Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 15.02.2012; Aktenzeichen 3 A 2352/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 681,36 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Der Kläger steht als Erster Polizeihauptkommissar im Dienst des Beklagten. Er leitet eine Verhandlungsgruppe. Die Gruppe bildet gemeinsam mit den weiteren Spezialeinheiten (Sondereinsatzkommando ≪SEK≫, Mobiles Einsatzkommando ≪MEK≫ und Technische Einsatzgruppe ≪TEG≫) und der Führungsstelle bei einem Polizeipräsidium die Organisationseinheit “Spezialeinheiten”. Diese kommen zum Einsatz, wenn für Zugriffs- und Schutzmaßnahmen, Observierungs- und Fahndungsmaßnahmen sowie zur Verhandlung und Betreuung speziell für diese Aufgaben geschulte und ausgestattete Einsatzkräfte erforderlich sind. Den Beamten der Verhandlungsgruppe, die grundsätzlich gemeinsam mit dem MEK und dem SEK eingesetzt wird, obliegen insbesondere die Verhandlungsführung im unmittelbaren Einwirkungsbereich des Täters sowie die polizeiliche Betreuung von Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Erschwerniszulage lehnte der Beklagte ab. Die Klage auf Verpflichtung des Beklagten festzustellen, dass dem Kläger als Mitglied der Verhandlungsgruppe ebenso wie den Mitgliedern der Spezialeinsatzkommandos Erschwerniszulage nach der Erschwerniszulagenverordnung in Höhe der in § 22 Abs. 2 Nr. 1 genannten Höhe ab November 2008 zusteht, sowie hilfsweise festzustellen, dass § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Erschwerniszulagenverordnung mit Art. 3 GG unvereinbar ist, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 3
Der Hauptantrag sei unbegründet, weil der Kläger nicht einem MEK oder einem SEK des Beklagten zugewiesen sei und damit nicht dort verwendet werde. Der Beklagte habe die Aufgaben der Verhandlungsgruppe gerade nicht dem Aufgabenkreis des SEK zugeordnet; vielmehr bilde die Gruppe neben SEK, MEK und TEG eine selbstständige Teileinheit der “Spezialeinheiten”. Wegen des im Besoldungsrecht geltenden Grundsatzes der strikten Gesetzesbindung scheide auch eine analoge Anwendung der Norm aus. Es verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass zwar Polizeivollzugsbeamte, die in einem SEK oder MEK verwendet werden, in den zulageberechtigten Personenkreis einbezogen seien, nicht dagegen solche Polizeivollzugsbeamte, die in einer Verhandlungsgruppe verwendet werden. In Bezug auf Aufgabenprofil, typische Einsatzbedingungen, Einstellungsvoraussetzungen, Inhalte der Aus- und Fortbildung sowie Einsatzbelastung bestünden Gründe von hinreichendem Gewicht, die die in der Vorenthaltung der Erschwerniszulage liegende Ungleichbehandlung der in einer Verhandlungsgruppe verwendeten Polizeibeamten zu rechtfertigen vermögen.
Rz. 4
2. Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage,
“ob die Verhandlungsgruppe (VG) unter dem Begriff des Spezialeinsatzkommandos eines Landes für besondere polizeiliche Einsätze im Sinne des § 22 Abs. 2 Ziffer 1 EZulV in der für Nordrhein-Westfalen weiterhin geltenden Fassung zu subsumieren ist,”
sowie in der Frage,
“ob, wenn man zu der Auffassung kommt, dass § 22 Abs. 2 Ziffer 1 EZulV nicht unmittelbar greift, § 22 Abs. 2 Ziffer 1 EZulV mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist.”
Rz. 5
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine – vom Beschwerdeführer zu bezeichnende – grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr., u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Der erforderliche allgemeine Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage aufgrund der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann. Danach kommt die Revisionszulassung hier nicht in Betracht. Der Kläger zeigt nicht auf, dass die Entscheidung über seine Anträge eine weitere, über die bisherigen Erkenntnisse hinausgehende Klärung des Bedeutungsgehalts des Begriffs der Verwendung im Sinne der Erschwerniszulagenverordnung und des Art. 3 Abs. 1 GG im Bereich des Besoldungsrechts erforderlich macht.
Rz. 6
Maßgeblich ist hier nach Art. 125a Abs. 1 GG die Vorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Erschwerniszulagenverordnung in der Fassung der Siebten Verordnung zur Änderung der Erschwerniszulagenverordnung vom 21. Januar 2003 (– EZulV a.F. –, BGBl I S. 90). Danach erhält eine Zulage in Höhe von 153,39 € monatlich, wer als Polizeivollzugsbeamter in einem Mobilen Einsatzkommando oder in einem Spezialeinsatzkommando eines Landes für besondere polizeiliche Einsätze oder als Flugsicherheitsbegleiter an Bord von deutschen Luftfahrzeugen verwendet wird.
Rz. 7
Mit dem Begriff der Verwendung wird der dienstliche Aufgabenbereich bezeichnet, der dem Beamten bei einer Behörde übertragen ist. Der Beamte wird dort verwendet, wo sein Dienstposten, d.h. das Amt im konkret-funktionellen Sinne, eingerichtet ist (Urteile vom 26. März 2009 – BVerwG 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 ≪jeweils Rn. 19 f.≫ und vom 24. Februar 2011 – BVerwG 2 C 58.09 – Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 4 Rn. 14). Auch im Bereich des § 22 Abs. 2 Nr. 1 EZulV a.F. ist entscheidend, ob der Polizeivollzugsbeamte einer der dort aufgeführten Einheiten zur Dienstleistung zugewiesen ist. Maßgebend sind damit nicht die konkreten Aufgaben, die dem Beamten übertragen sind, sondern deren organisatorische Zuordnung zu der Einheit (Beschluss vom 3. Juni 2011 – BVerwG 2 B 13.11 – Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 12 Rn. 12 f.). Die Zuordnung der im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen nach organisations- und verwaltungspolitischen Bedürfnissen zu den Behörden und Einheiten obliegt der Organisationsgewalt des Dienstherrn.
Rz. 8
Das Oberverwaltungsgericht hat durch Auslegung des Runderlasses des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen “Spezialeinheiten und -kräfte der Polizei” vom 10. Juni 2008 festgestellt, dass die Aufgaben der Verhandlungsgruppe gerade nicht dem MEK oder SEK zugewiesen sind. Die Verhandlungsgruppe bilde innerhalb der Organisationseinheit “Spezialeinheiten” eine selbstständige Teileinheit neben SEK, MEK und TEG.
Rz. 9
Das Vorbringen des Klägers zu den Ausführungen im Berufungsurteil zur Frage der Zuordnung der Verhandlungsgruppe zum SEK in Ansehung des Erlasses vom 10. Juni 2008 ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen. Die Auslegung von Verwaltungsvorschriften durch ein Tatsachengericht stellt ebenso wie die Bestimmung des Inhalts von Verwaltungsakten und Willenserklärungen revisionsrechtlich nicht Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung dar. Deren Ergebnisse unterliegen der revisionsgerichtlichen Prüfung nur, soweit es um die Einhaltung allgemeiner Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsgrundsätze geht (stRspr; vgl. nur Urteil vom 24. September 2009 – BVerwG 2 C 63.08 – BVerwGE 135, 14 = Buchholz 239.1 § 67 BeamtVG Nr. 4 ≪jeweils Rn. 9≫; Beschluss vom 2. Februar 2010 – BVerwG 2 B 86.09 – ZBR 2011, 33). Der Beschwerdebegründung ist aber nicht zu entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Würdigung des maßgebenden Erlasses vom 10. Juni 2008 gegen einen revisionsrechtlich relevanten Grundsatz verstoßen hat.
Rz. 10
Die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG im Bereich des Besoldungsrechts ist in der Rechtsprechung ebenfalls grundsätzlich geklärt. Der Normgeber hat hier eine verhältnismäßig weitreichende Gestaltungsfreiheit. Es ist nicht zu prüfen, ob er die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Nur die Überschreitung äußerster Grenzen ist zu beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Sachverhalten als evident sachwidrig erweisen. Dem Normgeber steht es im Hinblick sowohl auf Art. 33 Abs. 5 GG als auch auf Art. 3 Abs. 1 GG frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgeblich sein sollen (BVerfG, Urteil vom 6. März 2007 – 2 BvR 556/04 – BVerfGE 117, 330 ≪353≫ m.w.N.). Die mit der zwangsläufig generalisierenden und typisierenden Regelung verbundenen Unebenheiten, Friktionen, Mängel und Benachteiligungen müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 – BVerfGE 103, 310 ≪320≫). Wird, wie in § 22 Abs. 2 Nr. 1 EZulV a.F. für die Zulageberechtigung, nicht auf den konkreten Aufgabenbereich des Beamten, sondern auf dessen Zugehörigkeit zu einer Organisationseinheit abgestellt, so ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblich, ob die unterschiedliche Einstufung der Einheiten sachgerecht ist. Dabei muss eine typisierende Vergleichsbetrachtung der Gefährdungen und Belastungen angestellt werden, die die Erfüllung der einer Einheit hauptsächlich obliegenden Aufgaben und die dabei herrschenden Arbeits- und Einsatzbedingungen üblicherweise mit sich bringen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2008 – 2 BvR 380/08 – ZBR 2009, 126; BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 2011 a.a.O. Rn. 13).
Rz. 11
Von diesen Grundsätzen ist auch das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung des Hilfsantrags ausgegangen. Es hat die typischen Aufgaben der Einheiten und die daraus folgenden besonderen Anforderungen sowie erhöhten Gefährdungen, die Einsatzdauer, den räumlichen Einsatzbereich sowie die für die Ausübung der Tätigkeit erforderliche Aus- und Fortbildung verglichen. Aus seinen Feststellungen hat es gefolgert, dass für die Vorenthaltung der Erschwerniszulage nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 EZulV a.F. für Angehörige der Verhandlungsgruppe gegenüber den Angehörigen eines MEK oder SEK sachliche und plausible Gründe bestehen.
Rz. 12
Diese tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind vom Kläger nicht erfolgreich mit Verfahrensrügen angegriffen worden und daher für das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe den Vortrag der Beteiligten falsch gewertet oder missverstanden, wird kein Verfahrensmangel dargelegt, sondern lediglich die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts angegriffen. Die dem materiellen Recht zuzurechnende Beweiswürdigung ist Sache des Tatsachengerichts, das nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In der Beschwerdebegründung wird aber wiederum nicht aufgezeigt, dass die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsgrundsätze verstößt.
Rz. 13
Soweit in der Beschwerde schließlich vorgebracht wird, im Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage könnten Aspekte der Aus- und Fortbildung nicht zur Rechtfertigung der Differenzierung hinsichtlich der Zulagengewährung herangezogen werden, weil § 47 Satz 1 BBesG besondere Erschwernisse der Beamten bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben voraussetze, wird keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Vielmehr wird lediglich die Richtigkeit der Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Einzelfall angegriffen. Dies reicht für den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht aus.
Rz. 14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Hartung, Dr. Kenntner
Fundstellen