Leitsatz (amtlich)
1. Der Deutsche Bundestag erfüllt seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit, durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder, nicht durch einzelne Abgeordnete, eine Gruppe von Abgeordneten oder die parlamentarische Mehrheit. Budgetrecht und haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages werden grundsätzlich durch Verhandlung und Beschlussfassung im Plenum wahrgenommen.
2. Das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Prinzip der repräsentativen Demokratie gewährleistet für jeden Abgeordneten nicht nur die Freiheit in der Ausübung seines Mandates, sondern auch die Gleichheit im Status als Vertreter des ganzen Volkes. Differenzierungen in Bezug auf den Abgeordnetenstatus bedürfen zu ihrer Rechtfertigung entsprechend den sich aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ergebenden Anforderungen eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann.
3. Soweit Abgeordnete durch Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung ausgeschlossen werden sollen, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.
Tenor
1. § 3 Absatz 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz – StabMechG) vom 22. Mai 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 627) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 9. Oktober 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 1992) verletzt die Antragsteller in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, soweit er nicht nur auf Ankäufe von Staatsanleihen Anwendung findet, die die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität am Sekundärmarkt tätigt.
2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Antragstellern ihre Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Der Organstreit betrifft die Rechtsstellung der Abgeordneten bei der Wahrnehmung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages im Rahmen des europäischen Stabilisierungsmechanismus.
I.
Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie sehen sich durch ein Bundesgesetz, das einem Gremium aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses die Wahrnehmung von Beteiligungs- und Unterrichtungsrechten des Deutschen Bundestages zuweist, in ihrem Abgeordnetenstatus gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
1. Als Reaktion auf die Staatsschuldenkrise in der Europäischen Währungsunion gewährten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsraums zunächst Griechenland koordinierte, bilaterale Finanzhilfen und schufen anschließend den sogenannten „Rettungsschirm”, in dessen Rahmen eine privatrechtlich organisierte Zweckgesellschaft, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), gegründet worden ist. Diese Zweckgesellschaft erhält Garantien von Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes, um die Mittel an den Kapitalmärkten aufzunehmen, die sie für überschuldete Mitgliedstaaten bereitstellt.
2. Mit dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz – StabMechG) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) schuf der Bundesgesetzgeber auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für die Leistung finanziellen Beistands durch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität.
Die Vorschriften des Stabilisierungsmechanismusgesetzes in dieser Fassung lauteten:
§ 1
Gewährleistungsermächtigung
(1) 1Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Kredite, die eine von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes gegründete oder beauftragte Zweckgesellschaft zur Finanzierung von Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes aufnimmt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 123 Milliarden Euro zu übernehmen, sofern diese Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaates erforderlich sind, um die Finanzstabilität in der Währungsunion sicherzustellen. 2Voraussetzung ist, dass der betroffene Mitgliedstaat mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank ein wirtschafts- und finanzpolitisches Programm vereinbart hat und dass dies von den Staaten des Euro-Währungsgebietes einvernehmlich gebilligt wird. 3Die Gefährdung der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes ist zuvor durch die Staaten des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank einvernehmlich festzustellen. 4Gewährleistungen nach Satz 1 können nur bis zum 30. Juni 2013 übernommen werden.
(2) Die Übernahme von Gewährleistungen nach Absatz 1 setzt voraus, dass die Staaten des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates und unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank und im Benehmen mit dem Internationalen Währungsfonds einvernehmlich übereinkommen, dass Notmaßnahmen nach der Verordnung des Rates der EU zur Errichtung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus nicht oder nicht in vollem Umfang ausreichen, um die Gefährdung der Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes abzuwenden.
(3) 1Eine Gewährleistung ist auf den Höchstbetrag dieser Ermächtigung in der Höhe anzurechnen, in der der Bund daraus in Anspruch genommen werden kann. 2Zinsen und Kosten sind auf den Ermächtigungsrahmen nicht anzurechnen.
(4) 1Vor Übernahme von Gewährleistungen nach Absatz 1 bemüht sich die Bundesregierung, Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages herzustellen. 2Der Haushaltsausschuss hat das Recht zur Stellungnahme. ³Sofern aus zwingenden Gründen eine Gewährleistung bereits vor Herstellung eines Einvernehmens übernommen werden muss, ist der Haushaltsausschuss unverzüglich nachträglich zu unterrichten; die Unabweisbarkeit der Übernahme der Gewährleistung vor Herstellung des Einvernehmens ist eingehend zu begründen. 4Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist darüber hinaus vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung zu unterrichten.
(5) Vor Übernahme von Gewährleistungen durch das Bundesministerium der Finanzen muss dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Vertrag über die Zweckgesellschaft vorgelegt werden.
(6) Der Gewährleistungsrahmen nach Absatz 1 kann unter den Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages um bis zu 20 Prozent der in Absatz 1 genannten Summe überschritten werden.
§ 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2011 – 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10 –, NJW 2011, S. 2946 ff., verwiesen.
3. Die fortdauernd angespannte Situation auf den Finanzmärkten veranlasste die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes im Folgenden, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität mit zusätzlichen, flexibleren Instrumenten auszustatten, um eine wirksame Hilfe für die überschuldeten Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen daher auf einem Sondergipfel des Europäischen Rates am 21. Juli 2011, die vereinbarte maximale Darlehenskapazität der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität von 440 Milliarden Euro in vollem Umfang bereitzustellen. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität soll künftig unter anderem auch Aufkäufe von Staatsanleihen sowohl auf dem Primär- als auch auf dem Sekundärmarkt vornehmen können (BTDrucks 17/6916, S. 1, 4). Am 5. September 2011 legten die die Regierung tragenden Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes vor (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, BTDrucks 17/6916, S. 1).
4. Am 21. September 2011 beschloss der Haushaltsausschuss, dem Deutschen Bundestag die hier verfahrensgegenständliche Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes zu empfehlen (Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ≪8. Ausschuss≫ zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, vgl. BTDrucks 17/7067). Die umfassende Beteiligung des Deutschen Bundestages müsse gewährleistet werden (BTDrucks 17/7067, S. 2). In Fällen von besonderer Eilbedürftigkeit und Vertraulichkeit sollten die Rechte des Deutschen Bundestages von einigen vom Deutschen Bundestag zu wählenden Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen werden (im Folgenden: Sondergremium).
5. Mit Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 9. Oktober 2011 (BGBl I S. 1992) änderte der Deutsche Bundestag das Stabilisierungsmechanismusgesetz im Sinne der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses. Nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 14. Oktober 2011 hat das Stabilisierungsmechanismusgesetz nunmehr folgenden Wortlaut:
§ 1
Gewährleistungsermächtigung
(1) 1Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Finanzierungsgeschäfte, die die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität zur Durchführung von unter der Voraussetzung der Absätze 2 und 3 gewährten Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes tätigt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 211,0459 Milliarden Euro zu übernehmen. 2Notmaßnahmen im Sinne von Satz 1 sind Darlehen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität an den betroffenen Mitgliedstaat, einschließlich solcher, die der Mitgliedstaat zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten verwendet, vorsorgliche Maßnahmen sowie Ankäufe von Staatsanleihen dieses Mitgliedstaates am Primärmarkt oder Sekundärmarkt. 3Gewährleistungen nach Satz 1 können nur bis zum 30. Juni 2013 übernommen werden. 4Zu diesem Zeitpunkt verfällt die Ermächtigung für den nicht ausgenutzten Teil des Gewährleistungsrahmens. 5Eine Gewährleistung ist auf den Höchstbetrag dieser Ermächtigung in der Höhe anzurechnen, in der der Bund daraus in Anspruch genommen werden kann. 6Zinsen und Kosten sind auf den Ermächtigungsrahmen nicht anzurechnen.
(2) 1Notmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 können auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit ergriffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. 2Die Gefährdung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes ist vor der Gewährung von Notmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds einvernehmlich festzustellen. 3Vorsorgliche Maßnahmen, Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten und der Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt erfolgen unter diesen Voraussetzungen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren. 4Der Aufkauf von Staatsanleihen eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes am Sekundärmarkt erfordert zudem die Feststellung außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt durch die Europäische Zentralbank.
(3) 1Notmaßnahmen werden an strenge Auflagen gebunden, die der betroffene Mitgliedstaat grundsätzlich im Rahmen eines wirtschafts- und finanzpolitischen Programms vor Gewährung der Notmaßnahme mit der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart und die von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes einstimmig gebilligt werden. 2Sollte wegen der Natur der Notmaßnahme die Vereinbarung aller erforderlichen Auflagen vor Beginn der Notmaßnahme nicht möglich sein, ist diese Vereinbarung unverzüglich und vor Abschluss der Notmaßnahme nachzuholen.
(4) Vor Übernahme von Gewährleistungen durch das Bundesministerium der Finanzen muss dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Vertrag über die Zweckgesellschaft vorgelegt werden.
(5) Der Gewährleistungsrahmen nach Absatz 1 kann unter den Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages um bis zu 20 Prozent der in Absatz 1 genannten Summe überschritten werden.
§ 2
Haushalts- und Stabilitätsverantwortung
(1) Der Deutsche Bundestag nimmt in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zur Durchführung von Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes seine Haushaltsverantwortung und seine Verantwortung für die Fortentwicklung der Stabilität der Währungsunion insbesondere nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen wahr.
(2) 1Der Deutsche Bundestag berät und beschließt über Vorlagen nach diesem Gesetz in angemessener Frist. 2Dabei berücksichtigt er die für die Beschlussfassung auf der Ebene des Euro-Währungsgebietes maßgeblichen Fristvorgaben.
§ 3
Parlamentsvorbehalt für Entscheidungen in der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität
(1) 1Die Bundesregierung darf in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität einem Beschlussvorschlag, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührt, durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten, nachdem der Deutsche Bundestag hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. 2Ohne einen solchen Beschluss des Deutschen Bundestages muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen.
(2) Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung ist insbesondere berührt
- beim Abschluss einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes,
- bei einer wesentlichen Änderung einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme und bei einer Änderung, die Auswirkungen auf die Höhe des Gewährleistungsrahmens hat,
- bei Änderungen des Rahmenvertrags der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und
- bei der Überführung von Rechten und Verpflichtungen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität in den Europäischen Stabilitätsmechanismus.
(3) 1In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen, die vom Deutschen Bundestag für eine Legislaturperiode gewählt werden. 2Die Anzahl der zu benennenden Mitglieder ist die kleinstmögliche, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann und die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden. 3Bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren nach § 1 Absatz 2 Satz 3 liegt die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit regelmäßig vor. 4In allen übrigen Fällen kann die Bundesregierung die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit einer Angelegenheit geltend machen. 5Die oben genannten Mitglieder des Haushaltsausschusses können der Annahme der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit in den Fällen der Sätze 3 und 4 unverzüglich mit Mehrheit widersprechen. 6Im Falle des Widerspruchs nimmt der Deutsche Bundestag die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte wahr, bei Widersprüchen in Fällen von Satz 3 der Haushaltsausschuss. 7In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 3 und 4 sowie im Falle des erstmaligen Antrags eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes für eine Notmaßnahme, die nicht unter § 1 Absatz 2 Satz 3 fällt, nimmt stets der Deutsche Bundestag seine Beteiligungsrechte wahr.
§ 4
Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages
(1) 1In allen die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berührenden Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, in denen eine Entscheidung des Deutschen Bundestages gemäß § 3 nicht vorgesehen ist, wird der Haushaltsausschuss beteiligt. 2Er hat das Recht zur Stellungnahme. 3Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages überwacht die Vorbereitung und den Vollzug der Vereinbarungen über Notmaßnahmen.
(2) 1Der vorherigen Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages bedürfen:
- die Annahme oder Änderung der Leitlinien des Direktoriums der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch die Bundesregierung und
- die Zustimmung der Bundesregierung zu Entscheidungen über den Einsatz weiterer Instrumente auf der Grundlage einer bestehenden Vereinbarung über eine Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder der Änderung der Bedingungen einer Notmaßnahme, sofern diese nicht bereits unter den Parlamentsvorbehalt nach § 3 fallen.
2Die Bundesregierung darf in diesen Fällen einem Beschlussvorschlag in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, nachdem der Haushaltsausschuss hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. 3Einen entsprechenden Antrag im Haushaltsausschuss kann auch die Bundesregierung stellen. 4Ohne einen solchen Beschluss des Haushaltsausschusses muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. 5In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit gilt die Regelung in § 3 Absatz 3 entsprechend.
(3) 1In den nicht von Absatz 2 erfassten Fällen, die die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berühren, beteiligt die Bundesregierung den Haushaltsausschuss und berücksichtigt seine Stellungnahmen. 2Dies gilt insbesondere für Beschlüsse, die nach dem Rahmenvertrag der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität nur einstimmig getroffen werden können, sowie für die Benennung des deutschen Vorstandsmitglieds für das Direktorium der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität.
(4) Das Plenum des Deutschen Bundestages kann die Befugnisse des Haushaltsausschusses jederzeit durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss an sich ziehen und durch einfachen Beschluss ausüben.
§ 5
Unterrichtung durch die Bundesregierung
(1) 1Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag in Angelegenheiten dieses Gesetzes umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich zu unterrichten. 2Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat schriftlich. ³Einzelheiten bleiben einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vorbehalten.
(2) Die Bundesregierung übermittelt dem Deutschen Bundestag alle ihr zur Verfügung stehenden Dokumente, die zur Ausübung der Mitwirkung des Deutschen Bundestages nach den §§ 3 und 4 dienlich sind.
(3) Dem besonderen Schutzbedürfnis laufender vertraulicher Verhandlungen trägt der Deutsche Bundestag durch eine vertrauliche Behandlung Rechnung.
(4) Im Falle eines Antrags eines Mitgliedstaates auf Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität übermittelt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag binnen sieben Tagen nach Antragstellung eine Bewertung zu Inhalt und Umfang der zu gewährenden Hilfen sowie eine Abschätzung der finanziellen Folgen.
(5) Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist darüber hinaus vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung schriftlich zu unterrichten.
(6) Die fortlaufende Unterrichtung der Bundesregierung enthält auch Angaben zur jeweiligen Berücksichtigung der nach diesem Gesetz abgegebenen Stellungnahmen des Deutschen Bundestages und des Haushaltsausschusses bei den Verhandlungen.
(7) Die Unterrichtungsrechte nach den Absätzen 1 bis 6 können in Fällen besonderer Vertraulichkeit nach § 3 Absatz 3 auf die beteiligten Mitglieder des Haushaltsausschusses beschränkt werden, solange die Gründe für die besondere Vertraulichkeit bestehen.
§ 6
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
6. Der Deutsche Bundestag hat die Mitglieder des Sondergremiums in seiner 135. Sitzung am 26. Oktober 2011 auf der Grundlage eines von allen Fraktionen eingebrachten Wahlvorschlags (BTDrucks 17/7454) einstimmig gewählt (vgl. Stenographischer Bericht, Plenarprotokoll 17/135, S. 15976 A). Die Antragsteller waren als Mitglieder des Gremiums weder vorgeschlagen noch wurden sie gewählt.
7. Am gleichen Tag verständigten sich die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebietes darauf, verschiedene Leitlinien („Guidelines”) für die weitere Arbeit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität aufzustellen, die von deren Direktorium nach Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 29. November 2011 beschlossen wurden. Darin sind konditionale und prozessuale Vorgaben für die vorsorglichen Programme, die Rekapitalisierung von Finanzinstituten sowie das Tätigwerden der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität auf dem Primär- und Sekundärmarkt enthalten. Die Leitlinie für vorsorgliche Programme („EFSF Guideline on Precautionary Programmes”) regelt eine präventive Kreditvergabe in drei Varianten, solange und soweit der betreffende Mitgliedstaat bereits vorab bestimmte Zugangskriterien erfüllt, deren Einhaltung von der Europäischen Kommission im Zusammenwirken mit der Europäischen Zentralbank geprüft wird. Nach der Leitlinie für die Rekapitalisierung von Finanzinstituten durch Darlehen an Nichtprogrammländer („EFSF Guideline on Recapitalisation of Financial Institutions ≪FIs≫ via loans to non-programme countries”) soll die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität in Mitgliedstaaten, die nicht bereits an den vorsorglichen Programmen partizipieren, erst nach ganz oder teilweise erfolgloser Rekapitalisierung der betroffenen Finanzinstitute durch die Privatwirtschaft und durch die nationalen Regierungen tätig werden (Ziff. 2). Die Leitlinie für Primärmarktkäufe („EFSF Guideline on Primary Market Purchases”) ist als Ergänzung zur Kreditvergabe im Rahmen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms oder zur Einräumung einer vorsorglichen Kreditlinie gedacht und soll diese teilweise ersetzen (Ziff. 1, 5). Aufkäufe von bereits emittierten Anleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität sollen nach der Leitlinie für Interventionen auf dem Sekundärmarkt („EFSF Guideline on interventions in the secondary market”) schließlich kurzfristig möglich sein, wenn dies zur Dämpfung außergewöhnlicher Umstände, die nach Feststellung der Europäischen Zentralbank eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes darstellen können, notwendig ist (Ziff. 2.1, 3.1) und die Kommission binnen ein bis zwei Tagen ein „Memorandum of Understanding” hinsichtlich angemessener politischer Reformanstrengungen erarbeitet hat (Ziff. 3.1). Mit Ausnahme der EFSF-Leitlinie für Interventionen auf dem Sekundärmarkt sehen alle Leitlinien neben einem Antrag des jeweiligen Mitgliedsstaates auch eine umfassende Beurteilung der volkswirtschaftlichen Lage des betreffenden Mitgliedstaates vor (Deutscher Bundestag, Haushaltsausschuss 17. Wahlperiode, Ausschussdrucksache 17/4230).
II.
Die Antragsteller sehen sich durch die mit der Gesetzesänderung eingeführten § 3 Abs. 3 und § 5 Abs. 7 StabMechG in ihrem Abgeordnetenstatus gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
1. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleiste für jeden Abgeordneten das subjektive organschaftliche Recht, sich im Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit an den Verhandlungen und Beratungen zu beteiligen und an den Entscheidungen und Abstimmungen mitzuwirken. Unabdingbare Voraussetzung hierfür sei ein umfassendes Recht auf Unterrichtung und Information über die einzelnen Beratungsgegenstände. Diese Grundsätze hätten im Bereich der haushaltsrechtlichen Grundentscheidungen aufgrund der herausragenden Rolle des Budgetrechts des Deutschen Bundestages im Verfassungsgefüge eine besondere Bedeutung. Hinzu träten die besonderen Beteiligungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union, wie sie durch Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 45 GG verfassungsrechtlich verankert seien.
Aus Art. 45 GG, der es ausdrücklich zulasse, den Europaausschuss für die Wahrnehmung der Rechte des Plenums des Deutschen Bundestages zu ermächtigen, lasse sich im Umkehrschluss herleiten, dass andere Ausschüsse des Deutschen Bundestages in einer solchen Weise nicht ermächtigt werden dürften. Mit Wirkung für den Deutschen Bundestag beschließende Ausschüsse müssten durch das Grundgesetz selbst eingerichtet werden. Ein einfaches Gesetz, wie das Stabilisierungsmechanismusgesetz, könne hierfür nicht ausreichen.
Zwar dürfe der Deutsche Bundestag einzelne Aufgaben und Befugnisse des Plenums an parlamentarische Gremien delegieren. Aufgrund des Art. 38 Abs. 1 GG dürfe er sich dabei aber nicht grundsätzlich des fortdauernden Einflusses entäußern, sofern grundlegende parlamentarische Rechte und Befugnisse betroffen seien. Bei vorbereitenden Maßnahmen sei eine Delegation verfassungsrechtlich unbedenklich. Bei der Delegation müssten die Untergliederungen des Deutschen Bundestages aber dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit entsprechend ein verkleinertes Abbild des Plenums darstellen. Zudem müsse die grundsätzliche Möglichkeit zur Mitwirkung auch fraktionslosen Abgeordneten offenstehen.
2. Die Delegation der parlamentarischen Haushaltsverantwortung auf das Sondergremium in den nach § 3 StabMechG definierten Fällen werde diesen Maßstäben nicht gerecht und sei daher verfassungswidrig.
a) Zwar habe der Zweite Senat in seinem Urteil vom 7. September 2011 das Verbot der einfachgesetzlichen Einrichtung beschließender Ausschüsse insoweit gelockert, als er im Wege einer verfassungskonformen Auslegung die Zustimmung des Haushaltsausschusses nach § 1 Abs. 4 StabMechG a.F. zu einer zwingenden Voraussetzung für eine Gewährleistungsübernahme durch die Bundesregierung gemacht habe. Den entsprechenden Ausführungen habe der Zweite Senat jedoch Obersätze vorangestellt, die auf eine konstitutive Zustimmung „des Bundestages” Bezug nähmen. Das lege die Schlussfolgerung nahe, dass der Senat damit keine abschließende Aussage zu der Frage habe treffen wollen, ob – entgegen der bislang herrschenden Literaturmeinung – auch Entscheidungsbefugnisse (über vorbereitende Handlungen hinaus) durch das Plenum auf Untergremien delegiert werden dürften. Vielmehr seien die Ausführungen der besonderen Konstellation geschuldet, wie sie in § 1 StabMechG a.F. angelegt gewesen sei. Dort seien die maßgeblichen Entscheidungen bereits unmittelbar durch die gesetzliche Regelung determiniert und die wesentlichen Parameter der Gewährleistungsermächtigung durch die Gesetzesfassung des § 1 StabMechG a.F. abschließend geregelt gewesen. Dadurch sei die vom Senat implizierte Ausnahme vom dargestellten Delegationsverbot vor dem Hintergrund gerechtfertigt gewesen, dass sämtliche Determinanten von konkreter haushaltspolitischer Bedeutung bereits unmittelbar durch die gesetzliche Ermächtigungsnorm umschrieben gewesen seien.
b) Jedenfalls bestehe aber ein Verbot der Delegation auf das konkrete, durch § 3 Abs. 3 StabMechG vorgezeichnete Sondergremium. Aus der Senatsentscheidung könne allenfalls der Schluss gezogen werden, dass dem Haushaltsausschuss eine Sonderrolle zukomme, die aus seiner Fachverantwortung für den gesamten Bundeshaushalt resultiere. Die ihm durch das Bundesverfassungsgericht zuerkannte Kompetenz könne jedoch nicht durch ein „Minigremium” ausgehebelt und unterlaufen werden.
Im Gegensatz zur bisherigen Ermächtigung sei § 1 Abs. 1 StabMechG jetzt so weit gefasst, dass eine Delegation auf ein „Kleinst-Gremium” eine unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigung enthalte, die vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig bezeichnet worden sei.
Auch eine Unterdelegation vom Haushaltsausschuss auf das neue Sondergremium scheide aus, da eine hinreichende demokratische Legitimation von Entscheidungen über die in der Kernkompetenz des Deutschen Bundestages liegende Budgetverantwortung allenfalls vom derzeit 41 Mitglieder zählenden Haushaltsausschuss gewährleistet werden könne, nicht aber von einem „Kleinst-Gremium”, wie es das Stabilisierungsmechanismusgesetz vorsehe.
3. Die Beschränkung der parlamentarischen Rechte aus Art. 38 Abs. 1 GG finde auch keine Rechtfertigung durch die grundsätzlich legitimen Zwecke der Eilbedürftigkeit und Vertraulichkeit. Als mildere Mittel wären auch parlamentarische Geheimnisschutzmaßnahmen nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (GHSO BT) in Betracht gekommen. Zudem erforderten Eilentscheidungen nicht, dass ein „Kleinst-Gremium” befasst werde. Kurzfristige Entscheidungen könnten ohne Weiteres auch vom Plenum oder zumindest vom Haushaltsausschuss getroffen werden.
Die Zusammensetzung des Sondergremiums entspreche nicht den Anforderungen des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit, der sich aus der in Art. 38 Abs. 1 GG festgelegten Freiheit und Gleichheit des Mandats ergebe. § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG sehe vor, dass die Anzahl der zu benennenden Mitglieder die kleinstmögliche sein solle, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen könne. Dabei werde bewusst darauf verzichtet, die Mehrheitsverhältnisse im Plenum abzubilden oder sich ihnen auch nur anzunähern. Diese Abweichung sei aber weder durch Gründe der Vertraulichkeit noch durch solche der Eilbedürftigkeit zu rechtfertigen. Zugleich übergehe diese Sitzverteilung die parlamentarischen Teilhaberechte fraktionsloser Abgeordneter beziehungsweise ihrer Gruppen.
Die Regelungen über die Besetzung des Sondergremiums verstießen gegen weitere demokratische Grundsätze. Sie seien zu unbestimmt, da unklar bleibe, wie die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden sollten. Zudem sei es möglich, dass das Gremium mit nur fünf Mitgliedern bei Abwesenheit von vier Mitgliedern Entscheidungen von weitreichender haushaltspolitischer Bedeutung treffen könnte.
4. Die Bestimmung in § 3 Abs. 3 Satz 3 StabMechG, dass besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit regelmäßig bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren gegeben sei, führe dazu, dass diese besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit für den größten Teil der denkbaren Maßnahmen regelhaft vermutet werde, so dass – entgegen dem eigentlichen Wortlaut und Sinn des § 3 Abs. 3 StabMechG – das „Kleinst-Gremium” in der Regel statt nur in Ausnahmefällen befasst werden dürfte. Eine solche Regelvermutung verletze die Statusrechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 GG.
Weiter sei die Ermächtigung der Bundesregierung nach § 3 Abs. 3 Satz 4 StabMechG, „in allen übrigen Fällen” die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit geltend machen zu können, zu unbestimmt. Das diesbezügliche Widerspruchsrecht der Mitglieder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 Satz 5 StabMechG gegen eine solche Entscheidung der Bundesregierung sei defizitär ausgestaltet, da es ein reines Mehrheitsrecht sei und die regelmäßig in der Opposition sitzenden Minderheitsmitglieder demnach keine rechtliche Möglichkeit hätten, auf eine Entscheidung des Plenums oder zumindest des Haushaltsausschusses hinzuwirken. Verfassungsrechtlich geboten sei daher eine Ausgestaltung des Widerspruchsrechts als Minderheitenrecht.
5. Schließlich sei auch § 5 Abs. 7 StabMechG verfassungswidrig, der in Fällen besonderer Vertraulichkeit nur die Unterrichtung des Sondergremiums über die Angelegenheiten des Gesetzes vorsieht, nicht aber – wie in § 5 Abs. 1 bis 6 StabMechG vorgesehen – des Deutschen Bundestages und des Haushaltsausschusses. Dadurch werde auch die nachträgliche Kontrolle durch den Deutschen Bundestag in einer den Status seiner Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 GG verletzenden Weise unmöglich gemacht oder zumindest erschwert. Der Abgeordnete habe ein Recht auf diejenigen Informationen, die ihm im Rahmen seiner Teilverantwortung für die Budgethoheit des Deutschen Bundestages eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans ermöglichen.
III.
Der Antragsgegner hält den Antrag für unbegründet.
1. Er sei mit den streitgegenständlichen Regelungen deutlich über die Verfahrensanforderungen des Zweiten Senats in seinem Urteil vom 7. September 2011 hinausgegangen, indem er sämtliche Entscheidungen der Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Parlaments berühren, unter einen konstitutiven Parlamentsvorbehalt gestellt habe. Damit unterlägen auch besonders eilbedürftige oder vertrauliche Entscheidungen einem Letztentscheidungsrecht des Deutschen Bundestages, welches durch das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG wahrgenommen werden würde.
2. Die Antragsteller übersähen, dass ihre Mitwirkungsrechte aus Art. 38 Abs. 1 GG durch das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG rechtmäßig eingeschränkt worden seien. Dieses Selbstorganisationsrecht habe vorliegend besonderes Gewicht. Das Parlament antworte mit dem Beteiligungsmechanismus des Stabilisierungsmechanismusgesetzes auf die Herausforderung, seiner Haushaltsverantwortung in einem System intergouvernementalen Regierens durch Begründung eines konstitutiven Entscheidungsvorbehalts nachkommen und hierbei zugleich den Sachgesetzlichkeiten der zu treffenden Entscheidungen Rechnung tragen zu müssen. Bei der Bewältigung dieses Spannungsverhältnisses komme ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
3. Eine verfassungsrechtliche Ermächtigung für die Delegation von Befugnissen auf das Sondergremium sei nicht erforderlich. In der parlamentarischen Praxis fänden sich zahlreiche Beispiele einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf der Grundlage einfacher Gesetze, die auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden seien. Namentlich im Urteil vom 7. September 2011 habe der Zweite Senat die einfach-gesetzliche Delegation von Befugnissen des Plenums auf den Haushaltsausschuss bei der Wahrnehmung der Budgetverantwortung innerhalb der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität ausdrücklich gebilligt. Auch genüge das Sondergremium selbst mit Blick auf seine Zusammensetzung und seine Wahl durch das Plenum in jeder Hinsicht den Anforderungen, die aus Sicht des Demokratieprinzips an Repräsentativität und parlamentarische Legitimation eines derartigen Gremiums zu stellen seien.
4. Die Beeinträchtigung der Rechte der Antragsteller sei durch sachliche Gründe von überragendem Gewicht gerechtfertigt. Die zu Gebote stehenden Mittel reichten nicht aus, um der besonderen Vertraulichkeit oder Eilbedürftigkeit von Entscheidungen über Notfallmaßnahmen in der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität auch bei Beteiligung des Plenums oder des Haushaltsausschusses Rechung zu tragen. Die Wirksamkeit der Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren hänge entscheidend davon ab, dass ihre Einleitung und Durchführung sowie die zugrunde liegenden Finanzdaten der Mitgliedstaaten und gegebenenfalls Dritter absolut vertraulich behandelt würden. Vertrauensbrüche und verzögerte Entscheidungen bedrohten nicht nur die Wirksamkeit der EFSF-Mechanismen, sondern zugleich auch elementare fiskalische Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund der engen globalen wie auch europäischen Verflechtung von Finanzinstituten und Märkten könnten sich innerhalb von wenigen Tagen oder sogar Stunden Ansteckungsgefahren realisieren. Das hätten Zinssprünge für Staatsanleihen, Ankündigungen von Ratingagenturen oder unerwartete und ungünstige politische Entwicklungen im bisherigen Verlauf der Staatsschuldenkrise hinreichend gezeigt. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität müsse daher zeitnah reagieren und gegebenenfalls sogar präventiv tätig werden können, was neben Vertraulichkeit auch Schnelligkeit der Entscheidungsfindung voraussetze. Bei der Beurteilung dieser Faktoren verfüge der Deutsche Bundestag über einen – vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich akzeptierten – Beurteilungsspielraum, der es ihm erlaube, bereits auf das abstrakte Risiko von Vertrauensbrüchen oder verzögerten Entscheidungen durch die Schaffung eines möglichst kleinen Repräsentativ- und Entscheidungsgremiums zu reagieren.
5. Die Entscheidungsbefugnisse des Sondergremiums beschränkten sich schließlich auch auf das erforderliche Maß. Die Parlamentsbeteiligung an den EFSF-Maßnahmen erfolge im Rahmen einer generellen parlamentarischen Ermächtigung zur Übernahme von Garantien nach § 1 Abs. 1 StabMechG. Diese Ermächtigung lege die Höhe der Garantien, die zulässigen Notmaßnahmen auf Ebene der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität sowie deren materiell-rechtliche Voraussetzungen und Verfahrensanforderungen detailliert fest. Das Gesetz gehe darüber hinaus von einem gestuften Beteiligungsmechanismus aus, in dem wesentliche Entscheidungen für die Fortentwicklung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und ihrer rechtlichen Grundlagen dem Plenum vorbehalten blieben. Das Sondergremium sei lediglich für einen Kreis besonders eiliger und vertraulicher Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren zuständig, die tatbestandlich definiert seien. Dabei komme ihm fortwährend die Befugnis zu, die Voraussetzungen seines Tätigwerdens zu überprüfen und die betreffende Sache gegebenenfalls an den Haushaltsausschuss oder das Plenum zurückzugeben. Eine Verankerung von Minderheitenrechten im Stabilisierungsmechanismusgesetz sei nicht erforderlich gewesen, da die Verfassung lediglich die Partizipation der Minderheit schütze, ihr aber nicht die Befugnis verleihe, ihre Entscheidung an die Stelle der Mehrheitsentscheidung zu setzen. Wie bei anderen Untergremien und Ausschüssen sei eine über die partizipatorischen Rechte der Verfahrensgestaltung hinausgehende Beteiligung der Minderheit nicht angezeigt. Ein Vergleich mit den eine Sonderrolle einnehmenden Untersuchungsausschüssen sei nicht angezeigt, weil die auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten aus einem gegebenen Anlass gebildeten Ausschüsse weder für längere Zeit eingesetzt noch zur fortlaufenden Behandlung stetig neuer Fragen oder der Einleitung von Notfallmaßnahmen bestellt seien.
IV.
1. Die Bundesregierung hat mit Schriftsatz vom 11. November 2011 ihren Beitritt zu dem Organstreitverfahren auf Seiten des Deutschen Bundestages erklärt. Der nach § 65 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Zusammenhang sei gegeben, da die zu erwartende Entscheidung auch für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Bundesregierung von Bedeutung sein werde. Von dieser Entscheidung hänge ab, welches Gremium die Bundesregierung um die nach § 3 Abs. 1 StabMechG erforderliche vorherige Zustimmung zu einem Beschluss über Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität ersuchen müsse. Außerdem weise § 3 Abs. 3 StabMechG der Bundesregierung die Befugnis zu, die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit einer Angelegenheit geltend zu machen, und knüpfe daran die Zuständigkeit des dort vorgesehenen Sondergremiums.
Darüber hinaus stimmten die rechtlichen Interessen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages darin überein, dass beide die Zurückweisung des Antrags begehrten.
2. Die Bundesregierung hält den Antrag ebenfalls für unbegründet. Die von den Antragstellern behauptete Verletzung ihrer Rechte als Abgeordnete des Deutschen Bundestages liege weder vor noch sei sie zu befürchten.
Die Einführung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und die Erweiterung ihrer Kompetenzen bezüglich des Ankaufs von Staatsanleihen am Primär- und Sekundärmarkt müssten vor dem Hintergrund der sich drastisch zuspitzenden Marktentwicklung gesehen werden. Zum einen seien die Zinsen und Renditen für Anleihen südeuropäischer Staaten deutlich angestiegen, womit die Refinanzierungskosten für diese Staaten massiv zugenommen hätten; hierbei sei der Abstand zu den Zinsen der Anleihen anderer Staaten (Spread), namentlich der Bundesrepublik Deutschland, als Zeichen einer uneinheitlichen Wirtschaftsentwicklung immer größer geworden. Zum anderen hätten auch kurzfristige politische Ereignisse zu einem Renditeanstieg italienischer Staatsanleihen um beinahe ein Prozent innerhalb nur eines Tages geführt. Um derartigen kurzfristigen Ereignissen vorzubeugen, die insbesondere im Falle ihrer Kumulation zu massiven Beeinträchtigungen der Refinanzierungsfähigkeit eines Staates führen und Ansteckungsgefahren für andere Staaten begründen könnten, sei ein in kürzester Zeit handlungsfähiger Rettungsschirm erforderlich, der mit entsprechenden Instrumenten wirksam intervenieren könne.
a) Der Deutsche Bundestag habe das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Wahrnehmung seines Einschätzungsspielraums errichtet. Denn so könne der Deutsche Bundestag seine Beteiligungsrechte auch dann wahrnehmen, wenn eine Befassung des Plenums aus den zwingenden Gründen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit nicht in Betracht komme. Die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages genössen Verfassungsrang und könnten deshalb im Einzelfall als sachliche Rechtfertigung herangezogen werden, um die vom Grundgesetz garantierten Rechte des einzelnen Abgeordneten zu beschränken. Vor diesem Hintergrund erscheine das angegriffene Verhalten des Deutschen Bundestages nicht sachwidrig, sondern, im Gegenteil, notwendig. Dass die Statusrechte der Abgeordneten auf gleiche Mitwirkung an der parlamentarischen Arbeit im Deutschen Bundestag nicht absolut gewährleistet seien, sondern im Interesse der Arbeitsfähigkeit des Parlaments beschränkt werden könnten, habe das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt. In seinem Urteil vom 7. September 2011 habe es zudem die Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 3 StabMechG als verfassungsmäßig akzeptiert, wonach die Bundesregierung Entscheidungen, die grundsätzlich unter Beteiligung des Bundestages oder seines Haushaltsausschusses hätten getroffen werden müssen, aus zwingenden Gründen auch ohne Mitwirkung treffen könne und allein eine nachträgliche Unterrichtung des Haushaltsausschusses erforderlich sei.
Die mit den angegriffenen Regelungen verbundenen Einschränkungen des Rechts der Abgeordneten auf Beteiligung seien durch die zwingenden Gründe der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit gerechtfertigt und würden auch durch die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Völker- und Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes gestützt. Ferner folge aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz, dass die Bundesregierung in genuin exekutiven Bereichen wie der Außenpolitik handlungsfähig bleiben müsse.
Um einer sehr raschen Ausbreitung einer Krise (Ansteckungseffekt) wirksam entgegenzutreten, sei eine schnelle und vertrauliche Beschlussfassung erforderlich. Dies sei nur bei Entscheidungen in einem kleinen Gremium möglich. Bei der gebotenen Einstufung der Unterlagen für Maßnahmen nach § 3 Abs. 2 StabMechG als „VERTRAULICH” oder „GEHEIM” gemäß § 2a GHSO BT sei wegen der mit damit verbundenen Beschränkungen in Bezug auf Weiterleitung, Erstellung von Kopien, Besprechung der Inhalte per Telefon usw. die notwendige Schnelligkeit der Entscheidung in einem größeren Gremium nicht realisierbar.
b) Es gebe auch keinen verfassungsrechtlichen Vorrang des Haushaltsausschusses vor anderen Untergremien des Plenums. Das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG werde durch das Bundestagsplenum direkt gewählt. Seine demokratische Legitimation sei daher mindestens so stark wie die des Haushaltsausschusses. Darüber hinaus trete es regelmäßig nur dann an Stelle des Haushaltsausschusses, wenn zwingende Gründe besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit tatsächlich vorlägen und diese eine Befassung des Haushaltsausschusses nicht zuließen. Dies gelte insbesondere für § 3 Abs. 3 Satz 3 StabMechG, der bestimme, dass die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren regelmäßig vorliege. Diese – widerlegbare – Regelvermutung beruhe auf der Erwägung, dass die in Rede stehenden Notmaßnahmen tatsächlich besonders eilbedürftig oder vertraulich seien. Sollte das im Einzelfall nicht der Fall sein, werde die Bundesregierung das Sondergremium nicht mit solchen Maßnahmen befassen.
Bei den Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren, bei denen nach § 3 Abs. 3 Satz 3 StabMechG die besondere Eilbedürftigkeit und Vertraulichkeit regelmäßig vorlägen, gehe es um die von den Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebietes am 21. Juli 2011 beschlossenen zusätzlichen Instrumente, nämlich die vorsorgliche Einräumung von Kreditlinien, Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten und den Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt. Bei solchen Maßnahmen erscheine es kaum möglich, die Vertraulichkeit zu wahren, wenn das Plenum mit mehr als 600 Mitgliedern oder auch nur der 41-köpfige Haushaltsausschuss befasst würden.
c) § 3 Abs. 3 StabMechG habe den vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform akzeptierten § 1 Abs. 4 Satz 3 StabMechG a.F. ersetzt. Der Bundesgesetzgeber habe damit in Fällen, in denen zwingende Gründe dafür vorlägen, an die Stelle der ursprünglich vorgesehenen nachträglichen Unterrichtung des Haushaltsausschusses einen Zustimmungsvorbehalt des Sondergremiums gesetzt. Schließlich hätten die sonstigen Änderungen des Stabilisierungsmechanismusgesetzes, insbesondere die Erweiterung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, an der vorher vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Bestimmtheit der Ermächtigungen nichts Wesentliches geändert.
V.
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 hat der Zweite Senat eine einstweilige Anordnung erlassen (EuGRZ 2011, S. 668), nach der die in § 3 Abs. 1 StabMechG bezeichneten Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht von dem in § 3 Abs. 3 StabMechG vorgesehenen Gremium wahrgenommen werden dürfen.
VI.
In der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2011 haben die Beteiligten ihre Rechtsstandpunkte erläutert und vertieft.
Entscheidungsgründe
B.
Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Antragsbefugnis der Antragsteller gegeben. Die Antragsteller machen mit ihrem Antrag eigene Rechte, nämlich Rechte aus ihrem Abgeordnetenstatus nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, geltend. Die Antragsteller haben hinreichend substantiiert die Möglichkeit vorgetragen, dass sie infolge der in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit vorgesehenen Delegation der parlamentarischen Haushaltsverantwortung auf das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG und der auf dieses Sondergremium beschränkten Unterrichtungspflicht der Bundesregierung nach § 5 Abs. 7 StabMechG in Rechten verletzt werden, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Die sechsmonatige Antragsfrist nach § 64 Abs. 3 BVerfGG ist gewahrt, da das Stabilisierungsmechanismusgesetz, das die angegriffenen Regelungen enthält, am 13. Oktober 2011 verkündet und am 14. Oktober 2011 in Kraft getreten ist, und der Antrag am 27. Oktober 2011 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen ist.
C.
Die Bundesregierung konnte dem Organstreitverfahren auf Seiten des Deutschen Bundestages beitreten. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Verfahrensbeitritt nach § 65 Abs. 1 BVerfGG sind erfüllt.
Die Bundesregierung ist als ein im Organstreitverfahren parteifähiges Verfassungsorgan (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 Abs. 1 BVerfGG) zum Verfahrensbeitritt berechtigt. Die Entscheidung über den im Organstreitverfahren gestellten Antrag ist auch für die Pflichten der Bundesregierung gegenüber den Antragstellern von Bedeutung, weil davon abhängt, welches Gremium (Plenum, Haushaltsausschuss, Sondergremium) und damit welche Abgeordnete die Bundesregierung um die nach § 3 Abs. 1 StabMechG erforderliche vorherige Zustimmung ersuchen muss. Die zwischen den Hauptbeteiligten streitige Abgrenzung der Zuständigkeiten von Plenum, Haushaltsausschuss und Sondergremium gilt insoweit auch für das Rechtsverhältnis zur Bundesregierung (vgl. BVerfGE 20, 18 ≪23 f.≫). Die rechtlichen Interessen von Hauptbeteiligtem und Beigetretener sind ferner gleichgerichtet, da die Bundesregierung ebenso wie der Deutsche Bundestag die Zurückweisung des Antrags und damit die Aufrechterhaltung der § 3 Abs. 3 und § 5 Abs. 7 StabMechG begehrt. Ziel des Verfahrensbeitritts der Bundesregierung ist folglich allein die Unterstützung des Deutschen Bundestages.
D.
Der Antrag ist begründet, soweit § 3 Abs. 3 StabMechG die Antragsteller unter Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in einem verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Umfang von der Mitwirkung an der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ausschließt.
I.
1. Der Deutsche Bundestag ist das unmittelbare Repräsentationsorgan des Volkes. Er besteht aus den als Vertretern des ganzen Volkes gewählten Abgeordneten, die insgesamt die Volksvertretung bilden. Der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete repräsentative Status der Abgeordneten (vgl. BVerfGE 4, 144 ≪149≫; 80, 188 ≪217≫) ist Grundlage für die repräsentative Stellung des Bundestages, der als „besonderes Organ” (Art. 20 Abs. 2 GG) die vom Volk ausgehende Staatsgewalt ausübt (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫; 56, 396 ≪405≫; 80, 188 ≪217≫).
a) Seine Repräsentationsfunktion nimmt der Deutsche Bundestag grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahr, durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫; 56, 396 ≪405≫; 80, 188 ≪218≫), nicht durch einzelne Abgeordnete, eine Gruppe von Abgeordneten oder die parlamentarische Mehrheit.
Die Wahrnehmung der Repräsentationsfunktion durch den Deutschen Bundestag als Ganzes setzt gleiche Mitwirkungsbefugnisse aller Abgeordneten voraus (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫; 56, 396 ≪405≫), die daher auch grundsätzlich über die gleichen Rechte und Pflichten verfügen. Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen.
b) Zu den Befugnissen der Abgeordneten gehören vor allem das Rederecht (vgl. BVerfGE 10, 4 ≪12≫; 60, 374 ≪379≫; 80, 188 ≪218≫), das Stimmrecht, das Initiativrecht, die Beteiligung an der Ausübung des Frage- und Informationsrechts (vgl. BVerfGE 13, 123 ≪125≫; 57, 1 ≪5≫; 67, 100 ≪129≫; 70, 324 ≪355≫), das Recht, sich an den vom Parlament vorzunehmenden Wahlen zu beteiligen und das Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenzuschließen (vgl. BVerfGE 43, 142 ≪149≫; 70, 324 ≪354≫).
2. Was die Feststellung des Haushaltsplans angeht, so kommt dem Deutschen Bundestag im Verhältnis zu den anderen beteiligten Verfassungsorganen eine hervorgehobene verfassungsrechtliche Stellung zu. Er trifft mit der Entscheidung über den Haushaltsplan eine wirtschaftliche Grundsatzentscheidung für zentrale Bereiche der Politik (vgl. BVerfGE 45, 1 ≪32≫; 70, 324 ≪355≫). Über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand entscheidet der Bundestag in Verantwortung gegenüber dem Volk. Das Budgetrecht des Parlaments gehört zu den Grundlagen der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (vgl. BVerfGE 123, 267 ≪359≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2950≫, Rn. 122). Es stellt ein zentrales Element der demokratischen Willensbildung dar (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪355 f.≫; 79, 311 ≪329≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2950≫, Rn. 122) und dient nicht nur als Instrument umfassender parlamentarischer Regierungskontrolle. Vielmehr aktualisiert sich in dem vom Parlament beschlossenen Haushaltsplan der Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten als eine wesentliche Ausprägung rechtsstaatlicher Demokratie (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪355 f.≫; 79, 311 ≪329≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2950≫, Rn. 122).
a) Die Kompetenz zur Feststellung des Haushaltsplans liegt nach Art. 110 Abs. 2 GG ausschließlich beim Gesetzgeber. Dessen besondere Stellung findet auch darin Ausdruck, dass Bundestag und Bundesrat nach Art. 114 GG berechtigt und verpflichtet sind, den Haushaltsvollzug der Bundesregierung zu kontrollieren (vgl. BVerfGE 45, 1 ≪32≫; 92, 130 ≪137≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2950≫, Rn. 122).
b) Der Haushaltsplan, der nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG durch das Haushaltsgesetz festgestellt wird, ist nicht nur ein Wirtschaftsplan, sondern zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform (vgl. BVerfGE 45, 1 ≪32≫; 70, 324 ≪355≫; 79, 311 ≪328≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2950≫, Rn. 123). Er ist zeitlich begrenzt und aufgabenbezogen. Die Staatsaufgaben stellen sich im Haushaltsplan als Ausgaben dar, die nach dem Ausgleichsgebot durch Einnahmen gedeckt werden müssen (vgl. BVerfGE 79, 311 ≪329≫; 119, 96 ≪119≫). Umfang und Struktur des Haushaltsplans spiegeln damit die Gesamtpolitik wider. Zugleich begrenzen die erzielbaren Einnahmen den Spielraum für die Erfüllung ausgabenwirksamer Staatsaufgaben (vgl. Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Haushaltsplan ist damit der Ort konzeptioneller politischer Entscheidungen über den Zusammenhang von wirtschaftlichen Belastungen und staatlich gewährten Vergünstigungen. Deshalb wird die parlamentarische Aussprache über den Haushalt – einschließlich des Maßes der Verschuldung – als politische Generaldebatte verstanden (vgl. BVerfGE 123, 267 ≪361≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2950 f.≫, Rn. 123).
c) Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen und schafft die Voraussetzungen der Kontrolle durch die Bürger (vgl. BVerfGE 40, 237 ≪249≫; 70, 324 ≪355≫). Entscheidungen von erheblicher Tragweite muss deshalb grundsätzlich ein Verfahren vorausgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen in öffentlicher Debatte zu klären (vgl. BVerfGE 85, 386 ≪403 f.≫; 95, 267 ≪307 f.≫; 108, 282 ≪312≫). Vor diesem Hintergrund ergibt sich der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit aus dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪358≫).
3. Diese Grundsätze gelten auch bei der Wahrnehmung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages in einem System intergouvernementalen Regierens. Sie verlangen, dass der Deutsche Bundestag der Ort ist, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird, auch im Hinblick auf internationale und europäische Verbindlichkeiten (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 124). Es ist dem Deutschen Bundestag daher untersagt, seine Budgetverantwortung auf andere Akteure derart zu übertragen, dass nicht mehr überschaubare budgetwirksame Belastungen ohne seine vorherige konstitutive Zustimmung eingegangen werden (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 124 f.). Würde über wesentliche haushaltspolitische Fragen der Einnahmen und Ausgaben ohne konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages entschieden oder würden überstaatliche Rechtspflichten ohne entsprechende Willensentscheidung des Deutschen Bundestages begründet, so geriete das Parlament in die Rolle des bloßen Nachvollzuges und könnte seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung nicht länger wahrnehmen (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 124). Der Bundestag muss daher im unionalen Bereich – unbeschadet einer Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 2 GG – jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im Einzelnen bewilligen und, soweit überstaatliche Vereinbarungen getroffen werden, die aufgrund ihrer Größenordnung für das Budgetrecht von struktureller Bedeutung sein können, sicherstellen, dass weiterhin hinreichender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln besteht (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 128).
4. Bei der Ausübung des Budgetrechts und der Wahrnehmung seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung muss der Deutsche Bundestag die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen.
a) Diese Anforderung folgt aus dem Demokratieprinzip und wird für den Bereich der Staatsverschuldung durch den qualifizierten Gesetzesvorbehalt in Art. 115 Abs. 1 GG bestätigt und spezifiziert. Nach dieser Vorschrift, deren verfassungsrechtliche Vorläufer bis in die Zeit der Paulskirche zurückreichen (Art. 102 Nr. 2 RV 1849; Art. 73 RV 1871; Art. 87 Satz 2 WRV 1919), bedarf nicht nur die staatliche Kreditaufnahme, sondern auch die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, einer Ermächtigung durch Bundesgesetz. Das Grundgesetz stellt in dieser Hinsicht die Gewährleistungsübernahme – die als Haftung für die Verbindlichkeiten Dritter eine „potentielle Neuverschuldung” darstellt (vgl. Höfling/Rixen, in: Bonner Kommentar, Bd. 16, Art. 115 Rn. 64 ≪Juli 2003≫; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 115 Rn. 17) – der unmittelbaren Staatsverschuldung insofern ausdrücklich gleich. Die Exekutive soll nicht im Wege der Kreditaufnahme und/oder der Gewährleistungsermächtigung das Budgetrecht des Parlaments aushöhlen oder umgehen können (vgl. BVerfGE 67, 256 ≪281≫; vgl. auch Wendt, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 115 Rn. 16; Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl., Suppl. 2010, Art. 115 Rn. 18; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, 12. Aufl. 2011, Art. 115 Rn. 9; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 115 Rn. 23). Die Vorschrift des Art. 115 Abs. 1 GG erweist sich damit als Konkretisierung des demokratischen Parlamentsvorbehalts (Höfling/Rixen, in: Bonner Kommentar, Bd. 16, Art. 115 Rn. 109 ≪Juli 2003≫; vgl. auch Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 1996, S. 484). Sie sichert das Budgetrecht auch für künftige Haushaltsjahre und verpflichtet das Parlament, die für die Entwicklung des Gesamtschuldenstands wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht durch allgemein formulierte Ermächtigungen der Exekutive zu überlassen. Zugleich gewährleistet Art. 115 Abs. 1 GG die Aufmerksamkeit des Parlaments sowie der interessierten Öffentlichkeit für aktuelle oder potentielle Belastungen des Staatshaushalts und ermöglicht eine – nicht zuletzt auch verfassungsgerichtliche – Kontrolle (vgl. Isensee, in: Festschrift für Karl Heinrich Friauf, 1996, S. 705 ≪712≫; Wendt, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 115 Rn. 16; Pünder, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 123 Rn. 15).
b) Nach Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG bedürfen die Kreditaufnahme und die Übernahme von Gewährleistungen jedenfalls „einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren” gesetzlichen Ermächtigung. Der parlamentarische Gesetzgeber muss danach den finanziellen Umfang der Ermächtigung zur Kreditaufnahme oder Gewährleistungsübernahme durch einen bestimmten – oder wenigstens bestimmbaren – Höchstbetrag selbst festlegen (vgl. dazu Höfling/Rixen, in: Bonner Kommentar, Bd. 16, Art. 115 Rn. 201 ff. ≪Juli 2003≫). Bei der Ermächtigung zu Gewährleistungen, mit deren Inanspruchnahme nach Umfang und sonstigen Rahmenbedingungen mit dem Risiko einer schwerwiegenden Reduzierung des Spielraums für künftige haushaltspolitische Entscheidungen gerechnet werden muss, darf sich der Gesetzgeber nicht auf die Festlegung der Höhe beschränken. Der mit dem besonderen Gesetzesvorbehalt verfolgte Zweck, die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages gegen eine Verlagerung der den aktuellen oder potentiellen Gesamtschuldenstand wesentlich beeinflussenden Entscheidungen auf die Exekutive abzusichern, würde anderenfalls verfehlt: Eine Umgehung und Aushöhlung der parlamentarischen Budgetverantwortung wird bei derartigen Gewährleistungsermächtigungen nur verhindert, wenn der Gesetzgeber neben dem Umfang der Ermächtigung auch flankierende Rahmenbedingungen festlegt, die gewährleisten, dass die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages gewahrt bleibt. Dies kann durch gesetzliche Bindung der Inanspruchnahme an risikobegrenzende Kriterien und dadurch geschehen, dass die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Gewährleistungsermächtigungen ihrerseits an die Mitwirkung des Bundestages gebunden bleiben. Bestimmtheit der gesetzlichen Inanspruchnahmevoraussetzungen und Notwendigkeit der Mitwirkung des Bundestages stehen dabei in einem wechselbezüglichen Verhältnis (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 136 ff.); die Wahrung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages erfordert grundsätzlich, dass der Bundestag einen insgesamt bestimmenden Einfluss nimmt.
5. a) Budgetrecht und haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages werden grundsätzlich durch Verhandlung und Beschlussfassung im Plenum wahrgenommen (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪356≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 124), durch den Beschluss über das Haushaltsgesetz, durch finanzwirksame Gesetze oder durch einen sonstigen, konstitutiven Beschluss des Plenums (vgl. auch BVerfGE 90, 286 ≪383 ff.≫). Jeder Abgeordnete hat nach Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 1 Satz 1 und Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG ein Recht auf Beurteilung des Haushaltsentwurfes der Bundesregierung und der hierzu eingebrachten Änderungsanträge. Der Abgeordnete soll seine Vorstellungen über die Verwendungsmöglichkeiten der Haushaltsmittel darlegen und dadurch die Entscheidung über den Haushaltsplan beeinflussen können (vgl. BVerfGE 45, 1 ≪38≫; 70, 324 ≪356≫). Darüber hinaus sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages berechtigt und verpflichtet, ihre Kontrollbefugnis über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 124).
b) Freiheit und Gleichheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) sind jedoch nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments ist ein solches Rechtsgut von Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫; 84, 304 ≪321≫; 96, 264 ≪278≫; 99, 19 ≪32≫; 112, 118 ≪140≫; 118, 277 ≪324≫).
Will der Deutsche Bundestag seine Arbeitsfähigkeit nicht einbüßen, darf und muss er auf die zunehmende Komplexität der Regelungsbedürfnisse im Rahmen seiner Selbstorganisation reagieren und Strategien eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens und der Koordination der politischen Willensbildung entwickeln (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪236≫). Diesem Anliegen dient die in Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Geschäftsordnungsautonomie des Deutschen Bundestages (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪360≫). Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht dem Parlament die Befugnis, seine inneren Angelegenheiten im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung autonom zu regeln und sich selbst so zu organisieren, dass es seine Aufgaben sachgerecht erfüllen kann (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫; 84, 304 ≪321≫; 102, 224 ≪235 f.≫). Zugleich gestaltet die Selbstorganisation des Parlaments die Art und Weise aus, in der die Abgeordneten ihre verfassungsrechtlichen Statusrechte ausüben (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫). Sie sichert die grundlegenden Bedingungen für die geordnete Wahrnehmung dieser Rechte, die den Abgeordneten zwar unmittelbar aus ihrem verfassungsrechtlichen Status zufließen, die aber nur als Mitgliedschaftsrechte bestehen und nur als solche geordnet wahrgenommen werden können. Es ist daher Aufgabe des Parlaments, die Statusrechte aller Abgeordneten einander zuzuordnen und sie aufeinander abzustimmen, um eine sachgerechte Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫).
Das Recht des Parlaments, seine Angelegenheiten zu regeln, erstreckt sich insbesondere auf den Geschäftsgang (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪315≫; 80, 188 ≪218 f.≫) und zielt darauf ab, die effektive Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben zu ermöglichen. Insoweit entscheidet der Deutsche Bundestag etwa über den näheren Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. BVerfGE 1, 144 ≪151 f.≫; 80, 188 ≪219≫), über Einrichtung, Aufgaben, Zusammensetzung und Arbeitsweise von Ausschüssen und anderen Untergremien, über die Verfahren zur Wahrnehmung seiner Initiativ-, Informations- und Kontrollrechte, die Bildung von Fraktionen und ihre Rechte sowie über die Ausübung des parlamentarischen Rederechts (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫). Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass der Deutsche Bundestag im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Parlaments eine Fraktionsmindeststärke festlegen kann (vgl. BVerfGE 96, 264 ≪278≫). Entsprechendes gilt für Regelungen in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT), die bestimmte Anträge den Fraktionen oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages vorbehalten (vgl. beispielsweise § 20 Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 5 Satz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1, § 26, § 42, § 44 Abs. 3 Satz 1, § 45 Abs. 2 Satz 1, § 76 Abs. 1 GOBT), und für die Differenzierung zwischen Fraktionen und anderen Gruppierungen, die von der Erwägung getragen wird, dass durch sie einer Behinderung der parlamentarischen Arbeit durch eine Vielzahl von letztlich aussichtslosen Anträgen kleiner Gruppen begegnet werden kann (vgl. BVerfGE 96, 264 ≪278 f.≫). Auch das Recht des einzelnen Abgeordneten auf Mitwirkung an der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung wird durch die Befugnis des Deutschen Bundestages begrenzt, in dem von der Verfassung vorgezeichneten Rahmen seine Arbeit und die Erledigung seiner Aufgaben zu organisieren.
c) Bei der Entscheidung darüber, welcher Regeln der Deutsche Bundestag zu seiner Selbstorganisation und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs bedarf, kommt ihm grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es ist in erster Linie seine Sache, zu konkretisieren, auf welche Weise seine Mitglieder an der parlamentarischen Willensbildung mitwirken (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪220≫).
d) Im Rahmen seiner Selbstorganisationsbefugnis darf sich der Deutsche Bundestag grundsätzlich auch der Form des Gesetzes bedienen. Seine Geschäftsordnungsautonomie wird durch eine gesetzliche Regelung jedenfalls dann nicht in verfassungsrechtlich relevanter Weise eingeschränkt, wenn der Bundesregierung dadurch keine ins Gewicht fallenden Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verfahren und die Willensbildung des Bundestages eröffnet werden, wenn weder das Gesetz noch dessen Aufhebung der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, der Kern der Geschäftsordnungsautonomie unberührt bleibt und überdies gewichtige sachliche Gründe für die Wahl der Gesetzesform sprechen (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪361≫).
6. Ausgangspunkt und Grundlage für die Ausgestaltung und Beschränkung der Abgeordnetenrechte ist das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten an den Entscheidungen des Deutschen Bundestages; es ist Richtmaß für die Ausgestaltung von Organisation oder Geschäftsgang des Parlaments (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫). Soweit Abgeordnete durch Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden sollen, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Die Befugnis zur Selbstorganisation erlaubt es dagegen nicht, den Abgeordneten Rechte vollständig zu entziehen (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫; 80, 188 ≪219≫; 84, 304 ≪321 f.≫).
a) Der Deutsche Bundestag ist im Rahmen seiner Selbstorganisationsbefugnis und seiner Geschäftsordnungsautonomie grundsätzlich berechtigt, Untergremien zu bilden, um eine sachgerechte Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen (BVerfGE 80, 188 ≪219≫). Die zunehmende Komplexität der zu behandelnden Sachverhalte und die Schwerfälligkeit des Plenums zwingen geradezu zu einer Arbeitsteilung (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪317≫). Es ist ihm namentlich gestattet, Ausschüsse einzurichten (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪318≫) und diesen einzelne vom Bundestag wahrzunehmende Aufgaben zu übertragen, beispielsweise die Vorbereitung von Plenumsbeschlüssen oder die Wahrnehmung von Informations-, Kontroll- und Untersuchungsrechten (vgl. §§ 54 ff. GOBT).
b) Nicht von ungefähr entspricht es der parlamentarischen Tradition, dass große Teile der vom Deutschen Bundestag zu erfüllenden Aufgaben außerhalb des Plenums, vor allem in Ausschüssen, erledigt werden (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪317≫; 80, 188 ≪221≫; 84, 304 ≪323≫). Diese sind grundsätzlich darauf beschränkt, die Verhandlungen und Beschlüsse des Plenums vorzubereiten, arbeiten also auf eine endgültige Beschlussfassung durch das Plenum hin (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 GOBT). Sie nehmen damit einen Teil des Entscheidungsprozesses entlastend vorweg und üben zugleich einen wesentlichen Teil der Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben des Deutschen Bundestages aus (vgl. Art. 43 Abs. 1 GG).
c) In einigen im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen kann der Deutsche Bundestag auch Befugnisse zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung auf Ausschüsse übertragen (insbesondere Art. 45, 45c, 45d, 53a GG). Ob und inwieweit der Bundestag, weitergehend, durch Gesetz oder aufgrund seiner Geschäftsordnungsautonomie generell Entscheidungsbefugnisse auf von ihm eingerichtete Untergremien übertragen kann – was von der überwiegenden Auffassung im Schrifttum jedenfalls für staatsleitende und andere wesentliche Entscheidungen verneint wird (vgl. Kretschmer, in: Bonner Kommentar, Bd. 7, Art. 45 Rn. 211; Berg, in: Bonner Kommentar, Bd. 8, Art. 45a, Rn. 61; Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 45c, Rn. 30; Morlok, VVDStRL 62 [2003], S. 37 ≪59≫; Schmidt, AöR 128 [2003], S. 609 ≪624≫; a.A. Friesenhahn, VVDStRL 16 [1957], 9 ≪32≫) – bedarf hier keiner grundsätzlichen Entscheidung.
d) In der Staatspraxis haben für den Bereich des Haushalts Entscheidungsbefugnisse des Haushaltsausschusses Anerkennung gefunden, an die das Stabilisierungsmechanismusgesetz erkennbar anknüpft. So entspricht es der Staatspraxis, dass das Plenum des Deutschen Bundestages zwar den Haushaltsplan und damit den grundsätzlichen Rahmen des Bundeshaushalts, insbesondere die Höhe der einzelnen Etatposten und deren Verwendungszweck, festlegt, die im Grundsatz bewilligten Mittel jedoch in bestimmten Fällen der Freigabe durch den Bundestag bedürfen (vgl. § 22 Satz 1 und Satz 3, § 36 Satz 2 BHO), über die regelmäßig nicht das Plenum, sondern der Haushaltsausschuss entscheidet (vgl. Gröpl, in: Gröpl, BHO/LHO, 2011, § 36 Rn. 9). Darüber hinaus hat es etwa das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität vom 7. September 2011 im Fall einer besonders gelagerten, an gesetzlich bestimmte Inanspruchnahmevoraussetzungen gebundenen, streng konditionalen und zeitlich eng befristeten Gewährleistungsübernahme gebilligt, dass die grundsätzlich dem Plenum vorbehaltene Zustimmung durch den Haushaltsausschuss erteilt wird (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2953≫, Rn. 141).
e) Das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Prinzip der repräsentativen Demokratie gewährleistet für jeden Abgeordneten nicht nur die Freiheit in der Ausübung seines Mandates, sondern auch die Gleichheit im Status als Vertreter des ganzen Volkes. Dieser Grundsatz fußt letztlich auf dem durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Beide besonderen Gleichheitssätze stehen im Hinblick auf das durch sie konkretisierte Prinzip der repräsentativen Demokratie in einem unauflösbaren, sich wechselseitig bedingenden Zusammenhang (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪237 ff.≫; 112, 118 ≪134≫). Ungeachtet der strukturellen Unterschiede zwischen Wahlrecht und freiem Mandat der gewählten Abgeordneten bedürfen daher Differenzierungen in Bezug auf den Abgeordnetenstatus zu ihrer Rechtfertigung entsprechend den sich aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ergebenden Anforderungen (vgl. dazu BVerfGE 6, 84 ≪92≫; 51, 222 ≪236≫; 95, 408 ≪418≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 9. November 2011 – 2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10 –, DVBl 2011, S. 1540 ≪1541≫, Rn. 87) eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann. Die Anforderungen an einen solchen Grund entsprechen denen, die an Differenzierungen innerhalb der Wahlrechtsgleichheit zu stellen sind, weil diese auf der zweiten Stufe der Entfaltung demokratischer Willensbildung, das heißt im Status und der Tätigkeit des Abgeordneten fortwirkt (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪237 ff.≫; 112, 118 ≪134≫). Organisationsmaßnahmen des Deutschen Bundestages, die wegen des Umfangs der delegierten Befugnisse oder wegen des von der Übertragung betroffenen Sachgebiets besonders tief in die grundsätzlich gleichen Statusrechte aller Abgeordneten eingreifen, unterliegen deshalb einer strengen verfassungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪367≫). Dies gilt insbesondere für die Delegation von Entscheidungsbefugnissen zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung auf Untergremien des Deutschen Bundestages.
7. Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪369≫). Damit unverhältnismäßige Beeinträchtigungen von Statusrechten der Abgeordneten vermieden werden, muss der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gewahrt bleiben (a). Zudem dürfen die Informations- und Unterrichtungsmöglichkeiten für die nicht beteiligten Abgeordneten nicht über das unabdingbar notwendige Maß hinaus beschränkt werden (b).
a) Die Besetzung der Ausschüsse des Deutschen Bundestages und anderer Untergremien des Plenums muss dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit entsprechen (BVerfGE 112, 118 ≪133≫). Das folgt aus der Freiheit und Gleichheit des Mandats nach Art. 38 Abs. 1 GG und aus der Repräsentationsfunktion des Bundestages (Art. 20 Abs. 2 GG). Wird die Repräsentation des Volkes in Ausschüsse oder andere Untergremien verlagert, weil dort die Entscheidungen des Parlaments tendenziell vorbestimmt oder gar für das Parlament als Ganzes getroffen werden (BVerfGE 70, 324 ≪363≫), so müssen diese Gremien auch in ihrer politischen Prägung dem Plenum entsprechen. Das gilt namentlich, wenn sie wesentliche Teile der dem Bundestag zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪222≫; 112, 118 ≪136≫).
aa) Die Fraktionen stellen die wesentlichen politischen Kräfte im Parlament dar. Auf der Gleichheit der einzelnen Abgeordneten aufbauend, sind sie der maßgebliche Bezugspunkt für die Gewichtung von Untergremien und daher auch entsprechend ihrer Stärke zu behandeln (vgl. BVerfGE 84, 304 ≪322 f.≫; 112, 118 ≪133≫). Jeder Ausschuss muss deshalb ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪222≫; 84, 304 ≪323≫; 96, 264 ≪282≫; 112, 118 ≪133≫). Das erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum vertretenen Fraktionen (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit). § 12 Satz 1 GOBT trägt dem Rechnung, indem er bestimmt, dass die Zusammensetzung der Ausschüsse im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen ist.
bb) Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit enthält für sich genommen keine Aussage über die zulässige Größe eines Ausschusses oder eines anderen Untergremiums (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪363≫). Je kleiner das Untergremium ausfällt, desto mehr Abgeordnete werden allerdings an der Wahrnehmung ihrer Statusrechte gehindert, und umso weniger ist insofern auch der Repräsentationsfunktion entsprochen. Daher steigen die Anforderungen an eine sachliche Rechtfertigung der Delegation von Entscheidungsbefugnissen mit der abnehmenden Größe eines Untergremiums. In Ausnahmefällen kann dies trotz formaler Wahrung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit zu einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der zu geringen Größe des Untergremiums führen.
cc) Die Entscheidung, wie dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit konkret Rechnung zu tragen ist, insbesondere über welches Berechnungsverfahren, ist durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vorgegeben, sondern fällt grundsätzlich in die Entscheidungsbefugnis des Deutschen Bundestages (BVerfGE 96, 264 ≪283≫). Das Verfahren nach St. Laguë/Schepers ist dabei ebenso wenig zu beanstanden wie der Rückgriff auf die ebenfalls etablierten Verfahren nach d'Hondt oder Hare/Niemeyer (vgl. BVerfGE 96, 264 ≪283≫). Auch ein Wechsel zu einem anderen Zählverfahren kann gerechtfertigt sein, wenn hierfür sachliche Gründe bestehen (vgl. BVerfGE 96, 264 ≪283≫).
dd) Abstriche vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit sind nur in besonders gelagerten Fällen zulässig. Kollidiert er etwa mit dem Mehrheitsprinzip, also dem Grundsatz, dass sich die die Regierung tragende parlamentarische Mehrheit bei Sachentscheidungen auch in verkleinerten Abbildungen des Bundestages durchsetzen können muss, sind beide Grundsätze zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (BVerfGE 112, 118 ≪140≫). Verkleinerte Abbildungen des Bundestages müssen deshalb personell dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit genügen; Abweichungen sind nur in engen Grenzen zulässig, wenn durch sie der im Plenum bestehenden politischen „Regierungsmehrheit” Rechnung getragen werden kann (BVerfGE 112, 118 ≪141≫; vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 26. November 2009 – Vf. 32-IVa-09 –, BayVBl 2010, S. 298 ff.).
b) Soweit der Deutsche Bundestag Informations- und Kontrollrechte an ein Untergremium delegiert (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫), muss er sicherstellen, dass auch insoweit der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs gewahrt bleibt. Das gilt gerade im Bereich des Budgetrechts und der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung, in dem auch dem einzelnen Abgeordneten grundsätzlich weitreichende Informations- und Kontrollrechte zustehen, namentlich das Recht auf Informationen, die eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans ermöglichen (BVerfGE 70, 324 ≪355≫), das Recht auf eigenständige Beurteilung des Haushaltsentwurfs der Bundesregierung und hierzu eingebrachter Änderungsanträge (BVerfGE 70, 324 ≪356≫) und das Recht auf Kontrolle grundlegender haushaltspolitischer Entscheidungen (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 124). Die Unterrichtung der nicht beteiligten Abgeordneten mindert die Intensität der mit der Delegation verbundenen Einschränkung ihrer Statusrechte und das Ausmaß der Ungleichbehandlung und ermöglicht es dem Plenum grundsätzlich, die Entscheidung wieder an sich zu ziehen (vgl. Kretschmer, a.a.O., Rn. 212).
II.
Nach diesen Maßstäben ist der Antrag überwiegend begründet. § 3 Abs. 3 StabMechG verletzt die Antragsteller in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, soweit er sie nicht nur für die Fälle der Ankäufe von Staatsanleihen, die die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität am Sekundärmarkt tätigt (§ 1 Abs. 1 Satz 2, 5. Variante, Abs. 2 Satz 3, 3. Variante StabMechG), von der Mitwirkung an der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ausschließt (1.). § 5 Abs. 7 StabMechG lässt eine verfassungskonforme Auslegung zu, nach der die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich nach Fortfall der die Befassung des Sondergremiums rechtfertigenden Gründe über diese Gründe und die von dem Sondergremium gefassten Beschlüsse unterrichten muss (2.).
1. § 3 Abs. 3 StabMechG schließt die Antragsteller von wesentlichen, die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührenden Entscheidungen in vollem Umfang aus (a). Dieser Ausschluss ist nicht durch hinreichend gewichtige, an der Funktionsfähigkeit des Parlaments orientierte Gründe gerechtfertigt (b).
a) § 3 Abs. 3 StabMechG schließt die nicht im Sondergremium vertretenen Abgeordneten von wesentlichen, die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührenden Entscheidungen aus und bewirkt dadurch eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der aus dem Abgeordnetenstatus folgenden Mitwirkungsbefugnisse im Rahmen der parlamentarischen Arbeit.
§ 3 Abs. 3 StabMechG ordnet an, dass alle Beteiligungsrechte, die dem Deutschen Bundestag nach § 3 Abs. 1 StabMechG als Ganzem zustehen, in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit vom Sondergremium wahrgenommen werden (Satz 1 und 2). Bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren nach § 1 Abs. 2 Satz 3 StabMechG wird das Vorliegen eines solchen Falles regelhaft vermutet (Satz 3); im Übrigen – also bei Darlehen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität an einen Mitgliedsstaat der Euro-Gruppe und bei Ankäufen von Staatsanleihen auf dem Primärmarkt – kann die Bundesregierung die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit einer Angelegenheit geltend machen (Satz 4). Diese Regelung hat zur Folge, dass das Sondergremium in einem Bereich beschließt, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührt, und damit zu einer selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung von Aufgaben ermächtigt ist.
Dadurch wird in die Rechte der im Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten eingriffen, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten (BVerfGE 70, 324 ≪355≫) und zu ihr zu reden (BVerfGE 10, 4 ≪12≫; 60, 374 ≪379≫; 80, 188 ≪218≫), das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben (BVerfGE 13, 123 ≪125≫; 57, 1 ≪5≫; 67, 100 ≪129≫; 70, 324 ≪355≫; 80, 188 ≪218≫) und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 70, 324 ≪355≫; 80, 188 ≪218≫). Ebenfalls beschränkt werden das Recht auf den Erhalt der Informationen, die eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans ermöglichen (BVerfGE 70, 324 ≪355≫), auf eigenständige Beurteilung des Haushaltsentwurfs und entsprechender, die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührender Vorlagen der Bundesregierung (BVerfGE 70, 324 ≪356≫) sowie das Kontrollrecht über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011, a.a.O., S. 2946 ≪2951≫, Rn. 124).
Die Antragsteller sind nicht zu Mitgliedern des Sondergremiums gewählt worden. Sie gehören somit zu den derzeit 611 Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 StabMechG keinerlei Abgeordnetenrechte wahrnehmen können.
b) Der vorgesehene Ausschluss der Antragsteller von mit ihrem Abgeordnetenstatus verbundenen Rechten lässt sich zwar grundsätzlich mit an der Funktionsfähigkeit des Parlaments orientierten Gründen rechtfertigen (aa). Im hier zu entscheidenden Fall genügen diese Gründe jedoch nicht den sich aus dem Grundsatz der Abgeordnetengleichheit ergebenden Anforderungen an Differenzierungen hinsichtlich des Abgeordnetenstatus (bb). Ein Verstoß gegen das Gebot der Spiegelbildlichkeit von Untergremien des Parlaments liegt dagegen bei verfassungskonformer Auslegung von § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG nicht vor (cc).
aa) Die Einrichtung eines Untergremiums zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung von Aufgaben des Deutschen Bundestages unterfällt dem Selbstorganisationsrecht des Parlaments, dem insoweit grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (1). Der Ausschluss der in einem solchen Untergremium nicht vertretenen Abgeordneten von ihren Mitwirkungsbefugnissen kann prinzipiell auch im Hinblick auf die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit einer Angelegenheit gerechtfertigt werden (2).
(1) Die Regelung des Sondergremiums durch § 3 Abs. 3 StabMechG ist eine Angelegenheit der Selbstorganisation des Deutschen Bundestages. Dass es durch Gesetz statt durch die Geschäftsordnung institutionalisiert wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, der Kernbereich der Geschäftsordnungsautonomie unberührt bleibt und die Wahl der Gesetzesform schließlich von gewichtigen Gründen – hier: dem besonderen Gesetzesvorbehalt aus Art. 115 Abs. 1 GG – nicht nur getragen, sondern gefordert wird (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪361 f.≫). Verfassungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt dabei jedoch, ob das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten an den Aufgaben des Parlaments gewahrt ist (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪220≫).
(2) Als Grund, der einen Eingriff in die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Abgeordnetenrechte legitimieren kann, kommt dem Grundsatz der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages (vgl. BVerfGE 96, 264 ≪278 f.≫; 112, 118 ≪140≫) besondere Bedeutung zu, der Verfassungsrang genießt. Er kann es rechtfertigen, dass der Deutsche Bundestag in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit Vorkehrungen für ein zügiges Handeln und gegen das Bekanntwerden geplanter Maßnahmen trifft, wenn ansonsten eine sachangemessene parlamentsinterne Entscheidungsfindung nicht gewährleistet ist.
(a) Die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages in Fällen besonders eilbedürftiger Entscheidungen ist ein anerkennenswerter Belang und kann es angezeigt sein lassen, Beratung und Beschlussfassung über einen Gegenstand nicht im Plenum durchzuführen, wenn dieses nicht kurzfristig genug zusammentreten und aufgrund der Zeitnot nicht sachgerecht beraten und beschließen kann. So hat es das Bundesverfassungsgericht für den Bereich des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts zugelassen, dass bei Gefahr im Verzug einstweilen die Bundesregierung über den Einsatz der Streitkräfte entscheidet (BVerfGE 90, 286 ≪388≫; 121, 135 ≪162 f.≫).
(b) Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪358 f.≫). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (Art. 45d GG; §§ 1, 2 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes – PKGrG). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt (BVerfGE 70, 324 ff.), dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪364≫).
bb) Bei der Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages einerseits sowie den damit kollidierenden Statusrechten der Abgeordneten andererseits sicherzustellen. Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen des Deutschen Bundestages auf das Untergremium, verbunden mit der Befugnis zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten steht in einem Spannungsverhältnis zu dem die Befassung des Plenums gebietenden Grundsatz der Budgetöffentlichkeit, der als Ausprägung des die Demokratie prägenden Transparenzgebotes ebenfalls Verfassungsrang genießt (vgl. oben D. I. 2. c). Der damit einhergehende weitgehende Entzug von Abgeordnetenrechten bedarf besonders gewichtiger Gründe. Erfolgt die Delegation der Entscheidungsbefugnisse im Interesse besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein. Diesen Anforderungen wird die Einrichtung des in § 3 Abs. 3 StabMechG vorgesehenen Sondergremiums weder unter dem Gesichtspunkt der besonderen Eilbedürftigkeit (1) noch demjenigen der Vertraulichkeit gerecht (2). Auch die Regelvermutung des § 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 StabMechG entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben (3).
(1) Sollen Abgeordnetenrechte zur Verwirklichung eines verfassungsrechtlich abgesicherten Belangs wegen besonderer Eilbedürftigkeit weitgehend entzogen werden, setzt dies voraus, dass die Maßnahme bei Befassung des Plenums ihren Zweck aus zeitlichen Gründen verfehlen würde, dass es daher der in Aussicht genommenen Größe des Sondergremiums bedarf und dass sie unmittelbar im Anschluss an die Beratung und Beschlussfassung auch tatsächlich umgesetzt werden soll und umgesetzt wird. Dies lässt sich auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung und den vom Bundesfinanzministerium übergebenen „Leitlinien” im Ergebnis für keine der im Maßnahmenkatalog der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität aufgeführten Notmaßnahmen feststellen.
Auch sind weder im Gesetzgebungsverfahren noch im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Gründe erkennbar geworden, deretwegen ein „kleinstmögliches” Untergremium notwendig sein soll, um besonders rasch zusammentreten zu können. Zwar erfordert die Ladung von neun Mitgliedern einen geringeren Verwaltungsaufwand als die Ladung des Haushaltsausschusses mit 41 Mitgliedern und einer entsprechenden Anzahl von Stellvertretern oder gar des Plenums mit seinen 620 Abgeordneten. Auf der anderen Seite sind für die Mitglieder des Sondergremiums keine Stellvertreter vorgesehen, so dass bereits die Verhinderung weniger Mitglieder zu seiner Beschlussunfähigkeit führen könnte, was einer besonderen Eilbedürftigkeit gerade zuwider liefe. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass für sämtliche Maßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität eine Vielzahl von vorbereitenden Handlungen und Ausführungsmaßnahmen durch den ersuchenden Staat und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität vorgesehen sind, spricht auch dies in aller Regel gegen eine besondere Eilbedürftigkeit. In diesem Sinne hat sich auch der Vertreter der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität während des Gesetzgebungsverfahrens geäußert (vgl. Stenographisches Protokoll der 62. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 19. September 2011, Protokoll 17/62, S. 13 f.). Die weitgehende Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten durch die Delegation von Befugnissen des Bundestages auf das Sondergremium zur selbständigen und plenarersetzenden Wirkung ist daher mit Gründen besonderer Eilbedürftigkeit nicht zu rechtfertigen.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen einer besonderen Eilbedürftigkeit, die eine Einberufung des Plenums ausschließt, käme daher allenfalls eine Befassung des Haushaltsausschusses in Betracht, wie sie in § 4 StabMechG auch vorgesehen ist. Der Haushaltsausschuss hat mit derzeit 41 Mitgliedern eine Größe, die ein kurzfristiges Zusammentreten ermöglicht. Er ist im Notfall bereits mit 21 Mitgliedern beschlussfähig (vgl. § 67 Satz 1 GOBT) und verfügt – anders als das Untergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG – über stellvertretende Ausschussmitglieder, was rasche Entscheidungen auch bei Verhinderung einzelner Mitglieder erleichtert.
(2) Soweit der weitreichende Eingriff in die Statusrechte der Abgeordneten unter Verweis auf Geheimschutzbelange gerechtfertigt werden soll, ist die Einschätzung des Deutschen Bundestages, die Übertragung von Entscheidungskompetenzen auf das Sondergremium sei aus Geheimschutzgründen erforderlich und trage den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie noch ausreichend Rechnung, nur für einen Teil der im Maßnahmenkatalog der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität aufgeführten Notmaßnahmen gerechtfertigt. Die Annahme des Deutschen Bundestages, dass ein solcher Ausnahmefall vorliege, soweit über Notmaßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 3, 3. Variante StabMechG beraten und beschlossen werden muss, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (a); für die sonstigen Notmaßnahmen ist ein derart zwingendes Geheimhaltungsbedürfnis dagegen nicht erkennbar (b).
(a) Der Deutsche Bundestag hat für die allermeisten Fallgestaltungen mit der von ihm erlassenen Geheimschutzordnung, deren Einhaltung die Pflicht eines jeden Abgeordneten und deren Verletzung strafbar ist (H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 224 ≪Oktober 2010≫), grundsätzlich ausreichende Vorsorge für die Wahrung der Vertraulichkeit getroffen. Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise aber dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen.
Dies gilt, soweit über gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 3, 3. Variante StabMechG erforderliche Notmaßnahmen, also den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität auf dem Sekundärmarkt, beraten und beschlossen werden muss. Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, und der Abgeordnete Peter Altmaier haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass ein Bekanntwerden auch nur der Planung einer solchen Notmaßnahme geeignet wäre, den Erfolg derselben zu vereiteln. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Vorbereitung einer solchen Notmaßnahme, also auch deren Beratung und ein diesbezüglicher Zustimmungsbeschluss, absoluter Vertraulichkeit unterliegen müssen. Wenn aber bereits die Befassung des Deutschen Bundestages mit dieser Notmaßnahme geheim gehalten werden muss, liegt es auf der Hand, dass Maßnahmen nach der Geheimschutzordnung nicht ausreichend sind und auch die Befassung eines Gremiums mit über vierzig Personen schon aufgrund der damit verbundenen umfangreicheren organisatorischen Vorbereitungen Risiken birgt.
(b) Für andere Notmaßnahmen, für die sogenannten vorsorglichen Maßnahmen und die Kredite an Mitgliedstaaten des Euro-Währungsraums zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten ist ein dermaßen zwingendes Geheimhaltungsbedürfnis dagegen nicht erkennbar. Die vorsorglichen Maßnahmen setzen nach den Leitlinien voraus, dass der ersuchende Staat zunächst einen Antrag auf Einräumung einer solchen Kreditlinie stellt und diese später abruft. Beides wird regelmäßig weder im ersuchenden Staat noch in den übrigen Staaten vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Entsprechendes gilt für Darlehen zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten, die nach den Leitlinien zwei gescheiterte Versuche einer Rekapitalisierung – einmal durch den Privatsektor und einmal durch den ersuchenden Staat – voraussetzen. Auch in der mündlichen Verhandlung haben der Antragsgegner und die beigetretene Bundesregierung hierzu nicht substantiiert vorgetragen.
(3) Auch die in § 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 StabMechG enthaltene Regelung, wonach bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren nach § 1 Abs. 2 Satz 3 StabMechG, also bei Krediten zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten, dem Ankauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt und den sogenannten vorsorglichen Maßnahmen, die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit „regelmäßig” vorliegt, und die Bundesregierung im Übrigen eine besondere Eilbedürftigkeit und Vertraulichkeit geltend machen kann, wird – abgesehen von den unter D. II. 1. b) bb) (2) (a) genannten Konstellationen – den Anforderungen an einen schonenden Ausgleich zwischen dem in der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages angesiedelten Geheimnisschutzinteresse und den damit kollidierenden Statusrechten der Abgeordneten nicht gerecht.
Die Regelvermutung verfehlt die Beschränkung der Delegationsmöglichkeit auf eng begrenzte Ausnahmefälle. Jedenfalls dann, wenn – wie hier – wesentliche Aufgaben des Plenums ausschließlich und abschließend von dem Untergremium wahrgenommen werden und ein für das Parlament besonders bedeutsames Sachgebiet betroffen ist, stellt eine gesetzliche Regelvermutung für die weitgehende Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten keinen angemessenen, möglichst schonenden Ausgleich dar. Eine solche Regelung wird weder den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht noch sichert sie die Beteiligungsrechte des Plenums in ausreichender Weise. Die Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten wird dadurch zusätzlich verschärft, dass das Plenum keine effektive Möglichkeit hat, das Eingreifen der Regelvermutung im Vorfeld zu überprüfen und die zu entscheidende Angelegenheit wieder an sich zu ziehen. Damit liegen die Einhaltung der funktionalen Zuständigkeitsverteilung und die Konkretisierung der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung steuernden unbestimmten Rechtsbegriffe letztlich in der Hand des Sondergremiums. Dessen Mitglieder können der Annahme einer besonderen Vertraulichkeit zwar mit Mehrheit widersprechen (§ 3 Abs. 3 Satz 5 StabMechG). Eine wirksame Kontrolle dieser Konkretisierungsentscheidung, wie sie etwa im Plenum durch die parlamentarische Opposition erfolgen könnte, sieht das Gesetz jedoch nicht vor.
cc) § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG verletzt die Antragsteller dagegen nicht in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, soweit er nicht ausdrücklich eine spiegelbildliche Zusammensetzung des Sondergremiums anordnet. Denn diese ist auf der Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung möglich und geboten. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit verlangt, dass das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 Satz 1 StabMechG die Zusammensetzung des Plenums in seiner konkreten, durch die Fraktionen geprägten Gestalt abbildet.
(1) Die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG sieht lediglich eine Vertretung aller Fraktionen und eine Abbildung der auf das Verhältnis von Regierung und Opposition bezogenen Mehrheitsverhältnisse ausdrücklich vor. Hingegen fehlt es an einer Bestimmung, die sicherstellt, dass die Zusammensetzung des Sondergremiums im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorgenommen wird. Zwar soll sich ausweislich der Gesetzesbegründung die Zahl der Mitglieder des Sondergremiums und ihre Verteilung auf die Fraktionen nach dem Verfahren St. Laguë/Schepers bestimmen (BTDrucks 17/7130, S. 10), gegen das von Verfassungs wegen nichts zu erinnern ist (vgl. oben D. I. 7. a) cc). Dieses Verfahren gewährleistet eine spiegelbildliche Zusammensetzung jedoch nur dann, wenn es schematisch und ohne Modifikationen angewandt wird. § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG enthält hierzu keine Regelung, sondern lässt vielmehr offen, wie genau die Besetzung des Sondergremiums erfolgen soll.
(2) § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG ist mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG nur in einer Auslegung vereinbar, die dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit Rechnung trägt. Die Bestimmung muss so ausgelegt werden, dass auch das Sondergremium ein verkleinertes Abbild des Plenums darstellt und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums in seiner politischen Gewichtung widerspiegelt (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪222≫; 84, 304 ≪323≫; 96, 264 ≪282≫; 112, 118 ≪133≫). Das erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum vertretenen Fraktionen.
(3) Zwar hat der Deutsche Bundestag bei der Wahl der Mitglieder des Sondergremiums am 26. Oktober 2011 gegen diese Anforderungen verstoßen und das Verfahren St. Laguë/Schepers modifiziert angewendet. Während der CDU/CSU-Fraktion bei einer strikten Anwendung des Berechnungsverfahrens vier Sitze, der FDP-Fraktion hingegen nur ein Sitz zugestanden hätten, hat der Deutsche Bundestag mit den Abgeordneten Norbert Barthle, Bartholomäus Kalb und Michael Stübgen nur drei Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion und mit den Abgeordneten Otto Fricke und Michael Link jedoch zwei Abgeordnete der FDP-Fraktion zu Mitgliedern des Sondergremiums bestimmt (vgl. Stenographischer Bericht, Plenarprotokoll 17/135, S. 15976 A; BTDrucks 17/7454). Er hat der FDP-Fraktion damit einen Sitz mehr zugewiesen, als sie bei regulärer Anwendung des Berechnungsverfahrens beanspruchen könnte; zugleich hat die Fraktion von CDU/CSU einen Sitz zu wenig erhalten. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ist daher bei der beabsichtigten Besetzung des Sondergremiums nicht gewahrt. Zur Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG und einer daraus folgenden Verletzung von Rechten der Antragsteller führt dies jedoch nicht.
2. § 5 Abs. 7 StabMechG verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Bestimmung ist so auszulegen, dass die Unterrichtungsrechte des Plenums nur so lange suspendiert sind, wie die Gründe für die besondere Vertraulichkeit bestehen; nach Fortfall dieser Gründe muss die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich von sich aus über die Befassung des Sondergremiums und die sie rechtfertigenden Gründe unterrichten.
a) Der Grundsatz, dass die Statusrechte der Abgeordneten nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments zurückgesetzt werden dürfen, gilt auch für die Informationsrechte der Abgeordneten und auch in zeitlicher Hinsicht. Eine umgehende nachträgliche Unterrichtung der Abgeordneten ist auch deshalb unumgänglich, weil der Bundestag andernfalls gehindert wäre, in der gebotenen Weise seine Kontrollfunktion in Bezug auf die Durchführung der gesetzlichen Delegationsregelung wahrzunehmen, Erfahrungen mit ihr zu sammeln und einen politischen Willen über ihre Beibehaltung zu bilden.
b) § 5 Abs. 7 StabMechG steht einer dementsprechenden Auslegung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können die Unterrichtungsrechte nach § 5 Abs. 1 bis 6 StabMechG in Fällen besonderer Vertraulichkeit gemäß § 3 Abs. 3 StabMechG auf die beteiligten Mitglieder des Haushaltsausschusses beschränkt werden, solange die Gründe für die besondere Vertraulichkeit bestehen. Diese Bestimmung erzwingt weder noch gestattet sie es, dem Bundestag die Informationen, die er zur Ausübung seiner Kontrollfunktion benötigt, über den genannten Zeitraum hinaus vorzuenthalten.
E.
Die Auslagenerstattung richtet sich im Organstreitverfahren nach § 34a Abs. 3 BVerfGG (BVerfGE 96, 66 ≪67≫). Sie kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. BVerfGE 20, 119 ≪133 f.≫; 49, 70 ≪89≫; 96, 66 ≪67≫). Dies ist hier der Fall (vgl. BVerfGE 82, 322 ≪351≫).
F.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Unterschriften
Voßkuhle, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau, Huber, Hermanns
Fundstellen
Haufe-Index 2910767 |
BVerfGE 2012, 318 |