Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 13.12.2007; Aktenzeichen 8 LB 14/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 68 851,57 € festgesetzt.
Tatbestand
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
aa) Die Klägerin macht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Witwenrente geltend. Nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den nicht revisiblen Bestimmungen der Alterssicherungsordnung der Beklagten ist hier nach allgemeinem Zivilrecht zu beurteilen, wer “Witwe” und damit zum Bezug der Hinterbliebenenrente berechtigt ist. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin nicht wirksam mit dem am 24. August 1994 verstorbenen Dr. …, der die deutsche und die ägyptische Staatsangehörigkeit besaß, verheiratet war. Dazu hat das Gericht zunächst festgestellt, dass die Wirksamkeit der Eheschließung sich nicht aus ausländischen, in Deutschland wirksamen Urteilen eines libanesischen Sharia-Gerichts und eines in Ägypten geführten Rechtsstreits ergibt; sodann hat es unter Zugrundelegung von Bestimmungen des Internationalen Privatrechts auf die in Ägypten, dem Staat der angeblichen Eheschließung, dafür geltenden Rechtsvorschriften abgestellt und ausgeführt, dass danach eine formgültige Ehe nicht geschlossen worden ist. Es hat weiter geprüft, ob die Klägerin in erweiternder Auslegung der Regelung der Alterssicherungsordnung als Überlebende einer sog. “hinkenden Ehe” Ansprüche hat, dies aber verneint.
Die im Zusammenhang mit diesen Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts aufgeworfenen Rechtsfragen führen nicht über den konkreten Einzelfall hinaus und können schon deshalb nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Die Klägerin vermag nicht aufzuzeigen, dass sie sich in nennenswerter Anzahl auch in anderen Fällen stellen. Dazu genügt ihr Hinweis darauf nicht, dass sich in Deutschland häufig Ehepaare aufhielten, die in islamischen Ländern nach dem Sharia-Recht Ehen geschlossen hätten, ohne die staatlichen Formvorschriften einzuhalten. Denn es müsste ersichtlich gemacht werden, dass sich deswegen in einer Vielzahl von Fällen die aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit Hinterbliebenenansprüchen gegen deutsche Stellen ergeben. Das lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht hinreichend entnehmen. Darin wird im Zusammenhang mit dem beigefügten Internet-Ausdruck auf die “hohe Anzahl deutsch-ägyptischer Ehen” hingewiesen, jedoch nicht erkennbar gemacht, dass sich hierzu die im Falle einer Eheschließung eines Mannes deutscher und ägyptischer Staatsangehörigkeit mit einer Frau mit saudi-arabischer, libanesischer und syrischer Staatsangehörigkeit (UA S. 7) stellenden Rechtsfragen ergeben.
bb) Davon abgesehen führen aber auch die aufgeworfenen Probleme aus sich heraus nicht auf ungeklärte Rechtsfragen des revisiblen Rechts.
(1) Die Klägerin wirft die Frage auf, “ob eine nach islamischem Recht (Sharia) gültig geschlossene Ehe deshalb gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB unwirksam ist, weil eine nach dem einschlägigen ausländischen Ortsrecht anzuwendende Vorschrift, die eine über das islamische Recht (Sharia) hinausgehende Form für die Klagbarkeit von Ansprüchen aus der Ehe vorsieht, nicht eingehalten wurde”. Mit dieser Fragestellung wird die Klägerin schon nicht den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des ägyptischen Rechts gerecht. Danach hat nämlich Art. 99 Abs. 4 des ägyptischen Gesetzes Nr. 78 von 1931 nicht nur Bedeutung für den Nachweis der Ehe im Prozess, sondern ist überdies auch zum Schutz der Ehefrauen auf die Einhaltung einer bestimmten Form bei der Eheschließung gerichtet; infolgedessen hat das Berufungsgericht diese Vorschrift als eine dem Erfordernis der Eheschließung vor dem Standesbeamten (§ 1310 BGB) angenäherte Formvorschrift im Sinne des Art. 11 Abs. 1 EGBGB angesehen. Darüber hinaus führt die Frage nicht auf eine ungeklärte Frage des revisiblen Rechts. Denn in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass nach Art. 11 Abs. 1, Art. 13 EGBGB die Frage, ob eine rechtswirksame Ehe vorliegt und welche Bedeutung einer rituellen Trauung zukommt, nur nach dem (staatlichen) Ortsrecht des Staates zu beurteilen ist, in dem diese Trauung vorgenommen wurde (BGH, Beschluss vom 8. November 1977 – IX ZB 64/75 – FamRZ 1978, 232). Weiteren Klärungsbedarf zu Art. 11 EGBGB zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Klägerin meint nur, dass das ägyptische Recht anders zu verstehen sei, als es das Oberverwaltungsgericht angenommen hat. Die Feststellung des in Ägypten maßgeblichen Rechts obliegt jedoch als Tatsachenfeststellung dem Berufungsgericht. Die Entscheidung der Tatsacheninstanz über das Bestehen und den Inhalt ausländischen Rechts ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO für das Revisionsgericht bindend (Beschluss vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 S. 7).
(2) Die Frage, “ob eine Entscheidung gemäß Art. 7 § 1 FamRÄndG, mit der eine Eheschließung für das Heimatland eines Ehegatten bestätigt wird, für deutsche Gerichte bindend ist”, könnte sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen und kann daher nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Denn die in Anwendung des Art. 7 § 1 des Familienrechtsänderungsgesetzes ergangene Entscheidung der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin vom 8. März 2006 stellt nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht fest, dass die Klägerin mit Wirksamkeit für Deutschland als mit dem verstorbenen Dr. … verheiratet gilt, sondern lehnt eine solche Rechtswirkung gerade ab. Die Anerkennung der Entscheidung des Sharia-Gerichts in Baabda (Libanon) vom 31. August 1998 ist nur erfolgt, “soweit die Echtheit der Eheschließung vom 25. Juni 1994 für die Libanesische Republik festgestellt worden ist”. Die Bindung deutscher Gerichte an diese Verwaltungsentscheidung könnte nicht weiter gehen als der Regelungsgehalt der Entscheidung. Dieser schließt aber nicht die Wirksamkeit der Eheschließung für Deutschland ein. Ob dieses Verständnis nicht mit dem Anerkennungsverfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG vereinbar ist, wie die Klägerin meint, ist für den Regelungsgehalt der Entscheidung ohne Bedeutung. Wenn die Entscheidung der Senatsverwaltung, wie die Klägerin sinngemäß meint, einen weitergehenden Inhalt hätte haben müssen, hätte dies in einem Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden müssen.
Daher kann auch die von der Klägerin angesprochene Problematik, ob die Entscheidung der Senatsverwaltung schon deshalb keine Bindungswirkung zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens entfalten könne, weil die Anerkennung einer Entscheidung in Familiensachen nur dann erfolgen könne, wenn diese zwischen den “Ehegatten” ergangen ist, nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Angesichts des Regelungsgegenstandes der Entscheidung der Senatsverwaltung stellt sie sich nicht.
(3) Die zur sog. “hinkenden Ehe” aufgeworfene Problematik ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits dahingehend gelöst worden, dass “zumindest eine nach dem Recht des Heimatlandes eines der Verlobten wirksame und damit auch nachweisbare Eheschließung” vorliegen muss (BVerfG, Beschluss vom 30. November 1982 – 1 BvR 818/81 – BVerfGE 62, 323 ≪332≫; Kammerbeschluss vom 28. Februar 2005 – 1 BvR 155/05 – NJW 2005, 1709). Wie sich aus der ausdrücklichen Gleichsetzung einer (nach dem Heimatrecht eines Verlobten) wirksamen Ehe mit deren Nachweisbarkeit ergibt, ist das Bundesverfassungsgericht bei seiner Begriffsbestimmung der durch Art. 6 Abs. 1 GG mitgeschützten “hinkenden Ehe” von der Einhaltung einer bestimmten Form der Eheschließung ausgegangen; dabei stand ihm die Ehe als ein “öffentliches Rechtsverhältnis” in dem Sinne vor Augen, “dass die Tatsache der Eheschließung für die Allgemeinheit erkennbar ist, die Eheschließung selbst unter amtlicher Mitwirkung erfolgt und der Bestand der Ehe amtlich registriert wird” (Beschluss vom 30. November 1982 a.a.O. S. 330; vgl. auch BSG, Urteil vom 7. Dezember 1989 – 4 RA 70/88 – SozR 2200 § 1291 Nr. 35). Diese oder vergleichbare Anforderungen an die Nachweisbarkeit der Ehe sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
b) Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist ebenfalls nicht gegeben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellt hat. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es.
Die Klägerin macht geltend, dass das Berufungsurteil von den Aussagen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. November 1982 (a.a.O.) abweicht, zitiert indessen die von ihr herangezogene Passage nicht vollständig dahin gehend, dass danach zumindest eine nach dem Recht des Heimatlandes eines der Verlobten wirksame und damit auch nachweisbare Eheschließung vorliegen muss. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht mit einem abstrakten Rechtssatz von der Gesamtaussage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts abgerückt ist. Das ist auch nicht der Fall, weil das Berufungsgericht der Klägerin den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in erster Linie mit der Begründung versagt hat, ihre “Ehe” sei ohne amtliche Mitwirkung eines deutschen oder ägyptischen Beamten geschlossen und auch nicht registriert worden.
c) Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
Die Klägerin macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, indem es den Sachverhalt in Bezug auf den Umstand, ob Dr. … bekannt hätte gewesen sein müssen, dass seine Eheschließung mit der Klägerin in Ägypten unwirksam gewesen sei, nicht hinreichend aufgeklärt habe. Selbst wenn dieser Vorhalt zutreffen sollte, könnte er der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil es nach dem Gesagten darauf nicht ankam. Denn die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Wissens- und Kenntnisstand des verstorbenen Dr. … sind lediglich Teil einer zusätzlichen Begründung seiner Entscheidung, die hinweggedacht werden kann, ohne dass sich am Ausgang des Berufungsverfahrens etwas ändert. Infolgedessen handelt es sich bei der Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht um eine unzulässige Überraschungsentscheidung.
Entscheidungsgründe
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 42 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Graulich
Fundstellen