Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 19.04.2022; Aktenzeichen 1 D 126/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 19. April 2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
I
Rz. 1
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Regelungen der im Zeitraum von März bis Juni 2021 geltenden Verordnungen zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 der Freien Hansestadt Bremen (im Folgenden: Coronaverordnung).
Rz. 2
Die Antragstellerinnen betreiben Hotels in Bremen. Sie haben sich am 19. März 2021 mit einem Normenkontrollantrag gegen die zu diesem Zeitpunkt geltenden Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 2 Nr. 4, 5, 6, 8 und 10 der Vierundzwanzigsten Coronaverordnung gewandt. Diese Vorschriften sahen im Wesentlichen Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Schwimmbädern, Saunen, Solarien und Fitnessstudios, öffentlichen und privaten Sportanlagen, Gastronomiebetrieben für den Publikumsverkehr und Beherbergungsbetrieben, soweit touristische Anlässe betroffen waren, vor. Die Betriebsschließungen und -beschränkungen wurden durch die Änderungsverordnungen zur Vierundzwanzigsten Coronaverordnung zuletzt bis zum 9. Mai 2021 befristet und weitgehend unverändert in die Fünfundzwanzigste und Sechsundzwanzigste Coronaverordnung übernommen. Letztere galt bis zum Ablauf des 20. Juni 2021. Die Antragstellerinnen haben ihren ursprünglichen Antrag mit Schriftsatz vom 3. August 2021 auf die Änderungsverordnungen sowie die Fünfundzwanzigste und Sechsundzwanzigste Coronaverordnung erweitert.
Rz. 3
Zur Begründung ihres Antrags haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, die angegriffenen Regelungen hätten sie in ihrem Grundrecht auf Eigentum in der Ausprägung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt. Ihre Betriebe seien in ihrem Bestand bedroht gewesen. Die Maßnahmen wären nur verhältnismäßig gewesen, wenn eine Entschädigung gewährt worden wäre, die der Normgeber im Infektionsschutzgesetz oder den Coronaverordnungen hätte regeln müssen. Die ihnen vom Staat zur Bewältigung der Coronamaßnahmen gewährten Hilfen seien als "Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch" ausgestaltet worden, seien daher nicht bilanzierbar und könnten nicht zur Verhinderung einer Insolvenz genutzt werden. Sie seien zudem auf Obergrenzen beschränkt und würden dadurch verbundene Unternehmen wie sie, die nur einen gemeinsamen Antrag für die gesamte Unternehmensgruppe stellen könnten, gegenüber nicht verbundenen Einzelgesellschaften ungerechtfertigt benachteiligen. Außerdem liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihre Berufsfreiheit vor. Die angegriffenen Maßnahmen hätten ein vorläufiges Berufsverbot und damit einen einschneidenden Eingriff in die Berufsfreiheit bewirkt. Die gewährten Hilfen seien nicht ausreichend, um eine existenzielle Gefährdung zu vermeiden.
Rz. 4
Mit Urteil vom 19. April 2022 hat das Oberverwaltungsgericht den Antrag - soweit ihn die Antragstellerinnen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch aufrechterhalten haben - abgelehnt. Die Einbeziehung der Fünfundzwanzigsten und der Sechsundzwanzigsten Coronaverordnung sei eine Antragsänderung im Sinne des § 91 VwGO. Sie sei gemäß § 91 Abs. 1 VwGO mangels Einwilligung der Antragsgegnerin und mangels Sachdienlichkeit unzulässig. Im Übrigen sei der Normenkontrollantrag weitgehend zulässig, aber unbegründet. Die angegriffenen Regelungen hätten nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Sie hätten auf der verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 3, 12, 13 und 14 IfSG beruht. Die Verordnungsermächtigung verletze nicht deshalb die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG, weil der Gesetzgeber nicht zugleich einen Entschädigungsanspruch für von Betriebsuntersagungen oder -beschränkungen betroffene Unternehmen gesetzlich geregelt habe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage hätten vorgelegen. Die Verordnungsbestimmungen seien auch verhältnismäßig gewesen. Sie hätten den legitimen Zweck verfolgt, durch die Verhinderung der weiteren Verbreitung des Coronavirus das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu bewahren. Hierzu seien sie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen. Zwar hätten die Regelungen vorübergehend mit erheblichem Gewicht in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Die angegriffenen Betriebsbeschränkungen hätten jedoch dem Schutz der Gesundheit und des Lebens sowie dem Erhalt eines funktionsfähigen Gesundheitswesens und damit Individual- und Gemeinschaftsgütern von höchstem verfassungsrechtlichen Rang gedient. Die beeinträchtigten wirtschaftlichen Interessen hätten in der Abwägung daher zurücktreten müssen. In wirtschaftlicher Hinsicht sei der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dadurch gemildert worden, dass von Seiten der Bundesregierung in verschiedener Form Hilfsleistungen für von den Schutzmaßnahmen betroffene Unternehmen gewährt worden seien. So seien die seit November 2020 geltenden Betriebsbeschränkungen durch die nichtrückzahlbaren Überbrückungshilfe II, Novemberhilfe, Dezemberhilfe und Überbrückungshilfe III gemildert worden; weitere Hilfen seien etwa durch KfW-Kreditprogramme, durch den Wirtschaftsstabilisierungsfond, durch mittelständische Beteiligungsgesellschaften, Erleichterungen im steuerlichen Bereich, die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes und durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gewährt worden. Die tatsächlich von der Bundesregierung gewährten Hilfen hätten bei der Bewertung der Intensität des Eingriffs und der Angemessenheit der Maßnahmen berücksichtigt werden können und dazu geführt, dass die Maßnahmen trotz der erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Betriebe auch ohne eine (unter-)gesetzliche Entschädigungsregelung nicht unangemessen gewesen seien. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz könne dahinstehen, ob die Antragstellerinnen durch die Bundesregierung bei der Ausgestaltung der gewährten Hilfsleistungen gegenüber nicht verbundenen Unternehmen in gleichheitswidriger Weise benachteiligt worden seien. Denn ein etwaiger Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ergäbe sich in diesem Fall nicht aus den von den Antragstellerinnen angegriffenen Regelungen der Vierundzwanzigsten Coronaverordnung, sondern aus Regelungen oder Entscheidungen des Bundes, so dass jedenfalls keine Ungleichbehandlung durch die Antragsgegnerin vorliege.
Rz. 5
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wenden die Antragstellerinnen sich mit ihrer Beschwerde.
II
Rz. 6
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 7
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Rz. 8
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine fallübergreifende, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird. Das ist in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen. Ein Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 - 3 B 44.22 - juris Rn. 40 m. w. N.).
Rz. 9
Danach rechtfertigt die von den Antragstellerinnen aufgeworfene Frage,
"ob in Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen durch Tätigkeitsverbote in ausgewählten Branchen (hier konkret in Bezug auf die Hotellerie) eine Existenzvernichtung bzw. Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen (hier der Antragstellerinnen) herbeigeführt werden darf, ohne dass dafür ein angemessener Ausgleich gewährt wird, wobei unter angemessenem Ausgleich ein Ausgleich zu verstehen wäre, der den durch die Maßnahmen verursachten Schaden weitestgehend ausgleicht, jedenfalls aber die existenzielle Gefahr vom betroffenen Unternehmen abwendet",
nicht die Zulassung der Revision. Soweit die Frage einer generell-abstrakten Betrachtung zugänglich ist, sind die rechtlichen Maßstäbe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Rz. 10
Ob und in welchem Umfang staatliche Maßnahmen rechtmäßig sind, aus denen wirtschaftliche Einbußen bei von ihnen betroffenen Unternehmen folgen, führt auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen. Die Maßstäbe für eine solche Prüfung sind geklärt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 47 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ihr folgend des Senats können staatliche Entschädigungen das in die Abwägung einzustellende Gewicht des Eingriffs mildern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NVwZ 2022, 974 Rn. 28; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - juris Rn. 66 und - 3 CN 6.22 - NVwZ 2023, 1830 Rn. 69). Ob die den Eingriff rechtfertigenden Gründe so schwer wiegen, dass bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmenden Abwägung die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen auch ohne finanziellen Ausgleich zurücktreten müssen oder aber der Eingriff ohne finanzielle Entschädigung - etwa unter dem Gesichtspunkt einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung - derart schwer wiegt, dass die für ihn sprechenden Gründe ihn nicht rechtfertigen können, ist demgegenüber eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
Rz. 11
Auch die Frage,
"ob die streitgegenständlichen Corona-Maßnahmen als rechtmäßig angesehen werden können, wenn die Landesregierung (hier der Senat der Freien Hansestadt Bremen) Billigkeitshilfen der Bundesregierung den Ausgleich überlässt und von eigenem Ausgleich bzw. Regelungen darüber absieht und die Billigkeitshilfen wiederum diskriminierend verfasst sind, so dass manche Betroffene Entschädigungen von über 90 % des durch die Maßnahmen verursachten Schadens erhalten, andere Betroffene wie die Antragstellerinnen und ihre Unternehmensgruppe hingegen Ersatz von ca. 50 % des Schadens erhalten und sich aus diesem Grund weiterhin in Existenzgefahr befinden",
führt nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 12
Im Hinblick auf den ersten Teil der Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ihr folgend des Senats geklärt, dass der Verordnungsgeber auch staatliche Hilfsprogramme eingriffsmildernd berücksichtigen kann, die er nicht selbst regelt, sondern die durch andere staatliche Stellen gewährt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NVwZ 2022, 974 Rn. 28, 34; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - juris Rn. 66 und - 3 CN 6.22 - NVwZ 2023, 1830 Rn. 69). Ob unterschiedliche Entschädigungshöhen, die die Antragstellerinnen im zweiten Teil ihrer Frage ansprechen, dazu führen, dass für eine relevante Gruppe das Gewicht des in Rede stehenden Eingriffs durch die Entschädigung nicht hinreichend ausgeglichen wird oder es zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen der von der Maßnahme betroffenen Unternehmen kommt, ist wiederum eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Die Maßstäbe sowohl für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (s. o.) als auch für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Rz. 13
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.
Rz. 14
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann dargetan, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz von einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz abgewichen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 3 B 34.19 - juris Rn. 45 m. w. N.). Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden. Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines divergenzfähigen Gerichts genügt den Darlegungsanforderungen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 2017 - 3 B 15.16 - NVwZ 2018, 830 Rn. 30). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.
Rz. 15
Soweit die Antragstellerinnen geltend machen, die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es liege kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vor, sei mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar, es handle sich vielmehr um eine Fehleinschätzung, benennen sie keinen abstrakten Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, der von einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr rügen sie mit diesem Vortrag eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall, die keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. November 2023 - 3 B 32.22 - juris Rn. 17).
Rz. 16
Das Gleiche gilt, soweit die Antragstellerinnen rügen, die Entscheidung sei nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in das Eigentumsrecht, zu den Anforderungen des Gleichheitssatzes und den Gewährleistungen des Art. 12 GG vereinbar. Auch hier fehlt es jeweils an der Gegenüberstellung divergierender Rechtssätze; die Beschwerde beschränkt sich insoweit auf die Darstellung rechtlicher Maßstäbe und die Rüge, das angegriffene Urteil werde diesen nicht gerecht. Auch die mit Schriftsatz vom 25. Mai 2023 erhobenen Rügen, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sei mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedeutung von Entschädigungen bzw. Staatshilfen und zur Bedeutung von Ungleichbehandlungen - insbesondere im Zusammenhang mit Maßnahmen zum Lastenausgleich - nicht vereinbar, erschöpfen sich im Vorwurf, die angegriffene Entscheidung entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben.
Rz. 17
Darüber hinaus rügen die Antragstellerinnen, das Oberverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit von Normenkontrollanträgen gegen nicht mehr in Kraft befindliche Normen abgewichen, indem es den Normenkontrollantrag als unzulässig zurückgewiesen habe, soweit er sich gegen die Fünfundzwanzigste und Sechsundzwanzigste bremische Coronaverordnung richte. Dass das Oberverwaltungsgericht hier seiner Zulässigkeitsprüfung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts abweicht, zeigt die Beschwerde nicht auf. Vielmehr führt sie aus, das Oberverwaltungsgericht habe den Maßstab zutreffend erkannt, aber unzutreffend subsumiert. Sie rügt damit nicht eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, sondern eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall.
Rz. 18
Eine Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO haben die Antragstellerinnen insoweit nicht ausdrücklich erhoben. Selbst wenn man in den Ausführungen zur Divergenzrüge zugleich die Geltendmachung eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sieht, führt dies nicht zur Zulassung der Revision. Dass die Verneinung der Zulässigkeit der Antragserweiterung auf einer fehlerhaften Anwendung von Prozessrecht beruhen kann, ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragsstellerinnen nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, ihnen fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da sie die Fünfundzwanzigste und die Sechsundzwanzigste Coronaverordnung erst zu einem Zeitpunkt angegriffen hätten, als diese bereits außer Kraft getreten seien. Sei eine Norm bereits vor dem Normenkontrollantrag außer Kraft getreten, sei der Antrag in der Regel wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn nicht die außer Kraft getretene Norm noch Rechtswirkungen entfalte, weil in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach dieser Vorschrift zu entscheiden seien; dies sei hier nicht der Fall. Die Rüge der Antragstellerinnen, das Oberverwaltungsgericht habe außer acht gelassen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Normenkontrollantrag auch dann zulässig sein könne, wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzzeitige Geltung angelegte Norm wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist, greift bereits deshalb nicht durch, weil die Normen der Fünfundzwanzigsten und Sechsundzwanzigsten Coronaverordnung nicht während eines insoweit anhängigen Normenkontrollverfahrens außer Kraft getreten sind, sondern bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung mit Schriftsatz vom 3. August 2021 nicht mehr galten (vgl. zum Erfordernis der Antragstellung während der Geltungsdauer der angegriffenen Bestimmung BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 11; Beschluss vom 28. Juli 2022 - 3 BN 8.21 - juris Rn. 10).
Rz. 19
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16198289 |