Entscheidungsstichwort (Thema)

Initiativrecht, Gegenstand und Grenzen des – der Personalvertretung (im Anschluß an BVerwG 6 P 22.82)

 

Normenkette

HPVG § 60 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Beschluss vom 15.12.1982; Aktenzeichen HPV TL 39/81)

VG Darmstadt (Entscheidung vom 09.10.1981; Aktenzeichen L 7/81)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 15. Dezember 1982 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte zu 1) bat den Antragsteller im Jahre 1980 um seine Zustimmung zur Höhergruppierung von insgesamt acht namentlich bezeichneten Meistern, nachdem der Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT (Meister, techn. Angestellte mit besonderen Aufgaben) am 1. April 1980 in Kraft getreten war. Der Antragsteller erteilte seine Zustimmung. Daraufhin bat der Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2), die Höhergruppierung vorzunehmen. Das lehnte der Beteiligte zu 2) ab, erkannte aber sechs der Betroffenen eine Bewährungszulage zu. Nachdem der Antragsteller hiervon Kenntnis erlangt hatte, stellte er in einem an den Beteiligten zu 2) gerichteten Schreiben vom 18. Dezember 1980 die Nichteinigung fest und beantragte, ein Stufenverfahren nach § 60 a HPVG mit dem Ziel der tarifgerechten Eingruppierung der Betroffenen durchzuführen. Der Beteiligte zu 2) lehnte die Einleitung des Stufenverfahrens mit der Begründung ab, das Begehren des Antragstellers finde in dessen Initiativrecht keine Grundlage.

Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,

festzustellen, daß sein Initiativantrag auf tarifgerechte Eingruppierung der Beschäftigten A., B., D., G., L., M., Ü. und U. durch den Beteiligten zu 2) im Stufenverfahren zu behandeln sei.

Zur Begründung hat er ausgeführt, aus § 60 Abs. 3 HPVG ergebe sich, daß er die unbeschränkte Befugnis habe, in Angelegenheiten, die seiner Mitbestimmung unterlägen, so auch in bezug auf Individualmaßnahmen, Initiativanträge zu stellen. Im vorliegenden Fall sei er initiativ geworden, um darauf hinzuwirken, daß die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Beschäftigten tarifgemäß ausgestaltet würden. Sein Antrag sei daher subjektiv wie objektiv selbständig und unabhängig von den arbeitsrechtlichen Verhältnissen der einzelnen betroffenen Beschäftigten.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Beschwerdegericht den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Der Beteiligte zu 2) sei nicht verpflichtet, den den Gegenstand des Verfahrens bildenden Antrag des Antragstellers im Stufenverfahren zu behandeln, weil das sachliche Begehren des Antragstellers sich nicht im Rahmen des von ihm in Anspruch genommenen Initiativrechts halte. Obwohl der Wortlaut des § 60 Abs. 3 HPVG darauf hindeute, daß der Personalvertretung das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Initiativrecht uneingeschränkt in allen ihrer Mitbestimmung unterliegenden Angelegenheiten zustehe, sei sie nicht befugt, Maßnahmen zu beantragen, die primär im Interesse und zugunsten eines Einzelnen getroffen werden sollten. Darauf aber ziele das Anliegen des Antragstellers im vorliegenden Fall ab.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Auslegung des § 60 Abs. 3 HPVG durch das Beschwerdegericht rügt und sein Begehren weiterverfolgt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 15. Dezember 1982 aufzuheben und die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Darmstadt – Fachkammer für Personalvertretungsachen (Land) – vom 9. Oktober 1981 zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) treten der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigen den angefochtenen Beschluß.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zutreffend entschieden, daß der Beteiligte zu 2) nicht verpflichtet ist, auf den Antrag des Antragstellers vom 18. Dezember 1980 das Stufenverfahren einzuleiten.

Mit Recht haben die Vorinstanzen das Verlangen des Antragstellers, hinsichtlich der von dem Beteiligten zu 1) beabsichtigten, von dem Beteiligten zu 2) aber verhinderten Höhergruppierung der acht Meister das Stufenverfahren gemäß § 60 a HPVG einzuleiten, als Initiativantrag im Sinne des § 60 Abs. 3 HPVG angesehen. Zwar hat der Antragsteller in seinem an den Beteiligten zu 2) gerichteten Schreiben vom 18. Dezember 1980 offenbar weder den ausdrücklichen Antrag gestellt, den Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT in bezug auf die bei der Technischen Hochschule Darmstadt tätigen Meister in bestimmter Weise auszulegen und anzuwenden, noch hat er beantragt, die namentlich benannten Meister, die der Beteiligte zu 1) höherzugruppieren beabsichtigte, auf Grund dieses Tarifvertrages höherzugruppieren. Der Antragsteller hat sich nach dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt vielmehr darauf beschränkt, festzustellen, daß er sich hinsichtlich der angestrebten Höhergruppierung dieser Meister mit dem Beteiligten zu 1) nicht habe einigen können. Diese Feststellung entbehrt indessen der Grundlage. Denn zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 1) bestand Einigkeit darüber, wie die betroffenen Meister auf Grund des Tarifvertrages eingruppiert werden sollten; der Beteiligte zu 1) wurde lediglich durch den Beteiligten zu 2) gehindert, entsprechend zu verfahren. Scheitert die Absicht des Dienststellenleiters, eine bestimmte Maßnahme, zu der er bereits die Zustimmung der Personalvertretung eingeholt hat, zu verwirklichen, so unterbleibt die Maßnahme, ohne daß dies personalvertretungsrechtliche Folgen hat. Die zuvor erzielte Einigung geht in diesem Fall ins Leere, sie verwandelt sich nicht in eine Nichteinigung im Sinne des § 60 a Abs. 1 HPVG. Will die Personalvertretung die Maßnahme in einem solchen Fall erreichen, so muß sie selbst initiativ werden. Das wollte der Antragsteller im vorliegenden Fall ersichtlich tun. Sein Schreiben vom 18. Dezember 1980 ist daher mit Recht als Initiativantrag im Sinne des § 60 Abs. 3 HPVG ausgelegt worden. Im Hinblick darauf, daß der Beteiligte zu 1) an die Rechtsauffassung des Beteiligten zu 2) gebunden war, kann es auch nicht als Verfahrensfehler angesehen werden, daß der Antragsteller seine Initiative unmittelbar an den Beteiligten zu 2) gerichtet hat.

Dem Beschwerdegericht ist auch darin zu folgen, daß der Initiativantrag des Antragstellers die Grenzen der ihm in § 60 Abs. 3 HPVG eingeräumten Antragsbefugnis überschreitet.

Die Personalvertretungsgesetze räumen den Personalvertretungen die Befugnis ein, in Angelegenheiten, die ihrer Mitbestimmung unterliegen, Maßnahmen bei der Dienststelle zu beantragen und ihr Anliegen in dem Fall, daß über den Antragsgegenstand keine Einigung erzielt wird, im Verfahren vor der Einigungsstelle weiterzuverfolgen. Mit dieser als Initiativrecht bezeichneten Befugnis hat die Personalvertretung die Möglichkeit, Maßnahmen, die sie im Interesse der Angehörigen der Dienststelle oder der Dienststelle selbst für geboten hält, von sich aus einzuleiten und deren Regelung gegebenenfalls im Verfahren vor der Einigungsstelle gegen den Willen der Dienststelle durchzusetzen. Dieses Initiativrecht verwirklicht den das Personalvertretungsrecht insgesamt beherrschenden Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Dienststelle und Personalvertretung dahingehend, daß es der Personalvertretung hinsichtlich der Einleitung derjenigen mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen, auf die es sich erstreckt, den gleichen Rang wie der Dienststelle gibt. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 13. Februar 1976 – BVerwG 7 P 9.74 – (BVerwGE 50, 176 [183]) und – BVerwG 7 P 4.75 – (BVerwGE 50, 186 [196]) ausgeführt hat, wird so sichergestellt, daß derartige Angelegenheiten nicht gänzlich oder unnötig lange ungeregelt bleiben, weil sich die Dienststelle ihrer trotz bestehender Regelungsbedürftigkeit nicht oder nicht rechtzeitig annimmt.

Das Initiativrecht erweitert die gesetzlichen Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung jedoch nicht, sondern setzt die Personalvertretung lediglich in den Stand, ihren Mitbestimmungsrechten nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Personalvertretungsgesetzes von sich aus Geltung zu verschaffen, indem sie insoweit eigene Anträge stellt. Das Initiativrecht ermöglicht somit, wie sich aus seiner gesetzlichen Anknüpfung an die Mitbestimmung ergibt, lediglich die Ausübung von Mitbestimmungsrechten in aktiver Form.

Die Mitbestimmung – auch in der Form der Ausübung des Initiativrechts – dient der Erfüllung der Aufgabe der Personalvertretung, die kollektiven Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken. Dieser Auftrag schließt es seinem Wesen nach aus, daß sich die Personalvertretung in die Rolle des Rechtsvertreters oder Sachwalters eines einzelnen Beschäftigten begibt, um dessen individuelle Belange mit ihren Mitteln durchzusetzen. Zwar liegen Initiativen der Personalvertretung in Personalangelegenheiten einzelner Beschäftigter nicht generell außerhalb des Rahmens des ihr eingeräumten Initiativrechts; vielmehr kann sie auch in solchen Angelegenheiten das Tätigwerden der Dienststelle durch eigene Anträge erzwingen, wenn das Unterlassen oder die sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung der beantragten Maßnahme seitens der Dienststelle Belange berührt, die die Personalvertretung wahrzunehmen hat. Damit ist zugleich die Grenze des Initiativrechts der Personalvertretung in solchen Angelegenheiten gekennzeichnet. Denn dieses Recht soll der Personalvertretung lediglich als wirksames Mittel dazu dienen, die Dienststelle im Falle ihrer Untätigkeit zum Handeln zu zwingen, um in dem sich sodann anschließenden Mitbestimmungsverfahren ihre Rechte in der Sache selbst wahrnehmen zu können. Diese durch Sinn und Zweck des Initiativrechts gezogene. Grenze überschreitet die Personalvertretung, wenn sie versucht, mit Hilfe ihrer Antragsbefugnis individuelle Anliegen einzelner Beschäftigter durchzusetzen oder unmittelbar Einfluß auf eine im personalpolitischen Ermessen der Dienststelle stehende Entscheidung zu nehmen. Denn die ihr im Rahmen der Mitbestimmung obliegende Überwachungspflicht berechtigt sie weder, den Rechtsschutz oder die Interessenvertretung eines einzelnen Beschäftigten zu übernehmen, noch in das rechtmäßig ausgeübte personalpolitische Ermessen der Dienststelle einzugreifen (vgl. zum letzteren: BVerwGE 61, 325 [330]).

Die dargestellten, durch seine Bindung an die Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung vorgegebenen inhaltlichen Grenzen des Initiativrechts und dessen Beschränkung auf die erläuterten Ziele lassen dieses nicht zu einen wirkungslosen Instrument werden. Den Personalvertretungen ist damit vielmehr ein geeignetes und ausreichendes Mittel in die Hand gegeben, um aus der Rolle des passiven, lediglich reagierenden Partners heraustreten und die Dienststelle zwingen zu können, in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit einen Vorschlag zu unterbreiten, der sodann im Mitbestimmungsverfahren zu behandeln ist. Damit wird den von der Personalvertretung wahrzunehmenden Belangen genügt, ohne daß die Personalvertretung der Dienststelle die Entscheidung über die jeweilige mitbestimmungspflichtige Maßnahme selbst aus der Hand nehmen oder insoweit auch nur in einen „Wettstreit” mit ihr treten kann oder, gar in den Stand gesetzt wird, einen ihr vom Personalvertretungsrecht nicht eingeräumten Einfluß auf die Entscheidung selbst zu nehmen.

Legt man dies zugrunde, dann ist nicht zu beanstanden, daß sich der Beteiligte zu 2) durch das – nicht bei den Gerichtsakten befindliche – Schreiben des Antragstellers vom 18. Dezember 1980 nicht veranlaßt gesehen hat, in das Stufenverfahren einzutreten. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller mit seiner Initiative eine bestimmte generelle Auslegung und Anwendung des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT auf Meister erreichen wollte, die bei der Technischen Hochschule Darmstadt beschäftigt sind, oder ob er lediglich die Höhergruppierung derjenigen Meister, die schon der Beteiligte zu 1) höhergruppieren wollte, unter Hinweis auf individuelle Merkmale ihrer Tätigkeit durchsetzen wollte. Im ersten Fall zielte das Begehren des Antragstellers nicht darauf ab, den Beteiligten zu 1) zu einer konkreten mitbestimmungspflichtigen Maßnahme zu veranlassen, sondern es sollte ihn an ein bestimmtes Verständnis des genannten Tarifvertrages binden. Das aber kann schon deswegen nicht Gegenstand einer Initiative im Sinne des § 60 Abs. 3 HPVG sein, weil die Anwendung tarifvertraglicher Regelungen, d.h. verbindlicher, inhaltlich festliegender Vertragsbestimmungen mit normativer Wirkung, für die personalvertretungsrechtlichen Partner nicht disponibel ist, sondern sich allein aus ihrem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck ergibt. Kommt es darüber zu rechtlichen Meinungsverschiedenheiten, so ist die Rechtslage im Einzelfall im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu klären. Abreden der personalvertretungsrechtlichen Partner über sie sind ohne rechtliche Bedeutung; der Dienststellenleiter kann deswegen nicht in dem durch eine Initiative der Personalvertretung ausgelösten Stufenverfahren veranlaßt werden, derartige Abreden zu treffen.

Sofern der Antragsteller mit seiner Initiative die Höhergruppierung derjenigen Meister erreichen will, die schon der Beteiligte zu 1) höhergruppieren wollte, überschreitet seine Initiative die dargestellten Grenzen der Antragsbefugnis nach § 60 Abs. 3 HPVG. Der Antragsteller nähme in diesem Fall individuelle Anliegen einzelner Beschäftigter wahr. Damit begäbe er sich in die Rolle des Rechtsvertreters der Betroffenen und benutzte die Mittel des Personalvertretungsrechts, um die Erfüllung arbeitsvertraglicher Ansprüche zu erreichen, die jeder der Betroffenen selbst auf der Grundlage des Arbeitsrechts, erforderlichenfalls im arbeitsgerichtlichen Verfahren, verfolgen könnte. Auch bei dieser Zielsetzung seines Antrages könnte sich der Antragsteller mithin nicht auf das ihm in § 60 Abs. 3 HPVG eingeräumte Initiativrecht berufen (vgl. BVerwGE 50, 176 [184]; 186 [196]).

Die Rechtsbeschwerde ist nach alledem unbegründet.

 

Unterschriften

Fischer, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1528575

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