Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Beschluss vom 01.07.2015; Aktenzeichen 8 F 95/15) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage von Blatt 1, Blatt 19 a) sowie Blatt 19 vorletzter und letzter Satz und Blatt 21 drittletzter Absatz (eingerückt) des Verwaltungsvorgangs durch den Beigeladenen rechtswidrig ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlands vom 1. Juli 2015 zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Klägerin begehrt mit dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Verfahren Einsicht in den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der eine polizeiliche Einsatzmeldung anlässlich der Ereignisse am 22. Juli 2013 betrifft. Den auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Antrag der Klägerin lehnte der Beklagte ab, soweit der Vorgang personenbezogene Daten Dritter umfasst.
Rz. 2
Auf Verfügung des Gerichts der Hauptsache übersandte der Beklagte den Verwaltungsvorgang mit Schwärzungen und Fehlblättern und wies darauf hin, dass bei der obersten Dienstbehörde eine Sperrerklärung beantragt worden sei. Zu der am 25. März 2015 abgegebenen Sperrerklärung des Beigeladenen erläuterte das Hauptsachegericht mit Schreiben vom 7. April 2015, dass es keiner gesonderten gerichtlichen Äußerung zur Entscheidungserheblichkeit der gesperrten Unterlagen bedürfe. Daraufhin beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 21. Februar 2015 die Durchführung eines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 1. Juli 2015 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der Seiten 1, 9-12, 14-16 sowie der ungeschwärzten Seiten 19-22 der angeforderten Verwaltungsakte rechtmäßig sei. Bei den Namen natürlicher Personen handele es sich um grundsätzlich schutzwürdige personenbezogene Daten. Der Beigeladene sei zu Recht davon ausgegangen, dass dem Informationsanspruch der Klägerin der Ausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG entgegenstehe. Nach Inhalt und Struktur des § 5 Abs. 1 IFG sei ein Informationszugangsanspruch, der personenbezogene Daten in amtlichen Aufzeichnungen betreffe, grundsätzlich ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 4
Die zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen unbegründet. Die Weigerung, die streitigen Aktenteile vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, ist zwar insoweit rechtswidrig als sie Blatt 1, Blatt 19 a) sowie Blatt 19 vorletzter und letzter Satz und Blatt 21 drittletzter Absatz (eingerückt) betrifft. Im Übrigen hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts den Antrag aber zu Recht abgelehnt.
Rz. 5
1. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts eine Entscheidung im Zwischenverfahren getroffen hat, obwohl das Gericht der Hauptsache keinen förmlichen Beschluss zur Entscheidungserheblichkeit der ungeschwärzten Vorlage gefasst, sondern sich auf die Anforderung der Akten beschränkt hat. Eine förmliche Äußerung zur Entscheidungserheblichkeit war ausnahmsweise entbehrlich, weil die Entscheidung – wie das Hauptsachegericht zutreffend klargestellt hat – allein von der Frage abhängt, ob die geschwärzten Angaben, wie von der Behörde geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind.
Rz. 6
2. Gegenstand der Prüfung in dem Zwischenverfahren ist die auf der Grundlage von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgegebene Sperrerklärung. Der Antrag ist dementsprechend darauf gerichtet, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung einer vollständigen und ungeschwärzten Vorlage der in Rede stehenden Aktenteile festzustellen. Inwieweit der Antrag begründet ist, ist anhand der abgegebenen Sperrerklärung zu prüfen. Dafür muss die oberste Aufsichtsbehörde die Akten aufbereiten und je nach Inhalt der Schriftstücke den behaupteten Weigerungsgrund nachvollziehbar darlegen (BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 20 F 13.13 – juris Rn. 14). Diesen Anforderungen genügt die Sperrerklärung des Beigeladenen noch. Sie lässt zwar eine geordnete Auflistung und Aufbereitung der zurück gehaltenen Aktenteile vermissen. Angesichts des überschaubaren Umfangs des Verwaltungsvorgangs und in der Zusammenschau mit den durch Blattzahlen präzisierten Angaben des Beklagten lässt sich aber aus den Umschreibungen des Beigeladenen unter 3) die Reichweite der Sperrerklärung noch hinreichend nachvollziehbar ableiten.
Rz. 7
3. Zu Recht ist der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass ein Geheimhaltungsgrund i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gegeben ist, weil die geschwärzten Angaben – vorbehaltlich des Tenors – personenbezogene Daten betreffen, die ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind.
Rz. 8
Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Sind Behörden bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben (auch) auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten. Hinweise Dritter können auch Anlass sein, überhaupt tätig zu werden. (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 10.02 – BVerwGE 118, 10 ≪14≫; Beschlüsse vom 22. Juli 2010 – 20 F 11.10 – BVerwGE 137, 318 Rn. 10; vom 1. August 2011 – 20 F 26.10 – juris Rn. 6 und vom 28. Juli 2015 – 20 F 2.14 – [ECLI:DE:BVerwG:2015:280715B20F2.14.0] – juris Rn. 7). Ob Vertraulichkeit zugesichert worden ist, ist im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO unerheblich (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2010 – 20 F 1.10 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 59 Rn. 15). Informantenschutz ist weder abhängig von der ausdrücklichen Bitte um vertrauliche Behandlung noch von der begründeten Befürchtung, sich im Fall einer Offenlegung möglichen Repressalien ausgesetzt zu sehen. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben (stRspr vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2015 – 20 F 2.14 – juris Rn. 7).
Rz. 9
Die Aufgabe, auf die die behördlichen Ermittlungen ausgerichtet sind, muss dem Schutz gewichtiger Rechtsgüter dienen (BVerwG, Beschluss vom
3. August 2011 – 20 F 23.10 – juris Rn. 8 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 30. April 1965 – 7 C 83.63 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 7 S. 11). Diese Voraussetzung liegt bei Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr, die auf eine konkrete Gefahr von Leib und Leben zielt, vor.
Rz. 10
Informantenschutz greift grundsätzlich unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Angaben (BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 20 F 11.10 – BVerwGE 137, 318 Rn. 13). Die zuständige Behörde ist aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr verpflichtet, allen vom Ansatz her sachlich begründeten Hinweisen nachzugehen und muss daher die Vertraulichkeit von Angaben Dritter auch dann wahren dürfen, wenn sich die Hinweise nach Abschluss der Ermittlungen als unzutreffend erweisen sollten. Der Vertraulichkeitsschutz entfällt nur, wenn hinreichend aussagekräftige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat (BVerwG, Beschluss vom 1. August 2011 – 20 F 26.10 – juris Rn. 8).
Rz. 11
Solche Anhaltspunkte sind hier nicht zu erkennen. Die Polizei hatte – ausweislich des zusammenfassenden Berichts des Polizeikommissars Sch. vom 4. November 2013 (Verwaltungsvorgang Bl. 20 – 22) – nach Hinweisen auf eine mögliche Selbstgefährdung der Klägerin sich ihrerseits ein Bild von der Lage durch deren Befragung vor Ort in ihrer Wohnung gemacht. In der Folge erklärte sich die Klägerin bereit, sich einer ärztlichen Begutachtung zu unterziehen. Nach Angaben der Polizei wurde die Klägerin daraufhin mit einem Rettungswagen, aber ohne polizeiliche Begleitung in die Klinik gebracht. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin – wie mit der Beschwerdeschrift vorgetragen – „zu Hause abgeholt werden kann, um sie in eine psychiatrische Untersuchung zu zwingen”. Dass der zuständige Arzt bei der Untersuchung zu der Einschätzung gekommen ist, es bestehe keine akute Eigengefährdung, genügt nicht, um die Annahme zu begründen, die Hinweisgeber hätten wider besseren Wissens oder leichtfertig falsche Angaben gemacht. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – das ärztliche Ergebnis der Untersuchung auf eine Problemlage verweist, die der Sache nach mit der Einschätzung der Polizei bei der persönlichen Befragung übereinstimmt und keine weiteren besonderen Anhaltspunkte bestehen.
Rz. 12
4. Das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung war im vorliegenden Fall rechtlich vorgezeichnet. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts geht zwar zutreffend davon aus, dass die personenbezogenen Daten der Hinweisgeber ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind. Einem Missverständnis scheint der Fachsenat aber insoweit zu unterliegen, als er meint, dem Informationsanspruch der Klägerin stehe der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG entgegen und auf dieser Grundlage eine „Einzelfallabwägung” vornimmt. Es ist Aufgabe des Gerichts der Hauptsache, Feststellungen zu Reichweite und Struktur eines geltend gemachten fachgerichtlichen Informationszugangsanspruchs zu treffen. Besondere Umstände, aus denen sich ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse ergeben könnte, das ausnahmsweise eine Offenbarung geschützter personenbezogener Daten zu rechtfertigen vermag, sind nicht zu erkennen.
Rz. 13
5. Der Senat hat den geschwärzten Verwaltungsvorgang, der dem Verwaltungsgericht als Hauptsachegericht vorgelegt worden ist, und das dem Fachsenat vorgelegte Original im Einzelnen durchgesehen und miteinander verglichen. Dabei hat sich ergeben, dass die Schwärzungen im Wesentlichen von Gründen i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gedeckt sind.
Rz. 14
Rechtswidrig ist aber die Weigerung, Blatt 1 offen zu legen. Ohne weitere Erläuterung erschließt sich dem Senat nicht, auf welchen Geheimhaltungsgrund die vollständige Schwärzung des Schreibens „PI W. an LPP 322” vom 5. November 2013 gestützt werden soll. Rechtswidrig ist die Sperrerklärung auch insoweit, als kein Geheimhaltungsgrund zu Blatt 19 a) der Originalakte angeführt wird. Der Umstand, dass sich kein Leerblatt in dem geschwärzten Verwaltungsvorgang findet, mag auf einem Versehen beruhen. Das ändert aber nichts daran, dass die Sperrerklärung insoweit nicht den Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO genügt. Die Feststellung, dass die Sperrerklärung insoweit rechtswidrig ist, hindert den Beigeladenen aber nicht daran, erneut eine Sperrerklärung abzugeben. Die Schwärzungen auf Blatt 19 vorletzter und letzter Satz und Blatt 21 drittletzter Absatz (eingerückt) betreffen Angaben, die der Klägerin bekannt sind.
Rz. 15
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Unterschriften
Neumann, Dr. Bumke, Dr. Kuhlmann
Fundstellen