Verfahrensgang

Hessischer VGH (Beschluss vom 17.11.1994; Aktenzeichen 9 UE 1023/92)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. November 1994 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, daß einer der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe gegeben ist.

Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels, auf dem die vorinstanzliche Entscheidung beruhen kann, zugelassen werden. Soweit der Kläger als Verfahrensfehler rügt, daß an der Sitzung des Widerspruchsausschusses der Hauptfürsorgestelle des Beklagten nicht teilnahmeberechtigte Personen teilgenommen hätten und die Entscheidung dieses Ausschusses unter Stimmenthaltung von zwei Mitgliedern ergangen sei, werden nicht Mängel des gerichtlichen Verfahrens, sondern Mängel des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht. Solche Mängel können mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmängel nicht gerügt werden, es sei denn, daß sie sich unmittelbar auf das gerichtliche Verfahren, auf die verfahrensrechtliche Stellung und Behandlung des Beteiligten in diesem Verfahren, auswirken (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 1994 – BVerwG 3 B 12.94 – ≪Buchholz 316 § 26 VwVfG Nr. 1 S. 3≫ und vom 27. Juni 1994 – BVerwG 6 B 17.94 – ≪Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 3 S. 2≫). Daß dies hier der Fall sei, wird auch vom Kläger, der lediglich die Entscheidung des Berufungsgerichts zu den mit den Rügen angesprochenen Fragen angreift, nicht geltend gemacht.

Soweit er weiter rügt, daß „die Hauptfürsorgestelle verpflichtet gewesen (wäre), die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der fristlosen Kündigung, zu der Zustimmung begehrt wurde, bei ihrer Entscheidungsfindung hinzuzuziehen”, kann aus den vorgenannten Gründen auch darin ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensfehler nicht gesehen werden. Abgesehen davon sind die vom Kläger erstrittenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen erst nach dem angegriffenen Widerspruchsbescheid des Beklagten ergangen.

Auch der Vortrag, daß die Vorinstanz Beweisanträge des Klägers ignoriert habe, führt nicht zur Zulassung der Revision. Insoweit ist schon dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht entsprochen. Wird das Vorbringen des Klägers im Hinblick darauf, daß er im Anschluß an die Anhörung nach § 130 a in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO in seinem Schriftsatz vom 14. November 1994 keine weiteren Beweisanträge gestellt hat, allein dahin verstanden, daß er geltend machen will, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil es den vom Kläger vorgelegten Urkunden und eidesstattlichen Erklärungen bezüglich seiner Arbeitsleistung und Arbeitsbereitschaft keine Bedeutung beigemessen habe, so hätte der Kläger, um seiner Darlegungslast zu genügen, außer den genannten Beweismitteln auch angeben müssen, inwiefern sich der Vorinstanz – nach deren materiellrechtlicher Ansicht (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – ≪Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4≫) – eine Beweisaufnahme in der vom Beschwerdeführer für erforderlich gehaltenen Richtung hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis sie im einzelnen gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 1970 – BVerwG 6 B 22.69 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 62 S. 9≫ und vom 13. September 1973 – BVerwG 2 B 45.73 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 114 S. 63≫). Dazu ist der Beschwerdebegründung jedoch nichts zu entnehmen. Das gleiche gilt, soweit die Beschwerde geltend macht, der angegriffene Beschluß des Berufungsgerichts verstoße „gegen bestehendes Recht, wenn die eingehende Aufklärung der Voraussetzungen für die außerordentliche Kündigung nicht für erforderlich erachtet wird”. Auch insoweit kann deshalb eine etwaige Aufklärungsrüge keinen Erfolg haben.

Soweit der Kläger sich schließlich – unter dem Blickwinkel des von ihm angenommenen Zusammenhangs zwischen dem Grund der außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses und seiner Behinderung – gegen die Beweiswürdigung durch die Vorinstanz wendet, kann er auch damit eine Zulassung der Revision nicht erreichen. Denn die Beschwerde zeigt insoweit nicht auf, daß das Tatsachengericht bei seiner Würdigung allgemeine Auslegungsgrundsätze, die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze außer acht gelassen hat (vgl. dazu den dieselben Beteiligten betreffenden Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1994 – BVerwG 5 B 9.94 – ≪Umdruck S. 3 f.≫ mit weiteren Nachweisen).

Eine Zulassung der Revision kommt auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in Betracht. Die Beschwerde nennt keine Entscheidung, von der das Berufungsgericht im Sinne dieser Vorschrift abgewichen sein könnte. Das Bundessozialgericht, von dessen Entscheidung 4 RA 6/91 der Beschluß der Vorinstanz nach Auffassung des Klägers abweicht, gehört nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abschließend aufgeführten Gerichten, deren Entscheidungen Divergenzentscheidungen sein können.

Die Revision kann schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden. Eine im Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage ergibt sich nicht im Zusammenhang damit, daß, wie der Kläger meint, bei der Entscheidung des Widerspruchsausschusses der Hauptfürsorgestelle „Personen anwesend waren, die dem Ausschuß nicht hätten angehören dürfen, und diese Personen auch in die Entscheidung eingegriffen haben”. Denn nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts (auf S. 13 f. seines Beschlusses) kann entgegen dem Vortrag des Klägers nicht angenommen werden werden, daß an der Beratung und Entscheidung des Widerspruchsausschusses Personen teilgenommen haben, die dazu nicht berechtigt waren.

Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache auch nicht unter dem Blickwinkel der Stimmenthaltung von zwei Mitgliedern des Widerspruchsausschusses. Die Beschwerdebegründung äußert sich nicht dazu, daß und aus welchen Gründen dieser Vorgang entgegen den Ausführungen im Beschluß der Vorinstanz (siehe dort S. 12 f.) für die Entscheidung des Ausschusses erheblich gewesen sein könnte. Allein der Umstand, daß der Kläger die Auffassung des Berufungsgerichts in dieser Frage nicht teilt, kann die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht begründen (vgl. schon Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1994 ≪a.a.O. S. 3≫).

Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ist aber auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil in einem Revisionsverfahren in Fortführung des Urteils des beschließenden Senats vom 2. Juli 1992 – BVerwG 5 C 39.90 – (BVerwGE 90, 275) geklärt werden müßte, ob die Hauptfürsorgestelle über das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dann zu urteilen hat, wenn geltend gemacht wird, daß ein solcher Grund offensichtlich nur vorgeschoben ist. Denn für die Annahme eines offensichtlich nicht gegebenen, vom Arbeitgeber lediglich vorgeschobenen Kündigungsgrundes ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts (auf S. 16 f. seines Beschlusses) im Fall des Klägers kein Raum. Gegen diese Ausführungen sind vom Kläger durchdringende Verfahrensrügen nicht erhoben worden.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, deren auf Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gerichteter Antrag nach dem Vorstehenden Erfolg hat, beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Hömig, Dr. Rojahn, Dr. Franke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1212082

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