüfung der Tragweite des Steuergeheimnisses genötigt werden, wenn der Ausschuß in Ausübung von politischer Parlamentskontrolle handelt.
bb) Ein Konflikt zwischen dem Aktenvorlageverlangen eines Untersuchungsausschusses und der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses ist u.a. dann möglich, wenn Sachverhalte aus dem Bereich des Subventionsrechts den Gegenstand des Untersuchungsauftrages bilden. Hier trifft die Bundesregierung ohnehin eine Informationspflicht nach § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (BGBl 1967 I S. 582). Grund dafür ist die Tatsache, daß Bundesmittel in erheblichem Umfang für bestimmte Zwecke an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung gegeben werden. Aber auch der Umstand, daß der Exekutive bei der Vergabe von Subventionen oft weitreichende Entscheidungsbefugnisse eingeräumt sind, macht gerade in diesem Bereich eine parlamentarische Kontrolle des Verwaltungshandelns sinnvoll und notwendig. Dies gilt zumal dann, wenn es sich um Entscheidungen handelt, deren politische Dimension sich ohne weiteres aus den ihnen zugrundeliegenden Rechtsnormen ergibt. Um einen solchen Fall handelt es sich bei den in §§ 6 b EStG und 4 AuslInvG geregelten Tatbeständen, die u.a. voraussetzen, daß die zu beurteilenden Kapitalverlagerungen „volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig” sind. Die weiteren Merkmale etwa der Eignung, „die Unternehmensstruktur eines Wirtschaftszweiges zu verbessern” (§ 6 b EStG), oder „einer verstärkten weltwirtschaftlichen Verflechtung zu dienen” (§ 4 AusllnvG), setzen überdies ein erhebliches prognostisches Einschätzungsvermögen der an der Entscheidung beteiligten Behörden voraus.
cc) Dies alles hat Auswirkungen auf den Schutz des Steuergeheimnisses nach § 30 AO gegenüber einem Untersuchungsausschuß, der solche Subventionssachverhalte untersucht. Grundsätzlich findet § 30 AO zwar auf Bescheinigungsverfahren gemäß §§ 6 b EStG, 4 AuslInvG wegen ihres unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Steuerrecht Anwendung (vgl. Koch/Zeller, Das Steuergeheimnis in: Neues Steuerrecht von A bis Z, 1983, C II 1 [S. 7]). Gälte indessen das Steuergeheimnis auch gegenüber dem Untersuchungsausschuß uneingeschränkt, so wäre ein gegen Angriffe auf die Lauterkeit und Unbestechlichkeit der Exekutive besonders empfindlicher Bereich von der parlamentarischen Kontrolle ausgeschlossen. Ein solches Ergebnis wäre unvereinbar mit den Rechten des Bundestages gegenüber der Regierung, aber auch unvereinbar mit der Verantwortung, die ihm als dem das Volk unmittelbar repräsentierenden Organ zukommt. Die Vorschriften über das Steuergeheimnis in § 30 AO enthalten überdies selbst Ausnahmetatbestände zugunsten einer Offenbarung von Daten, die dem Steuergeheimnis unterliegen. Hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle durch Untersuchungsausschüsse kommt die Vorschrift des Abs. 4 Nr. 5 in Betracht, wonach die Offenbarung zulässig ist, wenn für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Dieses ist – unbeschadet grundrechtlicher Schranken – namentlich dann gegeben, wenn die Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen erforderlich ist, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern (§ 30 AO Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO). Dieser Ausnahmetatbestand ist verfassungskonform so auszulegen, daß er auch den Fall des Aktenvorlageverlangens des Untersuchungsausschusses trifft, mit dem der Bundestag in der Öffentlichkeit verbreiteten Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit der Exekutive nachgeht, die auch die Steuermoral der Bürger nachhaltig erschüttern könnten.
3. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben öffentliche Gewalt aus. Über die in Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG benannten Schranken hinaus haben sie gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht und das Recht auf Aktenvorlage einschränken.
a) Das Recht auf Wahrung des in § 30 AO gesetzlich umschriebenen Steuergeheimnisses ist als solches kein Grundrecht. Die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse, deren Weitergabe einen Bezug auf den Steuerpflichtigen oder private Dritte erkennbar werden läßt, kann indessen durch eine Reihe grundrechtlicher Verbürgungen, insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG geboten sein. Die Angaben, die ein Steuerpflichtiger aufgrund des geltenden Abgabenrechts zu machen hat, ermöglichen weitreichende Einblicke in die persönlichen Verhältnisse, die persönliche Lebensführung (bis hin beispielsweise zu gesundheitlichen Gebrechen, religiösen Bindungen, Ehe- und Familienverhältnissen oder politischen Verbindungen) und in die beruflichen, betrieblichen, unternehmerischen oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse. Über ihre zeitlich kontinuierliche Erfassung, Speicherung und ständige Abrufbarkeit ermöglichen sie demjenigen, der über diese Daten verfügt, ein Wissen außerordentlichen Ausmaßes über die Betroffenen, das unter den gegenwärtigen Lebensverhältnissen in entsprechende Macht über die Betroffenen umschlagen kann.
Die genannten Grundrechte verbürgen ihren Trägern einen Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerläßlich ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [44]).
Das – auch strafrechtlich sanktionierte – Verlangen des Staates nach steuerlichen Angaben begründet sich aus dem Umstand, daß der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugute kommen. Deshalb darf ihm ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit der Abgabenpflicht erfordert die Angabe von Daten, die solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Von hier aus rechtfertigen sich – vorbehaltlich ihrer näheren Ausgestaltung anhand der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäbe – Gesetze, die eine Pflicht zu steuerlichen Angaben auferlegen. Zugleich aber ergeben sich hieraus prinzipielle Grenzen für die Verwendung und Weitergabe solcher Angaben: Das gegenwärtige gesetzliche Abgabenrecht verpflichtet den Betroffenen, allein zum Zwecke der Besteuerung Angaben zu machen; zu einer Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe individualisierter oder individualisierbarer Daten zu anderen Zwecken ermächtigen die Steuergesetze grundsätzlich nicht.
b) Dieser Schutz besteht von Verfassungswegen auch gegenüber den Befugnissen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und grundrechtlicher Datenschutz stehen sich mithin auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, daß beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten.
Ausnahmen vom Steuergeheimnis sind im Lichte dieses verfassungsrechtlichen Befundes auszulegen und anzuwenden. Dabei kann hier dahinstehen, ob alle Tatbestände des § 30 AO durch verfassungsrechtliche Anforderungen an den Schutz individualisierter und individualisierbarer steuerlicher. Daten geboten sind oder ihnen genügen.
c) Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet in aller Regel dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Eigentumsschutzes, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiete gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Eine Ausnahme hiervon gilt indessen für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [46]). Fernerhin führt der Umstand allein, daß ein Steuerpflichtiger Angaben macht, um eine nur auf Antrag mögliche Steuerbefreiung, Minderung seiner Steuerschuld oder eine sonstige steuerliche Vergünstigung zu erlangen, grundsätzlich nicht zu einer Abschwächung des grundrechtlich verbürgten Schutzes seiner Daten. Jedenfalls aber, wenn ein solches Begehren auf subventionsrechtliche Tatbestände der hier in Rede stehenden Art gestützt wird, verwehten es weder die Grundrechte noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, einem Untersuchungsausschuß mit entsprechendem Untersuchungsgegenstand die hierauf bezogenen Daten zugänglich zu machen; Akten über solche Daten dürfen mithin dem Untersuchungsausschuß insoweit nicht vorenthalten werden.
Sollte die Regierung Bedenken haben, auch unter den besonderen Vorkehrungen des Geheimschutzes Schriftstücke einem Untersuchungsausschuß zur Verfügung zu stellen (vgl. oben C II 2. b) ee) – S. 647), so ist sie verpflichtet, die oben aufgezeigten Verfahrensschritte einzuhalten.
III.
Nach diesen Maßstäben haben die Antragsgegner im konkreten Fall mit der Berufung auf ein dem Aktenherausgabeanspruch des I. Untersuchungsausschusses der 10. Wahlperiode entgegenstehendes Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO gegen Art. 44 GG verstoßen.
1. Der 1. Untersuchungsausschuß hat sein Aktenvorlagebegehren nicht als Maßnahme der Vorermittlung im Wege der schlichten Amtshilfe gemäß Art. 44 Abs. 3 GG, sondern im Rahmen seiner Beweiserhebungskompetenz aus Art. 44 Abs. 1 GG geltend gemacht. Dies zeigt die Form des Beweisbeschlusses, in die das Herausgabeverlangen gekleidet ist.
2. a) Die Antragsgegner haben sich gegenüber dem Beweisbeschluß auf die einfachrechtliche Vorschrift des § 30 AO und die hierdurch geschützten „Verhältnisse” der Firma Flick und unbekannter Dritter berufen. Insoweit haben sie den Verfassungsrang des Aktenherausgabeanspruchs des Untersuchungsausschusses und seine Bedeutung für eine effektive Regierungs- und Verwaltungskontrolle im parlamentarischen Regierungssystem verkannt. Sie haben die Möglichkeiten, die die Geheimschutzordnung des Bundestages zur Wahrung von Dienstgeheimnissen bietet, weder genutzt noch ihre Nutzung erwogen.
b) Die Antragsgegner haben den konkreten Gegenstand des Verfahrens nicht hinreichend gewürdigt. Es handelt sich um die Untersuchung möglicher Mißstände im Bereich der Anwendung von Subventionsbestimmungen des Einkommensteuerrechts mit großen volkswirtschaftlichen und haushaltsmäßigen Auswirkungen. Dabei geht es um Vorwürfe gegen Mitglieder der Bundesregierung, Beamte der zuständigen Ressorts, Mitglieder des Deutschen Bundestages und gegen politische Parteien. Angesichts dieser Untersuchungslage sind die Antragsgegner – unbeschadet möglicherweise gebotener und im Einklang mit der Geheimschutzordnung des Bundestages zu treffender Vorkehrungen zur wirksamen Geheimhaltung empfindlicher Daten – verpflichtet, sich bei ihrer Entscheidung über die Herausgabe der vom Untersuchungsausschuß begehrten Akten von dem Interesse an der vollständigen Aufklärung der Vorwürfe, wie sie auch die Vorschrift des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO zum Ziel hat, leiten zu lassen.
3. Schließlich haben die Antragsgegner zu berücksichtigen, daß sie die Akten an die Staatsanwaltschaft vollständig herausgegeben haben. Es sind bislang keine Gründe ersichtlich, aus denen die Antragsgegner zwar der Strafverfolgungsbehörde, nicht aber dem Untersuchungsausschuß des Bundestages vollständige Aktenkenntnis gewähren könnten. Aus den unterschiedlichen Funktionen der parlamentarischen Kontrolle und der Strafverfolgung lassen sich solche Gründe verfassungsrechtlich zulässig jedenfalls nicht herleiten.
D. Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Fundstellen
Haufe-Index 1179087 |
BStBl II 1984, 634 |