Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 20.10.2005; Aktenzeichen 26 N 03.2078) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller zu 1 beimisst. Die Frage, ob ein im Aufstellungsverfahren erfolgter Abwägungsausfall im Verlauf des gerichtlichen Normenkontrollverfahrens durch die Gemeinde ohne Vorlage des entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses nachgeholt werden kann, würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Normenkontrollgericht nicht angenommen hat, dass der umstrittene Bebauungsplan zum Zeitpunkt seines Zustandekommens mit einem Abwägungsfehler in Form des Abwägungsausfalls behaftet war. Es ist nicht zweifelhaft, dass sich die Aussage im angefochtenen Urteil, andere zur Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans führende Abwägungsmängel lägen nicht vor (UA S. 11), auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2001 bezieht; denn im Rahmen der vorher durchgeführten Prüfung, ob die Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche auf der ehemaligen Staatsstraße 2047 mit dem Abwägungsgebot vereinbar ist, findet sich der Rechtssatz, dass der Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses für die Abwägung maßgeblich ist (UA S. 10).
2. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Dem Normenkontrollgericht sind weder bei der Erörterung der Frage, ob die Antragsgegnerin von einer Ausdehnung der Baugrenzen auf dem Grundstück FlNr. 855/2 nach Westen bis zur Bauverbotszone absehen durfte, noch bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der textlichen Festsetzung Nr. 4.3, die die Errichtung von Garagen und Nebengebäuden außerhalb der Baugrenzen verbietet, Verfahrensfehler unterlaufen.
a) Der Vorwurf der Beschwerde, das Normenkontrollgericht habe dem Antragsteller zu 1 beim Thema Erweiterung der Baugrenzen nach Westen in zweifacher Hinsicht das rechtliche Gehör abgeschnitten, ist unbegründet. Zunächst trifft es nicht zu, dass das Gericht den Vortrag des Antragstellers zu 1 übergangen hat, der Bebauungsplan leide u.a. insoweit an einem Abwägungsmangel in Gestalt des Abwägungsausfalls, als der Anregung, die Baugrenze auf dem Grundstück 855/2 nach Westen bis zur Bauverbotszone auszudehnen, ohne Begründung und unter Verletzung des Gleichheitsgebots nicht gefolgt worden sei. Das Gericht hat dieses Vorbringen im Tatbestand der Entscheidungsgründe referiert (UA S. 7) und unter der Nr. 2.2.2 der Entscheidungsgründe (UA S. 11) darauf geantwortet. Des Weiteren hält die Beschwerde dem Normenkontrollgericht zu Unrecht vor, den gegen die Festsetzung der Baugrenzen auf dem Grundstück FlNr. 855/2 erhobenen Einwand ignoriert zu haben, auf dem Nachbargrundstück FlNr. 854/1 stehe ein in die Bauverbotszone hineinragender Schuppen. Sie verkennt insoweit, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs das Gericht nur verpflichtet, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295≫; 70, 288 ≪293≫). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen einbezogen hat; nur bei deutlichen gegenteiligen Anhaltspunkten kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪146≫). Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Das Normenkontrollgericht hat die Festsetzung der Baugrenzen für das Grundstück FlNr. 855/2 mit der Begründung gebilligt, der Bauraum sei so bemessen, dass die Möglichkeit einer Bebauung entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans (freistehendes Einzelhaus mit maximal zwei Wohneinheiten) auch ohne Hinreichen der Bebauungsgrenze bis an die Bauverbotszone ausreichend gegeben sei. Die Existenz des Schuppens auf dem Grundstück FlNr. 854/1, die ihm ausweislich des Tatbestands seiner Entscheidung nicht entgangen ist (UA S. 8), hat es in diesem Zusammenhang offenbar für rechtlich nicht relevant gehalten.
Die Rüge, das Normenkontrollgericht habe beim Vergleich der Grundstücke, die nach dem Bebauungsplan bis an die Bauverbotszone bebaut werden dürfen, mit denjenigen, bei denen die Baugrenzen nicht bis zu dieser Zone ausgedehnt worden sind, eine aktenwidrige Feststellung getroffen, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die Beschwerde trägt selbst vor, dass das im Bebauungsplan mit Nr. 1 gekennzeichnete Grundstück 620 m², das Grundstück Nr. 2 580 m² und das Grundstück Nr. 12 des Antragstellers zu 1 (= FlNr. 855/2) 680 m² groß ist. Sie wendet sich dagegen, dass das Normenkontrollgericht aus dem Größenvergleich den Schluss gezogen hat, die Grundstücke Nr. 1 und Nr. 2 seien „deutlich” kleiner als das Grundstück Nr. 12 (UA S. 11). Die Bewertung der Größenunterschiede als deutlich gehört freilich zur tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung, die als solche der Verfahrensrüge nicht zugänglich sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226).
b) Soweit sich die Verfahrensrügen auf die Ausführungen im Normenkontrollurteil zu der textlichen Festsetzung Nr. 4.3 (UA S. 12) beziehen, hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg. Die Gehörsrüge, das Normenkontrollgericht habe den Hinweis des Antragstellers zu 1 nicht ausreichend gewürdigt, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin noch im März und im Mai 1999 die Errichtung von Gartenhäusern außerhalb der Baugrenzen zugelassen habe, ist unschlüssig. Die Beschwerde moniert nicht, dass das Normenkontrollgericht über den Vortrag des Antragstellers zu 1 zu früheren Planungsabsichten der Antragsgegnerin hinweggegangen sei. Vielmehr beanstandet sie, dass das Normenkontrollgericht dem Rat der Antragsgegnerin das Recht zugebilligt hat, seine planerischen Vorstellungen im Laufe des Verfahrens zur Aufstellung eines Bebauungsplans zu ändern. Mit Angriffen gegen die Auslegung und Anwendung materiellen Rechts lässt sich ein die Zulassung der Verfahrensrevision rechtfertigender Verfahrensverstoß nicht dartun (BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 – BVerwG 7 B 336.97 – Buchholz 428.5 § 6 GVO Nr. 1).
Die Beschwerde sieht eine Gehörsverletzung ferner darin, dass das Normenkontrollgericht eine offenkundige Fehlvorstellung des Gemeinderats der Antragsgegnerin bei der Beschlussfassung über die Zulässigkeit von Nebengebäuden nicht berücksichtigt habe. Der Gemeinderat sei davon ausgegangen, bei einer Ausdehnung der Baugrenzen entsprechend der Anregung des Antragstellers zu 1 werde eine Bebauung bis zur südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 855 ermöglicht. Dies sei unzutreffend, weil einer Grenzbebauung die Ausweisung einer privaten Grünfläche im südlichen Grundstücksbereich entgegenstehe. Da der Gemeinderat offensichtlich nicht zwischen den als privaten Grünflächen festgesetzten Grundstücksteilen und den außerhalb der Baugrenzen liegenden Grundstücksteilen unterschieden habe, liege ein Abwägungsmangel vor. Hierauf sei das Normenkontrollgericht nicht eingegangen, obwohl der Antragsteller zu 1 auf diesen Sachverhalt im Schriftsatz vom 5. Oktober 2004 (Seite 1) hingewiesen habe. – Diese Gehörsrüge bleibt erfolglos, weil die Darstellung der Beschwerde über den Inhalt des in Bezug genommenen Schriftsatzes vom 5. Oktober 2004 nicht zutrifft. Soweit es darauf ankommt, beschränkt sich der Schriftsatz auf die Wiedergabe der Ansicht des Antragstellers zu 1, durch die Festlegung eines verhältnismäßig breiten Grünstreifens habe die Antragsgegnerin ausreichend sichergestellt, dass ein bestimmter Anteil an Fläche nicht bebaut werde. Hierauf hat das Normenkontrollgericht unter Nr. 2.2.3 der Entscheidungsgründe geantwortet, es liege innerhalb der weiten Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit, die Grundstücksteile, die außerhalb der – ausreichend bemessenen – Baugrenzen lägen, zur Verhinderung einer wahllosen Bebauung von jeglicher Bebauung freizuhalten.
Die Beschwerde vermisst eine Beweisaufnahme des Normenkontrollgerichts zu der Tatsache, ob das Grundstück des Antragstellers zu 1 von weitem einsehbar ist. Sie erhebt damit eine Aufklärungsrüge. Abgesehen davon, dass das Beweisthema zu unbestimmt ist, als dass sich ihm das Normenkontrollgericht hätte widmen müssen, genügt die Rüge nicht den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass es nach dem materiellrechtlichen Standpunkt des Normenkontrollgerichts, auf den abzustellen ist, auf die Einsehbarkeit des Grundstücks ankam. Darüber hinaus mangelt es an der gebotenen Substanziierung (vgl. zu den Anforderungen BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Die Beschwerde legt nicht dar, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich im Einzelnen getroffen worden wären. Außerdem zeigt sie nicht auf, dass bereits im Verfahren vor dem Normenkontrollgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, durch Beweisanträge auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.
3. Die Revision ist schließlich nicht zuzulassen, um dem Senat den Zugriff auf die von der Beschwerde bemängelte Kostenentscheidung der Vorinstanz zu eröffnen. Die Beschwerde scheitert sowohl daran, dass sie ihre Kritik an der Kostenquotelung mit keinem der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe verknüpft, als auch an § 158 Abs. 1 VwGO. Nach dieser Bestimmung ist die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Zwar umfasst die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers zu 1 auch das Begehren auf Feststellung der vollständigen Unwirksamkeit des umstrittenen Bebauungsplans, sie ist jedoch kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache. § 158 Abs. 1 VwGO bezweckt, die oberen Gerichte davon freizustellen, ohne Entscheidung zur Hauptsache isoliert die Kostenentscheidung überprüfen zu müssen. Deshalb steht die Vorschrift einer Anfechtung (auch) der Kostenentscheidung nur dann nicht entgegen, wenn das Rechtsmittel zur Hauptsache zu einer Sachentscheidung führen kann. Bei Rechtsmitteln, die der Zulassung bedürfen, ist dies erst nach der – hier nicht in Betracht kommenden – Zulassung möglich (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2002 – BVerwG 4 BN 7.02 – NVwZ 2002, 1385 ≪1386≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Jannasch
Fundstellen