Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 2 A 3867/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. September 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 32 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin zu 1 auf Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG mit der Begründung verneint, das bestätigende Merkmal der Sprache (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG) sei ihr nicht vermittelt worden; Deutsch sei nicht ihre Muttersprache und auch nicht bis zur Selbständigkeit ihre bevorzugte Umgangssprache in der Familie gewesen. Für die hilfsweise beantragte Anhörung der Klägerin zu 1 bestehe kein Anlaß, die hilfsweise beantragte weitere Sachaufklärung durch erneute Zeugenvernehmung des bereits vom Verwaltungsgericht angehörten Vaters der Klägerin zu 1 habe nach § 87 b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen werden können. Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Sprache, Erziehung und Kultur könne mangels Vortrages oder Ersichtlichkeit besonderer Umstände auch nicht von einer deutschen Erziehung der Klägerin zu 1 oder von der Vermittlung deutscher Kultur an sie ausgegangen werden. Bestätigungsmerkmale nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG seien hier auch nicht gemäß Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz der Vorschrift entbehrlich; es fehlten konkrete Angaben zu der erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aufgestellten Behauptung, wegen der Verhältnisse im Herkunftsgebiet habe in der Familie nicht mehr Deutsch vermittelt werden können als geschehen. Nach eigenen Angaben der Klägerin zu 1 und ihres in erster Instanz als Zeugen vernommenen Vaters sei in der Familie jedenfalls vom Vater und der Großmutter deutsch gesprochen worden; eine Vermittlung der deutschen Sprache in der Familie sei in der früheren Sowjetunion möglich gewesen. Auch insoweit sei die beantragte Zeugenvernehmung des Vaters der Klägerin zu 1 sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens jedenfalls gemäß § 87 b Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung des Bundesvertriebenengesetzes stehe der Klägerin zu 1 nicht zu, da sie das Aussiedlungsgebiet nicht vor dem 1. Januar 1993 verlassen habe; auch bei – unterstellter – Rechtswidrigkeit einer vor dem 1. Januar 1993 ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes sei die Beklagte nicht befugt, Aufnahmebescheide unter den Voraussetzungen des bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Rechts zu erteilen. Die Klägerin zu 1 habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Einbeziehungsbescheides als Abkömmling ihres Vaters nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, da nach dieser Vorschrift eine Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid nur solcher Bezugspersonen in Betracht komme, die erst nach dem 31. Dezember 1992 die Aussiedlungsgebiete verlassen hätten, während der Vater der Klägerin zu 1 das Aussiedlungsgebiet bereits im Dezember 1992 endgültig verlassen habe.
Die Grundsatzrüge, mit der die Beschwerde geltend macht, die Anwendung des im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Rechts verletze Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 GG, weil die Ablehnung des Antrages der Klägerin zu 1 nach dem im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung des Bundesverwaltungsamtes (Bescheid vom 5. Dezember 1991) geltenden Recht wegen Hineinwachsens der Klägerin zu 1 in die Bekenntnislage der Eltern rechtswidrig gewesen sei und die Klägerin zu 1 einen Anspruch auf Eintragung in den Aufnahmebescheid der Eltern gehabt habe, greift nicht durch. Da die seit dem 1. Januar 1993 geltende Fassung des Bundesvertriebenengesetzes keine Übergangsregelung für die bei seinem Inkrafttreten noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahren vorsieht, war die Vorinstanz rechtlich gehindert, die Beklagte zur Erteilung eines Aufnahmebescheides auf der Grundlage des außer Kraft getretenen alten Rechts zu verpflichten; es bedarf auch nicht der Zulassung der Revision, um zu klären, daß in der Versagung der – nach dem bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Recht nicht vorgesehenen und infolge der Übersiedlung der Eltern nach Deutschland im Jahre 1992 nach neuem Recht rechtlich nicht mehr möglichen – Einbeziehung der Klägerin zu 1 in den den Eltern der Klägerin zu 1 erteilten Aufnahmebescheid bzw. einer selbständigen Aufnahme als Abkömmling kein Verstoß gegen das Grundgesetz liegt.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, daß die Rechtsstellung einer nach dem 31. Dezember 1923 geborenen Person sich im Verfahren auf Erteilung eines Aufnahmebescheides auch dann nach § 6 Abs. 2 i.d.F. des Art. 1 Nr. 5 des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes richtet, wenn der Antrag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gestellt worden war (BVerwGE 99, 133, 137 f.). Darin liegt keine unzulässige gesetzliche Rückwirkung, weil der Rechtsstatus als Vertriebener (Aussiedler) nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F. erst mit dem Verlassen des Vertreibungsgebietes entstand und ein vor Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes gestellter (und abgelehnter) Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides keinen Rechtsstatus begründete, sondern lediglich einen hypothetischen, in der Zukunft liegenden Statuserwerb zum Gegenstand hatte; im übrigen konnte niemand darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber die außer dem Verlassen des Vertreibungsgebiets (Aussiedlungsgebiets) erforderlichen Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechtsstatus nach dem Bundesvertriebenengesetz nicht für die Zukunft modifizierte (a.a.O. S. 138). Daran ist auch für die vorliegende Sachverhaltsgestaltung festzuhalten, bei welcher über den unter dem 20. März 1991 gestellten Aufnahmeantrag der Kläger vor Inkrafttreten des neuen Rechts entschieden worden war (Bescheid vom 5. Dezember 1991), aber wegen eines Zustellungsfehlers und fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung der Widerspruch noch im Januar 1993 eingelegt werden konnte (vgl. S. 10 – 13 des angefochtenen Urteils). Diese Umstände begründen keinen weiterreichenden Vertrauensschutz im Sinne einer verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer Beibehaltung der im Ablehnungszeitpunkt bestehenden Rechtslage. Daß die Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n.F. nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstößt, hat der Senat bereits in mehreren den Prozeßbevollmächtigten der Kläger bekannten Beschlüssen entschieden (vgl. etwa Beschluß vom 27. April 1999 – BVerwG 5 B 41.99 –). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem sinngemäß ebenfalls als verletzt gerügten Art. 6 GG; aus dieser Bestimmung lassen sich keine unmittelbaren Ansprüche auf Einreise und Aufenthalt herleiten (vgl. BVerfGE 76, 1, 41 ff., 47 im Zusammenhang des Ehegatten- und Familiennachzuges).
Soweit die Beschwerde mit der Grundsatz- und der Divergenzrüge geltend macht, es bestehe „weiterer Klärungsbedarf hinsichtlich des Bedeutungsinhaltes des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVFG” und es müsse vor allem geklärt werden, „ob die Möglichkeit der Vermittlung der deutschen Kultur und Erziehung ab dem 5. Lebensjahr über die deutsche Sprache möglich” sei, wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht erkennbar. Für den Begriff der Muttersprache und der bevorzugten Umgangssprache hat die Vorinstanz die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt; die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob die Möglichkeit der Vermittlung der deutschen Kultur und Erziehung über die deutsche Sprache (auch) ab dem 5. Lebensjahr möglich ist, stellt sich nicht in entscheidungserheblicher Weise, da die Vorinstanz eine solche Möglichkeit nicht grundsätzlich verneint hat, sondern im Falle der Klägerin zu 1 besondere Umstände nicht feststellen konnte. Grundsätzliche Bedeutung besteht auch nicht mit Blick auf die in den Verfahren BVerwG 5 B 125.99 und BVerwG 5 B 21.99 vom Senat ausgesprochenen Zulassungen. Zur Begründung einer Divergenz sind diese Beschlüsse schon deshalb nicht geeignet, weil sie zwar eine zu klärende Rechtsfrage bezeichnen, aber einen divergenzfähigen Rechtssatz gerade nicht enthalten (Beschluß vom 6. März 1967 – BVerwG 8 B 1.67 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 55≫). Eine hinreichend konkrete klärungsbedürftige Rechtsfrage hat die Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht bezeichnet.
Soweit die Beschwerde schließlich die Zurückweisung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge mit der Aufklärungsrüge und der Gehörsrüge angreift, fehlt bezüglich des als Zeugen benannten Vaters der Klägerin zu 1 schon die erforderliche Darlegung, welche konkreten weiteren Angaben von ihm zu Fragen der Sprachvermittlung in der Familie zu erwarten gewesen wären. Soweit mit dem Antrag auf Zeugenvernehmung des Vaters und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Verhältnisse am Wohnort aufgeklärt werden sollten, ist die Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensverstoßes nicht dargelegt, da nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz für die Sprachvermittlung auf die Verhältnisse in der Familie abzustellen war. Bezüglich der von der Vorinstanz zur Anwendung gebrachten Präklusionsnorm des § 87 b Abs. 3 VwGO legt die Beschwerde auch nicht dar, wieso der Prozeßbevollmächtigte die Beweismittel nicht innerhalb der von der Berichterstatterin gesetzten Frist hätte benennen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Bender, Dr. Franke
Fundstellen