Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnung bergfreier Bodenschätze. Förderabgabe. Kiese und Kiessande. neue Bundesländer. Gleichheitssatz. Befreiung von der Förderabgabe. Gefährdung der Wettbewerbslage der Gewinnungsunternehmen. Gefährdung der Wettbewerbslage einzelner Unternehmen. rückwirkendes Inkraftsetzen der Förderabgaben-Verordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erhebung einer Förderabgabe gemäß § 31 BBergG für die Gewinnung von Kiesen und Kiessanden, die aufgrund des Einigungsvertrages (Art. 8 in Verbindung mit Anlage 1 Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1) in den neuen Bundesländern als bergfreie Bodenschätze galten, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
2. § 32 Abs. 2 BBergG verpflichtet den Verordnungsgeber nicht, einen Befreiungstatbestand für (Härte-)Fälle zu begründen, in denen die Erhebung der Förderabgabe die Wettbewerbslage nur einzelner Unternehmen gefährdet. Ob §§ 31 und 32 BBergG dem Landesverordnungsgeber Raum für die Schaffung eines solchen Befreiungstatbestandes oder für Vergünstigungen über die in § 32 Abs. 2 BBergG genannten Tatbestände hinaus läßt, erscheint zweifelhaft.
3. Der gesetzliche Abgabetatbestand für die Erhebung von Förderabgaben für die Gewinnung von bergfreien Bodenschätzen (hier: von Kiesen und Kiessanden als Betonzuschlagstoffen) in den neuen Bundesländern ist mit dem Einigungsvertrag am 3. Oktober 1990 entstanden. Daß die zur genauen Berechnung der Höhe der Abgabe erforderliche landesrechtliche Förderabgaben-Verordnung erst später (hier: für Sachsen-Anhalt 1996) erlassen und mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 in Kraft gesetzt worden ist, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EV Art. 8; BBergG §§ 31-32
Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 16.07.1998; Aktenzeichen C 1/4 S 266/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 114 242 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt im Normenkontrollverfahren die Feststellung der Nichtigkeit der Verordnung über Feldes- und Förderabgabe (FörderAVO) des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. November 1996 (GVBl LSA S. 348). Sie ist Inhaberin einer Bewilligung zum Abbau von Kiesen und Kiessanden zur Herstellung von Betonzuschlagstoffen. Mit Bescheid des zuständigen Bergamtes wurde sie für die Jahre 1992 bis 1995 zu Förderabgaben in einer Gesamthöhe von 114 242 DM herangezogen. Über die Klage auf Aufhebung des Abgabebescheids ist noch nicht entschieden. Mit dem Normenkontrollantrag rügt die Antragstellerin vor allem, daß der Verordnungsgeber nicht von der Ermächtigung in § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBergG Gebrauch gemacht habe, von der Förderabgabe zu befreien, und daß er die Vorschriften über die Abgabebemessung rückwirkend zum 3. Oktober 1990 in Kraft gesetzt habe. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgelehnt.
Entscheidungsgründe
II.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet. Die in der Beschwerdeschrift geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO) liegen nicht vor.
1. Die Frage, „ob es – insbesondere ohne Art. 3 Abs. 1 GG zu verletzen – möglich ist, eine Förderabgabe gemäß § 31 BBergG auf Bodenschätze zu erheben, welche nur in einem Teilbereich des Bundesgebiets bergfrei sind, während sie in anderen Teilen des Altbundesgebietes als grundeigene Bodenschätze der Förderabgabe nicht unterliegen”, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Frage ist ohne weiteres zu bejahen. Die Erhebung einer Förderabgabe für die Gewinnung von Kiesen und Kiessanden bestimmter Qualität in den neuen Ländern ist eine Folge der Bergfreiheit dieser Bodenschätze. Die Qualifizierung als bergfrei beruht auf dem Einigungsvertrag. Sie ist verfassungsrechtlich weder unter Gesichtspunkten des Art. 14 GG noch des Art. 3 Abs. 1 GG zu beanstanden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 – BVerwG 7 C 36 u. 37.92 – BVerwGE 94, 23; DVBl 1993, 1146; Buchholz 111 Art. 8 EV Nr. 3; Beschluß vom 3. Mai 1996 – BVerwG 4 B 46.96 – Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 296; GewArch 1996, 327; ZfB 1996, 132; BVerfG, Beschluß vom 24. September 1997, ZfB 1997, 283). Daraus folgt zugleich, daß auch die Erhebung einer Förderabgabe als die gesetzliche Folge der Bergfreiheit (§ 31 BBergG) nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt. Gegen den Gleichheitssatz könnte es allenfalls verstoßen, wenn der Gesetzgeber in einem Teil des Bundesgebiets bestimmte Bodenschätze als bergfrei qualifizieren und zugleich allgemein auf die Erhebung einer Förderabgabe verzichten würde. Aufgrund der Qualifizierung als bergfrei ist das Recht auf Gewinnung der Bodenschätze nicht Bestandteil des Eigentums am Grundstück mit der Folge, daß der Oberflächeneigentümer über das Recht auf Gewinnung auch nicht verfügen, es insbesondere nicht gegen Entgelt einem Dritten übertragen oder zur Ausübung überlassen kann. Das Recht wird vom Staat verliehen. Die Förderabgabe stellt den Ausgleich für den – marktfähigen und vermögenswerten – Vorteil dar, den der Gewinnungsberechtigte damit erlangt. Wer als Dritter nicht bergfreie, d.h. im Eigentum des Grundstückseigentümers stehende Bodenschätze abbauen will, muß erst – in der Regel gegen Entgelt – vom Grundstückseigentümer ein entsprechendes Recht erwerben. Darauf ist der Inhaber einer Bewilligung nicht angewiesen. In der genannten Entscheidung vom 24. Juni 1993 – BVerwG 7 C 36 u. 37.92 – (BVerwGE 94, 23 ≪35≫) hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Zuordnung eines hohen Vermögenswertes in Gestalt der Bewilligung dadurch gerechtfertigt sei, daß deren Inhaber als Gegenleistung die Förderabgabe zu entrichten habe.
Aus eben diesen Gründen verstößt es nicht gegen den Gleichheitssatz, daß nach Aufhebung der Bergfreiheit der genannten Kiese und Sande durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen vom 15. April 1996 (BGBl I S. 602) die Gewinnung der zu grundeigenen Bodenschätzen gewordenen Mineralien nicht mit einer Förderabgabe belegt wird.
2. Auch die Beantwortung der Frage, „ob § 32 Abs. 2 BBergG in dem Sinne ausgelegt werden kann, daß eine durch Befreiung oder Festlegung eines abweichenden Vom-Hundert-Satzes oder Bemessungsmaßstabes abzuwehrende Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmer erst dann vorliegt, wenn die Erhebung der Abgabe für einen nicht unerheblichen Teil der Unternehmerschaft (und nicht nur einzelne Unternehmer) existenzbedrohende Folgen haben könne”, bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren. § 32 Abs. 2 BBergG ermächtigt, durch Rechtsverordnung für einen bestimmten Zeitraum u.a. Bewilligungen auf bestimmte Bodenschätze von der Förderabgabe zu befreien, soweit dies u.a. zur Abwehr einer Gefährdung der Wettbewerbslage der gewinnenden Unternehmen erforderlich ist. Damit ermächtigt das Gesetz unzweifelhaft zu einer allgemeinen Regelung; es stellt auf die Wettbewerbslage der „gewinnenden Unternehmen”, d.h. der Gesamtheit der Unternehmen als Wirtschaftszweig, ab. Ob der Verordnungsgeber auch ermächtigt ist, für (Härte-)Fälle, in denen die Erhebung der Förderabgabe die Wettbewerbslage einzelner Unternehmen gefährdet, einen Befreiungstatbestand zu schaffen, kann offenbleiben; denn § 32 Abs. 2 BBergG verpflichtet jedenfalls den Verordnungsgeber nicht zu einer entsprechenden Regelung, so daß das Normenkontrollgericht die Verordnung nicht wegen des Fehlens einer solchen Regelung für bundesrechtswidrig und deshalb nichtig erklären konnte.
3. Mit der Frage, „ob die Darlegungslast für die Gefährdung der Wettbewerbslage der Vielzahl der Unternehmer bei jedem einzelnen Bodenabbauunternehmer liegt oder beim normsetzenden Bundesland”, ist kein Klärungsbedarf in rechtsgrundsätzlicher Hinsicht dargetan. Das Normenkontrollgericht hat ausgeführt, der Antragsgegner habe dargelegt, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 BBergG für eine Befreiungsregelung in der Verordnung, nämlich eine Gefährdung der Wettbewerbslage der Kiese und Kiessande gewinnenden Unternehmen in Sachsen-Anhalt, nicht vorlägen. Dem habe die Antragstellerin substantiiert nichts entgegengesetzt. Über den Einzelfall hinausgehende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft diese Anwendung prozessualer Regeln über die Substantiierungslast der Beteiligten nicht auf.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auch eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1, § 87 VwGO) und die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erhebt, sind diese Rügen unbegründet. Das Normenkontrollgericht hat zu Recht ausgeführt, daß der Untersuchungsgrundsatz das Gericht nicht dazu verpflichtet, von sich aus allen denkbaren Möglichkeiten nachzugehen, wie sich die entscheidungserheblichen Tatsachen verhalten könnten, wenn der Vortrag der Beteiligten keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel bietet. Daß die Antragstellerin von sich aus allen Anlaß hatte, Substantielles zur Wettbewerbslage der Kiese und Kiessande gewinnenden Unternehmen darzulegen, liegt auf der Hand; denn sie berief sich gerade darauf, die Wettbewerbslage sei wegen der Erhebung der Förderabgabe gefährdet. Sie brauchte dazu – entgegen der in der Beschwerdeschrift vertretenen Meinung – nicht Einsicht in die Geschäftsunterlagen einzelner Unternehmen zu nehmen; denn nicht auf die Wettbewerbslage einzelner Unternehmen kam es an, sondern auf die Wettbewerbslage des Gewerbezweigs. Das Normenkontrollgericht hat ausgeführt, daß nach den Darstellungen des Antragsgegners die Wettbewerbslage des Kiese und Kiessande abbauenden Gewerbes in Sachsen-Anhalt insbesondere nicht durch einen Wettbewerbsdruck aus Niedersachsen gefährdet sei, weil Kiese und Kiessande nicht über weite Strecken transportiert, sondern in der Nähe der Gewinnungsstätten verarbeitet würden; dem habe die Antragstellerin nicht widersprochen.
4. Die Frage, „ob der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder ob § 32 Abs. 1 Satz 1 BBergG den Erlaß einer einzelfallbezogenen Vorschrift über die Herabsetzung des Förderzinses oder die (teilweise) Befreiung oder den Erlaß vom Förderzins fordert”, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Die Tatbestände für eine Herabsetzung oder den Erlaß des Förderzinses oder die Befreiung von der Abgabe sind in § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG benannt; darüber hinaus fordert die Vorschrift jedenfalls keine Vergünstigung für den Gewinnungsberechtigten. Das ist eindeutig und oben bereits ausgeführt.
Ob Art. 3 Abs. 1 GG über die in § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG benannten Tatbestände hinaus eine einzelfallbezogene Regelung des – gegebenenfalls auch nur teilweisen – Erlasses bzw. der Befreiung erfordert, wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu klären. Dafür, daß die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes schlechterdings nicht hinnehmbare Nachteile im Verhältnis zu anderen Unternehmen zu erwarten hätte, wenn sie die Förderabgabe in voller Höhe zu entrichten hätte, und daß sie deshalb durch das Fehlen einer einzelfallbezogenen Erlaß- oder Befreiungsregelung in der Förderabgaben-Verordnung in ihren Rechten verletzt wäre, gibt es weder in den Feststellungen des Normenkontrollgerichts noch in den Ausführungen der Beschwerdeschrift Anhaltspunkte. Der Antragstellerin ist die Möglichkeit zu entsprechendem Vortrag in ihrer auf Aufhebung des Abgabebescheids gerichteten Klage damit nicht abgeschnitten. Dort wäre dann auch darüber zu entscheiden, ob die Verordnung möglicherweise dahin ausgelegt werden kann, daß ergänzend landesrechtliche Befreiungs- oder Erlaßtatbestände in Betracht kommen. Allerdings würde dies voraussetzen, daß §§ 31 und 32 BBergG eine solche Auslegung gestatten. Daran könnten Zweifel bestehen. Wie schon ausgeführt, stellt die Förderabgabe den wirtschaftlichen Ausgleich dafür dar, daß dem Gewinnungsberechtigten durch Verleihung des Gewinnungsrechts ein vermögenswerter Vorteil zugewiesen wird. Dieser Vorteil wird übrigens dem Oberflächeneigentümer rechtlich vorenthalten. Der Vortrag der Antragstellerin, im Zusammenhang mit der Grundabtretung, die Voraussetzung für den Abbau der Kiese und Kiessande ist, versuchten die Oberflächeneigentümer diesen Vorteil über den Grundstückspreis für sich zu realisieren, ändert daran nichts, ebenso nicht der Vortrag über die von den Lagerstättenverhältnissen abhängigen unterschiedlich hohen Aufarbeitungs- und übrigen Gestehungskosten. Dies ist keine im Gesetz angelegte Folge, sondern eine Frage des Marktverhaltens beider Seiten, auch der unternehmerischen Kalkulation des Abbauwilligen sowie – soweit es zu einem förmlichen Grundabtretungsverfahren kommt – eine Frage der Bemessung des Verkehrswerts des Oberflächeneigentums (§ 85 BBergG). Unter diesen Aspekten spricht vieles dafür, daß § 32 Abs. 2 BBergG die Tatbestände des Erlasses oder der Befreiung abschließend regelt und daß für darüber hinausgehende Vergünstigungen auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes kein Raum ist. Dies kann hier jedoch offenbleiben.
5. Aus dem Vorstehenden folgt, daß ein Revisionsverfahren auch keinen Anlaß gäbe, die Frage der Rechtsnatur der Förderabgabe zu klären. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde die Regelung der Bemessungsmaßstäbe für die Abgabe problematisiert. Es liegt auf der Hand, daß der Verordnungsgeber die Maßstäbe generalisierend bestimmen darf; das gilt auch, soweit er bei diesen Maßstäben unterschiedlich hohe Aufbereitungskosten berücksichtigt. Darin, daß das Normenkontrollurteil sich mit diesen Fragen nicht befaßt, liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das Gericht muß in den Entscheidungsgründen die wesentlichen Fragen ansprechen, sich hingegen nicht mit jeglichem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich auseinandersetzen (BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 – BVerwG 4 C 10.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 = NVwZ 1996, 378).
6. Die Beschwerde problematisiert in mehrfacher Hinsicht, daß die Förderabgaben-Verordnung rückwirkend zum 3. Oktober 1990 in Kraft gesetzt worden ist, und formuliert in diesem Zusammenhang von ihr als grundsätzlich bezeichnete Fragen. Auch insoweit kommt der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Das Normenkontrollgericht hat sich mit der Problematik rückwirkender Normsetzung und der insoweit einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt. Es hat zu Recht darauf abgestellt, daß die hier streitige Förderabgabepflicht als solche im Bundesberggesetz selbst begründet und daß dort auch ihre Höhe im Grundsatz, nämlich in Höhe von zehn vom Hundert des Marktwertes, bestimmt ist. Der gesetzliche Abgabetatbestand ist damit aufgrund des Einigungsvertrages (Art. 8 in Verbindung mit Anlage 1 Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1) am 3. Oktober 1990 entstanden und nicht erst – rückwirkend – aufgrund der Förderabgaben-Verordnung von 1996. Auf die kraft Gesetzes entstandene Förderabgabepflicht hat übrigens das Bundesverwaltungsgericht auch schon in dem Urteil vom 24. Juni 1993 (a.a.O., S. 35) hingewiesen. Der Verordnung bedurfte es, um Einzelheiten über die Feststellung des Marktwertes, über die Erhebung und Bezahlung der Abgabe sowie Einzelheiten für Abweichungen nach § 32 Abs. 2 BBergG zu regeln. Zwar konnte die Abgabe erst erhoben werden, nachdem diese Einzelheiten geregelt waren. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß es sich um eine rückwirkende Begründung einer Abgabe und damit um eine unzulässige „echte” Rückwirkung handele.
Es handelte sich aber auch nicht um eine rückwirkende Konkretisierung und Aktualisierung eines Abgabetatbestandes, mit dem die Betroffenen nicht rechnen konnten, und damit nicht um eine unzulässige „unechte” Rückwirkung. Aus dem Gesetz ergibt sich eindeutig, daß es sich um eine „Pflicht”-Abgabe handelt, auf deren Erhebung die Länder nicht verzichten dürfen. Daß das Land Sachsen-Anhalt die Verordnung erst 1996 erlassen hat, hat das Normenkontrollgericht mit dem Erfordernis einer umfassenden rechtlichen Neuordnung aller Lebensbereiche, wie sie nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland notwendig geworden ist, erklärt. Es hat im einzelnen ausgeführt, daß die Kiese und Kiessande abbauenden Unternehmen mit der Nacherhebung der Abgabe rechnen konnten und mußten und daß ihnen durch die Nacherhebung keine unzumutbaren Nachteile entstehen. Für Erwägungen, daß Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes oder der Verhältnismäßigkeit das Inkraftsetzen der Verordnung mit Wirkung am 3. Oktober 1990 hätten verbieten können, ist deshalb kein Raum. Ein Klärungsbedarf in rechtsgrundsätzlicher Hinsicht ist – auch bei Anlegung der Maßstäbe und Grenzen für die „echte” und „unechte” Rückwirkung belastender Rechtssetzung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – nicht erkennbar. Das gilt auch, soweit das Normenkontrollgericht auf den Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. April 1998 – 1 BvR 2146/94 u.a. – (VIZ 1998, 586) Bezug nimmt und die Beschwerde dies – übrigens unzutreffend – kritisiert.
Soweit die Beschwerde die Frage, ob die „mehrjährige Zeitspanne” bis zum Erlaß der Verordnung durch den Aufbau der Verwaltung im Land Sachsen-Anhalt gerechtfertigt war, problematisiert, ist damit keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage angesprochen.
7. Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit den Ausführungen zum rückwirkenden Inkraftsetzen der Förderabgaben-Verordnung gerügten Abweichungen von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts liegen nicht vor.
In der Entscheidung vom 21. Dezember 1995 – BVerwG 3 C 34.94 – (BVerwGE 100, 230) geht es um die rückwirkende Erhöhung von Krankenhauspflegesätzen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese für unzulässig gehalten, weil es dafür keine – verfassungsgemäße – gesetzliche Grundlage gab. Zwar ließ § 19 Abs. 2 Satz 2 BPflV 1985 ausnahmsweise eine rückwirkende Erhöhung zu; jedoch sei die Ausnahme nicht nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt und deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verfassungswidrig. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern das Normenkontrollgericht entscheidungstragend einen Rechtssatz aufgestellt hätte, der in Widerspruch zu einem die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz stünde.
In der Entscheidung vom 16. Februar 1989 – BVerwG 3 C 7.87 – (Buchholz 451.74 § 17 KHG Nr. 12) geht es ebenfalls um die rückwirkende Erhöhung von Krankenhauspflegesätzen, nämlich auf der Grundlage der §§ 16 Abs. 1 Satz 1 und 17 Abs. 1 Satz 1 BPflV 1973. Die Entscheidung befaßt sich mit Einzelheiten einer danach zulässigen rückwirkenden Erhöhung der Pflegesätze. Daß das Normenkontrollgericht sich in Widerspruch zu einem die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz gesetzt hätte, ist nicht erkennbar.
In der Entscheidung vom 15. April 1983 – BVerwG 8 C 167.81 – (NVwZ 1983, 741) hält das Bundesverwaltungsgericht es für zulässig, daß der „Ortsgesetzgeber” eine im Zusammenhang mit der kommunalen Neugliederung entstandene Lücke des Ortsrechts durch einen rückwirkenden satzungsrechtlichen Gebührentatbestand schließt. Unzulässig sei es jedoch, die Abgabepflichtigen so zu behandeln, als hätten sie eine andere Anlage benutzt als die tatsächlich von ihnen benutzte. Die Beschwerde benennt keinen Rechtssatz, mit dem sich das Normenkontrollgericht in Widerspruch zu einem die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz gesetzt hätte.
8. Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit den Ausführungen zum rückwirkenden Inkraftsetzen der Förderabgaben-Verordnung gerügten Abweichungen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 – NJW 1998, 1547; Beschluß vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 = NJW 1987, 1749; Urteil vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 274 = NJW 1962, 291; Beschluß vom 31. Mai 1960 – 2 BvL 4/59 – BVerfGE 11, 139, 145 f.) liegen nicht vor, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß § 31 BBergG vorschreibt, daß der Bergbauberechtigte die Förderabgabe jährlich für die im Bewilligungsfeld gewonnenen bergfreien Bodenschätze zu entrichten hat. Die Entscheidungen befassen sich mit einer rückwirkenden Veränderung der Besteuerungsgrundlagen für einen abgeschlossenen Erhebungszeitraum. Darum geht es, wie schon ausgeführt, bei der Förderabgaben-Verordnung nicht.
9. Im Zusammenhang mit den Ausführungen des Normenkontrollgerichts zum Jährlichkeitsprinzip vermißt die Beschwerde eine Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BStBl II 1992, 702 = NJW 1992, 2654). Darin sieht sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Rüge ist aus den oben unter Nr. 3, 2. Absatz, genannten Gründen unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Antragstellerin will mit der beantragten Feststellung der Nichtigkeit der Verordnung dem für den Erhebungszeitraum 1992 bis 1995 erlassenen Abgabebescheid die Grundlage entziehen. Wäre das Inkraftsetzen der Verordnung für den genannten Erhebungszeitraum eine unzulässige Rückwirkung, wie die Antragstellerin meint, könnte eine Förderabgabe nicht erhoben werden. Das Interesse der Antragstellerin ist deshalb nach der Höhe dieser Abgabe zu bemessen.
Unterschriften
Gaentzsch, Halama, Rojahn
Fundstellen
NVwZ 1999, 990 |
VIZ 1999, 438 |
ZAP-Ost 1999, 390 |
LKV 1998, 272 |
NJ 1999, 440 |
NuR 1999, 327 |
ZfB 1999, 123 |
UPR 1999, 235 |
OVS 1999, 208 |