Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 28.08.2013; Aktenzeichen 6 A 704/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. August 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen eine bankaufsichtsrechtliche Verfügung der Beklagten, mit der diese u.a. seine Tätigkeit als Betreiben eines erlaubnispflichtigen Bankgeschäfts (Finanzkommissionsgeschäft) einstufte, wegen fehlender Erlaubnis untersagte und die Abwicklung des Geschäfts anordnete. Das Verwaltungsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (stRspr., vgl. Beschluss vom 9. September 2011 – BVerwG 8 B 15.11 – ZOV 2011, 226). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a) Die Beklagte wirft zunächst die folgende Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig auf:
„Ist ein Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch dann zur Prüfung verpflichtet, ob – und gegebenenfalls in welchem Umfang – ein Bescheid auf der Rechtsgrundlage des § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG in Verbindung mit einem anderen als dem im Bescheid angegebenen Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 1a Satz 2 KWG aufrechterhalten werden kann, wenn die Behörde den angegriffenen Bescheid insoweit weder abgeändert noch ergänzt hat und sich die Behörde erst im Laufe des Verwaltungsstreitverfahrens auf das Vorliegen eines anderen Tatbestandes aus dem Katalog des § 1 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 1a Satz 2 KWG beruft?”
Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Im angestrebten Revisionsverfahren käme es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht verpflichtet war, den Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung zu prüfen, obwohl dieser von der Beklagten erst im gerichtlichen Verfahren zur alternativen Rechtfertigung der Untersagung angeführt wurde, ohne den angegriffenen Bescheid entsprechend zu ändern oder zu ergänzen. Es genügt, dass der Verwaltungsgerichtshof prozessrechtlich nicht gehindert war, die alternative Rechtfertigung der Untersagung mit zwei jeweils selbstständig tragenden Erwägungen zu verneinen, nämlich zum einen mit dem Fehlen einer formwirksamen Änderung der Untersagungsverfügung und zum anderen mit der Hilfserwägung, jedenfalls habe keine Finanzportfolioverwaltung vorgelegen, da der Kläger nicht „für andere” im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG tätig geworden sei. Wurde das angefochtene Urteil aber alternativ hintereinander gestaffelt auf mehrere Begründungen gestützt, die den Entscheidungsausspruch jeweils selbstständig tragen, ist die Revision nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder einzelnen Begründung ein Zulassungsgrund vorliegt (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 26). Dies ist – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – hier nicht der Fall.
b) Soweit die Beklagte weiterhin folgende Fragen als grundsätzlich klärungsbedürftig aufwirft:
„Ist das Tatbestandsmerkmal ‚für andere’ im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die betroffenen Anleger keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an den verwalteten Finanzinstrumenten haben, sondern ihnen nur nach Maßgabe der Wertentwicklung des in Finanzinstrumenten angelegten Vermögens ein anteiliger Anspruch auf Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages zusteht?”
und
„Ist das Merkmal ‚für andere’ im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG abzulehnen, wenn sich das verwaltete – in Finanzinstrumenten angelegte – Vermögen aus Fremdkapital speist und die betreffenden Fremdkapitalgeber lediglich mittelbar an einem Zuwachs dieses Vermögens partizipieren, sie insbesondere keinen Anspruch auf laufende Auszahlungen haben?”
bzw. (positiv ausgedrückt)
„Liegt das Merkmal ‚für andere’ im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG lediglich dann vor, wenn das durch den Dienstleister verwaltete Vermögen aus Finanzinstrumenten besteht, die im (rechtlichen) Eigentum der Kunden stehen?”
rechtfertigen diese nicht die Zulassung der Revision, denn diese Fragen sind nicht weiter klärungsbedürftig. Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass das Tatbestandsmerkmal „für andere” im Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG die Finanzportfolioverwaltung von der Eigenverwaltung abgrenzt, die keine Finanzdienstleistung nach dem Kreditwesengesetz ist. Der für die Finanzportfolioverwaltung erforderliche Dienstleistungscharakter kommt (nur) Tätigkeiten zu, die im Fremdinteresse besorgt werden, die also ursprünglich in den Tätigkeitsbereich des Auftraggebers (des anderen) fallen (Urteil vom 22. September 2004 – BVerwG 6 C 29.03 – BVerwGE 122, 29 ≪37≫). Der Finanzportfolioverwalter ist „für andere” tätig und handelt daher regelmäßig nicht im eigenen Namen, sondern als Bevollmächtigter seiner Kunden (Urteile vom 27. Februar 2008 – BVerwG 6 C 11.07 – BVerwGE 130, 262 ≪Rn. 58≫ und vom 8. Juli 2009 – BVerwG 8 C 4.09 – Buchholz 451.61 KWG Nr. 25 ≪Rn. 34 f.≫). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich auch, dass bei der Finanzportfolioverwaltung zwar Vermögen verschiedener Kunden zusammengefasst werden können, dass dazu aber keine Zusammenführung einer unbestimmten Vielzahl von Anlegern genügt, die ohne weitergehende Verbindung untereinander Gelder zur Verfügung stellen und dafür keine Gegenwerte in Form von Finanzinstrumenten übereignet erhalten, sondern – wie hier vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt – nur über schuldrechtliche Ansprüche am wirtschaftlichen (Miss-)Erfolg beteiligt werden. In einem solchen Fall ist vielmehr von der Verwaltung eigenen Vermögens der Gesellschaft auszugehen (vgl. Urteil vom 8. Juli 2009 a.a.O. Rn. 34).
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (stRspr., vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 – BVerwG 8 B 38.10 – ZOV 2011, 45 = juris Rn. 15) und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (Beschlüsse vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 und vom 9. September 2011 a.a.O. S. 227). Das angefochtene Urteil beruht dann nicht auf einer Abweichung, wenn es auch auf eine andere, selbstständig tragende Begründung gestützt ist, für die ihrerseits eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 VwGO ausscheidet (Kraft, a.a.O. § 132 Rn. 38).
a) Letzteres ist hier aber der Fall, soweit die Beklagte auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 1982 (– BVerwG 8 C 12.81 – BVerwGE 64, 356), vom 19. August 1988 (– BVerwG 8 C 29.87 – BVerwGE 80, 96), vom 12. April 1991 (– BVerwG 8 C 92.89 – NVwZ 1991, 999), vom 24. November 1998 (– BVerwG 9 C 53.97 – BVerwGE 108, 30) und vom 31. März 2010 (– BVerwG 8 C 12.09 – NVwZ-RR 2010, 636) Bezug nimmt und geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht halte in ständiger Rechtsprechung einen Austausch der Rechtsgrundlage für grundsätzlich zulässig, soweit nicht die Heranziehung einer anderen als der im angefochtenen Bescheid genannten Rechtsgrundlage zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat seine Entscheidung kumulativ darauf gestützt, dass der Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung nicht erfüllt sei, da der Kläger nicht „für andere” im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG tätig geworden sei. Für diese selbstständig tragende Begründung scheidet sowohl eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (wie oben ausgeführt), als auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz aus (wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zu 2.b ergibt).
b) Entgegen dem Beschwerdevorbringen besteht keine Divergenz zu den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2004 (– BVerwG 6 C 29.03 – BVerwGE 122, 29) und vom 24. Februar 2010 (– BVerwG 8 C 10.09 – ZIP 2010, 1170). Dort wird ausgeführt, dass die Finanzportfolioverwaltung die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum voraussetze. Das Tatbestandsmerkmal „für andere” in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG grenze die Finanzportfolioverwaltung von der Eigenvermögensverwaltung ab und setze eine Tätigkeit im Fremdinteresse voraus. Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof nicht abgewichen. Er hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, dass es darauf ankommt, ob die Vermögensverwaltung im Fremdinteresse besorgt wird. Dies hat er im vorliegenden Fall verneint, da der Kläger bzw. die J. Ltd. und die J. GmbH die Verwaltung des eigenen Vermögens der Gesellschaft(en) betrieben habe.
3. Das angefochtene Urteil beruht schließlich auch nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die geltend gemachte Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor. Die Beklagte macht geltend, das Berufungsurteil stelle sich als Überraschungsentscheidung dar. Der Verwaltungsgerichtshof habe die „Prüfung, ob die angegriffenen Verwaltungsakte kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig sein könne, als nicht zulässig angesehen, wenn die angegriffenen Bescheide weder abgeändert noch ergänzt worden seien.” Mit einer derartigen Rechtsauffassung habe die Beklagte nicht rechnen können. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Austausch der Rechtsgrundlage eines Bescheids grundsätzlich als zulässig angesehen werde.
Der damit erhobene Vorwurf trifft nicht zu. Von einem sogenannten Überraschungsurteil ist nur auszugehen, wenn das Urteil auf neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt worden ist, ohne dass die Verfahrensbeteiligten damit rechnen konnten (Beschlüsse vom 7. Mai 2008 – BVerwG 9 B 35.07 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 75 und vom 14. August 2013 – BVerwG 8 B 36.13 – juris). Daran fehlt es hier. Denn die Frage nach der Zulässigkeit des Nachschiebens einer anderen Rechtsgrundlage wurde von dem Kläger im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens verschiedentlich angesprochen (vgl. Schriftsatz vom 7. Juli 2011, Bl. 475 ff. der Gerichtsakte und Schriftsatz vom 27. Januar 2012, Bl. 776 ff. der Gerichtsakte).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Held-Daab, Dr. Rudolph
Fundstellen