Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 30.01.2003; Aktenzeichen 1 L 362/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 154,30 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der von der Beschwerde als Verfahrensmangel gerügte Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe die in der Kalkulation des Grundgebührensatzes für 1998 vom Beklagten zugrunde gelegte Zahl von 167 Grundeinheiten nicht hinreichend aufgeklärt. Das trifft nicht zu. Mit dem Einwand des Klägers, der Beklagte habe die Anzahl der Grundeinheiten fehlerhaft ermittelt, indem er die Anzahl der Hausanschlüsse mit der Anzahl der Grundeinheiten gleichgesetzt habe, hat sich das Oberverwaltungsgericht auseinander gesetzt. Es hat diesen Einwand auf der Grundlage der Erläuterungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung und mangels Anhaltspunkten für tatsächliche oder methodische Fehler bei der Ermittlung der Grundeinheiten für unbegründet erachtet. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag des Klägers, dem Beklagten die Vorlage von Unterlagen aufzugeben, die die Ermittlung der 167 Grundeinheiten nachvollziehbar belegen, hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht abgelehnt, denn die Tatsacheninstanz ist nicht gehalten, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 – BVerwG 7 CB 81.87 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196). Konkrete Tatsachen hat der Kläger in seinem Beweisantrag nicht genannt. Der Beweisantrag ist vielmehr im Grunde darauf gerichtet, die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen erst durch die Beweisaufnahme selbst aufzudecken. Das braucht einem Gericht eine Beweisaufnahme mangels sonstiger Anhaltspunkte – und somit auch von Amts wegen – auch dann nicht nahe zu legen, wenn es sich, wie die Beschwerde geltend macht, um Umstände handelt, die der “Sphäre des Satzungsgebers” zuzuordnen wären. Solche Anhaltspunkte sind weder dargetan noch ersichtlich. Sie können – anders als die Beschwerde offenbar meint – weder aus früherem unklaren Vorbringen des Beklagten, das das Oberverwaltungsgericht gerade erst zu der erfolgten Klärung in der mündlichen Verhandlung veranlasst hat, noch aus neuem Sachvortrag in der Nichtzulassungsbeschwerde gewonnen werden. Abgesehen davon hat die Beschwerde entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO auch nicht dargelegt, dass die geforderte weitere Aufklärung Kalkulationsmängel aufdecken könnte, denen im Hinblick auf das vom Oberverwaltungsgericht materiellrechtlich als maßgeblich angesehene Aufwandsüberschreitungsverbot Bedeutung zukommt.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf,
“in welchem Umfang die Tatsachengerichte in Abgabenprozessen gehalten sind, die Kalkulation des Abgabensatzes von Amts wegen zu überprüfen.”
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Wie die Beschwerde selbst darlegt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade für die hier einschlägige gerichtliche Prüfung von Abgabenkalkulationen bereits geklärt, dass sich nicht abstrakt und allgemeingültig festlegen lässt, wie der Amtsermittlungsgrundsatz im Einzelfall sachgerecht zu handhaben ist; es werde aber in aller Regel sachgerecht sein, die Kalkulation nur insoweit zu überprüfen, als substantiierte Einwände dagegen erhoben worden seien (BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 – BVerwG 9 CN 1.01 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 155). Diese Voraussetzung hat das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf den Einwand der unzureichenden Ermittlung der Grundeinheiten – wie oben dargelegt: zu Recht – verneint. Weitergehenden und entscheidungserheblichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Wie der Senat in der genannten Entscheidung verdeutlicht hat, würde es sich insoweit ohnehin um Fragen der “richtigen Balance” und des “Fingerspitzengefühls im Einzelfall” und mithin, sofern dabei überhaupt Rechts fragen in Rede stehen, jedenfalls um solche handeln, die nicht verallgemeinerungsfähig und deswegen einer generellen Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich sind.
Darüber hinaus wirft die Beschwerde die Frage
“nach den Grenzen der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis eines Satzungsgebers bei der Gewichtung unterschiedlicher Grundstücksnutzungen im Rahmen der Erhebung von Grundgebühren”
auf. Sie will insoweit insbesondere geklärt wissen,
“ob eine Maßstabsregelung im Bereich der Grundgebühren, die nicht (einmal) zu einer linearen Steigerung der Gebühr mit Zunahme der Grundstücksnutzung, an die die Maßstabsregelung anknüpft, führt, sondern die gleichsam eine ‘Deckelung’ bewirkt, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist”.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Ihre Beantwortung hängt maßgeblich vom irrevisiblen Landesrecht ab, dessen konkrete Ausgestaltung zugleich auch entscheidende Vorgaben für den allenfalls ergänzenden und korrigierenden bundesverfassungsrechtlichen Gleichheitssatz enthält. Die insoweit mit der Zulässigkeit von Grundgebühren verknüpften Fragen hat das Bundesverwaltungsgericht als geklärt angesehen (BVerwG, Beschluss vom 10. November 1998 – BVerwG 8 BN 8.98 – n.v.). Wie aus der einschlägigen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 1. August 1986 – BVerwG 8 C 112.84 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 59; Urteil vom 20. Dezember 2000 – BVerwG 11 C 7.00 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 94; Beschluss vom 25. Oktober 2001 – BVerwG 9 BN 4.01 – NVwZ-RR 2003, 300) erkennbar ist, steht der Gleichheitssatz der Staffelung einer Grundgebühr grundsätzlich nicht entgegen. Dabei sind die Unterschiede im Maß der verbrauchsunabhängigen Inanspruchnahme der Vorhalteleistungen nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab in sachgerechter Weise zum Ausdruck zu bringen. Ob der Satzungsgeber diesen Anforderungen nachgekommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die einer generellen Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich ist. Wenn das Oberverwaltungsgericht (allein) bei Gaststätten aus tatsächlichen Gründen, nämlich mangels linearer Abhängigkeit der Vorhalteleistungen von der Größe der Gaststätte, eine nur zweistufige Grundgebühr als zulässig angesehen hat, so ist dies bundesrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.
Auch die dritte von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
“ob eine Abwassergrundgebührenregelung, die auf einer typologischen Zuordnung von unterschiedlichen Nutzungsarten und unterschiedlichen Maßstabseinheiten zu einer nicht definierten Vergleichseinheit (“Grundeinheit”) basiert, in einem nicht homogen strukturierten Erhebungsgebiet geeignet ist, die nach dem verfassungs- und damit bundesrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) anzustrebende Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern herzustellen, wenn der Differenzierungsgrad bzw. die Schärfe/Unschärfe der kombinierten Maßstabseinheiten, bezogen auf die einzelnen von der Maßstabsregelung zu erfassenden Nutzungen, erhebliche Unterschiede aufweist”,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Beschwerde, indem sie ihre Frage auf ein ”nicht homogen strukturiertes Erhebungsgebiet” bezieht, Tatsachen voraussetzt, die vorliegen müssten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgerufene Frage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, die jedoch von der Vorinstanz nicht festgestellt worden sind, so dass mangels Entscheidungserheblichkeit die Revision nicht zugelassen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss von 30. Juni 1992 – BVerwG 5 B 99.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 und vom 5. September 1996 – BVerwG 9 B 387.96 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 12). Unabhängig hiervon ist auch die Beantwortung dieser Frage von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig und mithin der dem Revisionsgericht allein möglichen generellen Klärung nicht zugänglich. Der Sache nach will die Beschwerde nämlich geklärt wissen, ob die für die Bestimmung der Grundeinheiten maßgeblichen Wohneinheiten in Grundeinheiten für andere als Wohnnutzungen “umgerechnet” werden können und unter welchen Voraussetzungen eine Vergleichbarkeit der jeweiligen Nutzungsmaßstäbe untereinander gewährleistet ist. Für die rechtliche Beurteilung der Vereinbarkeit einer solchen Maßstabsausgestaltung mit Art. 3 Abs. 1 GG kommt es auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Oktober 1994 – BVerwG 8 C 21.92 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 71) darauf an, ob der damit verbundene “Realitätsverlust” durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden kann. Weitergehende Aussagen sind, wie das Beschwerdevorbringen selbst verdeutlicht, von vielfältigen Umständen des Einzelfalls abhängig und mithin nicht verallgemeinerungsfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen