Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwehr von Geräuschimmissionen eines Wertstoffhofs im reinen Wohngebiet. Lärmbelästigung. Zumutbarkeit. Sozialadäquanz
Leitsatz (amtlich)
Welche Verhaltensweisen und Zustände, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und für den einzelnen nachteilig auswirken können (hier: Lärmbelästigung durch einen „Wertstoffhof” in einem reinen Wohngebiet), von der Bevölkerung insgesamt als üblich und tolerierbar angesehen und hingenommen werden (Sozialadäquanz), ist vornehmlich eine Frage tatrichterlicher Würdigung.
Orientierungssatz
Der Nachbar, der sich gegen hoheitliche Immissionen zur Wehr setzt, kann lediglich beanspruchen, vor schädlichen Umwelteinwirkungen bewahrt zu bleiben. § 22 Abs. 1 BImSchG bietet ebensowenig wie § 15 Abs. 1 BauNVO oder § 906 Abs. 1 BGB eine Handhabe dafür, Geräuschimmissionen unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit abzuwehren, selbst wenn nach dem Stand der Technik Lärmminderungsmaßnahmen möglich wären oder sich die Beeinträchtigung dadurch gänzlich vermeiden ließe, daß für die Anlage ein anderer Standort gewählt würde.
Normenkette
BauGB § 31 Abs. 2; BauNVO §§ 3, 14 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1; BImSchG § 22
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. November 1995 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Kläger wehren sich als Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in einem reinen Wohngebiet gegen die Errichtung eines sog. Wertstoffhofs mit sechs Sammelcontainern für Glas, Papier, Kartonagen und Metall. Der „Wertstoffhof” ist unter Erteilung einer bebauungsrechtlichen Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB auf einer im Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzten Fläche in einem Abstand von 15 m zu dem Wohnhaus der Kläger errichtet worden und mit einem Palisadenzaun umgeben. Die ursprünglich auf Aufhebung der Befreiung gerichtete, im Berufungsverfahren auf Beseitigung des „Wertstoffhofs” umgestellte Klage war in zweiter Instanz (BayVGH, Urteil vom 27. November 1995 – 20 B 95.436 –) erfolglos. Mit ihrer Beschwerde erstreben die Kläger die Zulassung der Revision.
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimißt.
Die Beschwerde erstrebt eine nähere Klärung des Begriffs der Sozialadäquanz. Ein derartiger Klärungsbedraf besteht jedoch nicht. Dabei mag an dieser Stelle zunächst dahinstehen, daß die Beschwerde zwischen der Frage der Sozialadäquanz und der Zumutbarkeit einen in der Rechtsprechung so nicht bestehenden Gegensatz darzustellen versucht.
In der bisherigen Rechtsprechung dient der Begriff der sozialen Adäquanz zur Beschreibung von Verhaltensweisen oder Zuständen, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und die sich möglicherweise für den einzelnen sogar nachteilig auswirken, jedoch von der Bevölkerung insgesamt hingenommen werden, weil sich die Verhaltensweisen oder Zustände noch in den Grenzen des als sozial Üblichen und Tolerierbaren halten. Daß dem eine Bewertung zugrunde liegt, die sich auch einem sozialen Wandel öffnet, soll gerade mit dem Ausdruck der Sozialadäquanz gekennzeichnet werden. Der Begriff verweist damit auf „außerrechtliche” Bewertungen. Er unterscheidet sich insoweit nicht von anderen Fällen – auch des Zivilrechts –, in denen die gesetzte Rechtsordnung sich nicht als abschließend versteht. Welche Verhaltensweisen oder Zustände in diesem Sinne als noch sozialadäquat hingenommen zu werden pflegen, ergibt sich ersichtlich aus dem Begriff nicht selbst, sondern bestimmt sich nach dem jeweiligen tatsächlichen Bereich. Daß dabei auch bewertende Vorgaben der gesetzten Rechtsordnung bedeutsam sind, bedarf ebenfalls keiner näheren Vertiefung. Daraus folgt für den Streitfall: Wie die konkreten Lärmbeeinträchtigungen, deren Unterlassung die Kläger erstreben, unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz zu qualifizieren sind, ist vornehmlich eine Frage der tatrichterlichen Würdigung.
Auch die von der Beschwerde aufgeworfene Frage des Verhältnisses von Sozialadäquanz und Zumutbarkeit gibt dem Streitfall keine grundsätzliche Bedeutung. Der herausgestellte Gegensatz ist im wesentlichen nur ein sprachlicher, jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang kein inhaltlicher. Der Gesetzgeber verwendet den Ausdruck der Sozialadäquanz als rechtlichen Maßstab nicht, ob Immissionen als rechtmäßig hinzunehmen sind oder als rechtswidrig unterbunden werden können. Vielmehr stellt er – um die Grenze des Zulässigen zu bestimmen – durchweg darauf ab, ob eine Beeinträchtigung dem Nachbarn zumutbar ist oder nicht. Ein Beispiel hierfür liefert der auch vom Berufungsgericht erwähnte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, der nach der Rechtsprechung des Senats als besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. August 1983 – BVerwG 4 C 96.79 – BVerwGE 67, 334). Danach sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen oder sonstigen Anlagen trotz Übereinstimmung mit den maßgeblichen bauplanerischen Festsetzungen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die gleiche Konzeption liegt § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 22 Abs. 1 BImSchG zugrunde, die es dem Betreiber von Anlagen, die dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterfallen, zur Pflicht machen, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden oder doch jedenfalls auf ein Mindestmaß zu beschränken. § 3 Abs. 1 BImSchG kennzeichnet als schädliche Umwelteinwirkungen diejenigen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Damit konkretisiert er die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft in allgemeiner Weise auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht. Allerdings legt er nicht selbst fest, unter welchen Voraussetzungen Nachteile oder Belästigungen als erheblich anzusehen sind. Insoweit knüpft er vielmehr seinerseits an die Regelungen des Städtebaurechts an (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Juli 1986 – BVerwG 4 C 31.84 – BVerwGE 74, 315 und vom 14. April 1989 – BVerwG 4 C 52.87 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 36). Denn als Maßstab dafür, ob eine Beeinträchtigung im Sinne des Immissionsschutzrechts erheblich ist, dient ebenso wie im Bebauungsrecht grundsätzlich die Zumutbarkeit, die sich nach den jeweiligen planungsrechtlichen Anforderungen bestimmt (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 1988 – BVerwG 7 C 33.87 – BVerwGE 79, 254, vom 19. Januar 1989 – BVerwG 7 C 77.87 – BVerwGE 81, 197 und vom 24. April 1991 – BVerwG 7 C 12.90 – BVerwGE 88, 143). Immissionen, die nach den Vorschriften des Immissionsschutzrechts hinzunehmen sind, sind auch aus der Sicht des Städtebaurechts zumutbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. September 1983 – BVerwG 4 C 74.78 – BVerwGE 68, 58 und vom 24. September 1992 – BVerwG 7 C 7.92 – Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22). Einen identischen Maßstab verwendet der Gesetzgeber schließlich in dem vom Berufungsgericht analog herangezogenen § 906 Abs. 1 BGB, wonach der Eigentümer eines Grundstücks u. a. die Zuführung von Geräuschen von einem anderen Grundstück verbieten kann, soweit die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber, daß mit der Wesentlichkeit keine andere Zumutbarkeitsschwelle bezeichnet wird als mit der Erheblichkeit (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 1988 – BVerwG 7 C 33.87 – a.a.O. und vom 19. Januar 1989 – BVerwG 7 C 77.87 – a.a.O.; BGH, Urteil vom 23. März 1990 – V ZR 58/89 – BGHZ 111, 63).
Der Begriff der Sozialadäquanz erfüllt dagegen keine eigenständige Maßstabsfunktion. Der Kreis der zumutbaren Immissionen wird durch ihn weder erweitert noch verengt. Er dient in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich als Differenzierungsmerkmal, das es unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ermöglicht, der jeweiligen Art der Störung Rechnung zu tragen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß sich der Grad der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit nicht losgelöst von allgemeinen Wertungen, die in rechtserheblichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden haben, abstrakt festlegen und an einem starren Lärmwert ablesen läßt. Beleg hierfür sind die bislang entwickelten Grenz- und Richtwertsysteme, die sich zwar allesamt mehr oder weniger eng an die Baugebietseinteilung der Baunutzungsverordnung anlehnen, die Zumutbarkeitsgrenze aber ganz unterschiedlich bezeichnen, je nachdem ob ihr Ziel die Abwehr von Gewerbelärm (vgl. die Nr. 2.321 der TA Lärm), Verkehrslärm (vgl. § 2 der Verkehrslärmschutzverordnung) oder Freizeitlärm (vgl. § 2 der Sportstättenverordnung) ist. Die Standards, die in ihnen festgeschrieben werden, legen Zeugnis davon ab, daß die Baugebiete der Baunutzungsverordnung unter dem Blickwinkel des Schutzes der Wohnnutzung einerseits und der Ermöglichung lärmintensiver Tätigkeiten andererseits ein Kontinuum bilden, an dessen einem Ende der Schutz des Wohnens stark ausgeprägt ist (reines Wohngebiet) und an dessen anderem Ende der ggf. mit massiven Lärmbeeinträchtigungen verbundenen Betätigung ein ausschließlicher Vorrang gebührt (Industriegebiet). Gleichzeitig sind diese Regelungen Ausdruck der Einsicht, daß bestimmte Nutzungen sich auch in Gebieten, die nach ihrer Eigenart gegen Lärmimmissionen weitgehend abgeschirmt sind, nicht gänzlich konfliktfrei nebeneinander ausüben lassen. Sind in einem Baugebiet verschiedenartige Nutzungen zulässig, so stellt der Gesetzgeber damit klar, daß er sie ohne Rücksicht auf ihre etwaigen Störpotentiale als grundsätzlich miteinander verträglich ansieht. Aus der Tatsache, daß Kinderspielplätze als sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung auch in einem reinen Wohngebiet zulässig sind, hat der Senat deshalb gefolgert, daß die mit der bestimmungsgemäßen Nutzung verbundenen Beeinträchtigungen von den Nachbarn hinzunehmen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 4 C 5.88 – Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 7). Für sonstige Nebenanlagen oder Einrichtungen, die i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dem Nutzungszweck des Baugebiets dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen, gilt dies sinngemäß. Unzulässig sind solche Anlagen nicht schon deshalb, weil sich ihre Benutzung auf die nähere Umgebung unvermeidbar nachteilig auswirkt, sondern erst dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die dazu führen, daß die Belastung der Nachbarn über das Maß hinausgeht, das typischerweise zugemutet wird. Von ähnlichen Erwägungen getragen sind auch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1983 – BVerwG 7 C 44.81 – BVerwGE 68, 62 und vom 29. April 1988 – BVerwG 7 C 33.87 – (a.a.O.). Der 7. Senat hat in der Entscheidung vom 7. Oktober 1983 liturgisches Glockengeläute der Kirchen im herkömmlichen Rahmen als einen vom Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG erfaßten Akt freier Religionsausübung gekennzeichnet und hieraus abgeleitet, daß es sich um Geräuschimmissionen handelt, die als sozialadäquate Einwirkung zumutbar sind. Im Urteil vom 29. April 1988 hat er unter Hinweis auf den Gesichtspunkt der sozialen Adäquanz bei der Beurteilung der Zumutbarkeitsfrage der Tatsache Bedeutung beigemessen, daß die öffentliche Aufgabe des vorbeugenden Brandschutzes, in deren Wahrnehmung herkömmlicherweise Alarmsirenen aufgestellt und betätigt werden, wirksam nur erfüllt werden kann, wenn die Alarmanlagen – auch nachts – eine möglichst gleichmäßige und ausreichend laute Beschallung der bebauten Ortslagen, insbesondere auch der Wohnbereiche, gewährleisten. Unter Berücksichtigung dieser normativ festgelegten Zweckbestimmung hat er Sirenengeräusche als unzumutbar erst dann eingestuft, wenn bei durchschnittlich lärmempfindlichen Menschen ausgeprägte Schreckreaktionen, Schmerz und deutlich spürbare Nachwirkungen wie Einschlafschwierigkeiten ausgelöst werden.
Die Beschwerde legt nicht dar, in welcher Richtung diese Rechtsprechung fortentwicklungsbedürftig sein könnte. Sie beschränkt sich letztlich darauf, Kritik am Berufungsgericht zu üben, das sich auf den Standpunkt gestellt hat, daß sich die Lärmbeeinträchtigungen, die durch den als Nebenanlage i. S. des § 14 Abs. 1 BauNVO qualifizierten Wertstoffhof hervorgerufen werden, in den Grenzen dessen halten, was die Kläger hinzunehmen haben. Ob eine Belästigung als erheblich zu qualifizieren ist, ist indes Teil der fallbezogenen tatrichterlichen Würdigung (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 4 N 6.88 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 50). Einen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde in diesem Punkt nicht mit ihrem Einwand auf, der von der Vorinstanz verwendete Begriff der Sozialadäquanz dürfe nicht dazu führen, den Betroffenen jegliche Lärmbelästigung zumutbar zu machen. Das Berufungsgericht hat sich nicht der Einsicht verschlossen, daß auch bei Anlagen, die als „ortsüblich, wohntypisch und sozialadäquat” in einem Wohngebiet an sich unbedenklich sind, das Lärmniveau eine Rolle spielt. Hätte es diesem Gesichtspunkt keine Bedeutung beigemessen, so wäre es überflüssig gewesen, sich mit den Ergebnissen der schalltechnischen Untersuchung vom 16. März 1995 auseinanderzusetzen. Daß das Berufungsgericht aus dem Gutachten nicht die Folgerungen gezogen hat, die die Beschwerde für geboten hält, beruht darauf, daß es weder der TA Lärm noch der VDI-Richtlinie 2058, die beide auf die Beurteilung von Gewerbelärm zugeschnitten sind, einen verbindlichen Maßstab für die Feststellung der Zumutbarkeit der mit der Benutzung des Wertstoffshofs verbundenen Lärmbeeinträchtigungen hat entnehmen können. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach verbietet sich eine starre und schematische Anwendung dieser technischen Regelwerke auf Geräusche, die von nichtgenehmigungsbedürftigen Anlagen nichtgewerblicher Art herrühren (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. April 1991 – BVerwG 7 C 12.90 – a.a.O. und vom 24. September 1992 – BVerwG 7 C 6.92 – BVerwGE 91, 92). Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft die Beschwerde auch insoweit nicht auf.
2. Die Divergenzrüge ist unzulässig. Sie genügt nicht den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 7. Oktober 1973 – BVerwG 7 C 44.81 – (a.a.O.) die Auffassung vertreten, daß Geräuschimmissionen durch liturgisches Glockengeläute der Kirchen im herkömmlichen Rahmen regelmäßig keine erhebliche Belästigung i. S. des § 3 Abs. 1 BImSchG, sondern eine zumutbare, sozialadäquate Einwirkung sind. Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß für unvermeidbare Lärmbeeinträchtigungen, die von einem Wertstoffhof herrühren, Entsprechendes gilt. Selbst wenn es hierbei den vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 7. Oktober 1983 formulierten abstrakten Rechtssatz mißverstanden haben sollte, läge hierin keine Divergenz i. S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Denn das Berufungsgericht hat seinerseits keinen Rechtssatz aufgestellt, der geeignet ist, die vom Bundesverwaltungsgericht geäußerte Rechtsmeinung in Frage zu stellen.
3. Auch die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs hat schon deshalb keinen Erfolg, weil für die bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Kläger hinreichende prozessuale Möglichkeiten bestanden, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 1995 enthält u. a. die Angabe, daß „sich der Klägervertreter mit einer Schriftsatzfrist von zwei Wochen einverstanden” erklärt habe. Dies stellt die Beschwerde nicht in Abrede. Sie macht lediglich geltend, der Zeitraum, der vom Gericht für eine ergänzende Stellungnahme eingeräumt worden sei, sei für eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Lärmgutachten vom 16. März 1995 letztlich zu kurz bemessen gewesen. Dem Prozeßbevollmächtigten stand es frei, von vornherein auf einer längeren Äußerungsfrist zu beharren. Auch war es ihm unbenommen, noch nach Ablauf der Nachfrist Erklärungen abzugeben (vgl. § 283 ZPO).
Der geltend gemachte Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung keinen falschen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Es geht, was die Lärmbelastung der Kläger ohne die wöchentliche Entleerung der Glascontainer betrifft, von einem Beurteilungspegel von 46 dB (A) aus. Die Beschwerde meint demgegenüber, die Vorinstanz habe auf einen Dauerschallpegel von mindestens 52 dB (A) abstellen müssen. Dies entspricht indes nicht den Ergebnissen der Berechnungen, die im Lärmgutachten vom 16. März 1995 auf der Grundlage von Lärmmessungen angestellt worden sind. Der Wert von 46 dB (A) wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß außer den Glascontainern auch die Behälter für Papier und Pappe, und zwar mehrfach in der Woche, mit hohem Lärmaufwand entleert werden. Diesem Umstand ist in dem Gutachten, auf das sich das Berufungsgericht gestützt hat, Rechnung getragen. Der Sachverständige hat berücksichtigt, daß bei diesen Entleerungsvorgängen Pegel von 75,0 dB (A) auftreten, die sich, isoliert betrachtet, in einem Beurteilungspegel von 50,2 dB (A) niederschlagen. Trotz dieser Belastungen, die weit über die Pegel hinausgehen, die beim Einwerfen von Glas, Dosen, Papier oder Pappe auftreten, überschreitet die Gesamtbelastung nach seiner Darstellung den für reine Wohngebiete nach der TA Lärm und der VDI-Richtlinie 2058 maßgeblichen Immissionsgrenzwert von 50 dB (A) nur dann, wenn die Geräusche hinzugerechnet werden, die bei der Glascontainerentleerung entstehen (82,4 dB (A); Beurteilungspegel: 59,8 dB (A). Aber auch in diesem Falle liegt der Beurteilungspegel mit 60,4 dB (A) deutlich unter dem Höchstbeurteilungspegel von 70 dB (A), der nach den vom Berufungsgericht lediglich als Anhalt herangezogenen Regelwerken an bis zu 18 Tagen im Jahr zulässig ist.
Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung auch keinen aktenwidrigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Die Beschwerde hält ihm ohne Erfolg vor, verkannt zu haben, daß der Beklagte die im Berufungsurteil erwähnten Schallschutzmaßnahmen (Abdichtung des Palisadenzauns, Wegdrehen der Glasbehälteröffnungen) bereits vor den Lärmmessungen am 16. März 1995 getroffen habe. Das Berufungsgericht mißt den Lärmschutzvorkehrungen ausschließlich Bedeutung im Zusammenhang mit den schalltechnischen Hinweisen des Bayerischen Landesamts für Umweltschutz bei, denen die Empfehlung zu entnehmen ist, bei der Errichtung von Wertstoffhöfen bestimmte – hier nicht eingehaltene – Abstände einzuhalten.
Das Berufungsgericht hat seine Aufklärungspflicht nicht verletzt. Nach seiner materiellrechtlichen Einschätzung erfüllen die mit der Benutzung des Wertstoffhofs verbundenen Geräuschbeeinträchtigungen mangels Erheblichkeit nicht die Merkmale schädlicher Umwelteinwirkungen. Von diesem Ansatz her erübrigte es sich, der Frage nachzugehen, ob es geräuschärmere Container auf dem Markt gibt oder der Wertstoffhof an einer anderen Stelle im Gemeindegebiet hätte errichtet werden können. Der Nachbar, der sich gegen hoheitliche Immissionen zur Wehr setzt, kann lediglich beanspruchen, vor schädlichen Umwelteinwirkungen bewahrt zu bleiben. § 22 Abs. 1 BImSchG bietet ebensowenig wie § 15 Abs. 1 BauNVO oder § 906 Abs. 1 BGB eine Handhabe dafür, Geräuschimmissionen unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit abzuwehren, selbst wenn nach dem Stand der Technik Lärmminderungsmaßnahmen möglich wären oder sich die Beeinträchtigung dadurch gänzlich vermeiden ließe, daß für die Anlage ein anderer Standort gewählt würde.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Halama
Fundstellen
Haufe-Index 543729 |
BRS 1996, 183 |