Leitsatz (amtlich)
Der Gesetzgeber ist durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verpflichtet, hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür vorzusehen, dass bei der Ermittlung eines bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die durch die Prämienzahlungen im Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung geschaffen worden sind.
Verfahrensgang
BGH (Urteil vom 23.11.1994; Aktenzeichen IV ZR 124/93) |
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.05.1993; Aktenzeichen 13 U 164/91) |
LG Darmstadt (Urteil vom 03.05.1991; Aktenzeichen 1 O 5/91) |
Tenor
1. Der Gesetzgeber hat seine aus Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes folgende Pflicht insoweit verletzt, als er für den Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung keine hinreichenden rechtlichen Vorkehrungen dafür vorgesehen hat, dass bei der Ermittlung eines bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden.
2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu 3/4 zu erstatten.
Tatbestand
A.
I.
1. Die Beschwerdeführer sind die Erben des nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde verstorbenen Klägers des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger); sie führen das Verfassungsbeschwerdeverfahren fort.
Der Kläger vereinbarte im Jahr 1964 den Abschluss einer Lebensversicherung mit dem Beklagten des Ausgangsverfahrens, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (im Folgenden: Beklagter; dieser hat inzwischen seine Rechtsform geändert und ist nunmehr eine Aktiengesellschaft; diese ist Beteiligte des Verfassungsbeschwerdeverfahrens). Die Versicherungssumme belief sich auf 50.000 DM; die Jahresprämie betrug 1.250 DM. Als Datum des Versicherungsablaufs war das Jahr 2009 vereinbart. Bei der Versicherung handelte es sich um eine so genannte Anpassungsversicherung, bei der die laufenden Gewinnanteile dafür verwendet werden, den vereinbarten Ablaufzeitpunkt vorzuverlegen. Auf dieser Grundlage lief die Versicherung im März 1989 ab; der Kläger erhielt 58.350 DM ausgezahlt. Eine durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen vorgenommene Prüfung führte zu der Feststellung, dass die Überschussanteile entsprechend dem Geschäftsplan des Beklagten und den in den jährlichen Geschäftsberichten veröffentlichten Gewinnanteilssätzen richtig berechnet worden seien.
Der Kläger hielt den an ihn ausgeschütteten Gewinnanteil – gemessen an der Satzung des Beklagten und dessen Werbeaussagen – für zu niedrig. Die Überschussbeteiligung müsse sich auch auf die stillen Reserven des Beklagten erstrecken; in diesem Umfang stehe ihm über den gezahlten Betrag hinaus ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu. Dieser sei verpflichtet, ihm zu den Überschüssen und Erträgen einschließlich daraus gebildeter stiller Reserven Auskunft zu erteilen. Das ergebe sich insbesondere aus seiner, des Klägers, Mitgliedschaft in dem Verein.
2. Die der Lebensversicherung zu Grunde liegenden, hier einschlägigen Regelungen der Satzung des Beklagten lauteten auszugsweise wie folgt:
§ 5 in der Fassung vom 15. Oktober 1963
(1) Der Überschuss gebührt vollständig den Mitgliedern. Er ist der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zuzuführen.
(2) Die Überschussverteilung regelt sich nach dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan. Sie kann mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde auch mit Wirkung für bereits bestehende Versicherungen geändert werden.
(3) …
§ 5 in der Fassung vom September 1988
(1) Der Überschuss gebührt vollständig den Mitgliedern. Soweit er nicht als Direktgutschrift ausgeschüttet wird, ist er der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zuzuführen. Jedoch dürfen bei Feststellung des Rechnungsabschlusses bis zu 2 v. H. des Überschusses offenen Rücklagen zugewiesen werden. Die Mitgliedervertretung kann sich jeweils für das laufende Geschäftsjahr vorbehalten, höhere Beträge, jedoch nicht mehr als bis zu insgesamt 5 v. H. des Überschusses aus diesem Geschäftsjahr, in offene Rücklagen einzustellen.
(2) Die Überschussverteilung regelt sich nach dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan. Sie kann mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde auch mit Wirkung für bereits bestehende Versicherungen geändert werden.
(3) Die Überschussanteile werden als Direktgutschrift und aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung gewährt. Die Überschussanteilsätze werden nach dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan festgesetzt.
(4) …
Die Regelungen der dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung (ALB), die zwischenzeitlich erneut geändert wurden, lauteten, soweit maßgeblich:
§ 20 ALB 1963
(1) bis (5) …
(6) Die Grundsätze über die Überschussrückgewähr sind im Geschäftsplane festgelegt und können nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, dann aber auch für bestehende Versicherungen, geändert werden.
§ 16 ALB 1977
(1) Die Versicherungen sind nach Maßgabe des jeweiligen von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplans am Überschuss der (Versicherer) beteiligt…
(2) bis (5) …
(6) Die Grundsätze für die Überschussbeteiligung können nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, dann aber auch mit Wirkung für bestehende Versicherungen, geändert werden.
Die für die Überschussberechnung wesentlichen Bewertungsregelungen ergaben sich zum Zeitpunkt der Berechnung des Schlussüberschussanteils des Klägers aus § 56 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in der bis zum 30. Juni 1994 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1985 (BGBl I S. 2355); dort hieß es:
Auf die Bewertung der Wertpapiere eines Versicherungsunternehmens sind § 253 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 5, §§ 254, 256, 279 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs anzuwenden.
Durch Gesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I S. 1377) wurde diese Vorschrift (im Folgenden: § 56 VAG a.F.) aufgehoben. Die Bewertungsvorschriften sind nunmehr auch für Versicherungsunternehmen im Handelsgesetzbuch zusammmengefasst (vgl. §§ 252 ff., 341 ff. sowie insbesondere § 341b Abs. 2, § 247 Abs. 2, § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB). Sonderregelungen zur Bewertung gibt es seitdem im Versicherungsaufsichtsrecht nicht mehr.
II.
1. In dem gegen den Beklagten angestrengten Zivilrechtsverfahren beantragte der Kläger vor dem Landgericht, den Beklagten zu verurteilen,
über bereits gezahlte 58.350 DM hinaus einen weiteren gemäß § 315 Abs. 3 BGB von dem Gericht zu bestimmenden Betrag nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit an ihn zu bezahlen, der sich unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Betrages ergibt, wenn der Kläger seinem mit dem Beklagten geschlossenen Lebensversicherungsvertrag Nr. 34-276678-01 entsprechend vollständig an den Überschüssen beteiligt wird, die der Beklagte zwischen dem 1. Februar 1963 und dem 28. Februar 1989 tatsächlich aus den Risiko- und Sparanteilen der vom Kläger gezahlten Lebensversicherungsprämien erzielt hat,
hilfsweise (im Wege der Stufenklage),
- den Beklagten zu verurteilen, unter Beibringung geeigneter Belege Auskunft zu erteilen über die zwischen dem 1. Februar 1963 und dem 28. Februar 1989 tatsächlich aus den Risiko- und Sparanteilen der gezahlten Lebensversicherungsprämien erzielten Überschüsse und Erträge (einschließlich daraus gebildeter stiller Reserven) und
- hiernach über bereits gezahlte 58.350 DM hinaus einen weiteren Betrag nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen, der nach Erteilung der Auskünfte (oben a) beziffert werden wird.
Das Landgericht wies die Klage durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil ab. Der Beklagte habe in § 16 seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Regelung zur Gewinnverwendung getroffen, wonach für diese der aufsichtsbehördlich genehmigte Geschäftsplan maßgeblich sei. § 315 BGB sei deshalb unanwendbar. Die in Frage stehende Regelung verstoße nicht gegen § 9 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGB-Gesetz a.F.), der zwischenzeitlich durch die weitgehend inhaltsgleiche Regelung des § 307 BGB ersetzt worden ist. Denn die Bindung des Beklagten an seinen Geschäftsplan, der vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen genehmigt worden sei, könne nicht als Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung angesehen werden. Zudem habe der Kläger beim Gericht keinerlei Zahlenmaterial eingereicht, nach dem eine Leistungsbestimmung möglich gewesen wäre; das Verlangen des Klägers laufe auf eine der Zivilprozessordnung widersprechende Amtsermittlung hinaus.
Der als Anspruchsgrundlage für den hilfsweise geltend gemachten Auskunftsanspruch allein in Betracht kommende § 242 BGB greife nicht ein, weil der Beklagte die Gewinnverwendung gemäß den vereinbarten Bedingungen getätigt habe; dies sei durch die jeweilige Genehmigung durch das Bundesaufsichtsamt bestätigt worden. Eine andere Bewertung ergebe sich nicht aus der Rechtsform des Beklagten als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Allein auf Grund seiner Mitgliedschaft könne der Versicherte nicht die Auflösung der stillen Reserven zum Zeitpunkt seines Ausscheidens fordern. Das sei auch praktisch kaum umzusetzen.
2. Die von dem Kläger hiergegen eingelegte Berufung wurde durch das ebenso mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Eine Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 1 BGB komme nicht in Betracht, weil die Verteilung der Überschüsse in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung sowie in der Satzung des Beklagten wirksam vereinbart worden sei. Ein Verstoß gegen § 9 AGB-Gesetz a.F. liege nicht vor. Der Kläger sei durch die einschlägigen Regelungen nicht unangemessen benachteiligt. Das ergebe sich nicht zuletzt aus der vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen durchgeführten Kontrolle. Die stillen Reserven seien in die Gewinnermittlung nicht einzubeziehen. Zwar sei ihre Bildung für den Versicherungsnehmer nicht transparent, und den Versicherungsgesellschaften sei ein großer Spielraum belassen. Das bedeute indes nicht generell eine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmer. Ein Auskunftsanspruch scheide aus, da dem Versicherten ein weitergehender Gewinnanspruch nicht zustehe. Es sei nichts dafür vorgetragen, dass der Beklagte die Überschussbeteiligung nicht korrekt berechnet habe. Ebenso wenig sei der konkrete Vorwurf erhoben worden, der Beklagte habe durch überhöhte Rückstellungen, überhöhte Kosten oder durch Vermögensverschiebungen die Überschüsse geschmälert.
3. Der Bundesgerichtshof wies die Revision mit dem durch die Verfassungsbeschwerde ebenfalls angegriffenen Urteil zurück (BGHZ 128, 54). Welche Fassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Grunde zu legen sei, könne wegen der inhaltlichen Übereinstimmung der einzelnen Regelungen in den wesentlichen Punkten dahinstehen. Für eine Anwendung von § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB sei kein Raum, weil die Parteien die Ermittlung der Überschüsse konkret festgelegt hätten. Das Auskunftsverlangen des Klägers sei nicht berechtigt, weil ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten nicht bestehe. Die einschlägigen Regelungen der Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung und der Satzung seien nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die Überschussbeteiligung auch ein Äquivalent für stille Reserven enthalte oder dass diese aufgelöst werden müssten. Der Begriff des Überschusses werde in § 5 der Satzungen nicht erläutert, sondern vorausgesetzt. Die betreffenden Regelungen seien auch nicht wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz a.F. oder gegen die vor In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 242 BGB entwickelten Grundsätze zur Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam.
Entgegen der Ansicht des Klägers sei nicht gegen das Transparenzgebot verstoßen worden. In der Verweisung auf die Grundsätze der Überschussrückgewähr im Geschäftsplan, die in § 20 Abs. 6 ALB 1963, § 16 Abs. 1 ALB 1977 und in § 5 der Satzung enthalten sei, liege kein solcher Verstoß. Zwar verwiesen die Versicherungsbedingungen auf ein Regelwerk, das dem Versicherungsnehmer im Allgemeinen wegen des Geheimhaltungsbedürfnisses des Versicherers nicht zugänglich sei. Auch werde ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer einen solchen Geschäftsplan nicht verstehen. Sinn des Transparenzgebotes sei es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Versicherungsnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werde. Erst in der Gefahr, dass der Versicherungsnehmer wegen unklar gefasster Allgemeiner Versicherungsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liege eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz a.F. Eine solche Gefahr bestehe jedoch nicht.
Aus dem Geschäftsplan des Beklagten könne der Kläger keine Rechte auf eine weitergehende Überschussbeteiligung herleiten. Das Versicherungsunternehmen sei kraft öffentlichen Rechts zur Einhaltung des Geschäftsplans verpflichtet und könne dazu vom Aufsichtsamt angehalten werden. Die geschäftsplanmäßige Erklärung sei ebenfalls nicht Bestandteil eines bürgerlichrechtlichen Vertrags. Sie könne allerdings bürgerlichrechtlich Bedeutung erlangen, aber nur unter Voraussetzungen, die vorliegend nicht gegeben seien.
Soweit die Revision rüge, der Kläger könne nicht feststellen, ob der an ihn ausgezahlte Betrag zu dem mit seinen Beiträgen erwirtschafteten Vermögenszuwachs des Beklagten infolge einer Verschleierung von Gewinnen und durch Nichtberücksichtigung stiller Reserven in einem unangemessenen Verhältnis stehe, wende sie sich nicht gegen die Verteilung des von dem Beklagten festgestellten Überschusses, sondern gegen dessen Feststellung selbst. Hierzu enthielten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Satzung keine Regelung, so dass eine Kontrolle am Maßstab des § 9 AGB-Gesetz a.F. insoweit nicht stattfinden könne. Zu prüfen sei allenfalls, ob der Versicherungsnehmer deshalb unangemessen benachteiligt werde, weil in den Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung und der Satzung entsprechende Regelungen fehlten. Die Frage, ob eine Kontrolle nach dem Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt auf eine Regelungslücke zu erstrecken sei, könne indes dahinstehen, weil das Fehlen entsprechender Regelungen nicht als eine Benachteiligung anzusehen sei, die den Vertragszweck gefährde. Der Versicherer könne den Überschuss nicht willkürlich festsetzen, vielmehr sei er an gesetzliche und aufsichtsrechtliche Vorgaben gebunden. Die Orientierung am Niederstwertprinzip bei der Bildung stiller Reserven sei vom Gesetzgeber hinsichtlich der Bewertung von Wertpapieren in § 56 Abs. 1 VAG a.F. ausdrücklich gebilligt worden. Der Querverrechnung von Verlusten habe der Gesetzgeber durch § 81c VAG entgegengewirkt. Eine vertragliche Pflicht des Versicherers zur Gewinnoptimierung bestehe nicht. Es sei allein auf den Überschuss abzustellen, der sich aus dem Rechnungsabschluss und den Jahresberichten des Beklagten ergebe.
III.
1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer, die angegriffenen Entscheidungen der Zivilgerichte hätten die Bedeutung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und ergänzend Art. 3 Abs. 1 GG als Teil der objektiven Rechtsordnung verkannt. Der Anspruch des Versicherten auf Überschussbeteiligung dürfe nicht so weitgehend zur Disposition des Versicherers gestellt, und die Möglichkeiten, die eigenen Rechte zu vertreten, dürften nicht verfahrensmäßig dergestalt eingeschränkt werden, dass eine effektive Wahrnehmung dieser Rechte nicht möglich sei. Der Schutz des schwächeren Vertragspartners im Versicherungsverhältnis sei so weit zurückgenommen worden, dass weder privatrechtliche noch öffentlichrechtliche Instrumente griffen. Die Gesamtsituation des Versicherten verletze dessen Grundrechte. Das Recht der Kapitallebensversicherung in der Auslegung und Anwendung des Bundesgerichtshofs bewältige den Interessenkonflikt zwischen Versichertem und Versicherer nicht.
Da der Versicherte auf die unternehmerischen Entscheidungen des Versicherungsunternehmens keinen Einfluss habe, sei eine effektive rechtliche Absicherung des Anspruchs auf Überschussbeteiligung erforderlich. Auf Grund von Prämienüberhebung und niedriger Verzinsung ergebe sich ein Interessenkonflikt daraus, dass der Versicherer einerseits eine Überschussbeteiligung gewähren müsse, andererseits aber bestrebt sei, diese durch Wertberichtigungen und Querverrechnungen von Kosten klein zu halten. Eine sachgerechte Lösung könne nur in der Bejahung eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Überschussbeteiligung liegen, der dem Versicherungsnehmer ein von ihm selbst geltend zu machendes und mit Auskunftsrechten einhergehendes Recht an die Hand gebe, das eine angemessene Berücksichtigung der von ihm geschaffenen Vermögenswerte sichere. Eine entsprechende zivilrechtliche Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses, etwa nach dem Vorschlag von Basedow (vgl. ZVersWiss 1992, S. 419) als partiarisches Beteiligungsverhältnis oder nach einem vergleichbaren Vorbild, sei verfassungsrechtlich geboten.
Der Versicherer als der stärkere Vertragspartner habe ein Interesse an möglichst geringen ausgewiesenen Überschüssen. Dies müsse durch Pflichten zur Vermögensanlage im Interesse des Versicherten und durch Kontrollrechte kompensiert werden. Das habe der Bundesgerichtshof verkannt, indem er die Rechte des Versicherten auf das beschränke, was der Versicherer nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bereit sei auszukehren. Der Gesetzgeber sei der Aufgabe, hierfür eine interessenwahrende Lösung zu finden, nicht gerecht geworden. Es sei daher Aufgabe der Gerichte, die unvollkommenen gesetzlichen Regelungen im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs zu interpretieren und anzuwenden. Aus der Natur des Versicherungsvertrags ergebe sich die Pflicht des Versicherers, den Rohertrag so weit wie möglich zu erhöhen. Das derzeit im Bewertungsrecht, so insbesondere durch Anwendung des Niederstwertprinzips, ermöglichte Verbergen von Vermögenswerten durch Bildung stiller Reserven sowie die Querverrechnung von Kosten mit Einsparungen auf Grund günstigerer Risiko- oder Kapitalanlageergebnisse sollten dem Versicherer verwehrt werden.
Die angegriffenen Urteile unterschritten das grundrechtlich gebotene Schutzniveau. Indem der Bundesgerichtshof es dem Versicherer ermögliche, in § 16 ALB 1977 für die Höhe der Überschussbeteiligung letztlich auf den für den Versicherten nicht nachvollziehbaren Geschäftsplan zu verweisen, schaffe er eine für den Versicherten nicht hinnehmbare rechtliche Ausgangslage. Entweder stelle sich die Überschussbeteiligung als essentieller Bestandteil des Preis-Leistungs-Verhältnisses dar; dann müsse § 315 BGB Anwendung finden. Oder es liege in § 16 ALB 1977 eine Regelung für die Berechnung des Überschusses vor; dann sei diese Regelung jedoch nach § 9 AGB-Gesetz a.F. mangels Transparenz nichtig. Der öffentlichrechtliche Schutz über die Versicherungsaufsicht stelle keine hinreichende Kompensation des in der Rechtsposition des Versicherten vorhandenen Defizits an Rechtsschutzmöglichkeiten zur eigenen Wahrung seiner Belange dar.
2. Einschlägiger Gesichtspunkt sei die Privatautonomie. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherten, die insbesondere durch die nicht beeinflussbare Vorgabe Allgemeiner Versicherungsbedingungen charakterisiert sei, erfordere, weil dadurch die Vertragsparität gestört sei, die Wahrnehmung von Schutzpflichten und dementsprechend gesetzgeberische Fürsorge. Da diese ausbleibe, sei eine Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts geboten, die diesem Ungleichgewicht Rechnung trage. Das habe der Bundesgerichtshof verkannt mit der Folge, dass der Versicherer mit den Leistungen des Versicherten nahezu beliebig verfahren könne. Die Inhaltskontrolle der Versicherungsbedingungen werde unter Hinweis auf die Befugnisse des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen nicht mit der gebotenen Strenge vorgenommen, während andererseits das Bundesaufsichtsamt unter Hinweis auf die zivilrechtliche Inhaltskontrolle nach dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen seine öffentlichrechtlichen Möglichkeiten nicht ausschöpfe.
3. Der Anspruch auf die Überschussbeteiligung sei als Eigentum grundrechtlich geschützt. Diese Position sei in einer Reihe gesetzlicher Regelungen verfestigt, namentlich in § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 38, § 56a, § 81c VAG und in § 165 Abs. 2, § 167 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Die gesetzlichen Regelungen böten indes dieser Position keinen hinreichenden Schutz. Die Geltung der handelsrechtlichen Bewertungsregeln auch für die Lebensversicherer sei verfassungswidrig. Sie ermögliche es den Vorständen der Versicherungsunternehmen, die in der Versicherungsprämie enthaltenen Sparanteile im Rahmen einer weiten Entscheidungsfreiheit abzuschreiben und dadurch über sie zu verfügen. Die dies ermöglichenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 56 VAG a.F., verstießen gegen Art. 14 Abs. 1 GG.
Den Versicherungsnehmern sei auf Grund fehlender Auskunfts- und Kontrollrechte die verfahrensmäßige Durchsetzung ihres Eigentumsrechts nicht gewährleistet. Die grundrechtliche Garantie des Art. 14 Abs. 1 GG, die auch die effektive Durchsetzung der auf der Grundlage eines Vertrags entstandenen Rechte schütze, reiche weiter als der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG.
IV.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Bundesregierung durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (jetzt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin), die Beteiligte als Rechtsnachfolgerin des Beklagten des Ausgangsverfahrens, der Bund der Versicherten sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft geäußert.
1. Die Bundesregierung sieht die Probleme des Falles außerhalb des Versicherungsaufsichtsrechts. Die handelsrechtlichen Vorschriften, die auf den Jahresabschluss von Lebensversicherungsgesellschaften anzuwenden seien und auf die das Versicherungsaufsichtsgesetz verweise, legten fest, dass und wie Versicherer einen Jahresabschluss aufzustellen hätten. Das Versicherungsaufsichtsgesetz habe darüber hinaus in § 56 Abs. 1 VAG a.F. lediglich einen Verweis enthalten, durch den bestimmte Bewertungsvorschriften für anwendbar erklärt worden seien. Die Einbeziehung der Versicherungsprämien in den Jahresabschluss richte sich nicht nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz, sondern danach, wie die entsprechenden Versicherungsverträge abgeschlossen worden seien und sich beim Unternehmen wirtschaftlich auswirkten.
In einer weiteren Stellungnahme hat die Bundesregierung unter Rückgriff auf die fachlichen Ausführungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Hinblick auf die vorliegend betroffenen Altbestände dargelegt, wie das Bundesaufsichtsamt die Einhaltung der von ihm genehmigten Geschäftspläne in der Praxis sichergestellt habe. So sei eine Plausibilitätsprüfung, die bereits eine große Zahl möglicher Fehlerquellen erfasse, bei der Auswertung der Jahresabschlussunterlagen der Versicherungsunternehmen durchgeführt worden. Außerdem würden unter anderem Beschwerden von Versicherungsnehmern und gerichtliche Anfragen in Gestalt von Beweisbeschlüssen zum Anlass genommen, die Überschussberechnung im Einzelfall im Rahmen von örtlichen Prüfungen zu kontrollieren. Seien dabei Mängel festgestellt worden, sei dies gegenüber den Unternehmen beanstandet und Abhilfe verlangt worden. Es sei kein Fall bekannt, in dem ein betroffenes Unternehmen die Abmahnung der Aufsichtsbehörde nicht befolgt habe. Auch die Übereinstimmung der Überschussberechnung mit anderen vorgelegten Unterlagen sei von der Aufsichtsbehörde sichergestellt worden. Zu diesen anderen Unterlagen gehörten insbesondere die von den Lebensversicherungsunternehmen jährlich vorgelegten Geschäftsberichte, in denen die Vorstände unter anderem die Sätze zur Überschussbeteiligung deklarierten. Auch diese Deklarationen seien von der Aufsichtsbehörde überprüft worden. Gegenstand der Prüfung sei die Angemessenheit der Überschussbeteiligung der Gesamtheit der Versicherungsnehmer gewesen.
Eine Berücksichtigung von stillen Reserven bei der Überschussbeteiligung stände im Widerspruch zu den handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen, die eine Berücksichtigung nur bei Realisierung der Vermögenswerte, etwa durch Veräußerung, vorsehen würden. Zudem wäre es auf Grund der Möglichkeit der Aufzehrung der stillen Reserven nicht sachgerecht, sie bei der Überschussbeteiligung zu berücksichtigen. Die Folgen könnten erhebliche Finanzierungsprobleme für die Versicherungsunternehmen sein. Gerade die Entwicklung der letzten Jahre habe gezeigt, dass stille Reserven zum Beispiel bei fallenden Aktienkursen häufig keinen Bestand hätten und sich sogar in stille Lasten verwandeln könnten. Eine Berücksichtigung von stillen Reserven bei der Überschussbeteiligung würde daher die finanzielle Stabilität der Versicherungsunternehmen und somit auch die Belange der Versicherten stark gefährden.
2. Die Beteiligte stellt die Beschwer der Beschwerdeführer unter Hinweis auf deren vorwiegend „politische” Argumentation in Frage und verneint eine Grundrechtsverletzung. Eine Störung der Vertragsparität infolge einer Fremdbestimmung durch einen übermächtigen Vertragspartner liege nicht vor. Die Lebensversicherung sei in ein dichtes Geflecht aufsichtsrechtlicher und handelsrechtlicher Normen eingebunden, das etwaige Probleme struktureller Ungleichheit kompensiere. Das Transparenzgebot werde ebenfalls nicht verletzt. Der Versicherer könne die Überschussleistung auf Grund seiner Einbindung in Rechtsvorschriften nicht einseitig festlegen. Einer weitergehenden Kontrolle durch den Versicherungsnehmer bedürfe es nicht. Auch sei es den Versicherern nicht möglich, die Grundlagen der Überschussermittlung eingehender darzulegen als dies bereits geschehe.
Die von den Beschwerdeführern gerügte Einbeziehung der Versicherer in die für Produktions- und Dienstleistungsunternehmen geltenden Bilanzierungsvorschriften anstelle der Regelung für Kapitalanlagegesellschaften verletze Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Das Lebensversicherungsgeschäft sei in seiner Gesamtheit ein Risikogeschäft und unterscheide sich dadurch vom Kapitalanlagegeschäft. Die Überschussbeteiligung sei kein Eigentum im Sinne dieses Grundrechts. Der Versicherungsnehmer erhalte keinen der Höhe nach garantierten Anspruch; hinsichtlich der Überschussbeteiligung handele es sich um eine bloße Gewinnchance. Erst mit der Zuteilung von Überschussanteilen an die Versicherten entstehe eine geschützte Eigentumsposition. Jedenfalls seien die Grundrechte der Versicherungsnehmer hinreichend geschützt; würde der Schutz ausgedehnt, könnten die Versicherer ihren Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß nachkommen.
3. Nach Auffassung des Bundes der Versicherten hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung der Grundrechte für den entschiedenen Fall verkannt. Indem er weder § 315 BGB noch § 9 AGB-Gesetz a.F. anwende, verfehle er im Ansatz die Bewältigung des Interessenkonflikts zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Die Begrenzung der Anwendung von § 315 BGB auf vertraglich vereinbarte Leistungsrechte bringe die Gefahr der Fremdbestimmung und damit einer Einschränkung der Privatautonomie mit sich. Durch die von ihm vorgenommene Auslegung des § 9 AGB-Gesetz a.F. verletze der Bundesgerichtshof das in der Privatautonomie verankerte Transparenzgebot. Art. 14 Abs. 1 GG fordere, dass die in der Versicherungsprämie enthaltenen Sicherheitszuschläge vollständig an die Versicherungsnehmer zurückfließen, wenn sich die Risiken nicht verwirklichten. Auch würden Versicherungsnehmer im Vergleich mit den Vertragspartnern anderer Kapitalanlageverträge unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ungleich behandelt.
4. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft tritt dem Rechtsstandpunkt des beteiligten Versicherungsunternehmens bei. Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Der gebotene Mindestschutz der Versicherungsnehmer werde durch das geltende Recht, namentlich durch die §§ 56a, 81c VAG, gewährleistet. Das besondere Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers fordere keine weitergehende Regelung der Überschussbeteiligung. Ein strukturelles Übergewicht der Versicherer sei mit Rücksicht auf die Vorschriften des Aufsichtsrechts und auch mangels einer für den Versicherungsnehmer bestehenden Drucksituation nicht gegeben. Dem stehe jedenfalls seit der Deregulierung im Jahr 1994 nicht zuletzt der Wettbewerb in der Versicherungswirtschaft entgegen. § 10a VAG sichere zudem nunmehr eine größere Transparenz auf dem Versicherungsmarkt. Eine Pflicht zur Optimierung der Versichertenbelange bestehe nicht. Andernfalls würde die Unternehmensfreiheit in ihrem Kern getroffen. Ein Anspruch auf weitergehende Überschussbeteiligung sei aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht abzuleiten.
V.
In der mündlichen Verhandlung haben sich geäußert: die Beschwerdeführer, die Bundesregierung, die Beteiligte, der Bund der Versicherten, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, die Deutsche Aktuarvereinigung, als Sachverständige die Professoren Dr. Altenburger, Dr. Meyer, Dr. Rückle und Dr. von der Schulenburg sowie als sachverständige Auskunftsperson der Versicherungsombudsman Professor Römer.
Zudem haben die Sachverständigen Gutachten zu einem die mündliche Verhandlung vorbereitenden Fragenkatalog erstattet. Die übrigen Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Dabei haben die Sachverständigen auch die vielfältigen rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen im Bereich der Versicherungswirtschaft beschrieben, die seit Einleitung des vorliegenden Verfahrens erfolgt sind. Ferner haben sie auf mögliche weitere Veränderungen verwiesen, die zur Zeit diskutiert würden oder sich schon im Stadium der Umsetzung befänden (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96).
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
I.
Der nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde eingetretene Tod des Klägers steht einer Sachentscheidung nicht entgegen; die Erben sind wirksam in das Verfahren eingetreten. Stirbt ein Beschwerdeführer, so können seine Erben die Verfassungsbeschwerde jedenfalls dann fortführen, wenn es sich um die Durchsetzung finanzieller Ansprüche handelt (vgl. BVerfGE 17, 86 ≪90 f.≫; 88, 366 ≪374≫; 111, 191 ≪211≫). Diese Voraussetzung erfüllen auch der auf § 315 Abs. 3 BGB gestützte unbezifferte Zahlungsanspruch und ebenso der hilfsweise gestellte Auskunftsanspruch, der im Rahmen einer Stufenklage zur Vorbereitung eines noch zu beziffernden Zahlungsanspruchs geltend gemacht worden ist. Ziel sämtlicher Anträge war die Durchsetzung eines finanziellen Anspruchs.
II.
Die durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen bewirkte Beschwer dauert an. Auch ist das Interesse an einer grundsätzlichen Klärung der Probleme, die in dem als Musterprozess durchgeführten Ausgangsverfahren aufgeworfen wurden, durch die seit der Auszahlung der Versicherungssumme im Jahr 1989 erfolgten verschiedentlichen Rechtsänderungen nicht entfallen. Allerdings sind sowohl die von den Beschwerdeführern angegriffenen handelsrechtlichen Bewertungsregeln als auch die im Versicherungsaufsichtsrecht enthaltenen Vorschriften zur Berücksichtigung stiller Reserven und zu den Begrenzungen der so genannten Querverrechnung zwischenzeitlich dergestalt verändert worden, dass Teilaspekten der von den Beschwerdeführern geäußerten Kritik Rechnung getragen wird. Die Beschwer ist dadurch jedoch in ihrem Grundanliegen nicht berührt worden. Diese sehen die Beschwerdeführer in den für die Versicherten nicht transparenten und von ihnen nicht zu beeinflussenden, sie aber möglicherweise benachteiligenden Dispositionen der Versicherungsunternehmen über Bewertungen und Kostenverrechnungen und in der darauf aufbauenden Überschussberechnung. Die Dispositionen führen aus der Sicht der Beschwerdeführer zur Nichtberücksichtigung eines Teils der durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte bei der Überschussbildung und damit zu einer ungerechtfertigten Verminderung des – im vorliegenden Verfahren allein betroffenen – Schlussüberschusses. Auch gebe es keine Möglichkeit zur Überprüfung der Vorgehensweise des Versicherers. Diese Problematik hat dadurch an Bedeutung gewonnen, dass seit der Deregulierung des Versicherungsrechts im Jahr 1994 die frühere geschäftsplanmäßige Erklärung als Inhalt des Geschäftsplans (zu ihm vgl. jetzt § 5 Abs. 2 und 3 VAG) entfallen ist, so dass auch eine Genehmigung der dort seinerzeit enthaltenen Regelungen durch die Aufsichtsbehörde ausscheidet.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet.
Die gesetzlichen Regelungen einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung genügen – und genügten im Jahr 1989, zur Zeit der Beendigung des hier maßgeblichen Versicherungsverhältnisses – nicht den grundrechtlichen Schutzanforderungen, die sich aus der in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie und der Garantie des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG ergeben. Es fehlen hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür, dass bei der Berechnung des bei Vertragsende zu zahlenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die bei den Versicherungsunternehmen mit den gezahlten Versicherungsprämien gebildet worden sind. Dies gilt insbesondere, soweit geltend gemacht wird, die Grundrechte seien dadurch verletzt, dass es für die Beschwerdeführer keine Möglichkeit der Klärung gebe, ob der Schlussüberschuss insbesondere durch die Nichtberücksichtigung stiller Reserven und durch nicht gerechtfertigte Querverrechnungen von Kosten mit positiven Ergebnissen – etwa bei der Risikoentwicklung oder den Kapitalanlagen – zu gering festgesetzt worden ist.
I.
Die in Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG enthaltenen objektivrechtlichen Schutzaufträge verpflichten den Gesetzgeber, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Versicherten einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung an den durch die Prämienzahlung geschaffenen Vermögenswerten bei der Ermittlung des Schlussüberschusses angemessen beteiligt werden. Dieser Pflicht ist der Gesetzgeber nicht in hinreichender Weise nachgekommen.
1. a) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben. Die eigenbestimmte Gestaltung von Rechtsverhältnissen ist ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. BVerfGE 8, 274 ≪328≫; 72, 155 ≪170≫; stRspr), die ihre Grenzen allerdings in der Entfaltungsfreiheit anderer findet. Die Privatautonomie bedarf deshalb der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, insbesondere im Vertragsrecht.
Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind (vgl. BVerfGE 81, 242 ≪254 f.≫). Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner im Rahmen des Rechts selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen beim Vertragsschluss, während der Laufzeit des Vertrags und bei Vertragsende zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Freiheitsausübung und wechselseitige Bindung finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl. BVerfGE 103, 89 ≪100≫).
Ausnahmen hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, wenn auf Grund erheblich ungleicher Verhandlungspositionen der Vertragspartner einer von ihnen ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann. Dann ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen oder mehrere Vertragsteile die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (vgl. BVerfGE 89, 214 ≪232≫; 103, 89 ≪101≫). Gleiches gilt, wenn die Schwäche eines Vertragspartners durch gesetzliche Regelungen bedingt ist. Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatautonomie durch Art. 2 Abs. 1 GG kann dann zu einer Pflicht des Gesetzgebers führen, für eine rechtliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses der davon betroffenen Vertragsparteien zu sorgen, die ihren Belangen hinreichend Rechnung trägt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 1 a).
b) Bezieht sich das durch gesetzgeberisches Handeln auszugleichende Defizit privatautonomer Interessendurchsetzung auf eine Position, die objektivrechtlich auch vom Schutz der Eigentumsgarantie erfasst wird, folgt die gesetzgeberische Schutzpflicht zugleich aus Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 1 b).
2. a) Eine aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG folgende gesetzliche Schutzpflicht hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Blick auf den in § 14 Abs. 1 Satz 4 VAG vorgesehenen Ausschluss des § 415 BGB und damit den Wegfall des Erfordernisses einer Genehmigung des Schuldnerwechsels aus Anlass der Übertragung des Bestands von Verträgen der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung auf ein anderes Unternehmen bejaht. Diese Schutzpflicht fordert insbesondere Sicherungen dafür, dass die durch Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer beim Versicherer geschaffenen Vermögenswerte als Quellen für die Erwirtschaftung von Überschüssen erhalten bleiben und den Versicherten im Fall von Bestandsübertragungen in gleichem Umfang zugute kommen wie ohne Austausch des Schuldners (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 1 und 2).
b) In gleicher Weise ist der Gesetzgeber im Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung verpflichtet vorzusorgen, dass die durch die Prämienzahlungen im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungen des Versicherers geschaffenen Vermögenswerte als Grundlage einer Schlussüberschussbeteiligung einsetzbar sind, soweit sie nicht durch vertragsgemäße Dispositionen, etwa für die Verrechnung mit Abschluss- und laufenden Verwaltungskosten und die Erbringung der vereinbarten Versicherungsleistungen, verbraucht worden sind.
Der objektivrechtliche Schutz aus Art. 14 Abs. 1 GG erstreckt sich auf die Sicherung des zunächst nur dem Grunde nach bestehenden, während der Laufzeit des Vertrags zu konkretisierenden und zu realisierenden Anspruchs auf Überschussbeteiligung (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 1 b aa ≪2≫). Dazu gehören die Berücksichtigung der beim Versicherer geschaffenen Vermögenswerte als Quellen für die Erwirtschaftung und darauf aufbauend die Berechnung von Überschüssen. Die Schutzpflicht folgt ergänzend aus Art. 2 Abs. 1 GG, da die Versicherungsnehmer nicht über effektive Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer rechtlich geschützten Interessen im Rahmen privatautonomer Entscheidungen verfügen.
aa) Die Effektivität des Grundrechtsschutzes fordert Maßstäbe und Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung daraufhin, ob die maßgebenden Vermögenswerte bei der Berechnung des Schlussüberschusses angemessen berücksichtigt worden sind. Das Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit (vgl. BVerfGE 83, 130 ≪145≫; 86, 288 ≪311≫; 108, 52 ≪75≫; 110, 33 ≪57≫) ist auch bei der Erfüllung von Schutzaufträgen zu beachten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 3 a). Dafür hat der Gesetzgeber hinreichend klare Maßstäbe bereitzustellen. Die Bestimmtheit der Norm soll unter anderem vor Rechtsverletzungen schützen, sei es durch den Staat selbst oder – soweit die Norm die Rechtsverhältnisse der Bürger untereinander regelt – auch durch diese. Dieser Aspekt ist besonders wichtig, soweit Bürger an einer sie betreffenden Entscheidung nicht beteiligt sind, so dass sie ihre Interessen nicht selbst verfolgen können. Schließlich dienen die Normenbestimmtheit und die Normenklarheit dazu, die Gerichte in die Lage zu versetzen, getroffene Maßnahmen anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren.
bb) Die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Normen verlangen auch Vorgaben dafür, ob und wie weit stille Reserven bei der Berechnung des Rohüberschusses zu berücksichtigen sind und Querverrechnungen den Schlussüberschuss verringern dürfen. Die Versicherten haben nach dem vorliegend maßgebenden Recht keine hinreichende Möglichkeit, ihre entsprechenden Belange durch eigenes Handeln und darauf bezogenen gerichtlichen Rechtsschutz effektiv zu verfolgen. Die zum Ausgleich geschaffenen Vorkehrungen des Versicherungsaufsichtsrechts reichen zur Erfüllung des gesetzlichen Schutzauftrags nicht.
cc) Hinreichend bestimmte Normen sind zum Schutz der Versicherten unabdingbar, soweit diese ihre rechtlich erheblichen Belange nicht selbst und eigenständig effektiv verfolgen können. So liegt es im Rahmen der kapitalbildenden Lebensversicherung bei der Überschussermittlung. Es fehlen insbesondere Vorkehrungen dafür, dass stille Reserven bei Vermögenswerten, die mit Hilfe der Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer gebildet worden sind, bei der Berechnung des Rohüberschusses berücksichtigt und dass Querverrechnungen von Kosten, soweit sie den Schlussüberschuss verringern, begrenzt werden.
(1) Das Verhältnis zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmern ist wie jede vertragliche Beziehung von dem Grundsatz privatautonomer Interessenverfolgung gekennzeichnet. Ein gemischter Lebensversicherungsvertrag – um den es sich vorliegend handelt – dient einerseits dem Schutz vor dem Risiko frühen Ablebens und damit der Sicherung des Unterhalts von Hinterbliebenen (Todesfallversicherung). Hinzu ist in der jüngeren Zeit, nicht zuletzt angesichts der Entwicklungen in der gesetzlichen Alterssicherung, verstärkt das Ziel getreten, bei Ablauf der vereinbarten Versicherungsvertragszeit insbesondere zum Zweck der Vorsorge für das Alter die vereinbarte Versicherungssumme und die in Aussicht gestellte Überschussbeteiligung zu erhalten (Erlebensfallversicherung).
Die Versicherungsnehmer übertragen den Versicherungsunternehmen durch ihre Prämienzahlungen Vermögen, das vollständig in das unternehmerische Eigentum übergeht. Es entspricht den Grundannahmen einer privatwirtschaftlichen Versicherungsordnung, dass die Versicherungsunternehmen ihre Geschäftspolitik selbst gestalten und damit in unternehmerischer Eigenverantwortung über den wirtschaftlichen Erfolg entscheiden. Die Rechtsordnung, insbesondere das öffentlich-rechtliche Versicherungsaufsichtsrecht, begrenzt zwar die Dispositionsmöglichkeiten der Versicherungsunternehmen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens und zum Schutz der Belange der Versicherten insgesamt, lässt aber den Grundsatz unternehmerischer Eigenverantwortung der Versicherungsunternehmen unberührt.
Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sind die Versicherungsunternehmen in der Anlage der Vermögenswerte grundsätzlich frei. Hinsichtlich der Bilanzierung haben sie allerdings die handelsrechtlichen Bewertungsregeln über Vermögensanlagen, etwa von Wertpapieren und Immobilien, zu beachten (siehe oben A I a.E.). Diese Regeln erlauben die Schaffung so genannter stiller Reserven. Solche Reserven bestehen auf der Aktivseite in der Differenz zwischen dem Buchwert und dem Zeitwert. Dazu kann es kommen, wenn Abschreibungen unter den Zeitwert vorgenommen worden sind oder wenn Wertsteigerungen buchmäßig nicht oder nicht in vollem Umfang in der Bilanz dargestellt werden. Möglich sind auch stille Reserven auf der Passivseite – die so genannten stillen Lasten –, wenn Vermögenswerte in der Bilanz höher bewertet sind als dies ihrem Zeitwert entspricht.
Die Bewertungsregeln sind seit Ablauf des hier betroffenen Vertrags verschiedentlich geändert und die Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven sind verringert worden (vgl. statt vieler Schwintowski/Ebers, ZVersWiss 2002, S. 393). Nach wie vor schließt aber das gegenwärtige Bewertungsrecht die Bildung stiller Reserven auch mit Folgen für die Überschussberechnung nicht aus. Stille Reserven bleiben vollständig außer Ansatz, soweit sie nicht realisiert werden, etwa durch Veräußerung einer Immobilie oder bei Ablauf der Zeitdauer einer Kapitalanlage. Eine Hinwendung zu dem im angloamerikanischen Bereich üblichen Bewertungsprinzip des „fair value”, das an den Zeitwert anschließt, entspricht zwar einer insbesondere europarechtlichen Anstößen folgenden Tendenz, hat bisher aber nicht Eingang in das deutsche Versicherungsrecht gefunden (siehe aber Perlet, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis ≪BFuP≫ 2003, S. 441; Rockel/Sauer, Die Wirtschaftsprüfung 2003, S. 1108) und betrifft vor allem nicht die Behandlung der Altbestände an Lebensversicherungsverträgen.
Die Versicherten haben weiterhin keine Möglichkeit, die Einbeziehung nicht realisierter stiller Reserven in die Überschussberechnung insoweit zu bewirken, als die Vermögenswerte auf den von ihnen erbrachten Prämienzahlungen beruhen. Die Berücksichtigung der stillen Reserven wird vielmehr pauschal unter Verweis auf das so genannte Realisationsprinzip des handelsrechtlichen Bewertungsrechts verneint. Eine auf die Besonderheiten des Lebensversicherungsrechts ausgerichtete, abwägende Prüfung, wie weit die Ausklammerung stiller Reserven bei der Berechnung des Schlussüberschusses im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten von den einzelnen Versicherungsnehmern hinzunehmen ist oder wie weit darin eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung Einzelner liegt, findet nicht statt.
Die Überschussbildung und damit die Überschussbeteiligung können auch durch so genannte Querverrechnungen berührt werden, ohne dass die Versicherten darauf Einfluss nehmen können. Gemeint ist insbesondere die Verrechnung der durch die Prämienkalkulation nicht gedeckten Kosten mit Überschüssen, die etwa auf Grund günstigerer Risiko- oder Kapitalergebnisse entstehen. Erfolgen Querverrechnungen, gehen derartige Ergebnisse in die Ermittlung der Überschüsse nicht ein. Der Gesetzgeber hat der Möglichkeit der Querverrechnung durch das Aufsichtsrecht zwar Grenzen gesetzt – so in § 81c VAG, für Altbestände in dessen Absatz 2. Ausgeschlossen sind Querverrechnungen dennoch nicht (vgl. Brömmelmeyer, Der Verantwortliche Aktuar in der Lebensversicherung, 2000, S. 203 f.).
(2) Im Hinblick auf den Umgang mit Bewertungsreserven bei der Überschussberechnung und auf die Art und Weise von Querverrechnungen fehlen den Versicherungsnehmern praktisch realisierbare Möglichkeiten, selbst und eigenständig auf Änderungen der Praxis zu ihren Gunsten hinzuwirken.
Die Vertragsbedingungen der Lebensversicherer sind auch heute praktisch nicht verhandelbar. Für den Versicherungs-Altbestand, mithin auch für den vorliegend maßgeblichen Vertrag, waren die Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 VAG a.F. als Teil des Geschäftsplans maßgebend und lagen demzufolge der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb zu Grunde. Ihre Mindestinhalte waren in § 10 VAG a.F. geregelt; eine Änderung bedurfte gemäß § 13 VAG a.F. der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gab es teilweise Sonderregelungen gemäß §§ 39, 41 VAG a.F.
Nach der im vorliegenden Fall maßgebenden Satzung des Versicherungsvereins sowie den anzuwendenden Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung (siehe oben A I 2) gebührte der Überschuss vollständig den Mitgliedern des Vereins. In den vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen veröffentlichten, von den Versicherungsunternehmen grundsätzlich übernommenen Mustergeschäftsplänen für die Überschussbeteiligung war vorgesehen, dass die Versicherungsnehmer zu mindestens 90 % am Rohüberschuss zu beteiligen waren. Zu ermitteln war der Rohüberschuss auf der Grundlage der Gewinn- und Verlustrechnung. Einzelheiten der Überschussbildung und das Verfahren der Überschussbeteiligung waren jedoch nicht näher geregelt und den Versicherungsnehmern auch nicht bekannt. Insbesondere hatten und haben sie keine effektiven Möglichkeiten, entsprechende Informationen, etwa als Folge des Wettbewerbs der Versicherungsunternehmen untereinander, zu erhalten und beispielsweise darauf hinzuwirken, dass der Überschussbildung alle Vermögenswerte zu Grunde gelegt werden, die über die Prämienerhebung geschaffen worden sind.
Der Wettbewerb um das Produkt „Lebensversicherung” funktioniert für die Versicherten nur in beschränkter Weise. Zwar können die Versicherungsnehmer beim Vertragsschluss die Prämien und die in Aussicht gestellten Leistungen verschiedener Versicherer vergleichen und danach ihre Auswahlentscheidung treffen. Nach Vertragsschluss aber sind ihre Möglichkeiten, auf das Vertragsverhältnis Einfluss zu nehmen, sehr begrenzt. Hingewiesen wird in der Literatur insbesondere auf intransparente Leistungsbeschreibungen verbunden mit unbestimmten, variablen Leistungsinhalten, die Errichtung von indirekt wirkenden Kündigungssperren durch Leistungsverminderung bei vorzeitigem Vertragsende sowie auf die Bestimmung der vertragsgemäß geschuldeten Leistung durch Bezugnahme auf bilanzrechtliche Vorschriften, deren leistungsvermindernde Wirkungen für die Versicherten nicht erkennbar seien (so zusammenfassend Schwintowski, VuR 1998, S. 219 sowie S. 229).
Insbesondere ist es für die Versicherungsnehmer keine wirtschaftlich sinnvolle Option, einen nicht als günstig erkannten Vertrag zu kündigen und den Versicherer zu wechseln. Die Kündigung ist regelmäßig mit erheblichen Nachteilen verbunden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 1 a bb ≪2≫). Da der Gesetzgeber auch keine gegenteiligen Regelungen – etwa in Bezug auf ein Recht des Versicherten zum Wechsel unter weitgehendem Erhalt der schon vertraglich gesicherten Position – geschaffen hat, könnte ein Austausch des Versicherers nur in Form des Abschlusses eines neuen Lebensversicherungsvertrags stattfinden, also verbunden mit neuen Abschlusskosten, einem wegen nunmehr höheren Alters des Versicherten höheren Risikofaktors und überdies mit dem Nachteil einer kürzeren Anspardauer in dem Vertragsverhältnis mit entsprechend verringerter Überschussbeteiligung. Vor allem hat der Versicherungsnehmer praktisch keine Chance, einen Versicherungsvertrag mit Überschussbeteiligung so abzuschließen, dass die stillen Reserven jedenfalls teilweise auch ohne Realisierung berücksichtigt und Möglichkeiten der Querverrechnung transparent gemacht und inhaltlich begrenzt werden.
3. Angesichts der fehlenden Möglichkeiten der Versicherungsnehmer, ihre Belange zum Schutz der auch von der Eigentumsgarantie umfassten rechtlichen Positionen selbst und eigenständig effektiv zu verfolgen, trifft den Gesetzgeber ein Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Diesem Auftrag ist er nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, rechtliche Maßstäbe vorzugeben und deren Prüfung im Interesse der Versicherungsnehmer dahingehend zu ermöglichen, ob die mit den Versicherungsprämien des jeweiligen Versicherungsnehmers bei dem Versicherer geschaffenen Vermögenswerte in einer einen gerechten Interessenausgleich ermöglichenden Weise der Ermittlung des Schlussüberschusses zu Grunde gelegt werden. Der Gesetzgeber hat weder im Versicherungsvertragsrecht noch im Versicherungsaufsichtsrecht für hinreichende Schutzvorkehrungen gesorgt. Diese – jeweils teilweise unterschiedliche Ziele verfolgenden – Teilrechtsordnungen belassen ein Schutzdefizit zu Lasten der Versicherten hinsichtlich der anzuwendenden Maßstäbe und der Verfahren der Interessendurchsetzung. Sie verweisen bei entscheidenden Weichenstellungen auf die jeweils andere Rechtsordnung, ohne dass dort für die erforderliche Berücksichtigung der Interessen der Versicherten gesorgt ist.
a) Durch zivilrechtlichen Rechtsschutz im Rahmen des Versicherungsvertragsrechts sind die Interessen der einzelnen Versicherten nicht wirkungsvoll gewahrt.
Dies zeigen die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen der Zivilgerichte. Die Gerichte konnten dem Vertragsrecht allgemein und dem Versicherungsvertragsrecht im Besonderen sowie den darauf bezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Regelungen entnehmen, die als Grundlage eines Anspruchs der Beschwerdeführer auf Auskunft über mögliche, aus dem Risiko- und Sparanteil der gezahlten Lebensversicherungsprämien erzielte Überschüsse und Erträge hätten dienen können. Auch verneinten sie darauf bezogene Zahlungsansprüche. Eine Verletzung zivilrechtlicher Normen oder ein Verstoß insbesondere gegen § 9 AGB-Gesetz a.F. ließ sich nicht feststellen, und zwar wesentlich mit Rücksicht auf die von dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen ausgesprochene Genehmigung des Geschäftsplans und auf Grund der staatsaufsichtlichen Bestätigung, dass die Überschüsse geschäftsplanmäßig berechnet worden seien.
Dabei betont insbesondere der Bundesgerichtshof ausdrücklich, dass der Geschäftsplan ebenso wie die geschäftsplanmäßige Erklärung auf öffentlichem Recht beruhe und das bürgerlichrechtliche Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsunternehmen und den einzelnen Versicherten vorliegend nicht berühre und deshalb auch nicht Gegenstand des zivilgerichtlichen Verfahrens sei (vgl. BGHZ 128, 54 ≪62 f.≫). Zivilrechtlich habe der Versicherte nur einen Anspruch auf den Rohüberschuss, der sich aus den Rechnungsabschlüssen und den Jahresberichten des Versicherers ergebe. Das Zivilrecht regele jedenfalls nicht die Feststellung des Überschusses selbst, sondern allenfalls dessen Verteilung an die Versicherten. Ob insoweit eine Regelungslücke bestehe, könne jedenfalls nicht im Rahmen einer Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen am Maßstab des § 9 AGB-Gesetz a.F. geklärt werden. Denn die in § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz a.F. vorgesehene Sanktion, eine Bestimmung für unwirksam zu erklären, könne das Problem nicht bewältigen. Im Übrigen sei das Fehlen von Regelungen über die Feststellung des Überschusses nicht als eine Benachteiligung anzusehen, die den Vertragszweck gefährde; denn an einem willkürlichen Handeln werde der Versicherer schon durch die gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben gehindert (vgl. BGHZ 128, 54 ≪64 ff.≫).
Die sich aus den Grundrechten ergebenden Schutzanforderungen werden nicht erfüllt, wenn die zur Verwirklichung des Schutzes erforderlichen Maßstäbe in der Rechtsordnung fehlen. So liegt es im Hinblick auf das Versicherungsvertragsrecht, das sich – jedenfalls in der Auslegung durch den Bundesgerichtshof – bei der Frage der Überschussbildung und Überschussbeteiligung zurückhält und insoweit auf die Maßgeblichkeit des öffentlichen Rechts verweist. Wie der Bundesgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung feststellt (vgl. BGHZ 128, 54 ≪60 f.≫), ist der hier maßgebende Begriff des Überschusses rechtlich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht definiert. Die Versicherungsbedingungen verweisen auf ein dem Versicherungsnehmer im Allgemeinen wegen des Geheimhaltungsbedürfnisses des Versicherers nicht zugängliches und im zivilgerichtlichen Verfahren ungeprüft hinzunehmendes Regelwerk, hier den Geschäftsplan.
b) Auch das Versicherungsaufsichtsrecht, auf dessen Kontrollmöglichkeiten die Zivilgerichte verweisen, wird dem objektivrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht gerecht.
Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Stellungnahme zwar auf Möglichkeiten der Versicherungsaufsicht zur Überprüfung des Geschäftsgebarens der Versicherungsunternehmen unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben bei der Überschussberechnung verwiesen (siehe oben A IV 1). Dabei hat sie aber auch dargelegt, dass die Behörde sich auf Plausibilitätsprüfungen beschränkt, soweit nicht aus Anlass von Beschwerden einzelner Versicherungsnehmer oder von Anfragen und Beweisbeschlüssen seitens der Gerichte Anlässe geschaffen werden, die Überschussberechnung im Einzelfall im Rahmen von örtlichen Prüfungen zu kontrollieren. An den Kontakten und Beziehungen zwischen der Versicherungsaufsicht und dem Versicherungsunternehmen ist der Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht beteiligt. Auskunfts- oder sonstige Mitwirkungsrechte hat er nicht. Ob für den Versicherungsnehmer ein Anlass für eine formlose Beschwerde über das Verhalten seines Versicherungsunternehmens besteht, kann er mangels Kenntnis von Einzelheiten regelmäßig nicht beurteilen. Ein Einblick in den Geschäftsplan und die Berechnungsgrundlagen für die jährliche geschäftsplanmäßige Erklärung ist für die Versicherungsnehmer ebenso wenig vorgesehen wie eine Information darüber, wie der Versicherer mit den durch Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerten konkret umgegangen ist.
Das Versicherungsaufsichtsrecht trägt durch seine nicht auf die Belange der einzelnen Versicherten und deren Mitwirkung am Verfahren ausgerichteten Regelungen nicht nur dem Umstand Rechnung, dass die Zahl der Versicherungsnehmer regelmäßig sehr hoch ist und damit eine Verfahrensbeteiligung zu erheblichen praktischen Folgen führen kann. In materiellrechtlicher Hinsicht wird vor allem berücksichtigt, dass der Versicherungsnehmer sich auf ein Risikogeschäft einlässt, bei dem der Versicherer Eigentümer des ihm überlassenen Vermögens wird und mit ihm grundsätzlich nach freier unternehmerischer Entscheidung umgehen kann. Als Gegengewicht zum Schutz der Interessen anderer Betroffener enthält das Versicherungsaufsichtsrecht begrenzende Regeln, darunter auch Spezialregeln für die Lebensversicherung (siehe etwa § 81c VAG) sowie Befugnisse der Missstandsaufsicht (§§ 81 ff. VAG).
Der dabei anzuwendende inhaltliche Maßstab besteht jedoch abgesehen von einzelnen Sondervorgaben in der generalklauselartigen Umschreibung der Aufgabe der Missstandsaufsicht in § 81 VAG. Zwar können im Rahmen dieser Missstandsaufsicht auch die individuellen Interessen von Versicherten bedeutsam werden. Der von der Aufsichtsbehörde anzulegende Maßstab ist jedoch nicht auf das einzelne Versicherungsvertragsverhältnis bezogen (zum Unterschied der Maßstäbe vgl. – auch unter Hinweis auf die historische Entwicklung – Barbey, VersR 1985, S. 101).
Dies führt für die Versicherten zu einer verfassungsrechtlich zu beanstandenden Lage. Während die zum Schutz der vertraglichen Positionen tätigen Zivilgerichte darauf verweisen und darauf vertrauen, dass die Versicherungsaufsicht Missstände beseitigt, stellen sie insoweit eine eigene Prüfung der hinreichenden Berücksichtigung der Belange der Versicherten aus versicherungsvertragsrechtlicher Sicht zurück. Das Versicherungsaufsichtsrecht ist andererseits nicht in positiver Weise auf die Wahrung der Belange der Versicherten ausgerichtet.
Die aufsichtliche Tätigkeit orientiert sich in verschiedenen Zusammenhängen jeweils an gleich formulierten Maßstäben, die sich an den Belangen der Versicherten in ihrer Gesamtheit und an der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens ausrichten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 2 b bb ≪1≫). Dementsprechend ging das Bundesaufsichtsamt bei der Genehmigung von Geschäftsplänen in Übereinstimmung mit den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäben davon aus, dass die Belange der Versicherten nur dann nicht ausreichend gewahrt sind, „wenn schutzwürdige Interessen der Versicherten beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Gesamtheit der beteiligten Interessen und der Besonderheiten des betreffenden Versicherungszweiges als unangemessen anzusehen ist und so schwer wiegt, dass ein Eingreifen der Behörde gerechtfertigt ist” (vgl. BVerwGE 82, 303 ≪305≫; 95, 25 ≪28≫). Auf diesen Maßstab hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zur derzeitigen Fassung des § 81 Abs. 1 Satz 2 VAG ebenfalls verwiesen (vgl. BTDrucks 12/6959, S. 82). Er schließt nicht aus, dass rechtlich schutzwürdige Belange des einzelnen Versicherten unberücksichtigt bleiben (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 2 b bb). Angewandt auf die Schlussüberschussermittlung sichert er den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Versicherten nicht hinreichend.
Dieser Maßstab widerspricht verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Versicherungsaufsicht allerdings dann nicht, wenn die Rechtsordnung auf andere Weise sichert, dass effektive Möglichkeiten zum Schutz rechtlich erheblicher Belange der Versicherten bestehen. Daran aber fehlt es im Hinblick auf die hier zu beurteilende Sicherung individueller Vermögensinteressen der Versicherten, insbesondere bei der Berechnung des bei Ende der kapitalbildenden Lebensversicherung zu zahlenden Schlussüberschusses. Es bestehen keine rechtlich gesicherten Möglichkeiten zu einer die Belange der einzelnen Versicherten einbeziehenden Überprüfung, ob eine angemessene Berücksichtigung der Vermögenswerte vorliegt, die bei dem Versicherungsunternehmen mit den gezahlten Versicherungsprämien gebildet worden sind. Aus der auf die Gesamtheit der Belange aller und die Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens insgesamt bezogenen Perspektive des Versicherungsaufsichtsrechts liegt es nahe, stille Reserven möglichst für zukünftige Zeiten zu erhalten; den Belangen einzelner Versicherter kann dies aber widersprechen. Eine Abwägung zwischen diesen verschiedenen Interessen sieht der im Versicherungsaufsichtsrecht gründende Maßstab nicht vor.
Wenn die Rechtsordnung daran festhält, dass der Versicherte auf die in die Überschussbildung eingehenden Faktoren und die darauf aufbauende Errechnung der Überschussbeteiligung keinen Einfluss nehmen und deren Rechtmäßigkeit nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, verlangt es die grundrechtliche Schutzpflicht, dass der Gesetzgeber Schutz auf andere Weise gewährt. Will er insofern weiterhin auf die Versicherungsaufsicht vertrauen, muss er dieser Maßstäbe zur Verfügung stellen, an denen die Rechtmäßigkeit der Überschussberechnung auch unter Berücksichtigung der individuellen Belange der Versicherten aufsichtsbehördlich überprüft werden kann. Dabei fordert das Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit vollzugsfähige normative Vorgaben, die dem Umstand Rechnung tragen, dass die Versicherungsnehmer an den sie betreffenden Maßnahmen nicht beteiligt sind, so dass sie ihre Interessen nicht selbst verfolgen können. Eine allgemein auf die Belange der Versicherten bezogene Generalklausel reicht für diese Prüfung ebenso wenig aus wie für die Klärung, ob Vermögenswerte aus Anlass einer Bestandsübertragung der Überschussbeteiligung entzogen worden sind (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96).
c) Allerdings ist der Gesetzgeber gehindert, die Feststellung des Schlussüberschusses ausschließlich am Interesse der oder eines einzelnen Versicherten oder gar an dem Interesse eines aus dem Versicherungsverhältnis Ausscheidenden an der Optimierung der an ihn auszukehrenden Leistungen auszurichten. Dies widerspräche dem für das Versicherungsrecht typischen Grundgedanken einer Risikogemeinschaft und damit des Ausgleichs der verschiedenen, weder im Zeitablauf noch hinsichtlich des Gegenstands stets identischen Interessen der Beteiligten. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gebietet es auch nicht, die Versicherten mit eigenen Verfahrensrechten an der Aufsicht zu beteiligen oder Möglichkeiten des verwaltungsprozessualen Individualrechtsschutzes zur Durchsetzung von aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen vorzusehen, sofern auf andere Weise für hinreichenden Schutz gesorgt ist.
II.
Die seit Ablauf des vorliegend maßgeblichen Vertrags erfolgten Neuregelungen haben die aufgezeigten Probleme noch nicht bewältigt. Der Gesetzgeber, der seiner vorstehend dargestellten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht bisher nicht nachgekommen ist, wird im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums Lösungen zur Beseitigung des Schutzdefizits bereitzustellen haben.
1. Dabei ist er nicht auf die bisherigen im Versicherungsaufsichts- und Versicherungsvertragsrecht vorgesehenen Instrumente beschränkt. Unter Nutzung der verschiedenen das Versicherungsrecht gestaltenden Teilrechtsordnungen stehen ihm unterschiedliche Wege offen. Angesichts der nicht zuletzt durch Richtlinien der Europäischen Union und den gestiegenen Wettbewerb zwischen in- und ausländischen Versicherungsunternehmen ausgelösten Anstöße zur Anpassung des deutschen Rechts an die rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen wird der Gesetzgeber insbesondere zu klären haben, ob die zukünftige Zuordnung der Rechtspositionen der verschiedenen Versicherten und der Versicherer im vorhandenen rechtlichen Rahmen oder im Zuge weiterer Veränderungen der rechtlichen Strukturen des Lebensversicherungsrechts und des mit ihm verknüpften Gesellschaftsrechts sowie des Bilanzrechts erfolgen soll. In die Prüfung können Möglichkeiten zur Sicherung größerer Transparenz hinsichtlich der Entwicklung von Überschussquellen und der Auskehrung von Überschüssen und zur Verbesserung des Informationszugangs für die Betroffenen ebenso einbezogen werden wie neue verfahrensmäßige Wege zum Schutz der betroffenen Belange. Auch kann die Funktionsweise des Wettbewerbs durch ergänzende Informationen, etwa über Abschluss- und Verwaltungskosten sowie über Möglichkeiten der Querverrechnung und sonstige Konditionen der weiteren Abwicklung des Versicherungsvertrags, verbessert werden. In die gleiche Richtung können erleichterte Möglichkeiten zum Wechsel des Versicherers unter weitgehendem Erhalt der schon angesparten Rechtsposition wirken – etwa in Anlehnung an die Regelungen in § 7 und § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 des Gesetzes über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz – AltZertG) vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1322). In Betracht kommen auch Regelungen über eine versicherungsspezifische Bilanzierung der Vermögenswerte unter detaillierter Offenlegung von Bewertungsreserven, die eine teilweise Berücksichtigung bei der Überschussbeteiligung ermöglichen, ohne dass stille Reserven realisiert werden müssten.
2. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2007 eine Regelung zu treffen, die den Anforderungen der Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gerecht wird. Dabei wird er auch zu prüfen haben, ob laufende Verträge in den Genuss der Neuregelung kommen können.
3. Bis zur Neuregelung bleibt es bei der gegenwärtigen Rechtslage. Da die angegriffenen Entscheidungen danach auf Recht beruhen, das weiter angewandt werden darf, haben sie Bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Papier, Die Richterin Jaeger ist aus dem Amt ausgeschieden und daher an der Unterschrift gehindert Papier, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 1396539 |
BVerfGE 2006, 73 |