Leitsatz (amtlich)
1. Die Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist kein Verwaltungsakt.
2. Bei "Wiederauftauchen" eines flüchtig gewesenen Schutzsuchenden ist nach erfolgter Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat unter Benennung der neuen Überstellungsfrist die Überstellungsfrist nicht nachträglich auf sechs Monate begrenzt oder zu begrenzen.
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 29.07.2019; Aktenzeichen A 4 S 749/19) |
VG Karlsruhe (Urteil vom 06.06.2016; Aktenzeichen A 10 K 700/15) |
Gründe
Rz. 1
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen, die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO im Einzelnen darzulegen sind, sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris Rn. 3).
Rz. 3
2. Gemessen daran ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Rz. 4
2.1 Die von dem Kläger aufgeworfene Frage,
"Handelt es sich bei der Entscheidung über die Verlängerung der Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin III-VO um einen Verwaltungsakt?",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 5
a) Es ist schon nicht dargelegt, dass sich diese Frage in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich stellen könnte.
Rz. 6
Die Verlängerung der Frist für eine Überstellung des Klägers nach Italien, von der die italienischen Behörden am 16. Juni 2015 per Formblatt unterrichtet worden sind, ist jedenfalls nicht unmittelbarer Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Soweit es sich bei der Verlängerungsentscheidung um einen Verwaltungsakt handelte, ist dieser jedenfalls Mitte des Jahres 2016 dem Kläger durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 6. Juni 2016 - A 10 K 700/15 - offenbart worden; hierfür muss er zuvor zumindest bekannt gewesen sein, wäre bei entsprechendem behördlichem Bekanntgabewillen jedenfalls "auf andere Weise" bekanntgegeben worden und damit wirksam geworden (s.a. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 41 Rn. 9a). Wird davon ausgegangen, dass einer als Verwaltungsakt ergangenen Verlängerungsentscheidung jedenfalls eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, wäre dieser Verwaltungsakt Mitte 2017 bestandskräftig geworden.
Rz. 7
Hierzu verhält sich das Beschwerdevorbringen nicht. Der Kläger legt insbesondere nicht dar, dass er gegen einen Verlängerungsbescheid Anfechtungsklage erhoben hätte, ein etwa ergangener, die Verlängerung aussprechender, in Bestandskraft erwachsener Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG nichtig sein könnte, er bereits nach §§ 48, 49 VwVfG aufgehoben worden oder ein entsprechendes förmliches Aufhebungsbegehren im Berufungsverfahren Streitgegenstand gewesen wäre. Dann aber fehlt es an einer Darlegung, inwieweit die Beantwortung der aufgeworfenen Frage im Revisionsverfahren entscheidungserheblich werden könnte.
Rz. 8
b) Unabhängig davon lässt sich diese Frage mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahin beantworten, dass die Verlängerung der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO - insoweit entgegen der von der Beschwerde herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trier (Urteil vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR) - nicht durch Verwaltungsakt erfolgt oder zu erfolgen hat.
Rz. 9
Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO sieht für die Verlängerung eine gesonderte, gegenüber dem Schutzsuchenden zu treffende Entscheidung nicht ausdrücklich vor. Die Verlängerungsentscheidung ist (innerstaatlich) eine - tatbestandlich gebundene - Verfahrensentscheidung, die (außerstaatlich) dem zuständigen, ersuchten Staat mitzuteilen ist, um einem Zuständigkeitsübergang durch Ablauf der Überstellungsfrist zu begegnen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin III-VO dahin auszulegen, dass es für eine Verlängerung der Überstellungsfrist höchstens auf 18 Monate genügt, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], Jawo - Rn. 75). Eine besondere Rechtsform der vorgelagerten innerstaatlichen Verfahrensentscheidung, den zuständigen Mitgliedstaat zu unterrichten, wird weder erwähnt noch vorausgesetzt; auch eine Mitteilung an den Schutzsuchenden ist nicht vorgesehen. Sie wäre - jedenfalls als Wirksamkeitsvoraussetzung der Mitteilung gegenüber dem zuständigen Mitgliedstaat - überdies geeignet, in der in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 der Dublin III-VO genannten Situation diese Bestimmung schwer anwendbar zu machen und ihr einen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit zu nehmen, weil sie eine Bekanntgabe an eine Person voraussetzte, die als flüchtig anzusehen ist.
Rz. 10
Selbst wenn unterstellt wird, dass Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Handlungsform, in der die Vermeidung eines Zuständigkeitsübergangs durch Verlängerung der Überstellungsfrist wegen Flucht bewirkt wird, einen gewissen Spielraum ließe (dies verneint etwa VG Trier, Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris), wäre hierfür die Handlungsform des Verwaltungsaktes weder ausdrücklich vorgesehen noch aus Gründen effektiven Rechtsschutzes geboten. Der Schutzsuchende hat zwar einen subjektiv-öffentlichen Anspruch darauf, dass die objektive Zuständigkeitsordnung eingehalten und insbesondere ein durch das Fristenregime des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bewirkter Zuständigkeitsübergang auch beachtet wird. Insbesondere ist Art. 27 Abs. 1 der Dublin III-VO dahin auszulegen, dass im Rahmen eines gegen eine Überstellungsentscheidung gerichteten Verfahrens die betreffende Person sich auf Art. 29 Abs. 2 der Verordnung berufen und geltend machen kann, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei, weil sie nicht flüchtig gewesen sei (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 70). Diese unionsrechtlich gebotene Inzidentüberprüfung der rechtlichen Voraussetzungen der Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat streitet indes zusätzlich gegen eine nationale Ausgestaltung der Verlängerung als (auch) an den Schutzsuchenden zu adressierender, gesondert angreifbarer Verwaltungsakt. Erforderte die Verlängerungsmitteilung einen solchen Verwaltungsakt, wäre dieser potentiell der Bestandskraft zugänglich und müsste dann auch gesondert angegriffen werden.
Rz. 11
Eine solche inzidente Überprüfung ist nach nationalem Recht im Übrigen auch dann gewährleistet, wenn die Überstellungsentscheidung bestandskräftig geworden ist; bei nachträglichem Zuständigkeitsübergang kommt etwa ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen einer Änderung der Sachlage in Betracht, ggf. auch hieran anknüpfender gerichtlicher Rechtsschutz.
Rz. 12
2.2 Die von dem Kläger weiterhin aufgeworfene Frage,
"Muss die zuständige Behörde - hier: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - bei dieser Entscheidung Ermessen ausüben?",
bedarf bereits wegen ihres erkennbaren Bezuges zu der - zu verneinenden - Frage zur Handlungsform der Verlängerungsentscheidung (s.o. 2.1) als Folgefrage keiner eigenständigen Beantwortung.
Rz. 13
Im Übrigen fehlt es an der hinreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der so gestellten Frage. Der Umstand, dass das Bundesamt der Beklagten im Rahmen seines weiten Verfahrensermessens sowohl darüber zu befinden hat, ob die Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat ergeht, als auch darüber, ob für die neue Überstellungsfrist die unionsrechtlich eröffnete Höchstfrist von achtzehn Monaten auszuschöpfen ist, macht diese Entscheidung jedenfalls nicht zu einer "Ermessensentscheidung" im Sinne des § 40 VwVfG, die nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG zu begründen wäre. Lagen - wie hier nach den nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts - die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat vor, ist eine Verlängerung auf bis zu achtzehn Monate unionsrechtlich vorgesehen und willkürfrei möglich. Der bei nationalem Begriffsverständnis auf eine Ermessensentscheidung deutende Begriff "kann" weist bei der unionsweit gebotenen Betrachtung lediglich auf die Einräumung einer entsprechenden Ermächtigung (sog. "Kompetenz-Kann"; dazu BVerwG, Beschluss vom 22. August 2016 - 1 B 44.16 - juris). Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO enthält insoweit keine weiteren Einschränkungen. Sie ergeben sich in Fällen fluchtbedingter Verlängerung (Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO) auch nicht aus der - aus von dem Schutzsuchenden zu vertretenden Gründen - nicht anwendbaren Regelüberstellungsfrist; Beschränkungen ergeben sich auch nicht aus der DurchführungsVO (EG) Nr. 1560/2003 (Verordnung vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) (s. VG Greifswald, Urteil vom 15. November 2017 - 3 A 2051/16 As HGW - juris Rn. 28; VG Trier, Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris; VG Bremen, Beschluss vom 28. Juni 2019 - 6 V 860/19 - AuAS 2019, 178 ≪180≫; s.a. Brauer, ZAR 2019, 256 ≪262≫). Dass das Bundesamt der Beklagten diesen Rechtsrahmen nicht gewahrt hat, macht die Beschwerde nicht geltend.
Rz. 14
Mangels tatrichterlicher Feststellungen zu möglichen besonderen Umständen des Einzelfalles sowie hierauf bezogenen Beschwerdevorbringens, welche das Bundesamt im Zeitpunkt der Mitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat zur Benennung einer kürzeren neuen Überstellungsfrist (oder hierauf bezogenen Überlegungen) hätten veranlassen können oder gar müssen, besteht auch sonst kein Anlass, die Revision zuzulassen, um in einem Revisionsverfahren die verwaltungsgerichtliche Prüfungsdichte der Verfahrensentscheidung näher zu bestimmen oder die Frage zu vertiefen, ob sich die unionsrechtlich vorgesehene Inzidentüberprüfung der rechtlichen Voraussetzungen der Verlängerungsmitteilung auch auf die Benennung einer bestimmten Überstellungsfrist zu erstrecken hat, unionsrechtlich mithin ein subjektiv-öffentlichrechtlicher Anspruch auf ermessensfehler- oder doch willkürfreie Bemessung innerhalb des unionsrechtlich vorgegebenen Rahmens besteht (verneinend VG Leipzig, Urteil vom 19. September 2018 - 6 K 445/18.A - juris Rn. 28).
Rz. 15
2.3 Die Frage schließlich,
"Muss die zuständige Behörde erneut eine Entscheidung treffen und verkürzt sich die Überstellungsfrist des Art. 29 Dublin III-VO von 18 Monaten auf 6 Monate, wenn ein flüchtig gewesener Ausländer sich wieder bei den Behörden meldet?",
ist ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens in der gestellten Form mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung zu verneinen, und zwar auch in Ansehung des von der Beschwerde herangezogenen Urteils des VG Trier vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR - (juris Rn. 32 ff.).
Rz. 16
Die Dublin III-VO enthält im Kapitel VI für das Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren (Art. 21 f., 23 ff.) sowie die Überstellung (Art. 29) ein ausdifferenziertes Fristenregime, regelt die Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Fristen und enthält Verfahrensgarantien für die Betroffenen (Art. 26, 27). Dem Wortlaut dieser detaillierten Regelungen ist nichts dafür zu entnehmen, dass eine - rechtmäßig - nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO verlängerte Überstellungsfrist eo ipso sich dann veränderte, wenn ein zeitweilig flüchtiger Schutzsuchender nach der Verlängerungsmitteilung wieder auftaucht, die Behörde dann die Überstellungsfrist von Amts wegen erneut zu bestimmen hätte (und zwar auf höchstens sechs Monate nach dem Wiederauftauchen) oder dem Schutzsuchenden ein Anspruch auf Fristverkürzung zustehen könnte; der DurchführungsVO (EG) Nr. 1560/2003 lässt sich insoweit ebenfalls nichts entnehmen. Auch das Urteil des EuGH vom 19. März 2019 (C-163/17), das auf Vorlage des Berufungsgerichts im vorliegenden Verfahren ergangen ist, enthält keinen Hinweis auf die Möglichkeit oder gar Notwendigkeit der nachträglichen Verkürzung - sei es automatisch, sei es durch behördliche Entscheidung - einer einmal rechtmäßig mitgeteilten Verlängerung der Überstellungsfrist, obwohl dem EuGH bewusst war, dass der Kläger bereits am Tage der Verlängerungsmitteilung "wiederaufgetaucht" war (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - Rn. 32).
Rz. 17
Die Regelüberstellungsfrist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO) findet in den Fällen des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO gerade keine direkte Anwendung. Der Rückgriff auf den Rechtsgedanken bzw. das Ziel dieser Regelung (VG Trier, Urteil vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR - juris Rn. 31 ff.), dass den Mitgliedstaaten nach erfolgter Klärung der internationalen Zuständigkeiten auch eine zügige Überstellung abzuverlangen ist, für deren Organisation und Durchführung ein zusammenhängender Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung zu stehen hat (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.; BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 - 1 C 15.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- u. Asylrecht Nr. 83), vernachlässigt bereits im Ansatz, dass der Verordnungsgeber hieran für die Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO gerade nicht angeknüpft und auch nicht bestimmt hat, dass in Fällen des "Wiederauftauchens" flüchtig gewesener Schutzsuchender erneut eine auf sechs Monate begrenzte Überstellungsfrist in Lauf gesetzt wird. Damit hat der Verordnungsgeber, der auch sonst keine ausdrückliche Regelung für diese Fallgruppe getroffen hat, obwohl die Fristverlängerungsmöglichkeit erkennbar davon ausgeht, dass im Regelfall mit einem "Wiederauftauchen" des Schutzsuchenden binnen der verlängerten Frist zu rechnen ist (VG Trier, Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris Rn. 71), sich gegen eine entsprechende Anwendung der Frist des Satzes 1 in diesen Fällen entschieden. Für eine Korrektur der Fristen des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO durch eine analoge Anwendung der Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke (VG Aachen, Beschluss vom 30. April 2019 - 9 L 420/19.A - juris Rn. 23; VG Cottbus, Beschluss vom 23. August 2019 - 5 L 319/19.A - juris Rn. 6). Aus denselben Gründen scheidet auch eine teleologisch reduzierende Auslegung aus (s.a. VG Greifswald, Urteil vom 15. November 2017 - 3 A 2051/16 As HGW - juris; VG Trier, Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris; VG Bremen, Beschluss vom 28. Juni 2019 - 6 V 860/19 - AuAS 2019, 178).
Rz. 18
Gegen eine Übertragung der Regelüberstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die Fälle des § 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO spricht zudem, dass Fälle, in denen die Regelüberstellungsfrist (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO) wegen der Flucht des Schutzsuchenden nicht gewahrt werden musste, mit dem Regelfall gerade nicht vergleichbar sind.
Rz. 19
2.4 Das Beschwerdevorbringen wirft der Sache nach keine Rechtsfragen zur Auslegung einer entscheidungserheblichen Regelung des Unionsrechts auf, in Bezug auf die der Senat in einem zukünftigen Revisionsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV voraussichtlich eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen hätte (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 3 B 43.86 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 243 und vom 30. Januar 1996 - 3 NB 2.94 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 111; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. August 2008 - 2 BvR 2213/06 - NVwZ 2009, 519). Das von der Beschwerde in Bezug genommene Urteil des VG Trier vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR - (juris), das sich überdies noch nicht mit dem zu Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ergangenen Urteil des EuGH vom 19. März 2019 - C-163/17 - (Rn. 75) auseinandersetzen konnte, gibt aus den vorstehend dargelegten Gründen keinen Anlass zu Zweifeln.
Rz. 20
2.5 Bei dieser Sachlage bedarf es nicht der Entscheidung, ob die Erwägung des Berufungsgerichts (UA S. 47), der Kläger könne sich auch dann, wenn eine an sich drittschützende Überstellungsfrist abgelaufen wäre, wegen "treuwidrigen Verhaltens" im konkreten Einzelfall hierauf nicht berufen, unabhängig von ihrer sachlichen Begründbarkeit eine die Entscheidung hinsichtlich der vorstehend aufgeworfenen Fragen auch selbstständig tragende Erwägung bildet, in Bezug auf die mit der Beschwerde Zulassungsgründe nicht geltend gemacht oder dargelegt sind.
Rz. 21
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 22
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 13615299 |
DÖV 2020, 338 |
JZ 2020, 285 |
VR 2020, 216 |