Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Antragstellerin erstrebt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Beschluss des Regierungspräsidiums Leipzig (im Folgenden: Antragsgegner) vom 27. Juni 2007, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben “Ausbau des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle Start-/Landebahn Süd mit Vorfeld” vom 4. November 2004 ergänzt worden ist.
Der Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004, geändert durch Beschluss vom 9. Dezember 2005, sieht im Kern vor, die als grundsanierungsbedürftig bezeichnete Südbahn um einen Winkel von 20° parallel zur Nordbahn auszurichten und auf 3 600 m zu verlängern. Zentrales Planungsziel ist der Ausbau des Flughafens zu einem Knotenpunkt für den Luftfrachtverkehr. Beide Start- und Landebahnen sollten auf der Grundlage der unbefristeten Nachtfluggenehmigung vom 20. September 1990 in der Gestalt der Genehmigung vom 14. März 2000 im Wesentlichen ohne zeitliche Einschränkung für den Luftverkehr zur Verfügung stehen. Untersagt waren lediglich An- und Abflüge im Rahmen von Ausbildungs- und Übungsflügen zwischen 22:00 und 6:00 Uhr (PFB A II. 4.7.1., S. 32 f.). Einer Klage lärmbetroffener Anwohner gab der Senat teilweise statt und verpflichtete den Antragsgegner, unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb weiter beschränkt wird, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht (Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95).
Mit dem vorliegend umstrittenen Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss ordnet der Antragsgegner u.a. an, dass während der Nachtzeit (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) im gewerblichen Passagierverkehr Starts und Landungen von Luftfahrtunternehmen des gewerblichen Linien- und Bedarfsluftverkehrs (außer Lufttaxiverkehr) nur von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr zulässig sind (A. I. 4.7.1.1.). Übergangsweise sind bis zum Abschluss des Winterflugplans 2007/2008 am 29. März 2008 im Einzelnen aufgelistete planmäßige Flüge in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr erlaubt (A. I. 4.7.14.).
Die Antragstellerin führt am Flughafen Leipzig/Halle gewerblichen Passagierluftverkehr durch. Sie möchte den Flughafen weiterhin ohne zeitliche Einschränkungen für den Nachtflugverkehr nutzen und hat deshalb am 27. Juli 2007 gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss Klage erhoben sowie am 27. August 2007 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 27. Juni 2007 anzuordnen.
hilfsweise,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, eine zeitlich über die im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss getroffene Übergangsregelung hinaus geltende vorläufige Regelung der nächtlichen Betriebszeiten für den gewerblichen Passagierverkehr am Flughafen Leipzig/Halle unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Entscheidungsgründe
II
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Hauptantrag, der auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gerichtet ist, ist unzulässig. Der Anwendungsbereich des § 80 VwGO ist im Regelfall auf die Fälle beschränkt, in denen im Hauptsacheverfahren die Anfechtungsklage für den Rechtsschutz die richtige Klageart ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Das Verbot, in der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr gewerblichen Passagierflugverkehr durchzuführen, ist im Hauptsacheverfahren nicht im Wege der Anfechtung selbständig angreifbar. Als Bestandteil der Regelungen über die Betriebszeiten ist es mitbestimmend für deren Reichweite. Mit ihm werden die Zeiträume, in denen gewerblicher Passagierluftverkehr stattfinden darf, inhaltlich beschränkt. Die Antragstellerin erstrebt eine Betriebszeitregelung ohne die Beschränkung. Dieses Ziel lässt sich durch die Anfechtung der Beschränkung nicht erreichen. Die Antragstellerin muss ihr Klagebegehren im Wege der Verpflichtungsklage auf Gewährung der vorenthaltenen Begünstigung verfolgen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 32).
Die Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO lässt sich nicht mit der Erwägung begründen, im Falle der Aufhebung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses beanspruche die Genehmigung vom 20. September 1990 in der Gestalt der Genehmigung vom 14. März 2000 Geltung, die im Wesentlichen uneingeschränkten Nachtflugverkehr zulässt. Diese Genehmigung bezieht sich auf den Flughafen Leipzig/Halle in dem Ausbauzustand, den er am 14. März 2000 hatte. Sie hat spätestens durch den zwischenzeitlich vollzogenen Umbau des Flughafens Leipzig/Halle und die Inbetriebnahme der neuen Start- und Landebahn Süd im Juli 2007 ihre Wirksamkeit eingebüßt (§ 43 Abs. 2 VwVfG); denn die Veränderung der Bahnkonfiguration stellt eine wesentliche Änderung des Flughafens mit der Folge dar, dass nicht nur über die Betriebszeiten der geänderten Bahn, sondern des Flughafens insgesamt neu entschieden werden musste (Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – a.a.O. Rn. 70). Die Aufhebung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses hätte eine andere als die von der Antragstellerin angenommene Rechtsfolge. Da es an der im Urteil des Senats vom 9. November 2006 geforderten Vervollständigung des Lärmschutzkonzepts fehlte, wäre die Betriebszeitregelung im Planfeststellungsbeschluss bis zu einer erneuten Entscheidung des Antragsgegners nur in dem Umfang wirksam, wie sie aufgrund des Senatsurteils vom 9. November 2006 bestandskräftig geworden ist. Zulässig wären danach in der Nachtzeit lediglich Flugverkehre zum Transport von Expressgut sowie Notlandungen und Flüge zur Bewältigung eines Katastrophenfalles (Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – a.a.O. Rn. 77). Jeder andere Flugverkehr, also auch der gewerbliche Passagierverkehr, wäre zwischen 22:00 und 6:00 Uhr verboten. Dieses Ergebnis wäre für die Antragstellerin ungünstiger als die Regelung in A. I. 4.7.1.1. des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses und wird von ihr folgerichtig auch nicht angestrebt.
2. In Betracht kommt entsprechend dem Hilfsantrag nur die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Form einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Danach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Der Senat unterstellt zu Gunsten der Antragstellerin, dass nicht nur ein Anspruch auf Vornahme einer Amtshandlung, sondern auch ein Anspruch auf Neubescheidung sicherungsfähig ist (vgl. zu dieser streitigen Frage: Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, S. 115, § 16 Rn. 237), dass zwischen ihr und dem Antragsgegner ein streitiges Rechtsverhältnis besteht, das schon vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens entstanden ist (vgl. zu diesem Erfordernis: Finkelnburg/Jank, a.a.O., S. 66, § 13 Rn. 146 m.w.N.), dass sie nach den Maßstäben, die der Senat in den Urteilen vom 26. Juli 1989 – BVerwG 4 C 35.88 – (BVerwGE 82, 246 ≪251≫) und vom 27. September 1993 – BVerwG 4 C 22.93 – (NVwZ-RR 1994, 189) entwickelt hat, antragsbefugt und dass sie mit ihrem Vorbringen nicht nach § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG präkludiert ist. Denn der Eilantrag scheitert jedenfalls daran, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zusteht. Das allgemeine, nur für Ausnahmefälle durchbrochene Verbot der Durchführung gewerblichen Passagierluftverkehrs zwischen 23:30 und 5:30 Uhr wird einer gerichtlichen Prüfung aller Voraussicht nach auch im Verfahren zur Hauptsache standhalten. Es lässt Abwägungsfehler zu Lasten der Antragstellerin nicht erkennen.
Die Antragstellerin benötigt nach ihren Angaben die Möglichkeit zum unbeschränkten Nachtflugverkehr in erster Linie zur weiteren Realisierung des von ihr so genannten dreifachen Balearen-Umlaufs, d.h. an der Bedienung des Drehkreuzes Mallorca mit drei täglichen Hin- und Rückflügen im Linienverkehr, aber auch zur Durchführung anderer Umläufe im Linien- und Charterverkehr. Sie behauptet, auf die Verkehre aus wirtschaftlichen Gründen angewiesen zu sein. Der harte Wettbewerb zwischen den touristischen Fluggesellschaften, die Preissensibilität der Kunden sowie die starke Einkaufsposition der Reiseveranstalter zwinge die touristischen Fluggesellschaften zu einer größtmöglichen Reduzierung der Produktionskosten. Nur infolge eines auch in der Nachtzeit restriktionsfrei möglichen Flugbetriebs könne eine so hohe Auslastung ihrer drei am Flughafen Leipzig/Halle stationierten Flugzeuge erreicht werden, dass ihr Betrieb dort wirtschaftlich sei. Ferner würde das Nachtflugverbot das Flugangebot für die Reisenden aus dem Einzugsgebiet des Flughafens erheblich beeinträchtigen.
Der Antragsgegner hat die von der Antragstellerin angeführten Gründe für die Notwendigkeit der Abwicklung gewerblichen Passagierflugverkehrs in der Nachtzeit anerkannt (Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss S. 65). Die Ermittlungen der ProgTrans AG hätten ergeben, dass die Befriedigung von Nachfragespitzen zumindest in den Sommermonaten einer der Gründe dafür sei, dass am Flughafen Leipzig/Halle selbst in der Nachtkernzeit Passagierverkehr stattfinde. Ein anderer Grund sei die wirtschaftliche Notwendigkeit für die Fluggesellschaften, durch möglichst viele Umläufe ein maximales Ergebnis zu erzielen, um auf dem stark umkämpften Markt möglichst günstige Preise anbieten zu können. Der Antragsgegner hat diese Belange gegenüber dem Schutz der Nachtruhe der Bevölkerung, auf die nach § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen ist, als nachrangig angesehen, soweit der gewerbliche Passagierflugverkehr planmäßig in der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr durchgeführt werden soll. Das ist nicht zu beanstanden.
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – (a.a.O. Rn. 71) herausgestellt, dass Verkehre, die keinen standortspezifischen Nachtflugbedarf wie etwa den für Express-Frachtflugverkehr für sich in Anspruch nehmen können, am Flughafen Leipzig/Halle in der Nachtkernzeit, d.h. zwischen 0:00 und 5:00 Uhr, nicht durchgeführt werden dürfen. Das besondere Gewicht der Lärmschutzbelange ergibt sich daraus, dass den Flughafenanwohnern durch den auf die Nacht angewiesenen Frachtgutverkehr schon eine massive Beeinträchtigung ihrer Nachtruhe zugemutet wird. Einen standortspezifischen Nachtflugbedarf reklamiert die Antragstellerin nicht. Leistungen der Antragstellerin im Nachtflugverkehr werden nach den Ermittlungen der ProgTrans AG, die sich der Antragsgegner zu eigen gemacht hat, hauptsächlich von Urlaubsreisenden nachgefragt, bei denen die Ausnutzung von Urlaubstagen und günstige Preise, die die Antragstellerin als low-cost-carrier anbietet, im Vordergrund der Überlegungen stehen (Schlussbericht der ProgTrans AG vom 13. Juni 2007, S. 73). Das Interesse am Gewinn zusätzlicher Urlaubstage und ein ausgebildetes Kostenbewusstsein sind freilich nicht auf Passagiere beschränkt, die über den Flughafen Leipzig/Halle ihre Urlaubsziele anfliegen, sondern kennzeichnen in gleicher Weise auch Flugreisende an anderen Verkehrsflughäfen. Das Bestreben der Antragstellerin nach rentabelster Gestaltung ihres Flugverkehrs ist ebenfalls kein Umstand, der besonderen Verhältnissen des Flughafens Leipzig/Halle geschuldet ist. Vielmehr wird jedes gewerblich tätige Unternehmen an jedwedem Flughafenstandort um die größtmögliche Effizienz des Einsatzes seines Fluggeräts und -personals bemüht sein. Ein solches allgemeines Verkehrsbedürfnis reicht nicht aus, um dem gewerblichen Passagierluftverkehr die Möglichkeit zum Nachtflugbetrieb zu bieten, wenn dem ein auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gegründetes Schutzbedürfnis gegenübersteht (Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – a.a.O. Rn. 71).
Die Rüge der Antragstellerin, der Antragsgegner habe aufgrund eines fehlerhaften Verständnisses vom Begriff der Nachtruhe der Bevölkerung (§ 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG) dem Lärmschutzinteresse der Flughafenanwohner einen zu hohen Stellenwert beigemessen, ist unbegründet. Die vom Antragsgegner in Übereinstimmung mit der Senatsentscheidung vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – (a.a.O. Rn. 75) vertretene Auffassung, der Begriff der Nachtruhe indiziere, dass der durch die übliche Geschäftigkeit verursachte Taglärm verstummen und sich durch eine Lärmpause die Nacht vom Tag unterscheiden solle, widerspricht nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1981 – 1 BvR 612/72 – (BVerfGE 56, 54). Das darin enthaltene Zitat (a.a.O. S. 86), die Schutzwürdigkeit der Anwohner umfasse über den Schutz der körperlichen Unversehrtheit in engerem Sinne hinaus auch das störungsfreie Schlafen und die ungestörte Kommunikation, stammt aus einer Entscheidung des Senats (Urteil vom 21. Mai 1976 – BVerwG 4 C 80.74 – BVerwGE 51, 15) zum Fernstraßengesetz, das eine dem § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG vergleichbare Regelung nicht enthält. Wie der Begriff der Nachtruhe im Sinne des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG zu verstehen ist, lässt sich der verfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen. Die Entscheidung besagt nur, dass Flughafenanwohner nicht weniger schutzbedürftig sind als Straßenanlieger.
Zu Unrecht beklagt die Antragstellerin eine Störung des “Gesamtgefüges” der Abwägung, die dadurch eingetreten sei, dass der Antragsgegner im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss auch die Durchführung nichteiligen Frachtverkehrs in den Nachtstunden, nicht aber die Abwicklung gewerblichen Passagierverkehrs zugelassen habe. Eine Fehlgewichtung der Belange des Frachtverkehrs gegenüber den Lärmschutzinteressen der Flughafenanwohner – ihr Vorliegen unterstellt – kann die Antragstellerin nicht rügen, da sie auf eine mögliche Beeinträchtigung ihrer eigenen Belange beschränkt ist. Die Gewichte ihres Interesses an der Durchführung von nächtlichem Passagierverkehr und des gegenläufigen Interesses der Flughafenanwohner am Schutz vor Passagierfluglärm verschieben sich im Verhältnis zueinander nicht deshalb, weil der Antragsgegner nicht nur dem auf den “Nachtsprung” angewiesenen Expressfrachtverkehr, sondern auch dem nichteiligen Frachtverkehr die Möglichkeit zum Nachtflugbetrieb bietet.
Auf welchen Betrag sich die zu erwartenden finanziellen Einbußen im operativen Geschäft summieren, wenn die Antragstellerin ihr Angebot den eingeschränkten Betriebszeiten anpassen oder aus wirtschaftlichen Erwägungen ihr Engagement am Flughafen Leipzig/Halle ganz beenden muss, musste der Antragsgegner nicht ermitteln. Der Schutz der Nachtruhe der Flughafenanwohner genießt gegenüber dem gewerblichen Passagierverkehr in der Nachtkernzeit unabhängig von der Größenordnung Vorrang, in der die Antragstellerin eine Verschlechterung ihrer Ertragslage befürchtet. Der Senat hat daher keinen Anlass, das von der Antragstellerin in der Antragsschrift präsentierte Zahlenmaterial mit der Darstellung der Umsatzeinbußen abzüglich der ersparten Aufwendungen auf seine – vom Antragsgegner bestrittene – Plausibilität zu prüfen. Ob und inwieweit das Interesse eines gewerblichen Unternehmens auf Erhaltung des Geschäftsumfangs und auf Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten für sich allein überhaupt schutzwürdig ist, kann offenbleiben.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Interesse an der Erhaltung einer Erwerbsquelle im Rahmen der Abwägung jedenfalls dann relevant, wenn das Unternehmen in den Standort Geldmittel investiert hat (vgl. Urteil vom 26. Juli 1989 – BVerwG 4 C 35.88 – a.a.O. S. 251). Da es aus den bereits dargelegten Gründen geboten ist, die Durchführung gewerblichen Passagierluftverkehrs am Flughafen Leipzig/Halle, für den ein spezifischer Nachtflugbedarf nicht dargelegt ist, in der Nachtkernzeit zu untersagen, ist das Bedürfnis der Antragstellerin an der Amortisation getätigter Investitionen freilich kein Belang, der sich generell gegen das Nachtflugverbot ins Feld führen lässt. Es kann allenfalls für die Frage bedeutsam sein, ob die Übergangsregelung, die der Antragsgegner unter A. I. 4.7.14. getroffen hat, den Belangen der Antragstellerin angemessen Rechnung trägt.
Die Antragstellerin muss es auch hinnehmen, dass der Antragsgegner die Nachtrandzeiten (22:00 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr) nur im beschränkten Umfang für den gewerblichen Passagierflugverkehr freigegeben hat.
Die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung der für einen solchen Betrieb sprechenden Interessen mit den Lärmschutzinteressen der Anwohner im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG einer besonderen Begründung. Starts und Landungen von Flugzeugen im gewerblichen Passagierverkehr dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden gelegt werden. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass der Lärmschutz in den Nachtrandstunden nicht dasselbe hohe Gewicht wie für die Nachtkernzeit besitzt, die grundsätzlich von Flugaktivitäten frei zu halten ist. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchsetzen können. Solche für die Nutzung der Nachtrandzeiten sprechenden Gründe können sich z.B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeugumlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abdecken kann. Dabei gilt, dass dem Lärmschutz ein umso höheres Gewicht beizumessen ist, je näher die zuzulassenden Flugbewegungen zeitlich an den Kernzeitraum heranrücken (Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – a.a.O. Rn. 73 f.).
Der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss hält sich an diese Vorgaben. Die Zeitfenster von 22:00 bis 23:30 Uhr und 5:30 bis 6:00 Uhr sind für den gewerblichen Passagierverkehr geöffnet, um zum einen sinnvolle Zubringerverkehre zu und von den für das Einzugsgebiet des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle bedeutsamen Drehkreuzen Frankfurt, München, London-Stansted, Wien und Palma de Mallorca und zum anderen eine effektive Flugzeugumlaufplanung der Fluggesellschaften zu ermöglichen. Verspätete Landungen und Starts sind sogar in der Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr und verfrühte Landungen in der Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr zulässig, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, geschweige denn im Sinne des § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, durch die Sperrung der Zeiträume zwischen 23:30 und 0:00 Uhr und zwischen 5:00 und 5:30 Uhr in der effektiven Planung ihrer Flugzeugumläufe beschränkt zu sein. Dafür ist auch nichts erkennbar. Dem Interesse der Antragstellerin an der sinnvollen Verbindung zum Drehkreuz London-Stansted ist dadurch Rechnung getragen, dass der Antragsgegner die Durchführung gewerblichen Passagierverkehrs bis 23:30 Uhr gestattet hat. Damit ist gewährleistet, dass die aus London kommende Maschine wie bisher planmäßig um 22:50 Uhr landen kann. Der von der Antragstellerin beklagte Verlust der Möglichkeit zur Durchführung eines dreifachen Balearen-Umlaufs beruht nicht auf der Einschränkung des Flugverkehrs in den Nachtrandzeiten.
Das verhängte Nachtflugverbot ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Unabhängig davon, ob es einen Eingriff in den Schutzbereich der Norm darstellt, ist es als – unterstellte – Berufsausübungsregelung verfassungskonform, weil es durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, dem Schutz der Nachtruhe der Bevölkerung, gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Mildere Maßnahmen, die die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die inzwischen in nationales Recht (§§ 48a bis 48f LuftVZO) umgesetzte Richtlinie 2002/30/EG vom 26. März 2002 – Betriebsbeschränkungsrichtlinie – fordert, sind nicht ersichtlich. Mit den von der Antragstellerin vorgeschlagenen Maßnahmen zur Lärmminderung (z.B. der Verpflichtung zum Einsatz lärmärmerer Flugzeuge) lässt sich das Ziel des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, die Nacht möglichst von Lärm freizuhalten, nicht erreichen; denn die Maßnahmen können nicht verhindern, dass die auftretenden Fluggeräusche akustisch noch wahrgenommen werden können.
Die Übergangsregelung in A. I. 4.7.14. des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses ist angemessen befristet. Da die Antragstellerin seit der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des Senatsurteils vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – (a.a.O.) mit einer Beschränkung des von ihr durchgeführten gewerblichen Passagierverkehrs rechnen musste, ist es nicht zu beanstanden, dass nur noch die Durchführung derjenigen Nachtflüge gestattet ist, die zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung bereits geplant waren. Das sind Flüge bis zum Auslaufen des Winterflugplans 2007/2008 am 29. März 2008. Dass die Rentierlichkeit der Investitionen, die die Antragstellerin dem Vernehmen nach erbracht hat, für eine längere Übergangsfrist streitet, ist nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat festgestellt (Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss S. 115), dass die “am Flughafen Leipzig/Halle verkehrenden Passagierfluggesellschaften … in weitaus geringerem Umfang standortbezogene Investitionsentscheidungen getroffen (haben)” (als die Frachtfluggesellschaften). Auch wenn Größenordnungen nicht genannt werden, ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner das Interesse der Antragstellerin am Schutz ihrer Investitionen fehlgewichtet hat. Nach ihren eigenen Angaben unterhält die Antragstellerin am Flughafen Leipzig/Halle keine Station mit eigenem Personal; einen Wartungsschwerpunkt für die dort stationierten Maschinen unterhält sie nicht. Welche Investitionen sie getätigt haben will, ist nicht bekannt. In der Antragsschrift beschränkt sie sich auf die unsubstantiierte und deshalb unbeachtliche Behauptung, sie habe in die Aufnahme und Einbindung des Flughafens in ihr Streckennetz in “erheblicher Größenordnung” investiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen