Verfahrensgang

VG Dessau (Aktenzeichen 3 K 107/97)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dessau über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 11. Juli 2000 aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage auf Rückübertragung des Eigentums an dem Flurstück 120 der Flur 3 der Gemarkung Hundeluft abgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. a) Soweit die Klage auf Rückübertragung des Eigentums an dem Flurstück 120 der Flur 3 der Gemarkung Hundeluft abgewiesen worden ist, beruht das Urteil auf einer Abweichung (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) von dem in der Beschwerde genannten Urteil vom 30. November 1995 (- BVerwG 7 C 55.94 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 5 S. 3 ≪6 f.≫). Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts deckt sich der Begriff des Gemeingebrauchs im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG mit dem des öffentlichen Sachenrechts. Dieser Begriff umschreibt die Benutzung einer öffentlichen Sache, die jedermann oder mindestens einem nicht individualisierten Personenkreis ohne besondere Zulassung eröffnet ist. Hierzu gehören Sachen im Anstaltsgebrauch nicht. Dagegen geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass auch wesentliche gemeindliche Einrichtungen – wie das Gebäude einer freiwilligen Feuerwehr – dem Gemeingebrauch im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG gewidmet sind.

b) Soweit die Klage hinsichtlich des genannten Grundstücks abgewiesen worden ist, hat die Rechtssache auch grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage bieten, inwieweit eine erst nach dem 29. September 1990 erfolgte Widmung zum Gemeingebrauch die Rückübertragung von Eigentumsrechten gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG ausschließen kann.

2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

a) Die Rechtssache hat keine weitere grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es. Die Beschwerde hält sinngemäß für klärungsbedürftig die Frage, ob eine zu DDR-Zeiten ohne förmliche Widmung jahrelang als solche genutzte öffentliche Straße dem Gemeingebrauch im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG gewidmet ist. Diese Frage kann – mit dem Verwaltungsgericht – aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres bejaht werden. Widmungen zum Gemeingebrauch im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG können auch konkludent bzw. faktisch erfolgen. Schon in ihrer Erläuterung zum Vermögensgesetz nimmt die Bundesregierung in ihrem Schreiben vom 12. September 1990 an den Deutschen Bundestag (BTDrucks 11/7831) an, dass Widmungen zum Gemeingebrauch im Sinne dieser Bestimmung in der Regel schlüssig dadurch erfolgt sind, dass die Benutzung durch die Öffentlichkeit tatsächlich zugelassen worden war (vgl. Beschluss vom 24. Juli 1998 – BVerwG 8 B 79.98 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 17 S. 48). Diese Auslegung stimmt mit dem gemeinsamen Zweck der in § 5 Abs. 1 VermG geregelten Ausschlusstatbestände überein, wonach bestimmte rechtliche oder tatsächliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes nicht dadurch in Frage zu stellen sind, dass die früheren Eigentumsverhältnisse wieder begründet werden (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1995 – BVerwG 7 C 27.94 – BVerwGE 100, 77 ≪80≫ = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 6 S. 12).

c) Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Der absolute Revisionsgrund des § 138 Nr. 4 VwGO liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht konnte selbstverständlich verhandeln und entscheiden, obwohl der ordnungsgemäß geladene Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen war. Da der Beklagte den Kläger nicht klaglos gestellt hatte, musste das Verwaltungsgericht über das Begehren der Kläger entscheiden. Auch ohne einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageabweisungsantrag des Beklagten konnte es die Klage abweisen.

Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundlegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Die bloße Behauptung, das Verwaltungsgericht hätte weiter ermitteln müssen, ob hinsichtlich der Flurstücke 8/4 und 8/5 die Voraussetzungen einer Widmung vorliegen, genügt dem nicht. Es wird nicht einmal ein Beweismittel benannt, welches zur Verfügung gestanden hätte. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die materiell-rechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichts angreift, übersieht sie, dass mit derartigen Angriffen ein Verfahrensmangel nicht dargelegt werden kann. Vielmehr ist der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, die materiellrechtliche Auffassung des angefochtenen Urteils zugrunde zu legen.

Das Verwaltungsgericht hat auch den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt. Es gehört zu der dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (stRspr, vgl. Beschluss vom 18. Februar 1972 – BVerwG 8 B 3.72 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 S. 27 ≪28≫). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr, vgl. Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 ≪4≫). Eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz, die ausnahmsweise als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden könnte (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫) wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Sie meint lediglich, das Verwaltungsgericht hätte es nicht allein aufgrund des Tatsachenvortrags der Beigeladenen und aufgrund von Indizien als erwiesen ansehen dürfen, dass die Tatsachen, aus denen sich eine Widmung der Flurstücke 8/4 und 8/5 zum Gemeingebrauch ergibt, vorliegen.

c) Soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe das Vermögenszuordnungsgesetz rechtsfehlerhaft ausgelegt und bei seiner Entscheidung eine Verletzung des Unterlassungsverbotes des § 3 Abs. 3 VermG nicht berücksichtigt, wird keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), sondern lediglich das verwaltungsgerichtliche Urteil im Stile einer Berufungsbegründung angegriffen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Krauß, Golze

 

Fundstellen

Dokument-Index HI642623

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