Leitsatz (amtlich)
1. Untersuchungsgegenstände parlamentarischer Landesuntersuchungsausschüsse müssen einen Landesbezug aufweisen, haben also die sich aus dem Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes ergebenden Kompetenzgrenzen zu wahren (wie BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258).
2. Die mit Blick auf das Bundesstaatsprinzip gebotene Beschränkung zulässiger Untersuchungsgegenstände auf solche mit Landesbezug setzt auch der Beweiserhebungsbefugnis eines zur Kontrolle von Landesbehörden eingesetzten Landesuntersuchungsausschusses Grenzen. Diese sind nur dann gewahrt, wenn sich eine Aktenanforderung gegenüber Bundesbehörden auf Dokumente mit einem inhaltlichen Bezug zum Verhalten der eigenen Landesbehörden beschränkt.
3. Hält eine um Amtshilfe ersuchte Stelle in Ausübung ihres Prüfungsrechts, ob sich die durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eines anderen Rechtsträgers angeordnete Beweiserhebung innerhalb des Untersuchungsauftrags hält, Beweismittel aus Kompetenzgründen zurück, hat sie das substantiiert und nachvollziehbar zu begründen.
4. Im Bund-Länder-Verhältnis verpflichtet der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens eine um Aktenvorlage ersuchte Stelle, eine Vollständigkeitserklärung abzugeben.
Gründe
I
Rz. 1
Der Antragsteller, das Abgeordnetenhaus von Berlin, begehrt von der Bundesrepublik Deutschland im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Herausgabe von Unterlagen im Zusammenhang mit dem von Anis Amri verübten Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016.
Rz. 2
Der Antragsteller hat mit Beschluss vom 6. Juli 2017 einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung des Ermittlungsvorgehens im Zusammenhang mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 eingesetzt. Dazu hat das Plenum 95 Fragen formuliert, die der Untersuchungsausschuss klären soll. Sie befassen sich u.a. mit Aufenthalt, Identifizierung und Umfeld des Attentäters, dessen Einstufung als Gefährder und Träger extremistischer Bestrebungen sowie gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren, Erkenntnissen von Behörden des Landes Berlin, der Lage vor dem Anschlag und den danach eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen.
Rz. 3
Der Untersuchungsausschuss hat in seiner Sitzung vom 14. Juli 2017 beschlossen, die Bundesrepublik Deutschland im Wege der Amtshilfe um Vorlage sämtlicher Unterlagen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sowie dessen nachgeordneter Behörden zu ersuchen, die im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 und/oder der Person Anis Amri stehen. Zusätzlich wurden das Ministerium, das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge um Behördenauskünfte zu Anis Amri und seinen Aliaspersönlichkeiten gebeten. Darüber hinaus wurde das Bundeskriminalamt ersucht, den ballistischen Befund zu der mutmaßlich in Berlin durch Amri verwendeten Schusswaffe zu übermitteln. Schließlich wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz um Beobachtungs- und Feststellungsberichte betreffend der als Abu Walaa bekannten Person aus den Jahren 2015 und 2016 angegangen. Jeweils wurde um die Abgabe einer Vollständigkeitserklärung gebeten.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 hat der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat den Inhalt des Beweisbeschlusses übermittelt und ihn zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert. Am 16. März 2018 wurde der Beweisbeschluss um Unterlagen zu zwei weiteren Personen erweitert und der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses hat mit Schreiben vom 22. März 2018 seine Bitte gegenüber dem Ministerium auf die Vorlage von Unterlagen zu diesen Personen erstreckt.
Rz. 5
Die Antragsgegnerin hat dem Untersuchungsausschuss 67 Aktenordner mit zahlreichen Fehlblättern und Schwärzungen übermittelt. Daraufhin bat der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses mehrfach, die Zurückhaltung von Aktenbestandteilen sowie die Schwärzungen zu überprüfen und die nachgeordneten Behörden zur Freigabe zurückgehaltener Unterlagen anzuhalten.
Rz. 6
Die Antragsgegnerin erwiderte, mittlerweile habe auch der Deutsche Bundestag einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, der das Handeln der Bundesbehörden im Zusammenhang mit dem Attentäter Anis Amri aufklären solle. Die Entnahmen aus den vorgelegten Akten mangels Bezugs zum Untersuchungsgegenstand (BEZ) seien allein in der fehlenden Betroffenheit des Landes Berlin begründet. Aus dem Bundesstaatsprinzip folge, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse der Länder auf die Untersuchung von Landesangelegenheiten beschränkt seien. Eine darauf gestützte Nichtvorlage von Unterlagen bedürfe keiner weiteren Begründung im Einzelfall.
Rz. 7
Mit seinem beim Bundesverwaltungsgericht gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller zuletzt beantragt,
I. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller folgende Unterlagen als Beweismittel in Kopie vollständig und ungeschwärzt zur Verfügung zu stellen, soweit Entnahmen oder Schwärzungen nicht die Namen (NAM) und Telefonnummern (TEL) von Mitarbeitern deutscher Nachrichtendienste oder Namen von Mitarbeitern ausländischer Nachrichtendienste (DRI-A) betreffen oder Passagen, die von ausländischen Nachrichtendiensten übermittelte Inhalte wiedergeben (DEU-AND-V) und mit Ausnahme der Dokumente, die einen Bezug zur Ermittlungskommission Ventum des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen aufweisen:
1. aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und seinen nachgeordneten Behörden, insbesondere der Bundespolizei, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, des Bundeskriminalamtes, des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums, des Bundesamtes für Verfassungsschutz
a) sämtliche Akten, sämtlichen Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche Kabinettsvorlagen, sämtliche Drucksachen, auch soweit die vorbezeichneten Dokumente, Unterlagen oder sonstigen Gegenstände auch oder ausschließlich elektronisch oder auf andere Weise nicht sinnlich wahrnehmbar gespeichert sind, die im Zusammenhang stehen mit dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 und/oder der Person Anis Amri,
b) sämtliche Akten, sämtlichen Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche Kabinettsvorlagen, sämtliche Drucksachen, auch soweit die vorbezeichneten Dokumente, Unterlagen oder sonstigen Gegenstände auch oder ausschließlich elektronisch oder auf andere Weise nicht sinnlich wahrnehmbar gespeichert sind, die mittelbar oder unmittelbar im Zusammenhang stehen mit der Person A. bzw. einem seiner Aliase,
und
c) sämtliche Akten, sämtlichen Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche Kabinettsvorlagen, sämtliche Drucksachen, auch soweit die vorbezeichneten Dokumente, Unterlagen oder sonstigen Gegenstände auch oder ausschließlich elektronisch oder auf andere Weise nicht sinnlich wahrnehmbar gespeichert sind, die mittelbar oder unmittelbar im Zusammenhang stehen mit der Person S. bzw. einem seiner Aliase,
2. vom Bundesministerium des Innern:
a) eine Behördenauskunft - ggf. in Form eines Negativzeugnisses - betreffend der als Anis Amri bekannt gewordenen Person (auch unter allen Aliaspersönlichkeiten), soweit erfasst auch durch Fingerabdruckdaten,
b) eine Vollständigkeitserklärung des Bundesministeriums des Innern bzgl. der übersandten Unterlagen,
3. vom Bundeskriminalamt:
a) den ballistischen Bericht des Bundeskriminalamtes zu der mutmaßlich in Berlin durch Anis Amri verwendeten Schusswaffe,
b) eine Vollständigkeitserklärung des Bundeskriminalamtes bzgl. der übersandten Unterlagen,
4. vom Bundesamt für Verfassungsschutz:
a) die Beobachtungs- und Feststellungsberichte oder deren Äquivalent betreffend der als Abu Walaa bekannten Person aus den Jahren 2015 und 2016,
b) eine Behördenauskunft - ggf. in Form eines Negativzeugnisses - betreffend der als Anis Amri bekannt gewordenen Person (auch unter allen Aliaspersönlichkeiten), soweit erfasst auch durch Fingerabdruckdaten,
c) eine Vollständigkeitserklärung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bzgl. der übersandten Unterlagen,
5. vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
a) eine Behördenauskunft - ggf. in Form eines Negativzeugnisses - betreffend der als Anis Amri bekannt gewordenen Person (auch unter allen Aliaspersönlichkeiten), soweit erfasst auch durch Fingerabdruckdaten,
b) eine Vollständigkeitserklärung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bzgl. der übersandten Unterlagen.
Ausgenommen sind Unterlagen, die dem Antragsteller bereits ungeschwärzt durch die Antragsgegnerin übersandt worden sind;
II. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller folgende Unterlagen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und seinen nachgeordneten Behörden, die im Zusammenhang mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 und/oder der Person Anis Amri stehen, vollständig und ungeschwärzt als Beweismittel in Kopie zur Verfügung zu stellen mit Ausnahme der Schwärzungen, die Namen (NAM) und Telefonnummern (TEL) von Mitarbeitern deutscher Nachrichtendienste oder Namen von Mitarbeitern ausländischer Nachrichtendienste (DRI-A) betreffen sowie Passagen, die von ausländischen Nachrichtendiensten übermittelte Inhalte wiedergeben (DEU-AND-V) und mit Ausnahme der Dokumente, die einen Bezug zur Ermittlungskommission Ventum des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen aufweisen:
...
Rz. 8
Der beim zuständigen Bundesverwaltungsgericht eingereichte Antrag sei zulässig und begründet, denn der Landesuntersuchungsausschuss könne nach allgemeinen Amtshilfegrundsätzen die Herausgabe der Akten vom Bund verlangen. Der Untersuchungsausschuss habe ein Beweiserhebungsrecht, in dessen Ausübung die Antragsgegnerin um Bereitstellung der Unterlagen im Wege der Amtshilfe ersucht worden sei. Die vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Fragen könnten nur durch Übersendung der beantragten Unterlagen beantwortet werden; die Amtshilfe sei zur Aufgabenerfüllung erforderlich. Dem Amtshilfeersuchen stünden auch keine Ablehnungsgründe entgegen. Das pauschale Bestreiten mangelnder Landeskompetenz genüge in Anlehnung an das von der Rechtsprechung entwickelte Gebot der Substantiierung von Verweigerungsgründen nicht. Das Eilbedürfnis ergebe sich aus dem Ende der Wahlperiode im Jahr 2021, weil dann der Untersuchungsauftrag infolge des Grundsatzes der Diskontinuität beendet sei.
Rz. 9
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Rz. 10
Sie habe dem Antragsteller die Unterlagen übersandt, soweit sie den Informationsaustausch zwischen Bundesbehörden und Berliner Landesbehörden enthielten und einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufwiesen. Damit sei der Amtshilfeanspruch erfüllt. Die Abgabe einer Vollständigkeitserklärung könne, soweit rechtlich überhaupt zu verlangen, noch nicht erfolgen, da wegen der Aktenvorlageverlangen des Bundestagsuntersuchungsausschusses und des nordrhein-westfälischen Untersuchungsausschusses noch keine abschließende Prüfung habe durchgeführt werden können. Keinesfalls bestehe ein Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen, bei denen kein Bezug zum Land Berlin ersichtlich sei. Die Schwärzungen und Entnahmen einzelner Seiten seien unter Bezugnahme auf unterschiedliche Kategorien begründet worden (z.B. fehlender Bezug zum Untersuchungsauftrag, fehlende Freigabe anderer Nachrichtendienste, etc.). Der ballistische Bericht sei wegen laufender Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz anzufordern.
Rz. 11
Fraglich sei bereits das Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag, da dem Antragsteller angeboten worden sei, sich selbst durch einen Ermittlungsbeauftragten im Wege der Akteneinsicht davon zu überzeugen, dass alle untersuchungsrelevanten Unterlagen bereits vorlägen. Zudem seien die Anträge nicht hinreichend bestimmt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse der Länder auf die Untersuchung von Landesangelegenheiten beschränkt seien. Ihnen obliege weder die Aufklärung von Vorgängen bei Bundesbehörden noch eine Bewertung von deren Arbeitsweise. Der Anspruch auf Amtshilfe im Verhältnis Land-Bund umfasse nicht die Befugnis, dass der Landesuntersuchungsausschuss selbst darüber befinden könne, inwieweit Akten des Bundes dem Untersuchungsgegenstand unterfielen. Die Entscheidung, ob und in welcher Form Amtshilfe erfolge, könne letztlich nur die ersuchte Stelle treffen.
Rz. 12
Der Antragsteller repliziert, das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht infolge der von der Antragsgegnerin angebotenen Überprüfung durch einen Ermittlungsbeauftragten entfallen. Der Antrag sei begründet, da die Antragsgegnerin ihrer Darlegungslast für das Vorliegen von Verweigerungsgründen nicht nachgekommen sei. Bei der Amtshilfe im Verhältnis von Landesuntersuchungsausschüssen zu Bundesbehörden könnten keine anderen Maßstäbe als bei der Aktenanforderung zwischen Bundestagsuntersuchungsausschüssen und Bundesbehörden gelten. Wenn sich die Antragsgegnerin auf den fehlenden Bezug zum Land Berlin berufe, verkenne sie die Reichweite des Untersuchungsauftrags. Schließlich sei der Geheimschutz der als Verschlusssachen eingestuften Akten der Antragsgegnerin gewährleistet, da auch der Antragsteller einem Geheimschutzregime unterliege.
II
Rz. 13
Die Anträge, für deren Entscheidung der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuständig ist (1.), sind zulässig (2.) und überwiegend begründet (3.).
Rz. 14
1. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet und das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig.
Rz. 15
a) Es handelt sich um eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da der geltend gemachte Anspruch nicht im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern im einfachen öffentlichen Recht wurzelt. Begehrt ein Untersuchungsausschuss eines Landesparlaments gegenüber einer Bundesbehörde zum Zwecke der Beweiserhebung, dass ihm bestimmte Materialien zugänglich gemacht werden, kann er sich auf den allgemeinen Anspruch auf Gewährung von Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG stützen. Zwar ergibt sich dieser Anspruch aus der Verfassung, aber Art. 35 Abs. 1 GG sagt nichts über den Umfang der Verpflichtung zur Amtshilfe aus, insbesondere nichts darüber, inwieweit aus einfachem Recht oder dem Grundgesetz Schranken der Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand herzuleiten sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Oktober 1971 - 6 C 99.67 - BVerwGE 38, 336 ≪340≫ und vom 8. April 1976 - 2 C 15.74 - BVerwGE 50, 301 ≪310≫). Art. 35 Abs. 1 GG erweist sich deshalb als eine auf das Grundsätzliche beschränkte Bestimmung, die im besonderen Maß der Ausfüllung durch das einfache Recht bedarf. Eine Konkretisierung erfährt sie insbesondere durch die Regelungen der Amtshilfe in §§ 4 bis 8 VwVfG. Dies gilt auch in Fällen, in denen das Amtshilfeersuchen in Teilen unter Hinweis auf Verfassungsrecht - hier: Übergriff in den Kompetenzbereich des Bundes - abgelehnt worden ist. Denn eine Streitigkeit erfährt nicht schon dadurch eine verfassungsrechtliche Prägung, dass die Auslegung oder Anwendung von Verfassungsrecht für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend ist (BVerwG, Beschluss vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 6 ff.).
Rz. 16
b) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern. Die Vorschrift ist eng auszulegen und soll von den allgemein geltenden Zuständigkeitsregeln nur solche Streitigkeiten ausnehmen, die in ihrer Eigenart gerade durch die Beziehung zwischen Bund und Land geprägt sind und sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies trifft jedenfalls in den Fällen zu, in denen über die Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse und der Rechtsstellung zueinander zu entscheiden ist (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 ≪261 m.w.N.≫). Das ist hier der Fall. Die Beteiligten streiten über die Reichweite der Amtshilfepflicht und damit über die Abgrenzung ihrer beiderseitigen Hoheitsbefugnisse im Rahmen einer grundsätzlich zu leistenden Amtshilfe (BVerwG, Beschluss vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 12).
Rz. 17
2. Die Anträge sind zulässig. Sie sind hinreichend bestimmt und der Antragsteller hat auch das für einen Antrag nach § 123 VwGO notwendige Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung seiner Begehren.
Rz. 18
a) Das Erfordernis eines bestimmten Antrags in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist auch ohne expliziten Verweis in § 122 Abs. 1 VwGO auf Beschlussverfahren anzuwenden. Ein Antrag hat nicht nur aus sich selbst heraus verständlich zu sein, sondern muss auch Art und Umfang des Rechtsschutzzieles erkennen lassen. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt, der Rahmen der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis abgesteckt und dem Prozessgegner eine präzise Verteidigung ermöglicht. Schließlich soll aus einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung eine Zwangsvollstreckung möglich sein, die das gerichtliche Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Erkenntnisverfahrens mit Sachfragen überfrachtet. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweils im Prozess inmitten stehenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 40 Rn. 54 ≪in BVerwGE 147, 312 insoweit nicht abgedruckt≫).
Rz. 19
Danach entspricht die Antragstellung im vorliegenden Fall dem prozessrechtlichen Bestimmtheitserfordernis. In einer Situation wie der vorliegenden, in der die um Amtshilfe ersuchende Stelle nicht weiß und nicht wissen kann, welche Akten sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden, rechtfertigt § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG auch ein thematisch klar umrissenes "Globalersuchen". Diese verwaltungsverfahrensrechtliche Vorgabe hat das Prozessrecht zu respektieren; mit Blick auf seine dienende Funktion zur Durchsetzung subjektiv-öffentlicher Rechte darf es niederschwellige materiellrechtliche Anforderungen nicht konterkarieren. Die von der Antragsgegnerin gerügte Beschränkung des gestellten Antrags um "[...] Unterlagen, die dem Antragsteller bereits ungeschwärzt durch die Antragsgegnerin übersandt worden sind", weckt im vorliegenden Fall keine Zweifel an der Bestimmtheit. Denn die Antragsgegnerin weiß, welche Akten sie dem Antragsteller bereits übergeben hat; sie selbst hat die Inhaltsverzeichnisse mit den tabellarisch zugeordneten Verweigerungsgründen erstellt.
Rz. 20
b) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt hier nicht wegen des Angebots der Antragsgegnerin, einem Ermittlungsbeauftragten des Antragstellers Akteneinsicht zu gewähren, damit dieser sich vergewissern könne, dass die bisherigen Aktenlieferungen sich an die rechtlichen Vorgaben gehalten hätten.
Rz. 21
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt u.a. dann, wenn der Antragsteller sein Ziel auf anderem Wege einfacher, schneller oder effizienter erreichen könnte (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2018 - 1 C 18.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:110718U1C18.17.0] - BVerwGE 162, 331 Rn. 24 m.w.N.). Zwar erscheint insoweit die Einsichtnahme durch einen Beauftragten des Antragstellers nicht von vornherein als völlig ungeeignet, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Zudem wäre der Versuch einer vorprozessualen Verständigung der Beteiligten in Fällen der vorliegenden Art nicht nur wünschenswert, sondern entspräche auch dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens, das im deutschen Bundesstaat das Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern wechselseitig beherrscht (BVerfG, Urteile vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1 und 2/60 - BVerfGE 12, 205 ≪254≫ und vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - BVerfGE 81, 310 ≪337≫). Dieser Grundsatz begründet jedoch für sich allein keine selbstständigen Pflichten des Bundes oder eines Landes; er ist vielmehr akzessorischer Natur und kann nur innerhalb eines anderweitig begründeten Rechtsverhältnisses Bedeutung gewinnen, indem er die hiernach bestehenden Rechte und Pflichten moderiert, variiert oder durch Nebenpflichten ergänzt (BVerfG, Urteil vom 7. April 1976 - 2 BvH 1/75 - BVerfGE 42, 103 ≪117 f.≫; Beschluss vom 11. März 1997 - 2 BvG 3 und 4/95 - BVerfGE 95, 250 ≪266≫). Aus dieser staatsrechtlichen Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 A 1.10 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 24 Rn. 29) lassen sich vorprozessuale Verhandlungsobliegenheiten ableiten, um eine einvernehmliche Lösung zu suchen (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1976 - 7 A 1.76 - BVerwGE 50, 137 ≪149≫ und vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 51).
Rz. 22
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Recht zur Beweiserhebung dem Untersuchungsausschuss als Hilfsorgan des Parlaments zur gesamten Hand zusteht, so dass die Einsichtnahme durch einen einzelnen Beauftragten kein vollständiges Äquivalent bildet und nicht als Erfüllungssurrogat anzusehen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 [ECLI:DE:BVerfG:2016:es20161013.2bve000215] - BVerfGE 143, 101 Rn. 154 ff.). Zudem hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall kein Verhandlungsangebot gemacht, sondern nur eine Einsichtsmöglichkeit eröffnet. Damit fehlt jeder Anhaltspunkt, dass sie bereit gewesen wäre, dem Antragsteller in einer Weise entgegenzukommen, die die geltend gemachten Ansprüche befriedigt und damit die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes entbehrlich gemacht hätte. Denn die Antragsgegnerin ist nach wie vor der Überzeugung, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen, und deshalb zu ihrer Erfüllung nicht bereit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 [ECLI:DE:BVerfG:2009:es20090617.2bve000307] - BVerfGE 124, 78 ≪113≫).
Rz. 23
3. Die noch anhängigen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in tatsächlichem Zusammenhang stehen und deshalb gemäß § 44 VwGO zusammen geltend gemacht werden können, sind überwiegend begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund und hinsichtlich des überwiegenden Teils seiner Begehren auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Rz. 24
a) Soweit der Antragsteller den ursprünglichen Antrag zu I. Nr. 2 a) (Vorlage der Chronologie des Bundes) zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Das gleiche gilt für den als Teilrücknahme anzusehenden Verzicht auf die Vorlage von Originaldokumenten sowie die Offenlegung von zum Schutz bestimmter nachrichtendienstlicher Belange geschwärzten Stellen. Die übrigen Modifikationen sind sachdienliche Änderungen i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO. Das Begehren auf Vorlage von Behördenauskünften ist so auszulegen, dass es von dem umfassenden Antrag umfasst wird, ggf. vorhandene weitere Unterlagen zum Untersuchungsauftrag - auch in elektronischer Form - zur Verfügung zu stellen. Denn ein Antrag auf Erstellung nicht bereits vorhandener Dokumente wäre von vornherein nicht von einem Amtshilfeanspruch gemäß Art. 35 Abs. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG gedeckt.
Rz. 25
b) Der geltend gemachte Anordnungsgrund der Rechtsvereitelung ist glaubhaft. Zwar nimmt der Antrag nach § 123 VwGO die Hauptsache vorweg. Aber die Eilbedürftigkeit der in der Hauptsache (BVerwG 6 A 10.19) verfolgten Begehren ergibt sich aus der Bedeutung des Untersuchungsrechts von Untersuchungsausschüssen vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Diskontinuität des Parlaments.
Rz. 26
Untersuchungsausschüsse erfüllen in dem den Ländern über das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG vorgegebenen parlamentarischen Regierungssystem, das durch die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung geprägt ist, eine wichtige Aufgabe. Sie besitzen eine autonome Beweiserhebungskompetenz, die u.a. das Recht auf Einsichtnahme in Behördenakten umfasst. Zum Kern des Untersuchungsrechts gehört das Recht auf Aktenvorlage. Denn Akten sind bei der Untersuchung politischer Vorgänge ein besonderes Beweismittel, denen möglicherweise ein höherer Beweiswert als Zeugenaussagen zukommen kann (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 ≪268≫ mit Verweis auf BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪132≫ und Beschluss vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178, 1179 und 1191/86 - BVerfGE 77, 1 ≪48≫).
Rz. 27
Effektiv vermag die Kontrolle aber in zeitlicher Hinsicht nur zu sein, wenn ein Untersuchungsausschuss seine Arbeit in der laufenden Wahlperiode abschließen kann, denn mit ihrem Ende ist auch sein Untersuchungsauftrag beendet. Deshalb besitzt die zeitliche Komponente mit Blick auf den Grundsatz parlamentarischer Diskontinuität eine erhebliche Bedeutung für die Effektivität der Kontrolle (BVerfG, Beschluss vom 2. August 1978 - 2 BvK 1/77 - BVerfGE 49, 70 ≪86 f.≫; BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 ≪263≫). Gerichte dürfen die praktische Möglichkeit effektiver parlamentarischer Kontrolle bei der Handhabung prozessrechtlicher Voraussetzungen eines Rechtsbehelfs nicht aus dem Auge verlieren. Da der Antragsteller bei einem Erfolg erst in der Hauptsache seinen Aufklärungsauftrag kaum noch rechtzeitig zu erfüllen vermag, kann ihm - unter Anlegung eines strengen Maßstabes an die Prüfung der Erfolgsaussichten seines Antrags - die Vorwegnahme der Hauptsache im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten werden.
Rz. 28
c) Der überwiegend glaubhaft gemachte Anordnungsanspruch auf Vorlage der Akten von Bundesbehörden ergibt sich aus Art. 35 GG i.V.m. §§ 4 ff. VwVfG. Denn eine Behörde, zu der auch ein Untersuchungsausschuss zählt (BVerwG, Beschluss vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 7), kann gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG um Amtshilfe ersuchen, wenn sie zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden. Ersucht eine Stelle eines Landes eine Bundesbehörde um Amtshilfe, richten sich Zulässigkeit und Grenzen der Amtshilfeleistung gemäß den insoweit übereinstimmenden Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder (§ 7 Abs. 1 und 2 VwVfG) nach den für die ersuchte Behörde maßgeblichen Regelungen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 6 C 10.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:270618U6C10.17.0] - BVerwGE 162, 296 Rn. 20).
Rz. 29
aa) Die Schreiben des Ausschussvorsitzenden vom 24. Juli 2017 und 22. März 2018 erfüllen die an ein Amtshilfeersuchen zu stellenden formalen Voraussetzungen. Sie enthalten Aktenanforderungen gegenüber dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie bestimmter nachgeordneter Behörden. Untersuchungsauftrag und Einsetzungsbeschluss des Abgeordnetenhauses waren als Anlage beigefügt. Damit konnte die Antragsgegnerin Grund und Umfang der erbetenen Aktenvorlage erkennen, auch wenn das Ersuchen nicht auf konkrete Aktenstücke und Dokumente fixiert war. Da aber einer ersuchenden Stelle in diesem Verfahrensstadium mangels Kenntnis der im Besitz der ersuchten Behörde befindlichen Beweismittel typischerweise keine weitere Konkretisierung möglich ist, genügen die hier präzise angegebenen, aus dem Untersuchungsauftrag abgeleiteten thematischen Auswahlkriterien zur hinreichenden Bestimmtheit des Ersuchens.
Rz. 30
bb) Der in § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG genannte Grund für ein Amtshilfeersuchen liegt vor. Entgegen dem engen Gesetzeswortlaut reicht es nach Sinn und Zweck der Vorschrift aus, dass die ersuchende Stelle im Zeitpunkt ihres Ersuchens berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass sich für ihr Vorhaben relevante Akten im Besitz der ersuchten Stelle befinden (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 5 Rn. 12; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 5 Rn. 10). Es genügt die Möglichkeit, dass Schriftgut als Beweismittel in Betracht kommt; die gesetzliche Perspektive ist prospektiv, nicht retrospektiv.
Rz. 31
Das gilt erst recht, wenn man die Besonderheiten des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens berücksichtigt. Denn zur Gewährleistung einer effektiven parlamentarischen Kontrolle verfügt ein Untersuchungsausschuss über einen Einschätzungsspielraum, frei vom Einfluss anderer Staatsorgane selbst darüber zu befinden, welche Beweiserhebungen er zur Aufklärung des Sachverhalts als notwendig erachtet (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪128≫; BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 ≪266≫). Das Untersuchungsverfahren dient - anders als ein auf eine konkrete Tat und individuelle Schuld fokussierender Strafprozess - der Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken. Die einzelne Beweiserhebung muss daher nicht auf bestimmte Tatsachen bezogen sein, sondern kann darauf abzielen, zunächst "Licht ins Dunkel" eines Untersuchungskomplexes zu bringen, um auf diese Weise die Aufklärung von politischen Verantwortlichkeiten zu ermöglichen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss deshalb nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten (BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 ≪116, 117≫). Das ist hier der Fall.
Rz. 32
cc) Der Antragsteller vermag sich gegenüber der Antragsgegnerin auch auf sein Beweiserhebungsrecht zu berufen (1), da der dem Untersuchungsausschuss gegebene Untersuchungsauftrag bei einschränkender Auslegung den rechtlichen Anforderungen genügt (2).
Rz. 33
(1) Zwar steht es der um Amtshilfe ersuchten Behörde grundsätzlich nicht zu, die Rechtmäßigkeit der von der ersuchenden Stelle beabsichtigten Gesamtmaßnahme, deren Vorbereitung die erbetene Amtshilfeleistung dienen soll, in Zweifel zu ziehen und deshalb die Amtshilfe zu verweigern. Denn § 5 Abs. 4 VwVfG beschränkt mögliche Einwendungen der ersuchten Behörde und nach § 7 Abs. 2 Satz 1 VwVfG trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der zu treffenden (Gesamt-)Maßnahme. Die ersuchende Behörde bleibt "Herrin des Verfahrens" (BT-Drs. 7/910 S. 38); sie trägt die Gesamtverantwortung für Recht- und Zweckmäßigkeit der zu verwirklichenden Maßnahme (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:251017U6C46.16.0] - BVerwGE 160, 169 Rn. 17). Diese Regelungen beschränken auch das gerichtliche Prüfungsprogramm in einem Amtshilfestreit.
Rz. 34
Eine Durchbrechung der abschließenden Regelung des § 5 Abs. 4 VwVfG wird jedoch für den Fall offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns gefordert, dem das Amtshilfeersuchen dienen soll (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 5 Rn. 15 und 28; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 5 Rn. 17; Hoffmann/Hug, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 5. Aufl. 2018, § 5 Rn. 30; Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 5 Rn. 62; Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 5 VwVfG Rn. 36; offengelassen vom VGH Mannheim, Urteil vom 15. März 1990 - 1 S 282/90 - NVwZ-RR 1990, 337). Für eine solche Ausnahme wird angeführt, die Verpflichtung zur Mitwirkung an einer Maßnahme, der die Rechtswidrigkeit geradezu "auf die Stirn geschrieben ist", sei für einen Verwaltungsträger trotz der in § 7 Abs. 2 VwVfG getroffenen differenzierten Verantwortungszuweisung in einem Rechtsstaat untragbar. Ob dem zu folgen ist, kann hier dahinstehen, da der Untersuchungsauftrag - bei dem gebotenen einschränkenden Verständnis auf die Prüfung nur des Ermittlungsvorgehens von Berliner Behörden - nicht zu beanstanden ist.
Rz. 35
(2) Der durch den Einsetzungsbeschluss des Abgeordnetenhauses vom 6. Juli 2017 definierte Untersuchungsauftrag, das Ermittlungsvorgehen im Zusammenhang mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 zu untersuchen (Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/0462 S. 1), ist von öffentlichem Interesse und erweist sich als hinreichend bestimmt. Er wahrt allerdings nur bei einschränkender Auslegung mit Blick auf das Ermittlungsvorgehen der Berliner Behörden die bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen.
Rz. 36
Der einem Untersuchungsausschuss vorgegebene Untersuchungsauftrag setzt ein öffentliches Interesse von hinreichendem Gewicht im parlamentarischen Sinne voraus, denn parlamentarische Kontrolle ist politische Kontrolle und nicht administrative Überkontrolle (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪140≫; Beschluss vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178, 1179 und 1191/86 - BVerfGE 77, 1 ≪44≫). Der dafür notwendige Gemeinwohlbezug liegt im vorliegenden Fall auf der Hand, denn die Kontrolle der Regierung und ihr unterstehender Behörden gehört insbesondere bei Fragen der öffentlichen Sicherheit zu den Kernaufgaben eines Parlaments. Der Untersuchungsauftrag erweist sich auch angesichts der dazu vom Abgeordnetenhaus formulierten 95 Fragen als hinreichend bestimmt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin ≪Untersuchungsausschussgesetz - UntAG BE≫ vom 13. Juli 2011 ≪GVBl. S. 330≫, geändert durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 4. April 2016 ≪GVBl. S. 150≫).
Rz. 37
Der von einem Landesparlament formulierte Untersuchungsgegenstand muss einen Landesbezug aufweisen, hat also die sich aus dem Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes ergebenden Kompetenzgrenzen (Art. 30 GG) zu wahren (BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. September 1993 - 2 BvR 1666 und 1667/93 - NVwZ 1994, 54 ≪55≫; BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1988 - 7 C 37.87 - BVerwGE 79, 339 ≪342 f.≫; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178, 1179 und 1191/86 - BVerfGE 77, 1 ≪44≫ für den umgekehrten Fall). Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch ein Landesparlament kann insbesondere der Regierungs- und Behördenkontrolle im Land dienen. Demzufolge darf sich der Untersuchungsauftrag eines Landesuntersuchungsausschusses nicht auf bundesrechtliche oder bundespolitische Beweisthemen erstrecken (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 ≪266≫) oder auf die Kontrolle der Behörden anderer Bundesländer zielen.
Rz. 38
Im vorliegenden Fall wahrt der Untersuchungsgegenstand bei der gebotenen einschränkenden Auslegung des Auftrags zur Untersuchung des Ermittlungsvorgehens nur von Berliner Behörden die föderalen Kompetenzgrenzen. Zwar befinden sich unter den 95 Fragen auch Fragestellungen, die über das Verhalten von Berliner Behörden hinausgreifen. Das liegt allerdings angesichts des Untersuchungsgegenstands, einem sich in mehreren Bundesländern aufhaltenden und umherreisenden Attentäter, in der Natur der Sache. So erweist sich in Fällen mit länderübergreifenden Bezügen die Zuständigkeitsabgrenzung der Bundes- und der Landesbehörden verschiedener Bundesländer als nicht unproblematisch. Für die Beurteilung des Verhaltens Berliner Behörden ist dabei u.a. deren damaliger Informationsstand von Bedeutung, so dass die Aufklärung der Zusammenarbeit mit anderen Stellen einen legitimen Untersuchungsaspekt bildet. Dennoch darf der Untersuchungsgegenstand zur Wahrung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen im Kern nur auf das Ermittlungsvorgehen von Berliner Behörden fokussieren.
Rz. 39
dd) Die Aktenanforderung in den Schreiben des Ausschussvorsitzenden vom 24. Juli 2017 und 22. März 2018 gegenüber der Antragsgegnerin überschreitet den Rahmen, der der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses durch den Untersuchungsauftrag des Abgeordnetenhauses - in dem einschränkenden Verständnis der Untersuchung des Ermittlungsvorgehens nur von Berliner Behörden - gesetzt worden ist.
Rz. 40
Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung Berlins ist die Beweiserhebung unzulässig, wenn sie nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrags liegt. Insoweit besteht ein Prüfungsrecht der ersuchten Stelle, ob das der Fall ist (BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 ≪118 f.≫). Die verfassungsrechtlich mit Blick auf das Bundesstaatsprinzip gebotene Beschränkung zulässiger Untersuchungsgegenstände auf solche mit Landesbezug setzt der Beweiserhebungsbefugnis eines Untersuchungsausschusses Grenzen. Diese ergeben sich zwar nicht aus der Belegenheit der Beweismittel (BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. September 1993 - 2 BvR 1666 und 1667/93 - NVwZ 1994, 54 ≪55≫ mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1988 - 7 C 37.87 - BVerwGE 79, 339 ≪342 f.≫). Denn von dem auf eine Landesmaterie beschränkten Untersuchungsgegenstand sind die der Erfüllung des Untersuchungsauftrags dienenden Beweismittel zu unterscheiden. Zur Aufklärung von Missständen, Versäumnissen oder Rechtsverstößen im Bereich der Landesverwaltung kann es deshalb ausnahmsweise auch sachdienlich sein, auf schriftliche Unterlagen von Bundesbehörden als Beweismittel zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 ≪266 f. m.w.N.≫). Aber unabhängig von ihrer Belegenheit müssen die angeforderten Beweismittel nötig oder zumindest sachdienlich sein können, um den im Rahmen des zulässigen Untersuchungsgegenstandes zu prüfenden Sachverhalt erschöpfend aufzuklären, ohne zu einer Aufdeckung und Bewertung der Arbeitsweise und von Vorgängen bei Bundesbehörden zu führen. Als sachdienlich anzuerkennen sind hier demzufolge Beweismittel, welche Erkenntnisse beinhalten, die zur Feststellung geeignet sind, ob Berliner Behörden Fehler oder Versäumnisse anzulasten sind. Das sind nicht nur Dokumente, die von Berliner Stellen stammen oder an diese als Adressaten gerichtet sind. Über dieses formale Kriterium hinaus reicht ein inhaltlicher Bezug zum Ermittlungsvorgehen von Berliner Behörden aus. Mit Blick auf die gebotene Effizienz parlamentarischer Kontrolle und das Vertrauen, das sich die Glieder des Bundesstaates gegenseitig schulden, ist in Zweifelsfällen großzügig zu verfahren. Denn selbst wenn Beweismittel in überschießendem Umfang vorgelegt würden, die (auch) eine Beurteilung des Verhaltens von Bundes- oder Landesbehörden anderer Bundesländer zuließen, wäre einem Landesuntersuchungsausschuss eine solche Bewertung aus Kompetenzgründen untersagt.
Rz. 41
Hält die um Amtshilfe ersuchte Stelle in Ausübung ihres Prüfungsrechts, ob sich die durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eines anderen Rechtsträgers angeordnete Beweiserhebung innerhalb des Untersuchungsauftrags hält, Beweismittel aus Kompetenzgründen zurück, hat sie das substantiiert und nachvollziehbar zu begründen. Das verlangt die über das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG auch in den Ländern verfassungsrechtlich geforderte Effizienz parlamentarischer Kontrolle (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. September 1993 - 2 BvR 1666 und 1667/93 - NVwZ 1994, 54 ≪55≫). Der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, sie als ersuchte Stelle sei insoweit nicht rechtfertigungsbedürftig und könne letztlich nur allein nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, welche Unterlagen sie herausgebe, folgt der beschließende Senat nicht. Abgesehen davon, dass an dieser Stelle kein Ermessen inmitten steht, wird damit die Bedeutung des Beweiserhebungsrechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse in den Ländern verkannt. Denn der Sachverhaltsaufklärung durch Untersuchungsausschüsse kommt keine geringere Bedeutung zu als der Tatsachenermittlung im Strafverfahren (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178, 1179 und 1191/86 - BVerfGE 77, 1 ≪48≫). Damit lässt sich eine nicht begründungspflichtige Verweigerung der Vorlage von Beweismitteln nicht vereinbaren. Vielmehr muss die ersuchte Stelle den Inhalt des jeweiligen zurückgehaltenen Dokuments (oder dessen geschwärzten Teils) zumindest umschreibend erläutern, so dass die ersuchende Stelle bzw. ein Gericht prüfen kann, ob die Nichtvorlage aus Gründen mangelnder Kompetenz berechtigt ist.
Rz. 42
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, sprengt die Aktenanforderung des Ausschussvorsitzenden in den Schreiben vom 24. Juli 2017 und 22. März 2018 gegenüber dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie dessen nachgeordneten Behörden partiell den Rahmen des Untersuchungsauftrags. Denn das Ersuchen um Vorlage sämtlicher Akten etc. im Zusammenhang mit dem Terroranschlag oder den dort genannten Personen wahrt nicht die sich aus der föderal motivierten Beschränkung des Untersuchungsauftrags ergebenden Grenzen der Beweiserhebungsbefugnis des Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Antragstellers.
Rz. 43
Daraus folgt, dass hinsichtlich des vom Antragsteller im Antragsschriftsatz unter I. gestellten Globalantrags ein Anordnungsanspruch nur insoweit glaubhaft gemacht ist, als die von der Antragsgegnerin verlangten Dokumente im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 oder den Personen Anis Amri, A. und S. stehen und sachdienlich bei der Aufklärung sein können, ob den Berliner Behörden bei ihrem Ermittlungsvorgehen Fehler oder Versäumnisse anzulasten sind. Im Übrigen ist der Antrag unter I. insoweit unbegründet.
Rz. 44
Inwieweit der Anordnungsanspruch hinsichtlich des Antrags unter II., der auf vollständige Vorlage der nur in Teilen oder geschwärzt übergebenen Unterlagen gerichtet ist, mit Blick auf die föderal motivierte Beschränkung des Untersuchungsauftrags und die sich daraus ergebenden Grenzen der Beweiserhebungsbefugnis glaubhaft ist, vermag der beschließende Senat im Eilverfahren nicht abschließend zu beurteilen. Denn die Antragsgegnerin ist nicht der sie treffenden Pflicht nachgekommen, die Nichtvorlage wegen Überschreitung des Untersuchungsgegenstandes nachvollziehbar und differenzierend zu begründen. Sie hat lediglich formelhaft ausgeführt, die jeweiligen Dokumente wiesen keinen Bezug zum Untersuchungsauftrag bzw. zum Beweisbeschluss auf und seien daher nicht vorzulegen. Dieser Vortrag lässt weder die Kriterien erkennen, anhand derer das Material ausgefiltert worden ist, noch wird der Inhalt des jeweiligen zurückgehaltenen Dokuments oder dessen Teils umschreibend erläutert. Damit vermag das Gericht nicht zu prüfen, ob die Nichtvorlage wegen Kompetenzüberschreitung berechtigt ist.
Rz. 45
Die dem Gericht im Verfahren nach § 123 VwGO obliegende Interessenabwägung führt dazu, dass die Antragsgegnerin zu verpflichten ist, die von ihr wegen fehlenden Bezugs zum Untersuchungsauftrag (BEZ) nicht vorgelegten Dokumente bzw. geschwärzten Dokumententeile an den Antragsteller in Kopie herauszugeben, soweit nicht zugleich legitime Geheimschutzgründe geltend gemacht worden sind (s.u. ee)). Das Aufklärungsinteresse des Antragstellers überwiegt insoweit die Belange der Antragsgegnerin, der durch die Vorlage kein rechtlich erheblicher Nachteil droht. Denn selbst wenn dem Antragsteller Beweismittel in einem überschießenden, durch den auf das Ermittlungsverhalten Berliner Behörden beschränkten Untersuchungsauftrag nicht (mehr) gerechtfertigten Umfang vorgelegt werden, ist dem Untersuchungsausschuss eine Beurteilung des Verhaltens von Bundes- oder Landesbehörden anderer Bundesländer verfassungsrechtlich aus Kompetenzgründen untersagt.
Rz. 46
ee) Hinsichtlich der Nichtvorlage und Schwärzungen, die die Antragsgegnerin aus Gründen des Geheimschutzes vorgenommen hat und die noch Gegenstand des Verfahrens sind, haben die Anträge nur zum Teil Erfolg.
Rz. 47
Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird durch das Staatswohl begrenzt, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪133 ff.≫; Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 ≪123 ff.≫). Dieser Versagungsgrund spiegelt sich im Recht der Amtshilfe in § 5 Abs. 2 Satz 2 VwVfG wider. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Informationen in einem Untersuchungsausschuss eigenen Geheimschutzbestimmungen unterliegt, denen auch der Antragsteller unterworfen ist (§§ 14 und 15 UntAG BE). Daraus hat das Bundesverfassungsgericht im Verhältnis von Bundesregierung und Bundestag ein gestuftes procedere sowie Begründungs- und Substantiierungslasten entwickelt (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪138 f.≫; Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 - BVerfGE 143, 101 Rn. 143), die im Hinblick auf die Bedeutung des Beweiserhebungsrechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse in den Ländern insoweit auf das Amtshilfeverhältnis zwischen Bund-Land übertragbar erscheinen. Dass auch die Beobachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪136≫; Beschlüsse vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 ≪124≫ und vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 - BVerfGE 143, 101 Rn. 138).
Rz. 48
Soweit sich die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall auf Staatswohlgründe beruft, die der Antragsteller nach der Teilrücknahme seines Antrags im Schriftsatz vom 19. August 2019 noch zur gerichtlichen Überprüfung stellt (u.a. fehlende Freigabeerklärungen nachgeordneter Behörden, des Parlamentarischen Kontrollgremiums, ausländischer Nachrichtendienste sowie der italienischen Behörden), ist sie ihren Begründungslasten gleichfalls nicht gerecht geworden. Zudem vermag sie sich bei ihren nachgeordneten Bundesbehörden, die ihrer Fachaufsicht unterliegen, angesichts des Zeitablaufs nicht (mehr) auf den formalen Aspekt einer fehlenden Freigabeerklärung zu stützen. Materielle Geheimschutzbelange sind insoweit nicht vorgetragen worden; solche verstehen sich auch bei Unterlagen von Behörden wie dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht etwa von selbst.
Rz. 49
Die deshalb dem Gericht im Verfahren nach § 123 VwGO obliegende Interessenabwägung führt dazu, dass die Antragsgegnerin zu verpflichten ist, die von ihr mangels Freigabe ihrer nachgeordneten Bundesbehörden zurückgehaltenen Dokumente bzw. geschwärzten Dokumententeile an den Antragsteller ungeschwärzt herauszugeben. Demgegenüber überwiegt das Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der Dokumente bzw. -teile, bei denen die mangelnde Freigabe ausländischer Nachrichtendienste (AND-V), der italienischen Polizei, deutscher Landesverfassungsschutzbehörden, der Landeskriminalämter sowie des Parlamentarischen Kontrollgremiums geltend gemacht worden ist. Insoweit erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Zusammenarbeit der Antragsgegnerin mit diesen Behörden beeinträchtigt und hierdurch das Staatswohl gefährdet werden kann, sollte eine Offenlegung derartiger Dokumente ohne vorherige Freigabe erfolgen. Im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin darüber hinaus angeführten Verweigerungsgründe des nachrichtendienstlichen Methodenschutzes (ND-M) sowie des nachrichtendienstlichen Quellenschutzes (ND-Q) überwiegt ebenfalls das Geheimhaltungsinteresse, da die Schutzwürdigkeit dieser nachrichtendienstlichen Belange bei operativen Vorgängen aus der jüngsten Vergangenheit plausibel erscheint.
Rz. 50
ff) Hinsichtlich der Nichtvorlage und Schwärzungen, die die Antragsgegnerin aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes Dritter (DRI-N, PERS) vorgenommen hat, sind die Anträge begründet.
Rz. 51
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben öffentliche Gewalt aus und haben gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪142 ff.≫; Beschlüsse vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178, 1179 und 1191/86 - BVerfGE 77, 1 ≪46 f.≫, vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 ≪125 ff.≫ und vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 - BVerfGE 143, 101 Rn. 141). Dabei sind das Untersuchungsrecht und die Gewährleistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere die Anforderungen des Datenschutzes, im konkreten Fall einander so zuzuordnen, dass beide im Sinne praktischer Konkordanz so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten. Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet i.d.R. dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn das Parlament Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen hat und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Eine Ausnahme hiervon gilt indessen für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 und 15/83 - BVerfGE 67, 100 ≪144≫; ebenso die Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 2 UntAG BE).
Rz. 52
Soweit die Antragsgegnerin sich auf den Persönlichkeitsschutz von externen Dritten beruft, hat sie ihren Vortrag nicht konkret substantiiert. Insoweit erscheint ein Anordnungsanspruch mit Blick auf die Geheimschutzvorkehrungen des Antragstellers in §§ 14 und 15 UntAG BE glaubhaft. Denn dieses Geheimschutzregime bietet ausreichende Möglichkeiten zum Schutz der Rechte Dritter.
Rz. 53
gg) Ferner erscheint der Anordnungsanspruch hinsichtlich des Verlangens der Abgabe von Vollständigkeitserklärungen glaubhaft.
Rz. 54
Die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung über die Vollständigkeit der vorgelegten Beweismittel ist in § 18 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1142), geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) sowie in § 19 Abs. 1 Satz 4 UntAG BE vorgesehen. Der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke ist auch für das Amtshilferecht im Bund-Länder-Verhältnis heranzuziehen. Denn der Anspruch auf Gewährung von Amtshilfe in Gestalt der Vorlage von Akten wird in Anlehnung an die auf Landes- bzw. Bundesebene geltenden Regelungen auf Grund des Grundsatzes bundesfreundlichen Verhaltens durch die Nebenpflicht zur Abgabe einer Vollständigkeitserklärung ergänzt. Somit kann bei einem Amtshilfeersuchen eines Landesuntersuchungsausschusses nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG mit Respekt vor dessen Beweiserhebungsrecht auch von Bundesbehörden die Abgabe einer Erklärung erwartet werden, die die Vollständigkeit der Aktenvorlage dokumentiert.
Rz. 55
Soweit die Antragsgegnerin einwendet, eine abschließende Prüfung auf Vollständigkeit des Materials sei ihr derzeit wegen konkurrierender Vorlageersuchen von Untersuchungsausschüssen des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundes noch nicht möglich, ist dieses Vorbringen nach Ablauf von mehr als zwei Jahren seit der ersten Aktenanforderung im Juli 2017 zurückzuweisen.
Rz. 56
hh) Der Anspruch auf Herausgabe des ballistischen Berichts ist nicht glaubhaft. Insoweit hat die Antragsgegnerin darauf verwiesen, dass dieses Dokument wegen des laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts über diese Behörde oder das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz anzufordern ist. Insoweit ist der Antrag unbegründet, da die um Amtshilfe angegangene Stelle nicht zuständig ist (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG).
Rz. 57
4. Eine Kostenquote von zwei Fünfteln zulasten des Antragstellers und zu drei Fünfteln zulasten der Antragsgegnerin erscheint unter Berücksichtigung der Teilrücknahme des Antrags sowie des nur partiellen Unterliegens des Antragstellers angemessen (§ 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO). Der Streitwert bestimmt sich nach den Regelungen in § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
Fundstellen
JZ 2019, 784 |
VR 2020, 107 |
DVBl. 2020, 282 |
RÜ 2019, 723 |