Leitsatz (amtlich)
- Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ist in den Fällen der gemeinschaftsrechtlichen Anlastung eine unmittelbar anwendbare Haftungsgrundlage. Die Haftung ist verschuldensunabhängig.
- Der Bund hat sich in diesen Fällen mögliche Mitverursachungsbeiträge anrechnen zu lassen.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin die verfassungsmäßigen Rechte der Antragstellerin zu 1) aus Artikel 104a Absatz 5 des Grundgesetzes verletzt hat, indem sie mit Schreiben vom 4. und 13. Februar 2004 gegen auf anderweitigem Rechtsgrund beruhende Ansprüche der Antragstellerin zu 1) die Aufrechnung erklärt und dabei eine die Erstattungspflicht der Antragstellerin zu 1) mindernde eigene Mitverursachung nicht in Betracht gezogen hat. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die Aufforderung der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25. März 2004 an die Antragstellerin zu 2), wegen der Nichtanerkennung von Marktordnungsausgaben durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, einen Betrag in Höhe von 422.233,53 Euro zu erstatten, diese in ihrem verfassungsmäßigen Recht aus Artikel 104a Absatz 5 des Grundgesetzes verletzt, weil sie dabei eine die Erstattungspflicht der Antragstellerin zu 2) mindernde eigene Mitverursachung nicht in Betracht gezogen hat. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten in den zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren streiten um die Frage, ob der Bund berechtigt ist, von den Ländern die vollständige Erstattung von Beträgen zu verlangen, die der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen von Rechnungsabschlussentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften durch die Anlastung von Marktordnungsausgaben des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft auferlegt wurden.
I.
1. Durch Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl EG Nr. L 94/13), die bis zum Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1258/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl EG Nr. L 160/103) galt, wurde der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft eingerichtet, der zwei Abteilungen umfasst, die Abteilung Garantie und die Abteilung Ausrichtung (im Folgenden nur noch EAGFL, Abteilung Garantie).
Der EAGFL, Abteilung Garantie, finanziert nach Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 729/70 die Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte, die nach Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte (Art. 34 EG) erfolgen.
a) Zu diesen Maßnahmen zählen die im Verfahren 2 BvG 1/04 in Rede stehenden Ausgleichszahlungen in Gestalt von Flächenprämien für die Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen. Rechtsgrundlage der diesem Verfahren zu Grunde liegenden Maßnahmen war die – inzwischen aufgehobene – VO (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl EG Nr. L 181/12).
Mit dieser Verordnung wurde zur Gewährleistung eines besseren Marktgleichgewichts eine neue Stützungsregelung geschaffen. Beihilfefähig waren danach nur solche Flächen, die mit landwirtschaftlichen Kulturpflanzen bestellt waren oder die im Rahmen einer öffentlichen Beihilferegelung stillgelegt wurden. Im Hinblick darauf, dass die Anwendung dieses Grundsatzes auf der Ebene des jeweiligen Erzeugers in den einzelnen Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Problemen führen würde, hatten die Mitgliedstaaten je nach den besonderen Umständen die Möglichkeit, zwischen bisherigen individuellen und regionalen Anbauangaben zu wählen. Die Ausgleichszahlungen sollten den spezifischen strukturellen Ertragsfaktoren Rechnung tragen, wobei die Erstellung eines Regionalisierungsplans anhand objektiver Kriterien den Mitgliedstaaten überlassen blieb. Zur Vereinfachung von Verwaltung und Kontrolle wurde die Ausgleichszahlung im Rahmen einer “allgemeinen Regelung” für alle Erzeuger sowie einer “vereinfachten Regelung” für Kleinerzeuger, deren jährliches Ernteaufkommen höchstens 92 Tonnen Getreide entsprach, gewährt. Die Verordnung enthielt ferner detaillierte Regelungen über die Anspruchsvoraussetzungen (Art. 7 bis 11) und zur Höhe der Ausgleichszahlungen (Art. 4 bis 6). Die Ausgaben der Mitgliedstaaten auf Grund dieser Verordnung wurden von der Gemeinschaft gemäß Art. 2 und Art. 3 VO (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik – geändert durch die VO (EWG) Nr. 2048/88 des Rates vom 24. Juni 1988 (ABl EG Nr. L 185/1) – übernommen.
b) Zu den vom EAGFL, Abteilung Garantie, finanzierten Maßnahmen gehören ferner die im Verfahren 2 BvG 2/04 in Rede stehenden Prämienregelungen im Rindfleischsektor. Rechtsgrundlage ist insoweit die VO (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl EG Nr. L 148/24) in der durch die VO (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 geänderten Fassung (ABl EG Nr. L 215/49).
Die 1992 erfolgte Änderung ging ausweislich der Erwägungsgründe der VO (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 von einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Rindfleischsektor des Gemeinschaftsmarktes aus. Die Folgen der zur Stabilisierung der Lage beabsichtigten Maßnahmen sowohl bei den Rohstoffen für die Rinderhaltung wie auch im Rindfleischsektor selbst führten zur Senkung des Interventionspreises für Rindfleisch. Für die sich daraus ergebenden Einbußen sollten die Erzeuger durch Gewährung bestimmter Prämien einen Ausgleich erhalten. Dabei sollte die mit der VO (EWG) Nr. 467/87 des Rates vom 10. Februar 1987 zur Änderung der VO (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch sowie der Prämienregelungen in diesem Sektor (ABl EG Nr. L 48/1); siehe auch VO (EWG) Nr. 468/87 des Rates vom 10. Februar 1987 mit allgemeinen Bestimmungen zur Regelung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger (ABl EG Nr. L 48/4) eingeführte Sonderprämie ebenso beibehalten werden wie die mit VO (EWG) Nr. 1357/80 des Rates vom 5. Juni 1980 (ABl EG Nr. L 140/1) eingeführte Prämienregelung für die Erhaltung des Mutterkuhbestands. Diese Prämienregelungen wurden an die veränderte Lage angepasst und die Voraussetzungen für die Prämiengewährung neu festgelegt. Art. 4a bis 4k VO (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 in der Fassung der VO (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 enthalten Regelungen über die Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der auszuzahlenden Prämien. Gemäß Art. 4l dieser Verordnung gelten die Ausgaben im Zusammenhang mit der Gewährung der Prämien als Interventionsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 (ABl EG Nr. L 125/1), so dass nach Art. 1 Abs. 2 Buchstabe b dieser Verordnung der EAGFL, Abteilung Garantie, für deren Finanzierung zuständig ist. Die VO (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl EG Nr. L 391/20) enthält ferner die damals anwendbaren Durchführungsvorschriften für die Mutterkuhprämie und andere Prämienregelungen im Rindfleischsektor.
2. Die VO (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl EG Nr. L 355/1) und die VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl EG Nr. L 391/36) enthalten Bestimmungen für die Behandlung von Anträgen wie auch für die Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der Gewährung von Beihilfen.
a) Nach Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a VO (EWG) Nr. 3508/92 richtet jeder Mitgliedstaat ein integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem ein. Bestandteile dieses Systems sind nach Art. 2 eine informatisierte Datenbank (Art. 3), ein alphanumerisches System zur Identifizierung der landwirtschaftlich genutzten Parzellen (Art. 4) sowie zur Identifizierung und Erfassung von Tieren (Art. 5), Vorschriften für Beihilfeanträge (Art. 6) sowie ein integriertes Kontrollsystem (Art. 7).
Eine landwirtschaftlich genutzte Parzelle ist nach Art. 1 Abs. 4 dieser Verordnung ein zusammenhängendes Stück Land, das von einem einzigen Betriebsinhaber für eine bestimmte Kultur genutzt wird. Nach Art. 4 der Verordnung stützt sich das alphanumerische System zur Identifizierung der landwirtschaftlich genutzten Parzellen u.a. auf Katasterpläne und -unterlagen. Art. 3 VO (EWG) Nr. 3887/92 eröffnet den Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit – obwohl das in Art. 4 VO (EWG) Nr. 3508/92 vorgesehene Identifizierungssystem auf der Ebene der landwirtschaftlich genutzten Parzellen eingerichtet wird –, auf eine andere Einheit als die landwirtschaftliche Parzelle, wie beispielsweise die Katasterparzelle oder mehrere von einer natürlichen Umfriedung begrenzte zusammenhängende Parzellen, zurückzugreifen.
Das System zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren, die für die Gewährung einer Beihilfe im Sinne der VO (EWG) Nr. 3508/92 berücksichtigt werden, ist nach deren Art. 5 gemäß den Art. 4, 5, 6 und 8 der Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren (ABl EG L 355/32) einzurichten. Es fordert, wie Art. 2 Buchstabe d in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie zu entnehmen ist, die Einführung eines zentralisierten Rinderkennzeichnungssystems.
Die Art. 6 bis 15 VO (EWG) Nr. 3887/92 enthalten detaillierte Vorschriften über die im Rahmen des integrierten Systems vorzunehmenden Verwaltungskontrollen und die Kontrollen vor Ort. Sie müssen nach Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung so durchgeführt werden, dass zuverlässig geprüft werden kann, ob die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen und Prämien eingehalten wurden. Im Rahmen der Verwaltungskontrollen sind vor allem Kontrollprüfungen für die gemeldeten Parzellen und Tiere vorzunehmen, um jede ungerechtfertigte doppelte Beihilfegewährung für dasselbe Kalenderjahr zu vermeiden. Die Kontrollen vor Ort müssen sich auf eine näher bestimmte Stichprobe der Anträge erstrecken. Treten dabei bedeutende Unregelmäßigkeiten auf, so sind zusätzliche Kontrollen vorzunehmen. Die zuständige Behörde hat an Hand einer Risikoanalyse und je nach der Repräsentativität der eingereichten Beihilfeanträge festzulegen, welche Anträge vor Ort – grundsätzlich unangekündigt – kontrolliert werden. Vorgeschrieben ist nach Art. 6 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3887/92 zudem eine Vermessung der landwirtschaftlich genutzten Parzellen.
Nach Art. 13 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3508/92 (ABl EG Nr. L 355/1) war das integrierte System ab dem 1. Februar 1993 hinsichtlich der Beihilfeanträge und eines alphanumerischen Systems zur Identifizierung und Registrierung von Rindern sowie des integrierten Kontrollsystems nach Art. 7 der Verordnung anwendbar. Hinsichtlich der anderen Komponenten war es spätestens ab dem 1. Januar 1996 anzuwenden.
b) Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 des Rates vom 22. Mai 1995 zur Änderung der VO (EWG) Nr. 729/70 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl EG Nr. L 125/1) begründet ferner die Pflicht des Mitgliedstaats zur Einrichtung einer Koordinierungsstelle für den Fall, dass er mehrere Zahlstellen zugelassen hat. Die Koordinierungsstelle hat auch die Aufgabe, die einheitliche Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften sicherzustellen. Diese Aufgabenstellung wird in Art. 2 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 1663/95 der Kommission vom 7. Juli 1995 mit Durchführungsbestimmungen zu der VO (EWG) Nr. 729/70 des Rates bezüglich des Rechnungsabschlussverfahrens des EAGFL, Abteilung Garantie, (ABl EG Nr. EG L 158/6) näher erläutert. Danach sind die Texte und die Leitlinien der Gemeinschaft durch die Koordinierungsstelle den einzelnen Zahlstellen und den für ihre Durchführung zuständigen Verwaltungen zu übermitteln. Im zweiten Spiegelstrich dieser Norm wird ferner die Aufgabe der Förderung der einheitlichen Anwendung dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften durch die Koordinierungsstelle wiederholt.
3. Die zur Deckung der vom EAGFL, Abteilung Garantie, erforderlichen Mittel stellt die Kommission den Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 5 Satz 1 VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 zunächst in Form von Vorschüssen zur Verfügung. Diese sind bis zum 3. Arbeitstag des zweiten Monats zu überweisen, der auf den Monat folgt, in dem die Ausgaben getätigt wurden. In der Bundesrepublik Deutschland werden diese Mittel im Bundeshaushaltsplan in besonderen Anlagen zu den Einzelplänen 60 und 10 (Kapitel 1004) veranschlagt.
Bis zur Überweisung der Vorschüsse müssen die erforderlichen Mittel zur Deckung der gemeinschaftlichen Ausgaben nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1258/1999 (ABl EG Nr. L 160/103) von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen vom 23. Juli 1987 (BGBl I S. 1675) der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung – Vorläuferin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG als neue Aufgabe die Aufnahme der erforderlichen Kassenkredite für die Zwischenfinanzierung der Zahlungen an die Subventionsberechtigten zunächst für die Jahre 1987 und 1988 übertragen. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2361) wurde diese Aufgabe unbefristet verlängert.
Eine dementsprechende Regelung wurde 1994 in das Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und zur Änderung von Vorschriften auf den Gebieten der Land- und Ernährungswirtschaft übernommen (BGBl I S. 2018). Nach Art. 1 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 dieses Gesetzes ist eine der Aufgaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
die Aufnahme von Kassenkrediten zur Durchführung von Maßnahmen nach den Artikeln 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (…), in der jeweils geltenden Fassung, auch soweit die Bundesanstalt für die Durchführung der Maßnahmen nicht zuständig ist.
In § 10 Abs. 5 ist geregelt, dass die Kreditaufnahme
(…) in dem Umfang (erfolgt), in dem Ausgaben geleistet werden müssen und entsprechende Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt noch nicht zur Verfügung gestellt sind.
Die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung auf dieser Grundlage am Kreditmarkt aufgenommenen Kredite werden der Bundeskasse überwiesen. Diese bedient daraus die Zahlungen, die auf Grund von Auszahlungsanordnungen der Länder zu tätigen sind.
4. Über die endgültige Bewilligung der vorschussweise gewährten Mittel befindet die Kommission im Rahmen ihrer jährlichen Rechnungsabschlussentscheidung.
Die Kommission schließt nach Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 die Rechnungen der Dienststellen und Einrichtungen, die von den Mitgliedstaaten ermächtigt wurden, die Zahlung der Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte vorzunehmen, auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b dieser Verordnung übermittelten Auskünfte ab.
Gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchstabe c VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 bestimmt die Kommission im Rahmen der Rechnungsabschlussentscheidung die Ausgaben, die von der im Rahmen des EAGFL, Abteilung Garantie, erfolgenden gemeinschaftlichen Finanzierung auszuschließen sind, wenn sie feststellt, dass Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt worden sind (sog. Anlastung).
In Bezug auf die Höhe der von der gemeinschaftlichen Finanzierung auszuschließenden Ausgaben hat sich unter Billigung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 – Rs. C-22/89 –, Niederlande gegen Kommission, Slg. 1990, I – 4810 ≪4814 f. Rn. 18 bis 20≫; Urteil vom 12. Juni 1990 – Rs. C-8/88 –, Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission, Slg. 1990, I – 2355 ≪2359 ff. Rn. 16 ff.≫) für so genannte abstrakte Systemmängel ein Gefüge von prozentualen Pauschalkorrekturen entwickelt.
Nach den Leitlinien der Kommission für pauschale Berichtigungen, die im Dokument Nr. VI/216/93 vom 1. Juni 1993 festgelegt worden sind, ist der entscheidende Beurteilungsmaßstab die reale Gefahr eines Verlustes von Gemeinschaftsmitteln. Von Belang ist insofern, ob sich der Mangel auf die Wirksamkeit des Kontrollsystems generell, auf die Wirksamkeit eines einzelnen Elements dieses Systems oder auf eine oder mehrere im Rahmen des Systems durchgeführte Kontrollen bezogen hat. Ferner ist maßgebend, welche Bedeutung der Mangel innerhalb der Gesamtheit aller vorgesehenen administrativen, körperlichen oder sonstigen Kontrollen besaß. Schließlich ist die Frage zu bewerten, wie betrugsanfällig die Maßnahmen waren. Nach diesen Leitlinien waren bei der Pauschalberichtigung folgende Sätze anzuwenden:
A. 2 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf weniger wichtige Teile des Kontrollsystems oder auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die für die Gewährleistung der Regelmäßigkeit der Ausgaben nicht wesentlich sind, so dass der Schluss zulässig ist, dass die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des EAGFL gering war.
B. 5 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf ein wichtiges Element des Kontrollsystems oder auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die wichtig sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten, so dass der Schluss zulässig ist, dass die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des EAGFL groß war.
C. 10 % der Ausgaben, wenn der Mangel das gesamte oder doch wesentliche Einzelheiten des Kontrollsystems betrifft oder sich auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die von wesentlicher Bedeutung sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten, so dass der Schluss zulässig ist, dass die Gefahr eines sehr hohen Verlustes zum Schaden des EAGFL bestand.
Neue “Leitlinien”, die die Kommission 1997 erließ, sehen zur Berechnung der nicht anzuerkennenden Ausgaben im Fall mangelhafter Kontrollen der Mitgliedstaaten pauschale Berichtigungen in Höhe von 2 %, 5 %, 10 % oder 25 % der erklärten Ausgaben vor. In Ausnahmefällen können höhere Berichtigungen bis hin zu einem vollständigen Ausschluss der Ausgaben von der gemeinschaftlichen Finanzierung beschlossen werden (vgl. Leitlinien zur Berechnung der finanziellen Auswirkungen im Rahmen der Vorbereitung der Entscheidung über den Rechnungsabschluss des EAGFL, Abteilung Garantie, vom 23. Dezember 1997, Dok. VI/5330/97 – DE). Hinsichtlich der Berechnungsgrundlage sehen die Leitlinien Folgendes vor:
Der Berichtigungssatz sollte auf den Teil der Ausgaben angewendet werden, für den ein Verlustrisiko bestand. Ergibt sich der Mangel aus dem Versäumnis des Mitgliedstaats, ein adäquates Kontrollsystem aufzubauen und anzuwenden, sollte die Berichtigung auf die gesamte Ausgabe angewendet werden, für die diese Kontrollen erforderlich sind. Gibt es Gründe für die Annahme, dass der Mangel auf die unzulängliche Anwendung eines vom Mitgliedstaat genehmigten Kontrollsystems durch eine bestimmte Dienststelle oder eine bestimmte Region beschränkt ist, sollte die Berichtigung auf die Ausgaben, die von dieser Dienststelle bzw. Region kontrolliert werden, beschränkt werden (…).
Ausreichend für die Anlastung ist die objektive Feststellung eines von nationalen Stellen begangenen Rechtsverstoßes (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 1996 – Rs. C-50/94 –, Griechische Republik gegen Kommission, Slg. 1996, I – 3356 ≪3368 f. Rn. 39 f.≫), wobei im Wege einer rein abstrakten Extrapolation unter Einräumung eines Ermessensspielraums ein Risiko quantifiziert wird (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Februar 1991 – Rs. C-281/89 –, Italienische Republik gegen Kommission, Slg. 1991, I – 359 ≪365 Rn. 24≫).
Bleibt die Frage der Konformität der gemeldeten Ausgaben mit dem Gemeinschaftsrecht zwischen der Kommission und einem Mitgliedstaat streitig, so kann nach Art. 5 Abs. 2 Buchstabe c VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 vor einer Anlastungsentscheidung die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens verlangt werden, in dem eine unabhängige Schlichtungsstelle eine Lösung zu finden versucht. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist für die Kommission nicht bindend.
Stellt die Kommission im Rahmen ihres Rechnungsabschlusses fest, dass die getätigten Zahlungen mit den dafür maßgeblichen Gemeinschaftsvorschriften nicht übereinstimmen, so ist der Betrag im zweiten auf die Anlastungsentscheidung folgenden Monat gegenüber dem Kassenbestand der Europäischen Gemeinschaften auszugleichen. In der für den entsprechenden Monat zu übermittelnden Ausgabenmeldung wird dieser Betrag von den tatsächlich getätigten Ausgaben abgesetzt. Die gegenüber der Kommission gemeldeten Ausgaben und damit auch die vom EAGFL, Abteilung Garantie, auf dieser Grundlage an die Mitgliedstaaten gezahlten Vorschüsse fallen somit per Saldo geringer aus als die tatsächlichen Ausgaben.
Im Haushaltsplan des Bundes ist wegen möglicher Anlastungen bei Kapitel 1004 ein Leertitel (Titel 682 04 – von der EU nicht übernommene Marktordnungsausgaben) eingerichtet worden. Im Falle von Anlastungen müssen bei diesem Titel überplanmäßig Bundesmittel bereitgestellt werden. Von diesem Titel werden die Mittel in die Anlage E… umgebucht. Sie stehen damit dem Kassenbestand der Europäischen Gemeinschaften zur Verfügung und erhalten den Status von Gemeinschaftsmitteln. Sie können dann für vom EAGFL, Abteilung Garantie, zu finanzierende Aufgaben eingesetzt werden.
5. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Durchführung der Aufgaben, die die VO (EWG) Nr. 729/70 in Verbindung mit der VO (EWG) Nr. 1765/92 und der VO (EWG) Nr. 805/68 in der durch die VO (EWG) Nr. 2066/92 geänderten Fassung den Mitgliedstaaten überträgt, von den Ländern wahrgenommen.
a) Auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nrn. 7 und 19, Abs. 5 sowie der § 15, § 16 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1986 (BGBl I S. 1397) hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit den Bundesministern der Finanzen und für Wirtschaft die Verordnung über eine Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung) vom 3. Dezember 1992 (BGBl I S. 1991) erlassen, die Durchführungsvorschriften enthält.
Nach § 2 dieser Verordnung haben die nach Landesrecht zuständigen Stellen die Bestimmungen über die Gewährung von Ausgleichszahlungen für die Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen zu vollziehen. In Mecklenburg-Vorpommern (Verfahren 2 BvG 1/04) sind die sechs Ämter für Landwirtschaft als Teil der nach Gemeinschaftsrecht zugelassenen Zahlstelle des Landes zuständig. Zahlstelle ist in Mecklenburg-Vorpommern das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei. Die Ämter ermitteln die jeweils an die einzelnen Antragsteller auszuzahlenden Beträge unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen. Hierzu gehört vor allem das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS).
Die Zahlstellen der Länder sind ermächtigt, zu Lasten der Bundeskasse Zahlungen vorzunehmen. In Mecklenburg-Vorpommern teilen die zuständigen Ämter nach der Erteilung eines Bewilligungsbescheides dem Ministerium die gegenüber den Zahlungsempfängern festgesetzten Prämien mit. Dieses stellt die Unterlagen zusammen, nimmt stichprobenweise ergänzende Prüfungen vor und ordnet die Zahlung der Flächenprämien an den jeweiligen Zahlungsempfänger gegenüber der Bundeskasse an.
b) Ebenfalls nach dem Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen wurden in Bezug auf die gemeinschaftsrechtlichen Prämienregelungen im Rindfleischsektor mit der Verordnung über die Gewährung von Prämien für männliche Rinder, Mutterkühe und Mutterschafe (Rinder- und Schafprämien-Verordnung) vom 5. Februar 1993 (BGBl I S. 200) Durchführungsbestimmungen erlassen. Nach § 2 dieser Verordnung obliegt die Durchführung der einschlägigen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften den nach Landesrecht zuständigen Stellen. In Brandenburg (Verfahren 2 BvG 2/04) sind für die Antragsannahme die nach Landesrecht bestimmten Landwirtschaftsämter als Teil der nach Gemeinschaftsrecht zugelassenen Zahlstelle des Landes zuständig. Zahlstelle ist in Brandenburg das Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt- und Verbraucherschutz. Nachdem das jeweils zuständige Amt für Landwirtschaft den Antrag entgegengenommen, geprüft und die im Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKos) vorgesehenen Kontrollen durchgeführt hat, erteilt es einen Bewilligungsbescheid. Die Ämter teilen sodann die gegenüber den Zahlungsempfängern festgesetzten Prämien dem dem Ministerium unterstellten Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Frankfurt/Oder mit. Dieses stellt die Unterlagen zusammen, nimmt stichprobenweise ergänzende Prüfungen vor und weist die Zahlung der Prämien an den jeweiligen Zahlungsempfänger gegenüber der Bundeskasse an.
II.
Die Anlastungsentscheidung in dem Verfahren 2 BvG 1/04, das mit den Verfahren 2 BvG 1/02 und 2 BvG 2/02 (BVerfGE 109, 1) in Zusammenhang steht, bezieht sich auf Flächenprämien für die Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen.
1. a) Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften übersandte dem Bund im Februar 1996 Prüfungsbemerkungen über in Mecklenburg-Vorpommern im Oktober 1995 durchgeführte Kontrollen. Sie vertrat die Auffassung, die in den Bemerkungen aufgezeigten Kontroll- und Verwaltungsmängel gäben Anlass zu Besorgnis.
Im Juni 1998 teilte die Kommission dem Bund mit, im Hinblick auf das Ergebnis der Prüfung sei beabsichtigt, von den im Sektor Kulturpflanzen für das Haushaltsjahr 1995 aufgeführten “Gesamtausgaben Ernte 1994” in Höhe von 607.833.306,53 DM einen Betrag von 2 % von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen.
In einem “Nachtrag zum Zusammenfassenden Bericht über die Kontrollergebnisse für den Rechnungsabschluss des EAGFL, Abteilung Garantie, Haushaltsjahr 1995” der Kommission vom 27. Mai 1999 (Dok. VI/6462/98-DE-Nachtrag) wurde zum Grund der Anlastung ausgeführt, dass 15 % der Feldstücke mit mehr als einer Kultur bestellt worden seien und dass 29 % aller landwirtschaftlichen Parzellen zu mit mehr als einer Kultur bestellten Feldstücken gehörten. Außerdem setzten sich fast sämtliche Feldstücke aus mehreren Flurstücken zusammen, und mehr als die Hälfte der Flurstücke liege in zwei oder mehr Feldstücken, die häufig ein und demselben Erzeuger gehörten. Weiter heißt es in diesem Bericht:
Da es damals noch keine umfassenden Gegenkontrollen der Anträge gab, war die Gefahr von Übererklärungen sehr groß. Außerdem ist nicht auszuschließen, daß überhöhte Flächen für eine landwirtschaftliche Parzelle, für die eine höhere Beihilfe gewährt wurde, vor allem dann gemeldet wurden, wenn das gesamte Flurstück ein und demselben Erzeuger gehörte, aber in zwei oder mehrere Teile unterteilt war. Die Kommissionsdienststellen glauben deshalb, daß die “Risiko-Parzellen”, auf die man die bei den Vor-Ort-Kontrollen festgestellte Differenz anwenden könnte, etwa 50 % aller Parzellen ausmachen. Diese Situation ist sehr viel gravierender als zuvor befürchtet worden war und mit der Situation vergleichbar, in der es keine Katasterpläne gibt. (…) Anläßlich der Prüfung des Schlichtungsantrags der deutschen Behörden wurden auch die Unterlagen zu den zwei Kontrollberichten überprüft, bei denen es um die vom Amt Schwerin vorgenommenen Messungen ging. Diese Überprüfung hat ergeben, daß dieses Amt weniger Kontrollen vor Ort durchgeführt hat als angegeben. Außerdem ergaben sich Zweifel, ob das Amt Schwerin eine Risikoanalyse im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 durchgeführt hat. Abgesehen davon wurde eine Zahl von 39 Vor-Ort-Kontrollen angegeben, von denen sich dreizehn aber nicht auf Gemeinschaftsbeihilfen, sondern auf nationale Beihilfen bezogen.
Abschließend ist für Mecklenburg-Vorpommern festzustellen, daß die gesamte Maßnahme “Vor-Ort-Kontrolle” (Stichprobenbildung, Vermessung der Parzellen und “reporting”), die im INVEKOS eine Schlüsselkontrolle darstellt, mangelhaft ist und daß alle Mängel zusammengenommen zu einem beträchtlichen Verlustrisiko für den EAGFL führen, was eine Berichtigung in Höhe von 5 % rechtfertigt.
Mit ihrer Entscheidung vom 28. Juli 1999 schloss die Kommission nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens für das Haushaltsjahr 1995 bestimmte Ausgaben von der gemeinschaftlichen Finanzierung aus. Von der Anlastung betroffen waren u.a. im Zuständigkeitsbereich des Landes Mecklenburg-Vorpommern getätigte Ausgaben in Höhe von 30.394.115,33 DM im Zusammenhang mit der Bewilligung von Ausgleichszahlungen für die Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Entscheidung der Kommission vom 28. Juli 1999 zur Änderung der Entscheidung 1999/187/EG über den Rechnungsabschluss der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft ≪EAGFL≫, Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1995 finanzierten Ausgaben ≪1999/596/EG≫, ABl EG Nr. L 226/26).
Die vom Bund wegen des 2 % übersteigenden Anlastungsbetrages zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erhobene Klage wies dieser mit Urteil vom 19. September 2002 als unbegründet ab (vgl. Rs. C-377/99, Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission, Slg. 2002, I – 7421).
Der Bund entrichtete den ihm durch die Rechnungsabschlussentscheidung der Kommission angelasteten Betrag Mitte Oktober 1999 und forderte mit Schreiben vom 17. November 1999 das Land Mecklenburg-Vorpommern auf, ihm die an die Kommission geleisteten 30.394.115,33 DM bis zum 10. Dezember 1999 zu erstatten.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern zahlte am 15. Dezember 1999 diesen Betrag an den Bund, teilte diesem jedoch mit Schreiben vom selben Tage mit, die Zahlung stehe unter dem Vorbehalt einer zukünftigen generellen Lösung der Anlastungsproblematik auf Bund-Länder-Ebene und, sofern bis Ende Juni 2000 keine Einigung erzielt werde, unter dem Vorbehalt gerichtlicher Bestätigung einer Zahlungsverpflichtung (vgl. hierzu BVerfGE 109, 1).
b) Auch zum Haushaltsjahr 1996 beabsichtigte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegenüber der Bundesrepublik Deutschland den Erlass einer Anlastungsentscheidung.
In dem auf das Haushaltsjahr 1996 bezogenen “Zusammenfassenden Bericht der Kommission vom 15. Mai 2000” (Doc. AGRI/17758/2000) wird ausgeführt:
In diesem Land wurden Mängel bei den Ausgleichszahlungen für die Ernten 1994 und 1995 festgestellt.
Unter Punkt 4.4.1.3.1 des Zusammenfassenden Berichts für das Rechnungsjahr 1995 sind die Schlußfolgerungen der Kommission sowie die Argumente des Mitgliedstaates zu dieser Vorlage angeführt. Die für die Ernte 1994 mitgeteilten Ausgaben waren bereits Gegenstand einer finanziellen Korrektur im Rahmen des Rechnungsabschlusses für das Haushaltsjahr 1995.
Da die festgestellten Mängel auch die Ernte 1995 betreffen, ist angesichts der während der Verwaltungskontrollen und der Kontrollen vor Ort festgestellten Mängel bezüglich der Ausgleichszahlungen für die Ernte 1995 eine entsprechende Korrektur der von der Zahlstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern gemeldeten Ausgaben vorzuschlagen.
Mit der Entscheidung der Kommission vom 5. Juli 2000 (2000/449/EG, ABl EG Nr. L 180/49) wurden bestimmte zu Lasten des EAGFL, Abteilung Garantie, gemeldete Ausgaben der Mitgliedstaaten von der gemeinschaftlichen Finanzierung ausgeschlossen. Bezugszeitraum der Maßnahme waren die Haushaltsjahre 1996 bis 1998. Auf die Bundesrepublik Deutschland entfiel ein Anlastungsbetrag von 34.008.658,12 DM.
Auch gegen die auf das Haushaltsjahr 1996 bezogene Anlastungsentscheidung, mit der eine Pauschalkorrektur (überwiegend) in der Größenordnung von 5 % erfolgte, erhob die Bundesrepublik Deutschland Klage zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften. Nachdem dieser mit Urteil vom 19. September 2002 die das Haushaltsjahr 1995 betreffende Anlastungsentscheidung für rechtmäßig befunden hatte, nahm der Bund die Klage am 31. Oktober 2002 zurück.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2000 teilte das damalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Land Mecklenburg-Vorpommern mit, dass auf dieses Land ein Teilbetrag in Höhe von 25.127.094,12 DM entfalle. Zur Begründung wurde in dem Schreiben auf die Kommissionsentscheidung vom 5. Juli 2000, den “Zusammenfassenden Bericht” über die Kontrollergebnisse für den EAGFL, Abteilung Garantie, vom 15. Mai 2000 und die darin festgestellten Kontroll- und Verwaltungsmängel verwiesen. Abschließend heißt es in dem Schreiben:
Ich bitte Sie daher, die auf Ihr Land entfallenden 25.127.094,12 DM zu erstatten, weil sich die Anlastung auf eine Marktordnungsmaßnahme bezieht, für deren Durchführung Sie zuständig sind.
Die Überweisung bitte ich bis zum
10. November 2000
an die Bundeskasse Bonn (…) mit dem Vermerk “zugunsten Kapitel 1004 Titel 119 99” vorzunehmen.
Sollte der EuGH der unter der RS C-337/00 anhängigen Klage der Bundesregierung gegen einen Teil dieses Erstattungsbetrages stattgeben, werde ich diesen nach Gutschrift durch die Kommission an Sie weiterleiten.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern kam dieser Zahlungsaufforderung, die ihm am 26. Oktober 2000 zuging, nicht nach.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2001 erklärte das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gegenüber dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei eine erste Aufrechnung in Höhe eines Teilbetrages von 475.480,78 DM. In den Jahren 2001 bis 2003 folgten weitere Aufrechnungserklärungen, so dass sich der vom Bund noch begehrte Erstattungsbetrag auf 9.158.076,44 € verringerte.
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft teilte mit Schreiben vom 4. Februar 2004, dem Land Mecklenburg-Vorpommern am 5. Februar 2004 zugegangen, mit, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen der finanziellen Beteiligung an den Kosten zur Tilgung und Überwachung von Tierseuchen und zur Verhütung von Zoonosen (Scrapie) für das Jahr 2002 einen Erstattungsbetrag in Höhe von 175.000 € zur Verfügung gestellt habe, wovon ein Betrag von 59.025,79 € auf das Land Mecklenburg-Vorpommern entfalle. Zur weiteren Tilgung des noch bestehenden Erstattungsbetrages von 9.158.076,44 € werde mit dieser Forderung die Aufrechnung erklärt. Es werde erwartet, dass der Restbetrag überwiesen werde, andernfalls werde dieser im Wege weiterer Aufrechnungen durchgesetzt.
Unter dem 13. Februar 2004 teilte das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei des Landes Mecklenburg-Vorpommern, dem das Schreiben am 16. Februar 2004 zuging, mit, dass die Europäische Kommission im Rahmen der finanziellen Beteiligung an den Kosten zur “Klassischen Schweinepest – Serologie” für das Jahr 2002 einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.030.000 € zur Verfügung gestellt habe, wovon ein Betrag von 101.379,36 € auf das Land Mecklenburg-Vorpommern entfalle. Zur weiteren Tilgung des noch offen stehenden Erstattungsbetrages von 9.099.050,65 € werde mit dieser Forderung die Aufrechnung erklärt.
Die Regierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern beschloss am 22. Juni 2004, beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung zu beantragen, dass der Bund verpflichtet sei, den vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft mit den beiden Schreiben vom 4. und 13. Februar 2004 aufgerechneten Betrag von insgesamt 160.405,15 € an das Land Mecklenburg-Vorpommern zu zahlen.
Der entsprechende Antrag ging am 5. August 2004 beim Bundesverfassungsgericht ein.
2. Die Anlastungsentscheidung in dem Verfahren 2 BvG 2/04 bezieht sich auf Prämienregelungen im Rindfleischsektor.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nahm in den Jahren 1997 und 1998 in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bayern Prüfungen vor, die sich unter anderem auf die Gewährung von Prämien für die Erhaltung des Mutterkuhbestands (Mutterkuhprämien) nach Art. 4d VO (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl EG Nr. L 148/24) in der durch die VO (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 (ABl EG Nr. L 215/49) geänderten Fassung bezogen. Gegenstand der Prüfungen war die Frage, ob die Ausgaben während der Haushaltsjahre 1996 und 1997 in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt wurden, vor allem ob das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem beachtet wurde.
Mit Schreiben vom 25. November 1997 und vom 2. Februar 1999 übermittelte die Kommission ihre Feststellungen und Empfehlungen bezüglich der vorgenommenen Prüfungen. Darin wurde u.a. ausgeführt, in Ermangelung gegenteiliger Beweise ergebe sich die Schlussfolgerung, dass die in drei geprüften Ländern vorgefundene Situation für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt typisch sei.
Die Kommission teilte mit weiterem Schreiben vom 31. August 1999 der Bundesregierung mit, dass sie u.a. in Bezug auf die Mutterkuhprämie eine länderübergreifende Berichtigung vornehmen werde.
Unter dem 9. Oktober 2000 kündigte die Kommission für die Haushaltsjahre 1996 und 1997 bei der Mutterkuhprämie eine finanzielle Berichtigung in Höhe von 5 % für Schleswig-Holstein und in Höhe von 2 % für die anderen Länder an. In Bezug auf Mecklenburg-Vorpommern teilte sie allerdings mit, dass sie wichtige neue Informationen über die Art von gezielter Kontrolle erhalten habe. Sie begründete die Erstreckung der finanziellen Berichtigung auf die anderen, nicht geprüften Länder – darunter auch Brandenburg – damit, dass wegen der Gleichartigkeit der wichtigsten festgestellten Mängel in den einzelnen besuchten Ländern und der weitgehend ähnlichen Verwaltungsstrukturen und -verfahren davon ausgegangen werden müsse, dass in den nicht besuchten anderen Ländern in den Jahren 1996 und 1997 vergleichbare Mängel vorgelegen hätten.
Die Kommission blieb auch nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens in ihrem “Zusammenfassenden Bericht” vom 19. Juni 2001 bei ihrer Auffassung, dass die finanziellen Berichtigungen – mit Ausnahme des Landes Mecklenburg-Vorpommern – auch in Bezug auf diejenigen Länder anzulasten seien, in denen sie selbst keine Prüfungen an Ort und Stelle vorgenommen habe. Sie beschloss am 11. Juli 2001 den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zu Lasten des EAGFL, Abteilung Garantie, getätigter Ausgaben. Der Bundesrepublik Deutschland wurden danach für die Haushaltsjahre 1996 und 1997 wegen eines unzulänglichen Kontrollsystems und unzureichender Kontrollen der Förderfähigkeit bei der Mutterkuhprämie (Posten 2120) ein Betrag von 5.337.992 DM und bei der Extensivierungsprämie (Posten 2125) ein Betrag von 1.028.704 DM, mithin ein Gesamtbetrag von 6.366.696 DM angelastet (Entscheidung 2001/557/EG, ABl EG L 200/28).
Mit Schreiben vom 20. September 2001 informierte das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Raumordnung des Landes Brandenburg über diese Entscheidung. Darin teilte es mit, dass 2.496.095 DM des insgesamt angelasteten Betrages auf die von der Kommission kontrollierten Länder Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und den Freistaat Bayern entfielen. Mit den restlichen 3.870.601 DM habe die Kommission eine 2 %ige pauschale Anlastung für die Länder mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern ausgesprochen, bei denen sie keine Kontrolle durchgeführt habe. Von diesem Betrag entfielen auf das Land Brandenburg 825.817 DM. Die angelasteten Beträge seien zunächst aus Haushaltsmitteln des Bundes an die Kommission gezahlt worden. Der auf das Land Brandenburg entfallende Betrag werde im Falle einer negativen Entscheidung über die vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gegen die Anlastung erhobenen Klage an das Land weitergegeben.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wies mit Urteil vom 4. März 2004 (Rs. C-344/01, Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission, AUR 2004, S. 152 ff.) die Klage der Bundesrepublik Deutschland ab.
Daraufhin forderte das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft das Land Brandenburg mit Schreiben vom 25. März 2004 auf, den rechnerisch auf das Land entfallenden Betrag von 422.233,53 € bis zum 30. April 2004 an die Bundeskasse zu zahlen. Das Schreiben ging dem Land Brandenburg am 26. März 2004 zu.
Nachdem dieses der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, kündigte das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft mit Schreiben vom 4. August 2004 an, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eine Aufrechnung gegenüber dem Anspruch des Landes Brandenburg auf Weiterleitung einer Schlusszahlung der Kommission für den Abrechnungszeitraum 1994 bis 1999 in Höhe von 1.026.150,67 € aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zu erklären, sofern bis zum 31. August 2004 keine Zahlung geleistet werde.
Am 31. August 2004 beschloss die Regierung des Landes Brandenburg, einen Bund-Länder-Streit über die Frage der Erstattungspflicht gegenüber dem Bund wegen Nichtanerkennung von Marktordnungsausgaben durch den EAGFL, Abteilung Garantie, für die Haushaltsjahre 1996 und 1997 einzuleiten.
Der Antrag ging beim Bundesverfassungsgericht am 24. September 2004 ein.
III.
1. Die Antragstellerinnen halten ihr Begehren für zulässig, vor allem auch für fristgerecht geltend gemacht, und für begründet.
a) Die Antragstellerin zu 1) vertritt im Hinblick auf die Antragsfrist die Auffassung, für den Beginn der Ausschlussfrist nach § 69 und § 64 Abs. 3 BVerfGG sei nicht der Zugang der Zahlungsaufforderung vom 24. Oktober 2000, sondern der Zugang der Aufrechnungserklärungen vom 4. und 13. Februar 2004 am 5. und 16. Februar 2004 maßgeblich.
b) Die Anträge seien auch begründet, weil dem Bund kein Anspruch auf der Grundlage des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG zustehe.
Die Vorschrift sei im Falle des Vollzugs unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts von vornherein nicht anwendbar. Art. 104a GG sei auf das für einen Bundesstaat spezifische dualistische Gefüge von Bund und Ländern bezogen. Die hier in Rede stehenden Aufgaben seien aber nicht durch national gesetztes Recht, sondern durch das supranationale Gemeinschaftsrecht begründet worden.
Unabhängig davon stelle Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG auch keine unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage dar. Durch Heranziehung der anerkannten Auslegungsmethoden ließen sich der Norm keine eindeutigen Aussagen über Voraussetzungen, Maßstab, Umfang und eine etwaige Quotelung der Haftung entnehmen. Vielmehr belege Satz 2 dieser Vorschrift, dass es eines Ausführungsgesetzes unter Mitwirkung der Länder zur Begründung einer Haftung bedürfe. Dieser Schutzmechanismus werde unterlaufen, wenn Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG vor Ergehen eines Ausführungsgesetzes unmittelbar als Haftungsgrundlage herangezogen werde. Allein der unmittelbar demokratisch legitimierten Legislative obliege es, unter Abwägung sämtlicher Belange der föderalistischen Ordnung eine Entscheidung darüber herbeizuführen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine Haftung wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung in Betracht komme.
Selbst wenn Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG gleichwohl als unmittelbare Anspruchsgrundlage betrachtet werde, komme eine Haftung hier nicht in Betracht.
Zum einen fehle es an einem konkreten Schaden. Für die Anlastung sei weder der positive Nachweis eines Rechtsverstoßes noch der eines konkreten Schadens nötig. Stattdessen werde je nach Schwere des nur glaubhaft gemachten Verstoßes eine Pauschalkorrektur vorgenommen. Im vorliegenden Fall fehle es daher auch an der Feststellung, dass im Zuständigkeitsbereich der antragstellenden Länder Ausgleichszahlungen für die Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen bewilligt worden seien, obwohl die Voraussetzungen für derartige Zahlungen nicht vorgelegen hätten. Die Kommission spreche in dem “Zusammenfassenden Bericht vom 15. Mai 2000”, der auf den “Zusammenfassenden Bericht” des Vorjahres Bezug nehme, insoweit nur von der Gefahr von Übererklärungen und von einem Verlustrisiko für den EAGFL, Abteilung Garantie. Es stehe daher keineswegs fest, dass im Zuständigkeitsbereich der antragstellenden Länder Ausgleichszahlungen entgegen den materiellen Förderungsbestimmungen der Europäischen Gemeinschaften bewilligt worden seien. Es sei ebenso gut möglich, dass es trotz der Kontroll- und Verwaltungsmängel zu keiner rechtswidrigen Bewilligung von Ausgleichszahlungen gekommen sei.
Zum anderen komme eine Haftung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur bei schwer wiegenden und vorsätzlichen Verwaltungsfehlern in Betracht, woran es fehle. Ein Anlass hier von diesen Grundsätzen abzuweichen, bestehe nicht.
2. a) Die Antragsgegnerin hält das Begehren der Antragstellerin zu 1) wegen der Versäumung der Ausschlussfrist der § 69, § 64 Abs. 3 BVerfGG für unzulässig. Mit der Zahlungsaufforderung vom 24. Oktober 2000 habe sie die Überweisung des hier in Rede stehenden Betrages von 25.127.094,12 DM bis zum 10. November 2000 verlangt. Diese Zahlungsaufforderung sei dem antragstellenden Land am 26. Oktober 2000 zugegangen. Die somit am 26. April 2001 abgelaufene Ausschlussfrist lebe auch nicht durch weitere Zahlungsaufforderungen oder durch die erklärten Aufrechnungen wieder auf.
b) Die Anträge seien aber jedenfalls unbegründet. Die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die angelasteten Beträge auszugleichen, begründe keine innerstaatliche Finanzierungszuständigkeit des Bundes. Nach dem allgemeinen Lastentragungsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG hätten die antragstellenden Länder innerstaatlich die im Rahmen des Vollzugs des unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts anfallenden Kosten zu tragen. Dieser zwingenden kompetenzrechtlichen Lage widerspreche es, wenn die finanziellen Folgen der Anlastungsentscheidung auf Grund der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Ausgestaltung des Auszahlungsverfahrens bei der Antragsgegnerin verblieben. In dieser Konstellation stehe dem Bund auf der Grundlage des Art. 104a Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens ein allgemeiner Erstattungsanspruch hinsichtlich der ausgefallenen gemeinschaftlichen Mittel gegenüber dem vollzugs- und damit auch finanzverantwortlichen Land zu. Dieser bewirke, dass die verfassungsrechtlich vorgegebene Zuordnung der Finanzverantwortlichkeit gewährleistet bleibe. Die Voraussetzungen eines solchen Erstattungsanspruchs lägen auch in beiden Fällen vor.
Die Antragstellerinnen seien vom Bund von Verbindlichkeiten freigestellt worden, die sie gegenüber den Subventionsempfängern eingegangen seien. Der Bund habe mit Hilfe von Krediten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Finanzmittel bereitgestellt, damit die Antragstellerinnen die von ihnen erlassenen Leistungsbescheide hätten bedienen können. Die Regelung über die Zuweisung der Zwischenfinanzierung an den Bund nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BLEG führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Bund habe zwar gemäß Art. 87 Abs. 3 GG insoweit die Verwaltungszuständigkeit an sich gezogen und folglich nach Art. 104a Abs. 1 GG die damit zusammenhängenden Finanzlasten zu tragen. Dies betreffe jedoch ausschließlich die Vorfinanzierung, die entscheidend dadurch gekennzeichnet sei, dass die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bereitgestellten Mittel im Wege der nachfolgenden Vorauszahlungen aus dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaften ausgeglichen würden. Dies sei im Falle der Anlastung anders. Auf Grund der Anlastungsentscheidung seien Auszahlungen in entsprechender Höhe nicht mit Mitteln des EAGFL, Abteilung Garantie, abgelöst worden, sondern aus regulären Haushaltsmitteln des Bundes, wodurch er den Antragstellerinnen durch eine eigene Leistung und auf eigene Kosten Finanzmittel zur Verfügung gestellt habe.
Zur Rückerstattung der angelasteten Beträge seien sie schon deshalb verpflichtet, weil insoweit die Zwecke und Bedingungen der Ausgleichszahlungen an die Subventionsempfänger nicht vorgelegen hätten. Die Finanzierung des EG-Agrarrechts beruhe auf der grundlegenden Prämisse, dass nur rechtmäßig verausgabte Gelder aus dem EAGFL, Abteilung Garantie, erstattungsfähig seien. Erforderlich sei in dieser Hinsicht die Durchführung von Verwaltungs- und Vor-Ort-Kontrollen. Mit der Maßgabe der diesbezüglichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erfolge auch die Vorfinanzierung aus der Bundeskasse. Nur unter dieser Voraussetzung sei die Mittelbereitstellung durch den Bund kompetenz- und finanzverfassungsrechtlich zulässig. In Höhe der streitigen angelasteten Beträge sei auch kein Rechtsgrund für den Einbehalt der aus der Bundeskasse zwischenfinanzierten Ausgleichszahlungen ersichtlich. Dabei könne dahinstehen, ob ein Rechtsgrund wegen der fehlenden Erstattungsfähigkeit der Ausgleichszahlungen von vornherein nicht bestanden habe oder dieser wegen der späteren Rechnungsabschlussentscheidung weggefallen sei. Entscheidend sei, dass ein Land nach Art. 104a Abs. 1 GG nur insoweit Zahlungen aus der Bundeskasse beanspruchen könne, als diese wirtschaftlich von den Europäischen Gemeinschaften getragen würden.
Soweit sich die Antragstellerinnen auf einen aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG hergeleiteten Abwehranspruch beriefen, komme ein solcher nicht zum Tragen. Abgesehen davon, dass sich ein Erstattungsanspruch von einem Schadensersatzanspruch unterscheide und schon unter diesem Gesichtspunkt nicht verdrängt werden könne, bestehe mit den Antragstellerinnen Übereinstimmung darin, dass diese Norm bei der Vollziehung supranationalen Gemeinschaftsrechts nicht einschlägig sei.
Auch eine entsprechende Anwendung komme nicht in Betracht. Art. 104a Abs. 5 GG sei auf die Fälle zugeschnitten, bei denen die Verwaltungszuständigkeit und die Finanzverantwortung in Abweichung von Art. 104a Abs. 1 GG auseinanderfielen. Einer haftungsrechtlichen Absicherung bedürfe es hingegen nicht, wenn Vollzugs- und Finanzverantwortung – wie hier – in einer Hand lägen.
c) Hilfsweise könne der Bund seinen Rückzahlungsanspruch auch aus den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag herleiten. Indem er den an sich zuständigen Ländern Finanzmittel zur Verfügung stelle, trete er in Vorleistung für Verpflichtungen, die nach Art. 104a Abs. 1 GG allein solche des Landes seien. Der Bund werde vor diesem Hintergrund mit Fremdgeschäftsführungswillen in einem Rechtskreis der Länder tätig, indem er für die Auszahlung der Subventionen sorge. Auch nach der Anlastungsentscheidung habe er im Rahmen seiner Geschäftsführung für die Antragstellerinnen Aufwendungen getätigt, indem er das gemeinschaftliche Vorschusskonto aus Bundesmitteln in Höhe des Anlastungsbetrages aufgefüllt habe. Dies habe der Bund auch den Umständen nach für erforderlich halten dürfen.
Sofern man diesen Ausführungen nicht folge, bestehe eine Regelungslücke, die auszufüllen sei. Dafür liege es nahe, einen Anspruch unmittelbar in Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG zu verankern. Wie in Literatur und Rechtsprechung vertreten, sei es mit Wortlaut, Systematik, Telos sowie der Entstehungsgeschichte unvereinbar, diese Bestimmung als bloßen Verfassungsauftrag zu verstehen. Bei der Ermittlung des Haftungskerns könne dieser in der vorliegenden Fallkonstellation jedoch nicht auf grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Verwaltungsfehler beschränkt werden. Diese Beschränkungen seien Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG nicht zu entnehmen. Eine Verschuldenshaftung sei dem föderalen Bundesstaat wesensfremd. Jedenfalls könnte diese bei der Ausführung von gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen keine Anwendung finden. Hier sei eine verschuldensunabhängige Verwaltungshaftung der Länder geboten. Ohne das Risiko eines Regresses besäßen diese gleichsam einen Freibrief zum großzügigen Umgang mit ihren europarechtlichen Pflichten. Dies widerspreche auch dem aus Art. 10 EG abzuleitenden gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot.
3. In ihrer Replik haben die Antragstellerinnen auf die Argumentation des Bundes, es bestehe ein im Konnexitätsprinzip des Art. 104a Abs. 1 GG wurzelnder Erstattungsanspruch, ihren Antrag entsprechend ergänzt und sind dieser Argumentation entgegengetreten. Art. 104a Abs. 1 GG sei als Anspruchsgrundlage ungeeignet. Es bestünden bereits grundsätzliche Zweifel an der Anwendbarkeit des Art. 104a Abs. 1 GG im Falle des Vollzugs unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts. Jedenfalls habe der Bund, weil ihm dieses eine Koordinierungspflicht auferlege, eine Mitzuständigkeit bei dessen Vollzug. Zudem scheitere der Rückgriff auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der als Rechtsinstitut des einfachen Rechts kein tauglicher Prüfungsgegenstand im Bund-Länder-Streit sei, an dem Fehlen einer Bereicherung der Antragstellerinnen. Die Behauptung, der Bund habe ihnen gegenüber eine Leistung erbracht, indem er ihnen Vorschüsse zur Verfügung stelle, sei haltlos. Die Geldleistungen seien durch die Vermittlung der Länder aus der Bundeskasse unmittelbar an die anspruchsberechtigten Landwirte bewirkt worden. Daher könne sich eine Rückabwicklung auch lediglich in diesem Verhältnis vollziehen. Auch eine Bereicherung der Länder in Form der Freistellung von Verbindlichkeiten liege nicht vor. Sie seien zwar für die Antragsprüfung und den formalen Akt der Erteilung von Bewilligungsbescheiden zuständig. Zur Aufbringung der erforderlichen Finanzmittel seien sie jedoch nicht verpflichtet. Eine finanzielle Verbindlichkeit treffe im bereicherungsrechtlich allein maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligung und Auszahlung der Gelder an die begünstigten Landwirte innerstaatlich nur den Bund. Aus diesem Grunde fehle es auch an der Rechtsgrundlosigkeit der angeblichen Vermögensverschiebung.
Ungeachtet dieser Gesichtspunkte sei Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG gegenüber Art. 104a Abs. 1 GG als vorrangige Sonderregel zu betrachten. Sie sei für die Fälle vorgesehen, in denen Aufgaben- und Finanzierungszuständigkeit – wie hier – auseinanderfalle. Aus diesem Grunde entfalte sie eine Sperrwirkung. Diese entfalle auch nicht deshalb, weil Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG auf den Vollzug des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar sei. Die “Europarechtsblindheit” erfasse auch Art. 104a Abs. 1 GG. Im Rahmen einer allenfalls denkbaren entsprechenden Anwendung des Absatzes 1 aber müsse auch das Verhältnis zu Absatz 5 berücksichtigt werden. Auch der Gesichtspunkt, dass Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 keine unmittelbare Anspruchsgrundlage darstelle, führe zu keiner anderen Betrachtung. Dies sei die Folge des Regelungsvorbehalts zugunsten des Gesetzgebers, der eine Sperrwirkung entfalte.
Schließlich komme ein Aufwendungsersatzanspruch auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zum Tragen, weil der Bund kein Geschäft der Länder besorgt habe.
4. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat und das Land Sachsen-Anhalt haben mitgeteilt, dass eine Stellungnahme nicht abgegeben werde. Das Land Niedersachsen hält die Antragsbegründung für überzeugend. Die anderen Äußerungsberechtigten haben keine Stellungnahme abgegeben.
Entscheidungsgründe
B.
Die Begehren der Antragstellerinnen sind zulässig geltend gemacht.
I.
Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG entscheidet das Bundesverfassungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, vor allem bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht. Die Zulässigkeit eines Bund-Länder-Streits nach den genannten Vorschriften setzt eine Maßnahme oder Unterlassung voraus, die innerhalb eines Bund und Land umspannenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnisses eine verfassungsrechtliche Rechtsposition des Landes verletzen oder unmittelbar gefährden kann (vgl. BVerfGE 13, 54 ≪72≫; 81, 310 ≪329≫; 92, 203 ≪226≫; 95, 250 ≪262≫; 104, 238 ≪245≫). Diese Voraussetzungen sind in beiden Fällen gegeben.
II.
1. Das zwischen den Beteiligten streitige Rechtsverhältnis gründet im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis aus Art. 104a GG (vgl. bereits BVerfGE 109, 1 betreffend einen Rechtsstreit zwischen der Antragstellerin zu 1) und der Antragsgegnerin); denn bei der nachträglichen Kürzung von Stützungsgeldern aus Haushaltsmitteln der Europäischen Gemeinschaften geht es um die Zuordnung von Finanzlasten und damit um die Beantwortung der Frage, ob der Bund gegenüber der Gemeinschaftsebene ohne die Möglichkeit des Rückgriffs bei einem Land abschließend einzustehen hat oder nach nationalem Verfassungsrecht das betroffene Land dem Bund gegenüber zum Ausgleich verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 109, 1 ≪7≫).
Mit der Behauptung, nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG sei eine verschuldensunabhängige Verwaltungshaftung ausgeschlossen, berufen sich die Antragstellerinnen hier auf einen im Verfassungsrecht wurzelnden (Abwehr-)Anspruch (vgl. BVerfGE 99, 361 ≪365≫; 109, 1 ≪7≫), den sie als vorrangig gegenüber dem Konnexitätsprinzip des Art. 104a Abs. 1 GG, auf den sich die Antragsgegnerin zur Herleitung eines Erstattungsanspruchs wesentlich stützt, ansehen.
2. Die von den Antragstellerinnen angegriffenen Maßnahmen der Antragsgegnerin sind geeignet, sie unmittelbar in ihren durch das Grundgesetz übertragenen Rechten zu verletzen oder zu gefährden.
a) Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme oder Unterlassung muss rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können (vgl. BVerfGE 13, 123 ≪125≫; 57, 1 ≪4 f.≫; 60, 374 ≪380 f.≫). An dieser Rechtserheblichkeit fehlt es einerseits, wenn eine Maßnahme für einen Antragsteller erst infolge eines selbstständigen Umsetzungsaktes rechtliche Bedeutung erlangt (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪363≫; 96, 264 ≪277≫). Andererseits wird die Rechtserheblichkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass eine Maßnahme unverbindlich ist (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 23. Erg.-Lief., Januar 2004, § 69 Rn. 39). Genügen kann auch ein Verhalten, das nur mittelbar oder faktisch Rechte eines anderen Organs beeinträchtigt (vgl. Stern, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz-BK, 44. Lief., März 1982, Art. 93 Rn. 173; vgl. auch BVerfGE 40, 287 ≪290 ff.≫). Eine Maßnahme ist aber dann nicht rechtserheblich, wenn von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner verfassungsmäßige Rechte des Antragstellers durch die beanstandeten Maßnahmen verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪362 f.≫; 96, 264 ≪277≫).
b) Danach handelt es sich in beiden Verfahren jeweils um rechtserhebliche Maßnahmen der Antragsgegnerin.
aa) Die im Verfahren 2 BvG 1/04 von der Antragstellerin zu 1) zum Streitgegenstand gemachten Aufrechnungserklärungen des Bundes sind rechtserheblich und geeignet, unmittelbar in ihren Rechtskreis einzugreifen. Dies ergibt sich bereits aus den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren §§ 387 ff. BGB (vgl. BVerwGE 66, 218 ≪221≫). Die Aufrechnung bewirkt entsprechend § 389 BGB, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in dem sie zur Aufrechnung geeignet gegenüber getreten sind. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen tritt somit eine unmittelbare Erfüllungswirkung ein. Besteht die Hauptforderung nicht, so geht zwar die Aufrechnung ins Leere. Dem vermeintlichen Schuldner der Hauptforderung wird aber die ihm auf Grund der Gegenforderung zustehende Leistung vorenthalten.
bb) Die im Verfahren 2 BvG 2/04 angegriffene Zahlungsaufforderung bedeutet eine unmittelbare Gefährdung der Rechtsposition der Antragstellerin zu 2).
Mit der Zahlungsaufforderung wurden der geltend gemachte Zahlungsanspruch fällig gestellt und der Antragstellerin zu 2) eine konkrete Frist zur Zahlung gesetzt. Diese Maßnahme hat zwar nicht die Rechtswirkung, bei einem fruchtlosen Verstreichen der gesetzten Frist einen Verzug zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht keine Pflicht zur Entrichtung von Verzugszinsen, weil eine rechtliche Grundlage für die Zahlung von Zinsen Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG nicht zu entnehmen ist (vgl. BVerwGE 96, 45 ≪59≫). Gleichwohl wirkt die Zahlungsaufforderung bereits auf den Rechtskreis der Antragstellerin zu 2) im Sinne einer Rechtsgefährdung ein. Die Antragsgegnerin berühmt sich eines Zahlungsanspruchs, den sie bezogen auf ein konkretes Rechtsverhältnis individualisiert hat. Ferner hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 2) zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert. An das Nichtbefolgen dieser Aufforderung können sich weitere Maßnahmen anschließen, die – wie im Fall der Befriedigung im Wege der Aufrechnung, was die Antragsgegnerin zudem im Nachgang zur Zahlungsaufforderung bereits angekündigt hat – unmittelbar zu einer Rechtsverletzung führen können. Der Eintritt einer derartigen Rechtsverletzung aber braucht nicht abgewartet zu werden. Vielmehr kann die Antragstellerin zu 2) schon im Vorfeld eines solchen, zu erwartenden Eingriffs gegen die Zahlungsaufforderung vorgehen.
3. Die Antragstellerinnen haben die für die Einleitung eines Bund-Länder-Streits maßgebliche Frist von sechs Monaten nach Maßgabe des § 69 in Verbindung mit § 64 Abs. 3 BVerfGG gewahrt. Während dies bei der Antragstellerin zu 2) offenkundig der Fall ist, gilt dies entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch in Bezug auf die Antragstellerin zu 1).
Für den Beginn der Frist des § 69 in Verbindung mit § 64 Abs. 3 BVerfGG ist nicht die Zahlungsaufforderung des Bundes vom 24. Oktober 2000 maßgeblich, vielmehr kommt es entscheidend auf die der Antragstellerin zu 1) am 5. Februar 2004 zugegangene Aufrechnungserklärung vom 4. Februar 2004 und die ihr am 16. Februar 2004 zugegangene Aufrechnungserklärung vom 13. Februar 2004 an.
Für die Festlegung des Fristbeginns ist an Sinn und Zweck des § 64 Abs. 3 BVerfGG anzuknüpfen. Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf im Organstreitverfahren Rechtsgefährdungen und -verletzungen nicht mehr geltend gemacht werden können. In Verbindung mit § 69 BVerfGG sollen damit nach einer bestimmten Zeit auch im verfassungsrechtlichen Bund-Länder-Streit angreifbare Maßnahmen im Interesse der Rechtssicherheit und des alsbaldigen Eintritts von Rechtsfrieden außer Streit gestellt werden (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪210≫; 109, 1 ≪11≫). Dies bedeutet, dass die konkrete Maßnahme nicht mehr einer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht zugeführt werden kann und der hiervon Betroffene die von dieser ausgehenden Rechtswirkungen hinzunehmen hat. Gehen Maßnahmen wie die hier gegenständliche Zahlungsaufforderung nicht mit rechtlichen Konsequenzen für den geltend gemachten Anspruch an sich einher, sondern lediglich mit einer Rechtsgefährdung, so bleibt es dem Bund wie auch dem Land unbenommen, bei nachfolgenden Maßnahmen, die auf solche rechtlichen Konsequenzen abzielen und dabei eine konkrete Rechtsverletzung beinhalten können, fristgemäß einen Bund-Länder-Streit einzuleiten, um den Eintritt dieser Rechtsfolgen und damit auch eine mögliche Rechtsverletzung abzuwehren.
Für die Zahlungsaufforderung vom 24. Oktober 2000 hat dies zur Folge, dass die Antragstellerin zu 1) das Zahlungsverlangen mit der darin enthaltenen Fristsetzung zur Bewirkung der Leistung und mithin die in diesem Schreiben enthaltene Berühmung eines Zahlungsanspruchs durch die Antragsgegnerin hinzunehmen hat. Gleiches gilt allerdings für die Antragsgegnerin, die die Zahlungsverweigerung der Antragstellerin zu 1) hinzunehmen hat und nicht mehr zum Gegenstand eines Bund-Länder-Streits machen kann. Werden Zahlungsaufforderung und Nichtbefolgung nicht innerhalb der nach § 69 in Verbindung mit § 64 Abs. 3 BVerfGG angeordneten Frist angegriffen, so lässt dies aber den etwaigen Bestand des im Streit befindlichen Zahlungsanspruchs unberührt. Wie der Bund in der Folge nicht an der Erklärung der Aufrechnung gehindert ist, so ist es auch den betroffenen Ländern möglich, die Aufrechnungserklärungen innerhalb des ab deren Zugang beginnenden Fristlaufs vor dem Bundesverfassungsgericht anzugreifen, um den nunmehr eingetretenen Eingriff in ihre Rechtsposition abzuwehren.
C.
Die Begehren der Antragstellerinnen sind im Wesentlichen unbegründet.
Die Anträge sind entsprechend dem erkennbaren Anliegen der Antragstellerinnen dahin auszulegen, dass sie in erster Linie den Ausspruch begehren, keinem Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin ausgesetzt zu sein. Sollten sie damit allerdings nicht durchdringen, ist ihr Vortrag dahin zu verstehen, dass sie begehren, wenigstens nicht vollen Umfangs für den von der Antragsgegnerin geltend gemachten Erstattungsbetrag einstehen zu müssen.
Das in erster Linie verfolgte Begehren der Antragstellerinnen hat keinen Erfolg (hierzu III. und IV.). Vielmehr steht der Antragsgegnerin dem Grunde nach der geltend gemachte Zahlungsanspruch nach Maßgabe des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG zu. Hingegen bedarf es wegen der Höhe der jeweiligen Zahlungsverpflichtung der Antragstellerinnen weiterer Sachaufklärung, für die allerdings das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuständig ist (hierzu V.).
I.
Nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG tragen der Bund und die Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung. Satz 2 dieser Norm regelt, dass das Nähere ein Bundesgesetz bestimmt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Da es an einem solchen Gesetz fehlt, bestehen über die Tauglichkeit des Absatzes 5 Satz 1 Halbsatz 2 dieser Bestimmung als Anspruchsgrundlage wie auch über deren Geltungsbereich in Literatur und Rechtsprechung erhebliche Meinungsverschiedenheiten.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG für einen Kernbereich der Haftung eine unmittelbare Anspruchsgrundlage dar. Dies zeigten der Wortlaut (“haften”), die systematische Verknüpfung mit der ebenfalls unmittelbar anwendbaren Verwaltungsausgabenbestimmung in Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GG, die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des Art. 104a Abs. 5 GG, der den ebenfalls unmittelbar anwendbaren Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG durch eine konstitutive Gesamtregelung einer Haftung von Bund und Ländern für eine ordnungsmäßige Verwaltung habe ablösen sollen. Anderenfalls wäre ein bis zum Erlass des Ausführungsgesetzes “verwaltungshaftungsloser” und damit noch hinter der zuvor bestehenden Rechtslage (vgl. Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG a.F.) zurückbleibender Zustand geschaffen worden, was dem verfassungsändernden Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne.
Der unmittelbaren Anwendbarkeit der Vorschrift stehe auch nicht entgegen, dass die Haftungsvorschrift in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG einen Gesetzgebungsauftrag enthalte. Vielmehr lasse sich Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG auch ohne eine nähere Regelung mittels der herkömmlichen Auslegungsmethoden inhaltlich hinreichend genau bestimmen. Der Schutz der Länderrechte, wie er durch das Erfordernis der Mitwirkung des Bundesrates an einem Ausführungsgesetz zum Ausdruck komme, zwinge jedoch zu einer differenzierenden Auslegung. Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG enthalte – ausgestattet mit gegenwärtiger Wirksamkeit – die Anordnung eines Haftungskernbereichs von Verfassungs wegen, darüber hinaus jedoch für einen denkbaren weiteren Haftungskreis eine Programmaussage für den Ausführungsgesetzgeber. Der Haftungskern dürfe einerseits nicht so verengt sein, dass von Haftung im Grunde nicht mehr gesprochen werden könne; dessen Grenzen dürften andererseits jedoch nicht so weit gezogen sein, dass einem Ausführungsgesetz im Wesentlichen nur noch die Bestimmung des Verfahrens obläge. Zum Haftungskern rechnet der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts das Einstehenmüssen – ohne Exkulpationsmöglichkeit – für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von Verwaltungsbediensteten, auch von Gemeindebediensteten, die in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes handeln. Gehaftet werde auf vollen Schadensausgleich ohne die Möglichkeit einer Einschränkung des Haftungsumfangs auf einen wertmäßig darunter liegenden Ausgleich oder auf das im Regresswege Erlangte (grundlegend BVerwGE 96, 45 ≪50 ff.≫; sowie im Anschluss BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1995 – 2 A 5.92 –, NVwZ 1995, S. 991 ≪992 f.≫; Urteil vom 2. Februar 1995 – 2 A 1.92 –, PersVertr 1995, S. 447 ≪448 f.≫; BVerwGE 100, 56 ≪60 ff.≫).
In einer späteren Entscheidung hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts den Haftungskern auf vorsätzliche Schädigungen beschränkt. Die Rechtsprechung müsse sich auf das zur Sicherung der Effektivität verfassungsrechtlicher Vorschriften Notwendige beschränken. Hierbei sei vor allem die Vielfalt der möglichen Entscheidungsvarianten im Rahmen einer Verwaltungshaftung von Bund und Ländern nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG zu berücksichtigen (Haftung für Verschulden oder für objektive Pflichtverletzung; Differenzierungen hinsichtlich der Schuldformen; Haftung auf vollen Schadensersatz oder auf die Abtretung des Regressanspruchs gegenüber dem Schädiger). Dies nötige gerade im Hinblick auf den in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG erteilten Gesetzgebungsauftrag dazu, bei der Handhabung der Vorschrift bis zum Erlass eines Ausführungsgesetzes Zurückhaltung zu üben. Ausgehend von diesen Grundsätzen löse jedenfalls vorsätzliches Handeln die Haftung nach Art. 104a Abs. 5 GG aus. Dagegen würde die Einbeziehung auch einer Haftung für grob fahrlässige Schädigung zu weit gehen; die Formen der Fahrlässigkeit, die zu einer Haftung im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgesehenen Auftragsverwaltung führen sollten, ließen sich nicht mit Gewissheit eingrenzen (vgl. BVerwGE 104, 29 ≪32 ff.≫; vgl. auch BGHZ 148, 139 ≪151≫).
2. a) In Teilen der Literatur wird zu Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG die Auffassung vertreten, dass eine Haftung der Länder gegenüber dem Bund unmittelbar aus dieser Verfassungsnorm nicht in Betracht komme (vgl. Nopper, Bund-Länder-Haftung beim fehlerhaften Verwaltungsvollzug von Gemeinschaftsrecht durch die deutschen Länder, 1998, S. 75 ff.; Littwin, DVBl 1997, S. 151 ≪156≫; Hatje, NJ 1997, S. 285 ≪287, 289≫; F. Kirchhof, NVwZ 1994, S. 105 ff.; Erichsen, Zur Haftung im Bund-Länder-Verhältnis, 1986, S. 33 ff.; Saipa, DVBl. 1974, S. 188 ≪190 f.≫; Schulze, DÖV 1972, S. 409 ≪414≫). Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass die Verfassungsnorm lediglich einen Auftrag an den Gesetzgeber enthalte, eine Haftung durch ein späteres Bundesgesetz zu begründen. Diese Ansicht stützt sich im Wesentlichen auf eine Analyse des Gesetzgebungsverfahrens, den ausdrücklichen Regelungsvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers in Satz 2 der Bestimmung und die fehlende inhaltliche Präzisierung der Haftungsanordnung (vgl. Nopper, a.a.O., m.w.N.). Eine Haftung der Länder für Verwaltungsfehler gegenüber dem Bund bedeute eine erhebliche Machtverschiebung im bundesstaatlichen Verhältnis. Die Begründung einer Bund-Länder-Haftung wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung stelle nicht nur wegen der finanziellen Dimension der möglichen Ansprüche, sondern auch in historischer Hinsicht und im systematischen Zusammenhang der Finanzverfassung eine ungewöhnliche und bedeutsame Entscheidung dar (vgl. Hellermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl. 2001, Art. 104a Rn. 216). Im Rahmen der Finanzreform sei die Haftungsfrage als Frage von untergeordneter Bedeutung behandelt worden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber die in der Praxis bisher unbedeutende Regelung des Art. 108 Abs. 4 GG a.F. gestrichen habe, um nach Abschluss der Finanzreform dem einfachen Bundesgesetzgeber eine umfassende Regelung zu ermöglichen (vgl. insbesondere Saipa, a.a.O., S. 189; Erichsen, a.a.O., S. 19 ff.). Der Verfassungsauftrag sei auch nicht durch Nichterlass des notwendigen Ausführungsgesetzes inzwischen in unmittelbar anwendbares Recht umgeschlagen. Das bisherige Nichtzustandekommen eines solchen Gesetzes sei keine unter Würdigung der Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers und aller erklärenden Umstände nicht mehr zu rechtfertigende, schlicht unerträgliche Verschleppung. Des Weiteren fehle es an der für den Umschlag notwendigen Bestimmtheit der Haftungsanordnung (vgl. Erichsen, a.a.O., S. 34 ff.; F. Kirchhof, a.a.O., S. 108; Hatje, a.a.O., S. 289; Schulze, a.a.O., S. 414).
b) Die überwiegende Auffassung entnimmt Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG demgegenüber eine verfassungsunmittelbare Haftungsanordnung (vgl. Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104a Rn. 175; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Bearbeitungsstand: Mai 1977, Art. 104a Rn. 68; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl. 2006, Art. 104a Rn. 13; Storr, in: Aulehner u.a., Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit?, 1997, S. 269 ≪278 ff.≫; Ruhe, in: Seifert/Hömig, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 7. Aufl. 2003, Art. 104a Rn. 18; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 104a Rn. 41; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 104a Rn. 28; Bleckmann, Staatsrecht I – Staatsorganisationsrecht, 1993, Rn. 1542; Siekmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 104a Rn. 62 ff.; Schuppert, in: Umbach/Clemens, GG, 2002, Art. 104a Rn. 32). Diese Ansicht verweist auf den Wortlaut, die systematische Einordnung und den Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, ab sofort eine Haftungsregelung zu schaffen. Die Norm ersetze die ebenfalls unmittelbar anwendbare Regelung des früheren Art. 108 Abs. 4 GG und stehe in engem Zusammenhang mit der ebenfalls unmittelbar anwendbaren Regelung über die Verwaltungskosten. Art. 104a Abs. 5 GG sei auch – anders als etwa Art. 6 Abs. 5 GG – nicht lediglich als Verfassungsauftrag formuliert. Dessen Satz 1 Halbsatz 2 spreche vielmehr davon, dass Bund und Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung hafteten, was einen aktuellen Rechtszustand beschreibe. Der Bundesgesetzgeber habe nur das “Nähere”, etwa Fragen der Auskunft über haftungsbegründende Tatbestände und der Verjährung oder auch einzelne Voraussetzungen der Haftung in verschiedenen Verwaltungszweigen zu klären, nicht aber die eigentliche Haftungsentscheidung erst zu treffen. Daher könne die Norm auch keine Schutzwirkung zugunsten der Länder dahingehend entfalten, dass diese bis zum Ergehen eines Ausführungsgesetzes von jeder Haftung frei bleiben (vgl. Storr, a.a.O., S. 280 f.).
Umstritten sind dabei die Voraussetzungen der Haftung. Nach einer weiten Ansicht ist das Merkmal der nicht ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne eines rein objektiven Maßstabes zu verstehen, so dass es auf ein Verschulden nicht ankomme (vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, 1998, S. 291 ff.; Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, 2001, S. 407 f.; Rudisile, DÖV 1985, S. 909 ≪914 ff.≫; Storr, a.a.O., S. 281 ff.). Auch der Gesetzgeber könne keine bloße Verschuldenshaftung anordnen (vgl. Vogel/Kirchhof, a.a.O., Art. 104a Rn. 176; Storr, a.a.O., S. 286 f.).
Nach anderer Auffassung ist ein Verhalten nicht schon dann nicht ordnungsgemäß, wenn es sich nachträglich vor dem Hintergrund einer “geläuterten Rechtsauffassung” als unrichtig herausstelle, sondern lediglich im Falle grober Rechtswidrigkeit oder bei mindestens grober Fahrlässigkeit (vgl. Vogel/Kirchhof, a.a.O., Art. 104a Rn. 161; ähnlich Siekmann, a.a.O., Art. 104a Rn. 69; Papier, in: Festschrift für Blümel, 1999, S. 421 ≪437≫; Prokisch, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Stand der Bearb.: 23. Erg.-Lief., Mai 2003, Art. 104a Rn. 336; J…-P… Schneider, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 104a Rn. 28; Brockmeyer, a.a.O., Art. 104a Rn. 28; sowie ferner umfassend Seelmaecker, Die Verwaltungshaftung nach Art. 104a V GG und ihre Anwendbarkeit auf die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern im Sinne des Art. 91a GG, 1998, S. 78 ff.; Wollgast, Das haftende Subjekt der gemeinschaftsrechtlich gebotenen Staatshaftung in der Bundesrepublik Deutschland, 1998, S. 184 f.; Birk, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 104a Rn. 30; Henneke, Öffentliches Finanzwesen – Finanzverfassung, 2000, S. 64 ff.; Schwenke, NVwZ 2003, S. 1430 ≪1433 ff.≫; Bauer/Zirbes, JuS 1997, S. 511 ≪514 ff.≫; für einen strengeren Maßstab bei fehlenden oder nur geringen Gestaltungsspielräumen Prokisch, in: BK, Art. 104a Rn. 339).
3. Ferner wird die Frage erörtert, ob Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG als Anspruchsgrundlage auch bei der Verletzung von EG-Recht zur Anwendung kommen kann.
a) Einer Ansicht zufolge umfasst der Wortlaut des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG auch die Verletzung von Gemeinschaftsrecht bei der Ausführung durch die Länder (vgl. Koenig/Braun, NJ 2004, S. 97 ≪100 f.≫; Fisahn, DÖV 2002, S. 239 ≪245≫; Durner, BayVBl 2002, S. 745 ≪751≫; Dederer, NVwZ 2001, S. 258 ≪260≫; Storck, AgrarR 1988, S. 216 ≪219≫; Funke, ZfZ 1976, S. 336 ≪340 f.≫; Prokisch, Art. 104a Rn. 330; Brockmeyer, a.a.O., Art. 104a Rn. 28a). Für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs sei kein Raum. Es könne keine Rolle spielen, ob die fehlerhafte Verausgabung unmittelbar dem Haushalt eines finanzierungszuständigen Ausgabenträgers zur Last falle oder ob die Belastung über den Rückforderungsanspruch eines außenstehenden Finanzierungsträgers eintrete. Zudem gebe es keinen sachgerechten Grund, die Länder im Falle der Bewirtschaftung von EG-Mitteln besser zu stellen, als wenn sie kraft deutschen Rechts Haushaltsmittel des Bundes bewirtschafteten (vgl. Koenig/Braun, a.a.O., S. 100 f.). Dies gelte umso mehr, wenn Art. 10 EG mit in den Blick genommen werde. Aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive sei es zumindest zweifelhaft, ob eine Auslegung nationalen Verfassungsrechts, wonach eine Organisationsebene eines Mitgliedstaats sanktionsfrei gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen könne, mit Art. 10 EG vereinbar sei (vgl. Koenig/Braun, a.a.O.; Durner, a.a.O., S. 749 f.; Fisahn, a.a.O., S. 245; Dederer, a.a.O.; Hellermann, a.a.O., Art. 104a Rn. 204; Brockmeyer, a.a.O., Art. 104 Rn. 28a; Winkler, DVBl 2003, S. 79 ≪80≫; Funke, a.a.O., S. 340).
b) Eine andere Ansicht sieht Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG als nicht unmittelbar anwendbar an, weil diese Norm allein auf die Ebene des Bundesstaats bezogen sei und die europarechtliche Dimension ausblende (vgl. BVerwGE 116, 234 ≪241≫; Carl, NVwZ 1994, S. 947 ≪949≫; Littwin, a.a.O., S. 156; Böhm, JZ 2000, S. 382 ≪385 f.≫; dies., in: Magiera/Sommermann, Verwaltung und Governance im Mehrebenensystem der Europäischen Union, 2002, S. 89 ≪101 ff.≫; Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, S. 719 ≪761≫).
c) Soweit Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG bei der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von EG-Recht als nicht unmittelbar anwendbar angesehen wird, ist streitig, ob diese Norm entsprechend angewandt werden kann (verneinend im Hinblick auf fehlende Haftungskonturen Böhm, JZ 2000, S. 382 ≪386≫; dies., in: Magiera/Sommermann, a.a.O., S. 89 ≪102 ff.≫; Littwin, a.a.O., S. 156 f.; bejahend unter Hinweis auf die vergleichbare Sachlage und die ratio der Haftungsnorm Wollgast, a.a.O., S. 177 ff.; Isensee, a.a.O., S. 761 f.; Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 4./5. Aufl. 2003, Art. 104a Rn. 72).
d) Umstritten ist ferner die Reichweite der Haftung. Während eine Ansicht eine Haftung der Länder nur auf der Grundlage der Kernbereichstheorie des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Wollgast, a.a.O., S. 184 f.; Brockmeyer, a.a.O., Art. 104a Rn. 28a; wohl auch Heintzen, a.a.O., Art. 104a Rn. 72), vor allem nur bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht (Koenig/Braun, a.a.O., S. 97 ≪103≫) annehmen will, geht eine andere Auffassung darüber hinaus. Hafte der Bund für ein Verhalten des Landes gegenüber den Europäischen Gemeinschaften, so entstehe der Regressanspruch, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedürfe. Dies ergebe sich aus den verfassungsrechtlichen Beziehungen von Bund und Ländern. Vor allem entspreche es dem System der Finanzverfassung, dass die Länder die Lasten des Vollzugs zu tragen hätten, was auch eine Einstandspflicht gegenüber dem Bund für Rechtsverstöße einschließe (vgl. Isensee, a.a.O., S. 762 f.).
e) Für den Fall, dass EG-Geldleistungsvorschriften im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben vollzogen werden, wird schließlich auch die Ansicht vertreten, dass die Vorschrift des Art. 91a Abs. 4 Satz 3 GG dem Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG als lex specialis vorgehe. Das auf dieser Grundlage ergangene Ausführungsgesetz über die Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” regele als Rückforderungstatbestand im Bund-Länder-Verhältnis nur die Nichtbeachtung der in diesem Verhältnis einschlägigen Zuwendungsgrundsätze. Hinsichtlich der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Europäischen Gemeinschaften geltenden Zuwendungsvorschriften habe der Gesetzgeber von seiner Regelungskompetenz, das “Nähere” zu bestimmen, keinen Gebrauch gemacht, so dass einem Regressanspruch die Rechtsgrundlage fehle (vgl. Carl, a.a.O., S. 949; Littwin, a.a.O., S. 157).
II.
Der Rückgriff des Bundes gegen ein Land wegen Anlastungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften richtet sich nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG.
1. Art. 91a GG stellt für die hier in Rede stehenden Ausgleichszahlungen keine verdrängende Spezialregelung dar. Europarechtlich veranlasste Maßnahmen, die sich unter den Begriff “Verbesserung der Agrarstruktur” im Sinne des Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG fassen lassen, fallen nur dann unter das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GemAgrG) vom 3. September 1969 (BGBl I S. 1573), wenn die Höhe einer Leistung nicht bereits durch eine Verordnung oder Richtlinie festgelegt worden ist. Die Durchführung von Maßnahmen als Gemeinschaftsaufgabe setzt das Bestehen eines Gestaltungs- und Planungsspielraums voraus. Gemeinschaftsrechtlich veranlasste Maßnahmen sind daher jedenfalls insoweit nicht als Gemeinschaftsaufgabe durchführbar und finanzierbar, als das Gemeinschaftsrecht – wie hier – dem Grunde und der Höhe nach bestimmte oder bestimmbare Leistungsansprüche gewährt (vgl. Mager, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2003, Art. 91a Rn. 29 unter Hinweis auf BTDrucks 11/7977, S. 2; Richter/Faber, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 91a/91b Rn. 44; Nopper, a.a.O., S. 128 ff.; Pruns, DÖV 1976, S. 217 ≪222≫; siehe auch Funke, a.a.O., S. 337).
2. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin (vgl. auch Häde, Die innerstaatliche Verteilung gemeinschaftsrechtlicher Zahlungspflichten, 2006, S. 19 ff., 29 ff.; Nopper, a.a.O., S. 99 ff.) ist für die innerstaatliche Verteilung der durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften angelasteten Beträge auch nicht Art. 104a Abs. 1 GG maßgebend.
Art. 104a Abs. 1 GG gewährt schon nach seinem Wortlaut keinen Anspruch. Die Bestimmung regelt die Primärzuordnung der aufgabenbezogenen Ausgabenlast zwischen Bund und Ländern. Hinsichtlich der Umsetzung von Maßnahmen des EAGFL, Abteilung Garantie, liegt die Verwaltungszuständigkeit, der nach Art. 104a Abs. 1 GG die Ausgabenlast folgt, nicht allein bei den Ländern. Vielmehr ist auch der Bund in den verwaltungsmäßigen Vollzug der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften eingeschaltet, wobei es für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht auf die Gewichtung der einzelnen Anteile ankommt. Entscheidend ist allein, dass dem Bund neben den Ländern eine substantielle Funktion bei der Vergabe der Agrarstrukturmittel zukommt, so dass auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts von einer zusammenwirkenden Verwaltung gesprochen werden kann.
Der Bund tritt zwar nicht gegenüber den nach Gemeinschaftsrecht Anspruchsberechtigten in Erscheinung. Mit dieser Aufgabe sind nach Art. 30 GG die Landesbehörden betraut, die als Zahlstellen im Sinne der VO (EWG) Nr. 729/70 fungieren. Dem Bund obliegt aber die innerstaatliche Koordinierung bei dem Vollzug des einschlägigen Gemeinschaftsrechts. Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 bringt dies mit der Pflicht des Mitgliedstaats zur Einrichtung einer Koordinierungsstelle für den Fall zum Ausdruck, dass mehrere Zahlstellen eingerichtet sind. Ziel ist die Sicherstellung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Diese Koordinierungspflicht kann für den ordnungsgemäßen Vollzug des Gemeinschaftsrechts, vor allem auch für die Einrichtung des nach der VO (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 einzuführenden Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems eine zentrale Bedeutung einnehmen. Eine nicht ordnungsgemäße Wahrnehmung der Koordinierungspflicht ist geeignet, Vollzugsdefizite bei den Zahlstellen zu verursachen.
Neben dieser allgemeinen Koordinierungspflicht bei Maßnahmen nach dem EAGFL, Abteilung Garantie, wirkt das Gemeinschaftsrecht zudem durch die Begründung besonderer Pflichten auf die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung ein. So traf den Bund etwa – was für das Verfahren 2 BvG 2/04 von Bedeutung ist – auf der Grundlage der Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren (ABl EG L 355/32) die Pflicht zur Einführung eines zentralen Rinderkennzeichnungs- und Registrierungssystems. Weiter ist etwa auf die VO (EG) Nr. 296/96 der Kommission vom 16. Februar 1996 über die von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden Angaben, zur monatlichen Übernahme der vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, finanzierten Ausgaben und zur Aufhebung der VO (EWG) Nr. 2776/88 (ABl EG L 39/5) hinzuweisen. Für eine ordnungsmäßige Verwaltung der dem EAGFL, Abteilung Garantie, im Gemeinschaftshaushalt bewilligten Mittel muss jede von den Mitgliedstaaten ermächtigte Zahlstelle eine Buchführung unterhalten, die ausschließlich die vom EAGFL, Abteilung Garantie, finanzierten Ausgaben erfasst. Um die Organisation der Übermittlung dieser Daten, die in der Bundesrepublik Deutschland nur durch den Bund erfolgen kann, geht es in dieser Verordnung. Der Datenübermittlung kommt dabei auch eine Kontrollfunktion zu, die der Kommission der Europäischen Gemeinschaften bereits im Rahmen der Vorschussgewährung eine Korrekturmöglichkeit eröffnet (vgl. Mögele, Die Behandlung fehlerhafter Ausgaben im Finanzierungssystem der gemeinsamen Agrarpolitik, 1997, S. 61 ff. m.w.N.). Mit den zentral beim Bund zusammenlaufenden Informationen sind ihm aber auch in Verbindung mit der Koordinierungsfunktion durchaus Gestaltungsmöglichkeiten in Form von Hinweisen und Mitteilungen oder auch in Form von Präzisierungen der auf der Grundlage des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen erlassenen Verordnungen eröffnet.
Vor diesem Hintergrund steht fest, dass die Vollzugsverantwortung für die hier in Rede stehenden Maßnahmen nicht allein den Ländern zukommt. Vielmehr ist der Bund in nicht unerheblichem Maße in den Vollzug der hier einschlägigen EG-Verordnungen eingebunden. Dies betrifft gerade auch die Einrichtung eines Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, wegen dessen Mängeln die Anlastungen vorgenommen worden sind. Das Zusammenwirken von Bund und Ländern ist vorliegend durch das Gemeinschaftsrecht begründet und durch Art. 23 GG legitimiert.
c) Gegen die Anwendung des Art. 104a Abs. 1 GG als Grundlage von Haftungsansprüchen spricht neben dem Wortlaut der Bestimmung auch, dass Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG eine Haftungsregelung vorsieht, die gerade auf das Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeit zugeschnitten ist (vgl. Achterberg, DVBl 1970, S. 125 ≪126≫). Diese Regelung bezieht sich nach der Systematik des Art. 104a GG auf Sonderfälle. Sie zielt auf sachgerechte Zuordnung der Verantwortung für die durch eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung entstandenen Schäden. Um einen derartigen Sonderfall handelt es sich gerade in den Streitfällen.
Die Länder erteilen gegenüber dem anspruchsberechtigten Personenkreis die Bewilligungsbescheide und verfügen zur Erfüllung der dadurch eingetretenen Zahlungspflichten über Mittel des Bundes, der innerstaatlich eine permanente Zwischenfinanzierung vornimmt, ehe der EAGFL, Abteilung Garantie, die auf Grund seiner Finanzverantwortung für die Beihilfemaßnahmen geschuldeten Vorschüsse dem Bund bereitstellt. Unter anderem auf ein solches Auseinanderfallen der Zuständigkeit gegenüber Dritten und der Finanzierungszuständigkeit ist die Haftungsregelung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ausgerichtet (vgl. Heintzen, a.a.O., Art. 104a Rn. 68). Wollte man – ungeachtet der anderen vorstehend behandelten Gesichtspunkte – in diesem Zusammenhang gleichwohl auf den Konnexitätsgrundsatz abstellen, bliebe für die Haftungsregelung letztlich kein sachgerechter Anwendungsbereich.
III.
Der Anwendungsbereich des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ist auch dann eröffnet, wenn durch Anlastungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Bund ein Schaden entsteht.
1. Ob der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahre 1969 allgemein an die weit reichenden Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Rechtssystem und die damit verbundenen finanziellen Folgen oder gar konkret an Anlastungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gedacht hat, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung unerheblich. Es ist vom objektiven Wortlaut und dem Sinngehalt des Art. 104a Abs. 5 GG auszugehen.
Nach dem Wortlaut der Norm haften Bund und Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Ein Anlass, ihren Anwendungsbereich auf die Verletzung national gesetzten Rechts zu beschränken, besteht auf der Grundlage dieses Wortlauts nicht. Die ordnungsmäßige Verwaltung umfasst sämtliche diesen Gebietskörperschaften obliegenden staatlichen Aufgaben, zu denen auch der Vollzug des Gemeinschaftsrechts gehört (vgl. Magiera, Bundesstaat und EG-Finanzordnung, in: Festschrift für Menzel, 1975, S. 621 ≪638≫; Selmer, Zur bundesstaatlichen Lastenverteilung bei der Anwendung von Geldleistungsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, in: Das Europa der Zweiten Generation, Gedächtnisschrift für Sasse, Bd. I, 1981, S. 229 ≪234≫; Suerbaum, Die Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts in Deutschland, 1998, S. 217; Häde, a.a.O., S. 16; Hellermann, a.a.O., Art. 104a Rn. 152; Erbguth, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 30 Rn. 33; anders Sasse, WiR 1973, S. 308 ≪314 ff.≫; ähnlich Petersen, DVBl 1975, S. 291 ≪294 f.≫). Das Gemeinschaftsrecht wirkt vielfältig auf das national gesetzte Recht ein (vgl. von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 29. Erg.-Lief., Dezember 2005, Art. 10 EGV Rn. 4, 55 f.; Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 10 EGV Rn. 16, 35). Neben dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gilt auch das Gebot gemeinschaftskonformer Auslegung. Das nationale Recht ist unter voller Ausschöpfung des richterlichen Beurteilungsspielraums in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden (vgl. EuGH, Urteil vom 13. November 1990 – Rs. C-106/89 –, Marleasing SA/La Comercial International de Alimeriación SA, Slg. 1990, I-4135 ≪4159 Rn. 8≫; Urteil vom 10. April 1984 – Rs. 14/83 –, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891 ≪1909 Rn. 26≫; Urteil vom 26. September 2000 – Rs.C-262/97 –, Rijksdienst voor Pensioenen/Robert Engelbrecht, Slg. 2000, I-7321 ≪7361 Rn. 39≫). Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts (vgl. BVerfGE 73, 339 ≪375≫; 85, 191 ≪204≫) führt dazu, dass das Gemeinschaftsrecht mit dem nationalen Recht in einem solchen Maße verwoben ist, dass eine Differenzierung nach dem Normgeber im Rahmen der Haftungsregelung nicht nahe liegt.
Auch das Argument, Art. 104a GG spreche die supranationale Ebene nicht an, führt nicht weiter. Daraus kann noch nicht auf die Unanwendbarkeit der Haftungsregelung bei der Verletzung von Gemeinschaftsrecht geschlossen werden. Zu fragen ist vielmehr stets, ob der Sinn und Zweck der jeweils einschlägigen Regelung des Art. 104a GG eine Anwendung zulässt oder eine sinngemäße Übertragung des Grundgedankens gebietet (vgl. insoweit etwa zu der Frage, ob Art. 104a Abs. 3 GG auf die Begründung von Geldleistungen auf Grund Gemeinschaftsrechts analog anzuwenden ist: Magiera, a.a.O., S. 641; Selmer, a.a.O., S. 236 ff.; Nopper, a.a.O., S. 107 ff.; Heitsch, a.a.O., S. 384 ff.).
Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Haftungsregelung vermag eine Differenzierung nach dem Normgeber nicht zu überzeugen. Ein sachlich gerechtfertigter Grund, den Bund oder die Länder bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht von einer innerstaatlichen Haftung freizustellen, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass die Anwendung des hier einschlägigen Gemeinschaftsrechts innerstaatlich mit der Bewirtschaftung von Bundesmitteln durch die Länder einhergeht und somit auch ein genuin innerstaatlicher Vorgang zur Beurteilung steht.
2. Zwischen Bund und Ländern entstehen gerade bei der Umsetzung des hier einschlägigen Gemeinschaftsrechts besondere Rechtsbeziehungen, die mit entsprechenden Pflichtenbindungen einhergehen. Der Bund stellt, da die Vorschüsse des EAGFL, Abteilung Garantie, nach dem im Jahre 1987 eingeführten gemeinschaftsrechtlichen Finanzierungsverfahren den Mitgliedstaaten verzögert zur Verfügung gestellt werden, im Wege einer Kreditaufnahme über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Mittel bereit, über die die Länder auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 Satz 3, § 34 BHO verfügen können.
a) Mit der Bestellung der Länder zum Titelverwalter übernehmen diese zugleich Pflichten. Dies drückt sich in § 34 Abs. 2 Satz 1 BHO aus, wonach Ausgaben nur soweit und nicht eher geleistet werden dürfen als sie zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung erforderlich sind. Darüber hinaus sind nach Satz 2 dieser Vorschrift die Ausgabemittel so zu bewirtschaften, dass sie zur Deckung aller Ausgaben ausreichen, die unter die einzelne Zweckbestimmung fallen. Der Titelverwalter darf daher keine Zahlung anordnen und keine Maßnahmen treffen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass diese Maßnahme oder Zahlung später unvermeidlich zu einer Überschreitung der zugewiesenen Mittel führt oder eine nachträgliche Bewilligung von Mitteln für die gleiche Zweckbestimmung notwendig macht (vgl. Wiesner, Öffentliche Finanzwirtschaft I – Haushaltsrecht –, 9. Aufl. 1992, S. 205).
b) Die Beachtung der Zweckbestimmung der Ausgaben durch den Titelverwalter bedingt zunächst, dass die formellen und materiellen Förderungsvoraussetzungen bei der Bewilligung der Anträge vorliegen müssen. Nur dann darf ein Bewilligungsbescheid ergehen, der in der Folge zu dem Mittelabruf führt. Darin erschöpft sich jedoch diese Pflichtenbindung der als titelverwaltende Stelle eingesetzten Landesbehörde nicht. § 34 Abs. 2 Satz 1 BHO unterstreicht darüber hinaus den Grundsatz der sparsamen Mittelverwaltung, der im Zusammenhang mit dem spezifischen Finanzierungssystem gesehen werden muss.
Der Bund realisiert innerstaatlich die Finanzierung der gemeinschaftsrechtlich festgelegten Marktordnungsausgaben. Er nimmt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Kredite auf, um die für die Finanzierung der Maßnahmen des EAGFL, Abteilung Garantie, benötigten Mittel bereitstellen zu können. Eine – im Hinblick auf den späteren Rechnungsabschluss vorläufige – Refinanzierung des Bundes erfolgt durch die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit einer zeitlichen Verzögerung gewährten Vorschüsse. Über den endgültigen Umfang der Refinanzierung gibt der Rechnungsabschluss der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Aufschluss. Eine vollständige Refinanzierung des Bundes bedingt die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, vor allem die Beachtung des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems. Werden durch die unzureichende oder fehlerhafte Beachtung dieses Systems Ausgaben von der Förderung durch den EAGFL, Abteilung Garantie, ausgeschlossen, so fallen die getätigten Ausgaben in diesem Umfang mangels Refinanzierung endgültig dem Bundeshaushalt zur Last. Vor diesem Hintergrund erfordert die sparsame Mittelverwaltung auch die Beachtung des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems durch die landesrechtlich bestimmten Zahlstellen, die zum Titelverwalter über die entsprechenden Bundesmittel bestellt sind. Die zuständigen Landesbehörden haben somit nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BHO bei der Bewirtschaftung der ihnen zugewiesenen Bundesmittel auch diesen besonderen Aspekt der unmittelbar auf den Bundeshaushalt durchschlagenden Entscheidung über den Rechnungsabschluss zu beachten, ohne dass es eines Rückgriffs auf den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens bedürfte. Der in § 34 Abs. 2 Satz 1 BHO genannte Grundsatz der Sparsamkeit stellt neben den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und im Zusammenspiel mit diesen den Maßstab dar, an Hand dessen die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung zu messen ist.
3. Soweit die Antragsgegnerin der Ansicht ist, dass ihr durch die Anlastungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften kein Schaden entstanden sei und Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG schon deshalb nicht zur Anwendung kommen könne, kann dem nicht beigetreten werden.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat im Anschluss an die Anlastungen eine Verrechnung mit den auf andere gemeinschaftsrechtliche Beihilfemaßnahmen bezogenen Vorschüssen vorgenommen, so dass dem Bund innerstaatlich geringere Beträge zur Verfügung standen als er für die Umsetzung dieser Beihilfemaßnahmen benötigte. Gleichwohl hat er den Ländern die für die fortlaufende Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen notwendigen Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt.
Der Umstand, dass dem Bund der Schaden erst vermittelt durch die Anlastungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften entstanden ist, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Für das Eingreifen der Haftungsregelung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG kann es keine Rolle spielen, ob die fehlerhafte Verausgabung unmittelbar dem Bundeshalt zur Last fällt oder ob die Belastung über den Rückforderungsanspruch eines außenstehenden Finanzierungsträgers eintritt oder auf sonstige Weise durch diesen bewirkt wird. Immer ist das vermögensschädigende Ereignis in wirtschaftlicher Hinsicht dasselbe (vgl. Koenig/Braun, a.a.O., S. 100).
IV.
Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ist in den Fällen der gemeinschaftsrechtlichen Anlastung auch ohne ein Bundesgesetz nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG eine unmittelbar anwendbare Haftungsgrundlage.
1. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. C. I. 1.) beruht auf dem Gedanken, dass Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG einerseits eine unabgeschlossene Regelung ist, die dem einfachen Gesetzgeber – wie die Regelung in Satz 2 dieser Norm zeigt – einen Gestaltungsspielraum eröffnet. Dieser ist jedoch andererseits dahingehend beschränkt, dass nach Satz 1 Halbsatz 2 jedenfalls eine Haftung stattfinden muss. Dem Gesetzgeber ist es daher verwehrt, in einem Ausführungsgesetz die Haftung derart zu formulieren, dass sie tatsächlich nicht zum Tragen kommt und damit der an ihn gerichtete Auftrag, das “Nähere” der Haftung zu regeln, verfehlt würde (vgl. BVerwGE 96, 45 ≪55≫). Der Gesetzgeber kann sich auch nicht durch schlichte Untätigkeit dem Verfassungsauftrag entziehen (vgl. Birk, a.a.O., Art. 104a Rn. 30). Ausgehend von diesem Grundgedanken hat das Bundesverwaltungsgericht Grundsätze eines Haftungskerns entwickelt, die darauf beruhen, dass der Gesetzgeber jedenfalls einen Mindeststandard der Haftung auch in einem Ausführungsgesetz anzuordnen hätte, so dass diesbezüglich der mit dem Zustimmungserfordernis des Bundesrates verbundene Schutzmechanismus für die Länder kein Argument gegen die unmittelbare Herleitung einer Haftung aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG wäre (vgl. Wollgast, a.a.O., S. 176 f.; Seelmaecker, a.a.O., S. 78).
2. Der Haftungskernrechtsprechung kann jedenfalls insoweit gefolgt werden, als sowohl dem Wortlaut des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG als auch dessen Entstehungsgeschichte sich deutliche Hinweise darauf entnehmen lassen, dass der Verfassungsgeber im Bund-Länder-Verhältnis eine Haftung begründen wollte (vgl. BVerwGE 96, 45 ≪50 ff.≫; eingehend auch Seelmaecker, a.a.O., S. 45 ff.). Dem würde die Annahme einer bloß programmatischen Aussage ohne die Verpflichtung zur Umsetzung durch den Gesetzgeber, wie sie von Teilen der Literatur vertreten wird (vgl. oben C. I. 2.a.), nicht gerecht. Die Frage, ob die von der Rechtsprechung vorgenommene Beschränkung einer Haftung ohne Ausführungsgesetz auf einen Kernbereich angesichts des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und der ratio des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 GG zwingend ist, bedarf allerdings für die Streitsachen keiner allgemeinen Antwort. Jedenfalls gebieten die Funktion und die strukturelle Ausgestaltung der gemeinschaftsrechtlichen Anlastung eine vom Verschuldenserfordernis gelöste innerstaatliche Zuweisung der Verantwortlichkeit. Die verschuldensunabhängige Ausgestaltung der Haftung beschreibt für die Anlastungsfälle ebenfalls einen Mindeststandard einer Haftung, den Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG gewährleisten will.
a) Die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorgenommenen Anlastungen im Agrarbereich sind Ergebnis der Feststellung, dass die Ausgaben in den Mitgliedstaaten nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt worden sind. Die Anlastungsentscheidung beruht auf einem gemeinschaftsrechtlichen Haftungsinstrument, das im herkömmlichen deutschen Recht keine Entsprechung findet.
aa) Die sachlichen Finanzierungsvoraussetzungen, die zugleich als Grundlage der Rechnungsabschlussentscheidung nach Art. 5 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 dienen, werden sowohl von der Kommission als auch vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dem Art. 2 Abs. 1 und dem Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 729/70 entnommen. Danach sind jene Erstattungen und Interventionen zu finanzieren, die nach Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte gewährt oder vorgenommen werden. Darüber hinaus bestimmt Art. 8 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 abweichende Anlastungsgrundsätze, die auf die Behandlung der in irgendeiner Weise auf Dritte zurückgehenden Unregelmäßigkeiten und Versäumnisse angewandt und mit denen vor allem Betrugsfälle erfasst werden (vgl. Mögele, NJW 1987, S. 1118 ≪1119≫ m.w.N.). Die Kommission wie auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften stellen im Rahmen der Prüfung der sachlichen Finanzierungsvoraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 und des Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 729/70 allein auf die Gemeinschaftskonformität der von den nationalen Stellen getätigten, mit Ausgaben verbundenen Maßnahmen ab. Alle objektiv gemeinschaftsrechtswidrigen Ausgaben bleiben von der Übernahme durch den EAGFL, Abteilung Garantie, ausgeschlossen. Auf eine subjektive Vorwerfbarkeit kommt es dabei – außerhalb der Fälle des Art. 8 Abs. 2 der Verordnung – nicht an (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Februar 1979 – Rs. 11/76 –, Regierung des Königreiches der Niederlande gegen Kommission, Slg. 1979, 245 ≪277 ff.≫).
Den Mitgliedstaaten ist es auch verwehrt, anstelle der vom Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Überprüfungen andersgeartete Kontrollen vorzunehmen. Dabei ist es auch ohne Bedeutung, ob trotz der objektiv fehlerhaften Maßnahme der gemeinschaftsrechtliche Zweck erreicht wird. Dies wirkt sich vor allem in den Fällen der Nichtbeachtung formeller Ausgabenvoraussetzungen, beispielsweise bei der Nichteinhaltung von Fristen sowie von Kontroll- oder Nachweisformalitäten, aus. Wird etwa ein Kontrollmechanismus praktiziert, der von den gemeinschaftsrechtlich fixierten Vorgaben abweicht, so kommt es für eine Anlastung nicht auf die Frage an, ob die vorgenommenen Kontrollen den vorgegebenen im Ergebnis zumindest gleichwertig sind (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Januar 1981 – Rs. 819/79 –, Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission, Slg. 1981, 21 ≪32 ff., 35≫). Entscheidend ist allein, dass die Vorschriften der Gemeinschaftsverordnungen in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewendet werden und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft so weit wie möglich die gleiche Wirkung entfalten sollen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften begründet dies mit der Notwendigkeit einheitlicher und diskriminierungsfreier Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Dies erfordere eine strikte Sichtweise, die sich an der möglichst buchstabengetreuen Auslegung und Handhabung des einschlägigen Marktordnungsrechts orientiere und weder der Kommission noch den mitgliedstaatlichen Organen eigenständige Ermessensspielräume beim Vollzug einräume (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Februar 1979 – Rs. 11/76 –, Regierung des Königreiches der Niederlande gegen Kommission, Slg. 1979, 245 ≪279≫).
bb) Die im Rahmen des Rechnungsabschlusses durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorgenommenen Anlastungen stellen sich vor diesem Hintergrund als ein Instrument der Verwaltungshaftung im Bereich des mitgliedstaatlichen Vollzugs der gemeinschaftlichen Marktordnungspolitik dar. Durch die Verweigerung der Finanzierung fehlerbehafteter – also nicht ordnungsmäßiger – Ausgaben wird die in Art. 2 und Art. 3 VO (EWG) Nr. 729/70 für den Fall von Anwendungsfehlern verankerte Lastentragungspflicht der Mitgliedstaaten konkretisiert. Mit ihr wird den Mitgliedstaaten keine Sanktion auferlegt, sondern lediglich der im Vorschusswege unrechtmäßig erlangte Vorteil entzogen, mithin der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt (vgl. Mögele, a.a.O., S. 202 ff., 206 f.).
b) Stellen sich die gemeinschaftsrechtlichen Anlastungen als ein Haftungsinstrument dar, das rein objektiven, von jeglichen Verschuldensgesichtspunkten gelösten Grundsätzen folgt, so kann dies nicht ohne Rückwirkung auf die Auslegung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG als innerstaatliches Gegenüber bleiben.
aa) Auf Grund der – bestandskräftigen – Anlastungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften steht in den hier zur Entscheidung stehenden Fällen für alle staatlichen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland bindend fest, dass im Rahmen des Vollzugs der maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften Mängel vorlagen. Mithin ist auch für das Bundesverfassungsgericht die rechtsverbindliche Feststellung maßgebend, dass in der Bundesrepublik Deutschland insoweit keine ordnungsmäßige Verwaltung bestand. Allerdings betrifft dies zunächst nur die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften, während über die innerstaatliche Verteilung der Haftung das Gemeinschaftsrecht keine Auskunft gibt. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften betont in seiner Rechtsprechung, dass der Begriff des Mitgliedstaats im Sinne der institutionellen Bestimmungen nur die Regierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften erfasst und nicht auf die Regierungen von Regionen oder autonomen Gemeinschaften erstreckt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006 – Rs. C-417/04 P –, Regione Siciliana gegen Kommission, Rn. 21, abrufbar unter http://curia.europa.eu); Beschluss vom 1. Oktober 1997 – Rs. C-180/97 –, Regione Toscana gegen Kommission, Slg. 1997, S. I-5245 Rn. 6, 8). Auch sei es nicht Aufgabe der Kommission, sich zur Verteilung der Zuständigkeiten auf Grund der organisationsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten und zu den jeweiligen Pflichten der Bundes- und der Landesbehörden zu äußern (vgl. EuGH, Urteil vom 4. März 2004 – Rs. C-344/01 –, Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission, abrufbar unter http://curia.europa.eu, Rn. 60). Aus der Verantwortlichkeit des Bundes im Außenverhältnis kann daher nicht darauf geschlossen werden, dass der Bund auch im Innenverhältnis, unabhängig von der innerstaatlichen Verteilung der Vollzugsverantwortlichkeit, die finanzielle Verantwortung trage (Hellermann, a.a.O., Art. 104a Rn. 204). Hierauf gibt innerstaatlich Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG eine Antwort.
bb) Der Wortlaut des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG trägt – wie auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Abrede stellt – ein weites Verständnis der Haftung wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Haftung setzt im Zivilrecht wie im öffentlichen Recht nicht notwendigerweise ein Verschulden voraus.
Bezogen auf Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ist die Haftung in einem spezifisch staatsorganisationsrechtlichen Sinne zu verstehen. Im bundesstaatlichen Gefüge geht es um die Ordnung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern in Bezug auf die Gesetzgebung, die Wahrnehmung der Verwaltungstätigkeit und die Finanzierung der staatlichen Aufgaben. Vor diesem Hintergrund und im spezifischen Kontext des Art. 104a GG ist der Begriff “haften” dahingehend zu deuten, dass er die durch eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung entstandenen Finanzlasten rein objektiv, von Verschuldenselementen vollständig gelöst, zuordnet. Das Bundesverwaltungsgericht wie auch die ihm folgenden Literaturstimmen sehen im Gegensatz zu Vertretern einer rein objektiv ausgestalteten Haftung eine Einschränkung nur wegen des bestehenden Normsetzungsermessens des Gesetzgebers, das in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG seinen Ausdruck findet, als geboten an. Diese grundsätzliche Streitfrage bedarf in den hier zur Entscheidung stehenden Fällen allerdings keiner abschließenden Antwort. In den Fällen gemeinschaftsrechtlicher Anlastungen ist das Normsetzungsermessen des Gesetzgebers jedenfalls dergestalt eingeschränkt, dass es ihm verwehrt ist, innerstaatlich lediglich eine Verschuldenshaftung anzuordnen.
Bei der innerstaatlichen Verantwortlichkeit geht es um die sachgerechte Verteilung von durch nicht ordnungsmäßige Verwaltung entstandene Finanzlasten. In den Anlastungsfällen sind die zur Verteilung stehenden Finanzlasten durch ein an rein objektiven Kriterien ausgerichtetes supranationales Haftungssystem begründet worden. Entscheidend für die Anlastung ist allein, dass die Anwendung gemeinschaftlicher Kontrollregeln oder bestimmter Mindestanforderungen unzureichend oder fehlerhaft war. Für die innerstaatlich gesetzten Ursachen hat der Mitgliedstaat gegenüber den Europäischen Gemeinschaften einzustehen, indem Pauschalkorrekturen erfolgen und bestimmte Beträge von der gemeinschaftlichen Finanzierung ausgeschlossen werden. Bei der innerstaatlichen Verteilung dieser Finanzlast geht es sodann um die Zuordnung der Ursachen, die gerade diese Finanzlast ausgelöst haben, zu den Verantwortungsbereichen von Bund und Ländern.
Würde bei der innerstaatlichen Zuordnung der der Bundesrepublik Deutschland auf der supranationalen Ebene angelasteten Beträge auf Verschuldenskriterien als maßgebliches Zuordnungsprinzip zurückgegriffen, so wäre dies ein Systembruch ohne sachliche Rechtfertigung. Die Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur so genannten Kernbereichstheorie hätte die Konsequenz, dass die innerstaatliche Verteilung der durch ein verschuldensunabhängiges Haftungssystem entstandenen Finanzlast von einem qualifizierten Verschulden abhängig wäre. Damit aber würde jegliche Systemkonformität verlassen. Die anteilige oder vollständige Weitergabe der durch eine Verursachungshaftung im Außenverhältnis hervorgerufenen Finanzlast bedingt zwangsläufig, dass der innerstaatliche Verteilungsmaßstab verschuldensunabhängig ausgestaltet wird. Nur der Gleichlauf der gemeinschaftsrechtlichen und innerstaatlichen Zuordnungsprinzipien gewährleistet eine sachgerechte und folgerichtige Verteilung der Finanzlast auf ihre innerstaatlichen Verursacher.
V.
Allerdings sind nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG nicht nur die Länder dem Bund verantwortlich. Auch der Bund hat sich seine möglichen Mitverursachungsbeiträge anrechnen zu lassen.
1. Der in § 254 BGB enthaltene Rechtsgedanke ist auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts heranzuziehen (vgl. Oetker, in: MünchKomm, BGB, 4. Aufl. 2003, § 254 Rn. 26 f.; Schiemann, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, BGB, 12. Aufl. 1998, § 254 Rn. 29 jeweils m.w.N.). Über diesen Grundsatz herrscht – auch im Rahmen der Haftung nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG – weitgehend Einigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1995 – 2 A 5/92 –, NVwZ 1995, S. 991 ≪993≫; Hellermann, a.a.O., Art. 104a Rn. 211; Vogel/Kirchhof, a.a.O., Art. 104a Rn. 165, 167; Wollgast, a.a.O., S. 186; Seelmaecker, a.a.O., S. 111 f.; Rudisile, a.a.O., S. 916; Kummer, Die Haftung der Länder im Verhältnis zum Bund am Beispiel der Steuerverwaltung, 1973, S. 188 ff.). Soweit seine Geltung wegen der Rechtsnatur der Haftungsbestimmung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG als Lastenverteilungsregel verneint wird (vgl. Stelkens, a.a.O., S. 276), kann dem nicht gefolgt werden.
Der Regelung des § 254 BGB liegt der allgemeine Rechtsgedanke zu Grunde, dass der Geschädigte für jeden Schaden mitverantwortlich ist, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat (vgl. BGHZ 52, 166 ≪168≫). Dabei ist anerkannt, dass § 254 BGB auch dann zum Tragen kommt, wenn der Schädiger etwa auf Grund einer Gefährdungshaftung für einen entstandenen Schaden einzustehen hat. Umgekehrt ist eine verschuldensunabhängige Mitverantwortlichkeit des Geschädigten jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn dieser selbst hinsichtlich des zur Anrechnung führenden Verhaltens einer Gefährdungshaftung unterliegt (vgl. Schiemann, a.a.O., § 254 Rn. 11 f. m.w.N.). § 254 BGB stellt zwar auf ein Verschulden des Geschädigten ab, beruht dabei jedoch auf dem Grundgedanken, dass aus Gründen der ausgleichenden Gerechtigkeit die Verantwortlichkeiten des Einstandspflichtigen und des Geschädigten miteinander korrespondieren sollen. Mithin stellt sich die Mithaftung des Geschädigten als ein Spiegelbild der Haftung des Schädigers dar (vgl. Oetker, a.a.O., § 254 Rn. 12).
Im Übrigen macht bereits der Wortlaut des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG, wonach der Bund und die Länder “im Verhältnis zueinander” für eine ordnungsmäßige Verwaltung haften, deutlich, dass den Bund unter den gleichen Voraussetzungen wie die Länder eine Verantwortlichkeit treffen kann. Die anspruchsbegrenzende Beachtlichkeit einer Mitverursachung ergibt sich zudem bei der hier zu entscheidenden Sachverhaltsgestaltung auch aus dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens (vgl. zu diesem Aspekt zuletzt BVerfGE 106, 1 ≪27≫).
2. In beiden Verfahren liegen Anhaltspunkte für eine Mitverantwortung des Bundes unter dem Gesichtspunkt der unzureichenden Wahrnehmung der ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegenden Koordinierungspflicht vor. Die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften festgestellten Mängel sind zwar bei den für den unmittelbaren Vollzug des Gemeinschaftsrechts zuständigen Zahlstellen der Länder aufgetreten. Diese Mängel können aber ihre Ursache in der nicht ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben der Koordinierungsstelle haben, der nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 des Rates vom 22. Mai 1995 die Aufgabe zukommt, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Dieser Koordinierungsfunktion kommt – mag es sich auch zum überwiegenden Teil um Aufgaben des Informationsmanagements handeln – eine zentrale Bedeutung zu.
a) Im Verfahren 2 BvG 2/04 ergeben sich die Anhaltspunkte für eine mögliche Mitverantwortung des Bundes aus der als Anlage zur Antragsschrift vorgelegten Klageerwiderung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Dezember 2001 in dem von der Bundesregierung vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angestrengten Verfahren. In Bezug auf die Anlastungsentscheidung der Kommission vom 11. Juli 2001 ist dort von einer unzureichenden Wahrnehmung der Koordinierungsfunktion des Bundes die Rede. Darin ist ausgeführt, dass die von den Bundesbehörden an alle Länder ausgegebenen nationalen Anweisungen keine Prüfung der Prämienfähigkeit von Tieren in jungem Alter vorgesehen hätten, für die die Mutterkuhprämie beantragt worden sei. Ferner wird darauf hingewiesen, dass Deutschland vor 1996 über kein nationales Rinderkennzeichnungssystem verfügt habe, sondern vielmehr von den herkömmlichen, lokalen Systemen abhängig gewesen sei. Es habe daher in den meisten Fällen weder die Herkunft noch das Alter der Tiere kontrolliert werden können, so dass zum “Ausgleich” andere Kontrollen hätten eingeführt werden müssen. Ein zentralisiertes Rinderkennzeichnungs- und Registrierungssystem gemäß der Richtlinie Nr. 92/102/EWG des Rates sei von Deutschland erst im Oktober 1995 eingeführt worden.
b) Auch im Verfahren 2 BvG 1/04 kann nicht von vornherein eine Mitverantwortlichkeit des Bundes ausgeschlossen werden. Die Antragstellerin zu 1) hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die zum damaligen Zeitpunkt im Beitrittsgebiet bestehenden Probleme der Flächenvermessung und deren Behandlung im Zusammenhang mit den gemeinschaftsrechtlichen Stützungsmaßnahmen verwiesen. Konkrete Anweisungen, in welchem Umfang Inaugenscheinnahmen und Vermessungen vorzunehmen gewesen wären, hätten die damaligen gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen nicht enthalten (vgl. auch Deimel, in: Briefe zum Agrarrecht 2006, S. 312 ≪315≫). Zur Klärung der Problematik habe sie mit der Antragsgegnerin Kontakt aufgenommen, ohne dass sich eine gemeinschaftsrechtlich hinreichende Lösung ergeben habe.
3. Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Mitverantwortung des Bundes unter diesen Gesichtspunkten in Betracht kommt, ist nicht vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Bund-Länder-Streitverfahrens zu beantworten. In diesem Verfahren war nur die verfassungsrechtliche Frage der Zuordnung von Finanzlasten dem Grunde nach zu klären (vgl. BVerfGE 99, 361 ≪365 f.≫; 109, 1 ≪7≫), was lediglich die Festlegung der abstrakten Voraussetzungen eines im Verfassungsrecht wurzelnden Haftungsanspruchs sowie die Beachtlichkeit von Mitverursachungsbeiträgen dem Grunde nach in sich schließt. Die Fragen nach einer Mitverantwortung des Bundes im Einzelfall und der insoweit möglicherweise zu bildenden Quote sind von diesem Prüfungsgegenstand nicht umfasst. Sie stellen sich erst im Anschluss an die Beantwortung der verfassungsrechtlich relevanten Vorfragen. Sie sind von den Umständen des Einzelfalls abhängig und damit tatrichterlicher Natur. Die Beantwortung dieser Fragen ist vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen eines Verfahrens nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vorzunehmen. Nach der nunmehr erfolgten Klärung des Anspruchsgrundes obliegt es den Beteiligten, die Höhe des dem Bund zustehenden Erstattungsbetrages vor dem Bundesverwaltungsgericht feststellen zu lassen.
Unterschriften
Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau
Fundstellen
JA 2007, 555 |
VR 2007, 35 |
GV/RP 2007, 83 |