Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 11.11.2004; Aktenzeichen 2 K 144/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. November 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Regelung in Nr. 2 des Beschlusses der Landesregierung vom 21. März 2000 über die Änderung des regionalen Entwicklungsprogramms (REP) für den Bezirk Halle für nichtig erklärt, weil der Antragsgegner Eignungsgebiete für die Nutzung der Windenergie ohne hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage festgelegt habe und die umstrittene Ergänzung des REP außerdem an Abwägungsmängeln leide. Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Die Beschwerde, die dies zutreffend erkennt, macht gegen alle Begründungselemente einen Grund für die Zulassung der Revision geltend. Da sie bereits insoweit erfolglos bleibt, als sie die erste Begründung mit einer Divergenz- und einer Grundsatzrüge angreift, kann offen bleiben, ob sie gegen die übrigen Begründungen zutreffend mit Zulassungsgründen zu Felde zieht.
Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Rüge, die angegriffene Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde entnimmt dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 57.84 – (BVerwGE 77, 300) den Rechtssatz, dass es den Gemeinden auch ohne gesetzliche Grundlage gestattet ist, im Wege der Flächennutzungsplanung ein gesamträumliches Entwicklungskonzept für das Gemeindegebiet dazustellen, dort Konzentrationszonen festzulegen und privilegierte Außenbereichsnutzungen an anderen Stellen des Gemeindegebiets auszuschließen. Einen entgegenstehenden Rechtssatz im Normenkontrollurteil weist sie freilich nicht nach. Das wäre auch gar nicht möglich, weil es die Vorinstanz mit einer Konzentrationsentscheidung nicht der Antragstellerin, sondern eines überörtlichen Planungsträgers mit beanspruchter Bindungswirkung für die Antragstellerin zu tun hatte.
Auch nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann die Revision nicht zugelassen werden. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsgegner beimisst.
Die Frage, ob der Ausschluss privilegierter Außenbereichsvorhaben auf allgemeine Regelungen des Raumordnungsrechts des Bundes gestützt werden kann oder ob es dazu einer speziellen gesetzlichen Regelung bedarf, wie sie seit dem BauROG 1998 in § 7 Abs. 4 ROG enthalten ist, knüpft an den Befund des Oberverwaltungsgerichts an, dass die Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung – anders als das ROG 1998, das in § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 erstmals den Begriff des “Eignungsgebiets” bundesrechtlich einführte – keine Regelungen über die Festlegung von Konzentrationszonen enthielt und es sich zudem bei den Regelungen in § 7 Abs. 4 ROG 1998 um rahmenrechtliche Vorschriften handelt, die der Transformation in Landesrecht bedürfen. Sie vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen, weil es keinem Zweifel unterliegt, dass sich die Ermächtigung zu Festlegungen in einem regionalen Raumordnungsplan nicht unmittelbar aus dem ROG ergibt. Das Oberverwaltungsgericht stellt zutreffend fest, dass die Adressaten der §§ 6 ff. ROG die Länder sind, die ihrerseits im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben die Rechtsgrundlage für eine Raumordnung, d.h. auch für die Regionalplanung, in ihrem Gebiet schaffen.
Das Normenkontrollgericht führt aus, dass sich auch aus den Vorschriften des LPlG-LSA a.F. nicht die Befugnis der Regionalplanung ableiten lasse, Eignungsgebiete festzulegen. Die in § 5 Abs. 1 LPlG-LSA a.F. enthaltene allgemeine Ermächtigung zur Aufstellung regionaler Entwicklungsprogramme reiche nicht aus. Als Ergebnis der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts ist das vom Senat hinzunehmen (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang formulierte Frage, ob eine Auslegung des Landesrechts dahingehend, dass dieses eine Ermächtigung zur Ausweisung von Eignungsgebieten nicht enthalte, gegen Bundesrecht (ROG in Verbindung mit der Rahmengesetzgebung des Bundes) verstößt, führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil die Rechtsfrage an ausgelaufenes Recht anknüpft. Inzwischen ist die vom Oberverwaltungsgericht vermisste landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage nämlich vorhanden; sie findet sich in § 3 Abs. 7 LPlG-LSA vom 28. April 1998 (GVBl S. 255). Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht haben trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9; stRspr). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig. Dieser Pflicht ist der Antragsgegner – aus seiner Sicht folgerichtig, da er die Änderung der Rechtslage nicht erwähnt – nicht nachgekommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, obwohl die Beigeladene einen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde gestellt hat. Im Regelfall – ein solcher ist hier gegeben – ist es nämlich nicht erforderlich, dass ein im vorinstanzlichen Verfahren erfolgreicher Beigeladener alsbald nach Eingang der Beschwerde und ohne Kenntnis der Beschwerdebegründung durch einen Rechtsanwalt die Zurückweisung der Beschwerde beantragt (stRsp; z.B. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 4 B 1.95 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 29). Aus demselben Grund kann auch die Antragstellerin als Beschwerdegegnerin trotz der Regelung in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nicht verlangen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 – BVerwG 4 B 83.03 – NVwZ 2004, 97 ≪98≫).
Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen