Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 12.01.2023; Aktenzeichen 1 LB 23/22) |
VG Oldenburg (Entscheidung vom 22.02.2021; Aktenzeichen 4 A 8680/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2023 ergangenen Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 552 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
Rz. 2
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Das legt die Beschwerde nicht dar.
Rz. 3
Sie entnimmt dem Urteil des Senats vom 17. Februar 1984 - 4 C 55.81 - (Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 97) sowie den Beschlüssen vom 2. März 2000 - 4 B 15.00 - (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 198) und vom 7. Juni 2016 - 4 B 47.14 - (ZfBR 2016, 799) den Rechtssatz, eine gewerbliche Hauptnutzung ohne Aufenthaltsqualität könne keine Baulichkeit sein, die einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB präge. Das Oberverwaltungsgericht habe - hiervon abweichend - eine gewerbliche Hauptnutzung unabhängig von der Aufenthaltsfunktion ausreichen lassen.
Rz. 4
Die angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts enthalten den behaupteten Rechtssatz nicht. Sie betreffen keine gewerblich genutzten Gebäude, sondern Baulichkeiten, die landwirtschaftlichen Zwecken (z. B. Scheunen oder Ställe) oder Freizeitzwecken (z. B. Wochenendhäuser, Gartenhäuser) dienen und nur vorübergehend genutzt werden (BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 55.81 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 97 S. 34 sowie Beschlüsse vom 2. März 2000 - 4 B 15.00 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 198 S. 16 und vom 7. Juni 2016 - 4 B 47.14 - ZfBR 2016, 799 Rn. 9). Solche Baulichkeiten sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen (BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 2000 - 4 B 15.00 - a. a. O. und vom 7. Juni 2016 - 4 B 47.14 - a. a. O.). Zu gewerblich genutzten Gebäuden verhalten sich die Entscheidungen nicht.
Rz. 5
2. Die Beschwerde verfehlt die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stellt. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n. F.≫ VwGO Nr. 26). Daran fehlt es, weil die Beschwerde schon keine Rechtsfrage formuliert. Ihre insoweit erhobene Kritik, die Vorinstanz habe sich an den Begriffen "Bebauungszusammenhang" und "Ortsteil" gestört, trifft nicht zu (vgl. UA S. 5).
Rz. 6
Im Übrigen ist geklärt, dass für die Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblich ist, ob sie geeignet ist, einem Gebiet im Sinne einer nach der Siedlungsstruktur angemessenen Fortentwicklung ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen (BVerwG, Beschlüsse vom 5. April 2017 - 4 B 46.16 - ZfBR 2017, 471 Rn. 9, vom 27. März 2018 - 4 B 4.18 - juris Rn. 8 und vom 30. August 2019 - 4 B 8.19 - ZfBR 2019, 796 Rn. 13). Mit den Begriffen der "Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen" und der "Hauptanlagen" hat der Senat Hilfskriterien formuliert, anhand derer die maßstabsbildende Kraft eines Bauwerks in aller Regel beurteilt werden kann (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - BVerwGE 152, 275 Rn. 21). Gewerbliche Betriebsgebäude können in diesem Sinne Bauwerke sein, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - a. a. O. Rn. 19 und Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 4 B 13.11 - ZfBR 2012, 379 ≪380≫). Gewerblich genutzte Gebäude, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, können - nach Maßgabe des Einzelfalls - ihre Umgebung städtebaulich mitprägen (BVerwG, Beschlüsse vom 11. Juli 2002 - 4 B 30.02 - BRS 65 Nr. 80 S. 390, vom 6. Dezember 2011 - 4 B 13.11 - a. a. O. und vom 7. Juni 2016 - 4 B 47.14 - ZfBR 2016, 799 Rn. 9). Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - a. a. O. Rn. 21). Von diesen Grundsätzen hat sich das Oberverwaltungsgericht leiten lassen (UA S. 9). Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15873785 |