Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 27.09.2004; Aktenzeichen 21 N 01.771) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. September 2004 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
1. Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an den Verwaltungsgerichtshof.
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die Satzung für die Einführung eines Qualitätsmanagements in Apotheken der Bayerischen Landesapothekerkammer vom 24. November 1999 (Beschlussdatum), die nachfolgend mehrfach geändert worden ist. Die Satzung ist auf der Grundlage des Heilberufe-Kammergesetzes – HKaG – vom 20. Juli 1994 (GVBl S. 854) erlassen worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag als unzulässig verworfen, weil der Antragsteller nicht im Sinne des § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt sei. Der Antragsteller hält unter Darstellung der als entscheidungserheblich angesehenen abstrakten Rechtssätze des Verwaltungsgerichtshofs, die sich weder aus dem Wortlaut noch unter Berücksichtigung des Gebotes verfassungskonformer Auslegung aus der Satzungsermächtigung ergäben, die Frage für klärungsbedürftig, “ob vorliegend trotz engem Wortlaut im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und Bundesverfassungsgerichts zum eng umgrenzten Aufgabenbereich einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Pflichtmitgliedschaft der vom erkennenden Gericht ohne weitere Begründung gezogene Schluss zur Erweiterung des Aufgabenbereichs zulässig ist …”. Damit ist keine noch zu klärende Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen.
Die Frage zielt auf die Grenzen der Auslegung des Landesrechts und führt damit nicht auf revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (s. Beschluss vom 9. März 1984 – BVerwG 7 B 238.81 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49; Beschluss vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 B 177.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277; Beschluss vom 1. September 1992 – BVerwG 11 B 24.92 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171, Beschluss vom 11. Dezember 2003 – BVerwG 6 B 69.03 –). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren wären in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 1995 – BVerwG 6 NB 1.95 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104). Der Hinweis des Antragstellers darauf, dass “die Vereinbarkeit (des Landesrechts) mit revisiblem Recht” zur Prüfung stünde, genügt diesen Anforderungen nicht. In Bezug auf die von ihm angeführten Grundrechtsbestimmungen und die “allgemeinen Grundsätze des Grundgesetzes” werden noch klärungsbedürftige Probleme nicht aufgezeigt. Dass das Revisionsgericht in einem Revisionsverfahren die Vereinbarkeit der Auslegung von Landesrecht mit dem Bundesrecht überprüfen kann, macht die Darlegung der klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts in dem auf Zulassung der Revision zielenden Beschwerdeverfahren nicht entbehrlich.
c) Es liegt aber ein von der Beschwerde geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem das angefochtene Urteil beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anforderungen an die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt und deshalb den Antrag des Antragstellers zu Unrecht mangels Antragsbefugnis verworfen. Nach der genannten Vorschrift ist ein Normenkontrollantrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügt ein Antragsteller seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO (Urteile vom 10. März 1998 – BVerwG 4 CN 6.97 – NVwZ 1998, 732 und vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Die Antragsbefugnis fehlt daher nur dann, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (vgl. Urteil vom 22. Februar 1994 – BVerwG 1 C 24.92 – BVerwGE 95, 133 ≪134≫). Der Antragsteller macht geltend, dass die Antragsgegnerin mit dem Erlass der angegriffenen Satzung über die ihr zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig geworden sei und damit in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen habe. Dass das Überschreiten der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben Rechte der Kammermitglieder verletzen kann, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 21. Juli 1998 – BVerwG 1 C 32.97 – BVerwGE 107, 169 ≪174≫ = Buchholz 451.09 IHKG Nr. 11 = GewArch 1998, 410 und vom 19. September 2000 – BVerwG 1 C 29.99 – BVerwGE 112, 69 = Buchholz 451.09 IHKG Nr. 15 = GewArch 2001, 161). Eine Aufgabenüberschreitung der Antragsgegnerin ist nicht von vornherein offensichtlich und eindeutig zu verneinen, sondern hängt von der Auslegung der für den Erlass von Satzungen der Antragsgegnerin geltenden Ermächtigungsgrundlage ab. Selbst wenn diese aber, wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, mit Art. 59, Art. 19 Nr. 12 HKaG eindeutig zum Erlass einer Satzung der umstrittenen Art ermächtigt, kann eine Verletzung der Rechte des Antragstellers nicht von vornherein offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden. Denn der Antragsteller hat der Antragsgegnerin nicht nur eine Überschreitung ihrer Kompetenzen vorgeworfen, sondern darüber hinaus geltend gemacht, dass er durch den Vollzug der angegriffenen Satzung in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Vorbringen des Antragstellers als eine bloße verbale Behauptung bewertet, der keine eigenen Interessen oder Belange oder gar Rechtspositionen des Antragstellers zugrunde lägen, und zur Begründung darauf hingewiesen, dass nach § 1 Abs. 2 der Satzung die Teilnahme am Zertifizierungsverfahren freiwillig ist. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs sind ungeeignet, die Möglichkeit einer Verletzung der Rechte des Antragstellers auszuräumen, und lassen sich daher mit der Vorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht mehr vereinbaren. Denn die Freiwilligkeit der Teilnahme an einem Zertifizierungsverfahren kann, worauf der Antragsteller ausdrücklich hingewiesen hat, mit einem faktischen Zwang verbunden sein. Es erscheint nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern eher nahe liegend, dass eine Zertifizierung einzelner Apotheken zu einem Wettbewerbsvorsprung vor nicht zertifizierten Apotheken führen kann. Will der Apotheker keinen entsprechenden Wettbewerbsnachteil erleiden, muss er an dem Zertifizierungsverfahren teilnehmen. Das kann etwa zur Änderung von Arbeitsabläufen in der Apotheke zwingen. Da als Einschränkung der Berufsfreiheit nicht allein Gebote und Verbote in Betracht kommen, sondern darüber hinaus auch andere staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb beeinflussen und so die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit behindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 – 1 BvR 298/86 – BVerfGE 86, 28 ≪37≫; BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004 – BVerwG 3 C 2.04 – NDV-RD 2004, 120), ist auch bei Freiwilligkeit der Teilnahme am Zertifizierungsverfahren eine Verletzung von Rechten des Antragstellers durch die angegriffene Satzung nicht offensichtlich ausgeschlossen. Für diese Sicht kann auch angeführt werden, dass von Antragseingang bis zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof immerhin mehr als drei Jahre abgelaufen sind, was jedenfalls bei offensichtlicher Unzulässigkeit des Antrags eine ungewöhnlich lange Verfahrensdauer wäre.
Da der Antragsteller mithin antragsbefugt ist und auch sonst keine Bedenken gegen die Zulässigkeit seines Antrags bestehen, muss es dem Verwaltungsgerichtshof überlassen bleiben, die landesrechtliche Norm auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Der Senat macht daher von seiner in § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumten Befugnis zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an den Verwaltungsgerichtshof Gebrauch.
2. Die Entscheidung über die Kosten muss der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen